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Nochmals Sultan. — Nachträgliches zu 62, 714 flf. —
Zum Grab Abu'lfidä's in Hamä.
Von C. F. Seybold.
Im Anschluß an meine S. 563 f., 714 f. von Band 62 ange¬
deutete Begriffsentwicklung des ursprünglich abstrakten zum konkret
persönlichen sultän ist noch folgendes zn erwähnen. Weil hat in
seiner Geschichte der Chalifen II, 345 eine lange Anmerkung über
Sultan mit mehreren unsicheren oder undeutlichen Angaben aus 5
dem 9. Jahrhundert, znm Schluß auch die bekannte Notiz Ibn
^[aldün's, wonach erst die Büjiden im 10. Jahrhundert den Sultans¬
titel annahmen (später die Gaznawiden usw.) ; vgl. dagegen St. Lane-
Poole, Mohamm. Dynasties, p. 140. Vgl. A. Müller, Islam I, 556, A. 2.
Es macht mich nun Kollege C. H. Becker gütigst noch darauf 10
aufmerksam, daß sich s. E. die Personifizierung des ursprünglich im
Arabischen „Herrschaft" bedeutenden Wortes an der Person des
Statthalters vollzogen hat: „schon im I.Jahrhundert der Higra
heißt der Statthalter Sulfän, nicht nur literarisch, sondern in alten
Papyri sehr geläufig. Soweit ich sehe, ist amir immer der Statt- 15
halter X, also ein bestimmter; sultän ein unbestimmter, beliebiger
Statthalter". Ich würde sagen, der Statthalter repräsentiert eben
die Staatsgewalt, ist die höchste Obrigkeit sultän ; dies ist aber
noch nicht bestimmter Titel des Emir so nnd so, sondem man
spricht nur vom Emir im allgemeinen als sultän „Herrschaft" ; 20
vgl. Becker's Beiträge zur Geschichte Ägyptens 90 Anm. 6, 121.
So kommt sultän neben emlr in Severus Ibn al Mokaffa''s Historia
Patriarcharum Alexandrinorum häufig vor : ich zitiere nur eine mir
gerade sich bietende Stelle meiner Ausgabe I, S. 265, 13: 0^
gJi jtoA ^is. lä^JUjj ''T^-^ j"^ '^'^ lS^' ,^1 hl.w ^j^. (so öfters 25
in der Wendung: es kommt ein neuer Statthalter ^LLLw»
OsjiX.»-); gleich darauf, wie der bestimmte Statthalter wirklich
Z. 18 f. kommt, heißt es ya/o Jjo, Juds Jou |^
^Lb ^ xüt iAas ^^^A^lw-^Jt i^ULo iXxc ^ tjA^t. Auch die
arabische Histoire Nestorienne (Chronique de S6ert) in Patrologia 30
330 Seybold, NochrmU Sultän. — Nachträgliches zu 62, 714 ff.
Orientalis III, 3») spricht z. B. 232 = [22,] 3 von einem nicht
näher genannten Statthalter von Antiochien (im Unterschied vom
Kaiser Aurelian) als Sultan, vrelcher in Folge von Bestechung den
Paulus von Samosata unterstützt habe [XaS'LLuIj] i^LäS" ^jUiL-Jt üJjIcj
5 LijJL*). Vgl. ESO. II, 393 ^LLJLJ! oL^i funzionari; ebd. 450.
Kollege Ravaisse schreibt mir noch: ,Je regrette de n'avoir
pas songe ä vous dire, p. ex., que le mot sultan, vieux comme la
royaute, figure dans les Annales des Rois d'Assyrie, Inscriptions
des Fastes (p. 181) de Mdnant: ,Khanou . . ., siltan du pays de
10 Musuri (Egypte)". Ce titre est beaucoup plus ancien en Islam que
ne le pense Lammens. Dja'far b. Yahya Barmaky fut nomme '
^.^1 UI ,.. pour bien marquer l'universalitö de ses fonctions administra¬
tives et de son röle dans I'Etat; et de fait, toutes les charges qui
reinvent d'un sultän lui furent dövolnes. Ibn Khaldoün 5C/:j^jw til ;
16 Slane II, 9. Le mot ^LLL« designe en persan moderne un simple
capitaine (Hauptmann)".
Der umgekehrte Fall zu der vulgären Wortkontraktion in
fulkerem aus Tür elker(e)m 62, 715 f., 'Angar aus 'Ain algarr 720 u. a.
bietet sich in der gelehrten Art von volksetymologischer Erweiterung,
20 die ich in meinem Verzeichnis der arabischen Handschriften I,
1) Es kann nicht streng genug geriigt werden , wenn ein Verlag wie Firmin Didot doch wissenschaftlich sein sollende Werke, wie die Lieferungen der Patrologia Orientalis, sämtlich ohne bestimmte Angabe der Jahreszahl er¬
scheinen läßt. Das vor einen ersten Faszikel gesetzte kirchliche Imprimatur kann ja das oft viel spätere Erscheinen selbst der ersten Lieferung gar nicbt bestimmt andeuten, es ist höchstens ein oft weit zurückliegender terminus a quo. In Basset's Synaiaire arabe jacobite I fehlt selbst da noch die Jahreszahl „Imprimatur.
Parisiis die 19 Septembris. E.Thomas, Vic.Gen.*!! An der Histoire Nestorienne haben 4 orientalische und einige französische Geistliche herumgearbeitet, sie scheint aber nicht ganz so verpfuscht, wie die fehlerstrotzende sogenannte Aus¬
gabe und Übersetzung der History of the Patriarchs of the Coptic Church of Alexandria I, 1904, II, 1905, wo unkritische Orientalen, Trabanten und Hand¬
langer von Abb^ Nau (junge Maroniten, Chaldaeer, Armenier, die zeitweilig am Seminaire de l'Universite Catholique in Paris studieren) an Evetts' schon vorher gar nicht einwandfreiem Text, tjbersetzung , Noten ganz willkürlich herum¬
fuhrwerkten. Statt meine klaren kurzen Beweise für die Wertlosigkeit der sogenannten Ausgabe und Übersetzung der in Paris noch verballhornten, aber unter Evetts' Namen segelnden History in Revue critique 1905 II, 235—236 irgend zu widerlegen , hat Abbe Nau als absoluter Ignorant in Arabicis sich erdreistet, in unerhörtem Polterton allerlei Behauptungen gegen mich aufzustellen, die schon in ihrem ganzen Habitus den Stempel der Unrichtigkeit an der Stirn tragen. Auf diese Pariser Fehlerfabrik mit Hunderten, ja Tausenden von Schnitzern, besonders hinsichtlich der in Historicis so einzig wichtigen Eigen¬
namen, werde ich noch zurückkommen.
2) Kollege A. Fischer verweist noch gütigst auf ^1 in Nawawl's
Tahdlb alasmä' (Biographical Dictionary) i^lo, penult.
Seybold, Nachträgliches zu 62, 714 f. — ZumGrab Abu'lfidä's etc. 331
Tübingen 1907, S. 70 f. für das slavische Belgrad (serbisch Beogi-ad;
vgl. russisch Bjelgorod, Belgard in Pommern) = Weissenbnrg an¬
gedeutet habe, wenn es dort zu (jo]yii\ ^ arabisiert wird (sonst
türkisch L>!yiL^)).
Neben ^^jacUj>- S. 716 kommt auch die differenzierte Form 5
JwAcUi- vor; vgl. umgekehrt ^^jaäxj aus 5Nn-'3, ^^^ac^j aus bsrnn;
i^AjJi^ o-o steht neben Jo^x:?- ui^; Jo^^jJ und ^^^lXjij =
Balduin; Brockelmann, Gnindriß I, S. 221.
Zu S. 719, 20 gebe ich die näheren Entsprechungen der Planeten:
Nebo-Merkur, Nergal - Saturn , Ninib-Mars, Marduk-Jupiter , IStar- lo
Venus, vgl. GGA. 1909, 57.
Graf V. Mülinen hat uns in 62, 657—60 willkommene Notizen
und 4 hübsche, wohlgelungene kleine Bilder (auf 2 Tafeln) von
Abu'l-Fidä's Tui-be (Grabkapelle) bei der von ihm selbst gebauten
Schlangenmoschee gegeben. Statt der nicht so ganz durchsichtigen i5
Situationsbeschreibung S. 657, 15—20 hätten wir lieber eine kleine
Planskizze für die ganze Anlage im Verhältnis auch zu den übrigen
Stadtteilen, zu Burg und Orontes gewünscht, was Graf v. Mülinen
vielleicht noch nachliefern möchte. Erwünscht wäre auch ein Faksimile
der arabischen Inschrift über dem Eingang der Schlangenmoschee so
657, 25 ff. gewesen. Der Anfang ist sicher nach Analogien folgender¬
maßen zu ergänzen:
gJ! ^L*J! ür,Lxt! [xlJ^l «j^ jöc^
Die stehende Formel tJU»-ß *JU! »lX*jij 658, 2. 3 würde ich
nicht übersetzen „welchen Gott in seine Barmherzigkeit eingehen ss
lassen möge', sondern wie alle Lexika es geben; vgl. Lane 2291'':
God covered him with his mercy as with a veil; veiled him there¬
with, clad him, or invested him therewith. Auch für die Inschrift
658, 20 ff. im Innern der Moschee wünschten wir ein Faksimile; das
Eingeklammerte „(fehlt . . . [Titel] ...?)' ist vielmehr als Attribut so
zur Moschee so zu ergänzen: (vgl. Marrekoshi 271,6) b^Uju y>\
1) Kollege Kavaisse schreibt mir: „^Ixit me fait penser & cette autre alteration: le vieux ijij^ll j*Ji\ \JSy^% »u Caire, est devenu dans la
i c-
bouche du peuple (jijj>^t üSj^ (margoüch). Connaissez-vous la bizarre fa9on dont nos chroniqueurs du moyen äge transcrivent le nom du sultan ottoman Mouräd-Khän? Soldan Almorabaquin ?*
2 «
332 Seybold, Zum, Grab Abu'lfidä's.
ü«t l] j^Ui-) vielleicht noch dazu ein v_ftjyiJ! oder ein (j*i\iU!
oder ein ähnliches Epitheton und das folgende ^^jj,, das keinen
Sinn giht (daher auch in der Übersetzung übergangen ist), ist wie oben
wiederum^) liS^Li!. Auch von der Sarkophaginschrift wünschten
5 wir Faksimile, doch wird das Photographieren vielleicht nicht überall gestattet gewesen sein in dem altehrwürdigen, als fanatisch geltenden Hamä. Auffallend ist, daß Graf v. Mülinen nicht die eingehendsten
biographischen Notizen über Abu'lfidä von Reinaud (de Slane) in
der klassischen Geographie dAboulfeda, Texte arabe 1840, Preface
10 X, XVII, XXII, XXVIII und Introduction 1848, X, XXVII benutzt
hat, wo so oft von der von Abu'lfidä bei Lebzeiten für sich (und
die Seinen) erbauten Grabkapelle die Rede ist, wodurch die Be¬
denken Graf V. M.'s S. 659 f. gegenstandslos werden ; mehrmals gleich-
* t I
lautend steht dort: öUä L^Liol ^-äJI jUCJj_Xj
15 fut enterr6 dans le torhi (mausolee) qu'il s'etait fait construire
3 1
ä Hamat' oder juLcioL Xi.ytt! i5 q*'->} »Uä äjLsj oöKj
fS*j>-^ xJlI! rsiXtJÜ 'tJu*, ^^jjy^ »La mort d'Aboulfeda eut lieu
ä Hamat et il fut enterre dans le tombeau qu'il s' y etait fait
construire; il etait äge de plus de soixante ans. Que dieu le
20 couvre de sa misdricorde !' Die Übersetzung „plus de 60 ans*
für üÄ*« i^yir^ nicht richtig: es heißt bloß „60 Jahre alt'
oder „im 60. Lebensjahr*, vgl. Caspari- Wright ' II, 143, und die
genauere Datumsbezeichnung oben: Texte arabe. Preface X, XVII
^^juiu^Jl Jjtjl ^3 oL*s „il mourut au commencement de
26 la soixanti^me annee de sa vie*. Ebenda XXXII — V, Introduction
XXXI hätte Graf v. M. auch über Abu'lfidä's Sohn Mohammad el Malik
al Afdal Näsir eddln erfahren, daß er erst 30 Jahre alt in Damaskus
gestorben (742 = 1341) nach Hamä übergeführt und in der Grab¬
kapelle seines Vaters beigesetzt wurde sL».^. »lXJ!j äj^j ^'*s>-^
>
80 Ljj Q.tJij. Von seinem Sarkophag scheint allerdings keine Spur mehr
vorhanden zu sein, da Graf v. M. eben nur den einen Abu'lfidä's am
Türeingang vorfand.
1) Vgl. das stehende ijS^Li! tX:S\Ai*I! oder ^Li^ in van Berchem's Inschriftenwerken.
2 6
Seybold, Zum Grab Abu'lfidä's. 333
Ehrwürdig wie die Gruft des ritterlichen Kreuzzugshelden
Saladin in Damaskus erscheint uns auch die Grabstätte des helden-
"haften und gelehrten Fürsten Abu'lfidä von Hamä, des Ururur-
enkels eines Bruders Saladin's, dessen zwei Hauptwerke, die Annalen
und die Geographie, uns viel früher in trefflichen Ausgaben zu- 5
ganglich gemacht wurden, als die älteren Quellenwerke, aus denen
der fürstliche Verfasser geschöpft hatte. Deshalb sind wir Graf
V. Mülinen für seinen Besuch in Hamä und seine Aufnahmen der
Schlangenmoschee mit dem schlichten Mausoleum Abu'lfidä's zu
gebührendem Dank verpflichtet*). 10
1) Brockelmann, Gesch. der arab. Litter. II, 44—46 hat in seinem kurzen Auszug aus Wüstenfeld's Geschichtschreibern Kr. 398 (S. 161—166) den von diesem übersehenen Urgroßvater Mohammad natürlich auch ausgelassen , vgl.
die Kjjubidenstammtafel bei Lane-Poole, Mohammaden Dynasties p. 76. Über die vierbändige, sehr billige Plagiatausgabe des Kitäb almufjiafar fl äkbär albaiar, Cairo 1325, nach der Constantinopler vierbändigen vom Jahr 1286, sowie über die Nichtexistenz einer angeblich vierbändigen Stambuler Ausgabe der Tatimmat almuhtasar von Ibn al Ward! (Brockelmann II, 140 nach Wüsten¬
feld Nr. 412) siehe jetzt Nallino, ESO. II, 456.
2) Carl Kilter's Erdkunde, Band 17, S. 1031—1050 enthält eine ein¬
gehende Beschreibung von ,Hamah' nach allen älteren Quellen, aber keine namentliche Erwähnung der Schlangenmoschee mit der Grabkapelle Abu'lfidä's.
Eine kurze Notiz Uber Abu'lfidä's Grab hat auch Gertrude Lowthian Bell in ihrer ansprechenden, reich illustrierten Reisebeschreibung in Syrien: The Desert and the Sown, 1907, p. 230 (nur sind die arabischen Namen doch noch öfters fehlerhaft, z. B. Abu'lfidä, auch im Index 341 und noch in der deutschen Aus¬
gabe: Durch die Wüsten und Kulturstätten Syriens, 1908, S. 222). Wir er¬
fahren hier auch genauer, daß die Schlangenmoscbee am Ostufer des Orontes liegt: , The Muteserrif [Mutasarrif] lent me bis victoria that I may visit the parts of the town that lie on the eastern banks of the Orontes, and Kbcs and I drove off with two outriders quite exceptionally free from rags. The eastern quarter, the Hädir [hädir] it is called, is essentially the Bedouin quarter; the city Arabic is replaced here by the rugged desert speech, and the bazaars are filled with Arabs who come in to buy coffee and tobacco and striped cloaks.
It contains a beautiful little ruined mosque, said to be Seljuk, called el Hayyät [hajjät], the mosque of Snakes, after the twisted columns of its windows. At the northern end of the courtyard is a chamber which holds the marble sarco¬
phagus of Abu'l Fida [Fidä], Prince of Hamah, the famous geographer. He died in 1331; his tomb is carved with a fine inscription recording the date according to the era of the Hejra.*
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Zum arabischen Lexikon.
Von C. F. Seybold.
^- e^j ^
In meiner Besprechung von de Goeje's trefflicher Chrestomathie:
Selections from Arabic Geographical Literature (Semitic Study
Series VIII), Leiden 1907, in DLZ. 1908, 315 f., habe ich zu S. 5, 2
5 darauf hingewiesen, daß in den Lexiken nirgends verzeichnete Phrasen
und Wendungen, wie die folgende in der Seemannssprache offenbar
ganz geläufige Ausdrucksweise, in dem als Kommentar, auch für
Anfänger und Autodidakten, gedachten Glossary erklärt werden
müßten. Istahri 30, 11 = Ibn Hauqal 37, 7 heißt es nämlich: iöij
10 «J^JL» iJ>Ji+*» ^ t^^, Edrisi, L'Afrique
et l'Espagne 164, 9 zu gJ! g-J^t ^;>^ töt^ vereinfacht
hat; hiezu vergleiche noch Jäküt II, 56, 7 ^J^'^^ <l>Ss>
Schon 1845 hat A. D. Mordtmann in seiner ungenauen Übersetzung
Istahrl's ,Das Buch der Länder', Hamburg, S. 17 (nach Möllers
15 lithographischer Faksimile-Ausgabe des Gothaer Kompendiums 1839)
an diesem ^^^^ Anstoß genommen und es einfach weggelassen,
indem er übersetzt: (,wenn der Wind aus Süden weht, so kann
das Schiff gar nicht in das Fahrwasser gelangen'): da es ihm nicht
ganz wohl dabei ist, bemerkt er dazu S. 146 in der Anmerkung 52:
20 ,Der Text ist mir hier etwas undeutlich und ich bin nicht sicher,
ob ich die eingeklammerte Stelle richtig übersetzt habe". Ich habe
a.a.O. lS^*^' '^^^ schlimmste, niederträchtigste Wind"
erklärt, verleitet durch die Schilderung der gefährlichen Passagen
an den obigen Stellen. Kollege Snouck Hurgronje') macht mich
1) Zitiert mir nocii den lebenden Spracbgebraucli in: adna süt jefcujgi'u der geringste Laut ersehreckt ihn; ida nieiet adna mesäfa, te'ibt wenn ich die geringste Entfernung gehe, ermiide ich mich. Kollege Fischer macht mich
iL