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Frauenverachtung, Weltverachtung? Metaphysische Anfragen an den Begriff Welt in postmodernen Globalisierungszeiten

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1 Hannah Arendt, Der Liebesbegriff bei Augustin. Versuch einer philosophischen Interpretation (Springer: Berlin 1929); vgl. Andrea Günter, Die weibliche Hoffnung der Welt: Das Gebo- rensein der Menschen und der freie Sinn der Geschlechterdifferenz(Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2000), v.a. 57-78; dies.: “Die Welt zur Welt bringen: Das Symbolische, Politik und Gebürtigkeit bei Hannah Arendt, den DIOTIMA-Philosophinnen und den Frauen des Mailänder Frauenbuchladens”, in: Heike Kahlert / Claudia Lenz (Hg.), Die Neubestimmung des Politischen. Denkbewegungen im Dialog mit Hannah Arendt(Helmer: Königstein/Taunus 2001), 167-200.

Frauenverachtung, Weltverachtung?

Metaphysische Anfragen an den Begriff “Welt”

in postmodernen Globalisierungszeiten

Wo bleibt die Welt? Zur Genese der Fragestellung

Seit den Anfängen meiner feministischen Sozialisation habe ich verinnerlicht, dass Frauenverachtung und Weltverachtung unmittelbar zusammengehören.

Seitdem weiß ich, dass es sich bei dem Denker, der Frauen- und Weltverach- tung miteinander verknüpft hat, um Augustinus handelt.

Auf Augustinus und seinen Begriff der Welt stieß ich wieder bei meiner Auseinandersetzung mit Hannah Arendts “Vita activa”. Arendt hat Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts ihre Doktorarbeit über den Liebesbegriff bei Augustinus geschrieben. Hierin kritisiert sie, wie die augustinische Vor- stellung der christlichen Nächstenliebe die Beziehung der Menschen, die die Welt stiftet, diffamiert und außer Kraft setzt.

Die Auseinandersetzung mit Augustinus kann als Weichenstellung für die späteren Arbeiten Arendts verstanden werden. So sollte die “Vita activa”

zunächst den Titel “Amor mundi” bekommen. Der Begriff der Welt und die Liebe zur Welt und zu den Menschen, so, wie sie sind und tätig werden, ist ein wesentlicher inhaltlicher Strang in der “Vita activa”. Es geht Arendt immer wieder darum, wie die Welt den Menschen Heimat ist und sein kann. Hierbei übernimmt Arendt von Augustinus den Weltbegriff.1

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2 Vgl. Andrea Günter, “Liebe zur Freiheit, Hunger nach Sinn: Weiberwirtschaft, Tausch und die Arbeit am Symbolischen”, in: Birge Krondorfer / Corinna Mostböck (Hg.), Frauen und Ökono- mie oder: Geld essen Kritik auf(Promedia: Wien 2000), 27-38; auch in: Peter Biehl u.a. (Hg.), Gott und Geld(Jahrbuch der Religionspädagogik 17; Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn 2001), 39-49.

Arendt und Augustinus verbinden die “Welt” zugleich mit der menschlichen Bedingung der “Gebürtigkeit”. Gebürtigkeit heißt für sie, in Form von Bezie- hungen in das menschliche Beziehungsgefüge einzutreten. An dieser Stelle verbindet sich die Mutter mit dem Begriff der Welt. Das Verhältnis zur Welt korrespondiert mit dem zur Mutter, und umgekehrt. Damit erklärt sich das gemeinsame Schicksal von der “Welt” und der “Frau”, genauer gesagt, von der Welt und der Mutter.

Diese Zusammenhänge sind mir immer wieder im Sinn, wenn ich über die Politik in Zeiten der Globalisierung nachdenke. Zumal als Folge der Globali- sierung sogleich die These im Raum stand, dass Frauen die neuen alten Ver- liererinnen sein werden, wenn sie sich nicht schnell genug anpassen. Hierfür sprechen nicht einfach nur Tatsachen wie die Güterverteilung zwischen den Geschlechtern, sondern vor allem symbolische Zusammenhänge. Daher halte ich es für notwendig, dass eine Feministin über den Begriff der Welt und sein – postmodernes – Schicksal nachdenkt.

Ich greife hierzu auf eine Einsicht zurück, die mich sowohl Arendt als auch die feministische Kritik am Androzentrismus gelehrt haben. Von Arendts

”Vita activa” habe ich gelernt, dass in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeitsgesellschaft immer weniger Arbeit zu verteilen hat, weniger die Frage ansteht, wie diese neu zu verteilen ist, sondern was Menschsein ist und was Gebürtigkeit bedeutet. Von der Androzentrismuskritik habe ich gelernt, dass ein Teilaspekt, der beansprucht, das Ganze zu sein, dringend auf seinen Platz verwiesen werden muss.2Diese Perspektive kann sich auch für die Auseinan- dersetzung mit der Globalisierung als fruchtbar erweisen: Was repräsentiert die Globalisierung? Die Welt? Oder ist die Welt etwa das, was den Horizont der Globalisierung bildet? Was aber ist dann Globalisierung? Und was ist die Welt?

Erfahrungen mit der Forschungslage: ein Spiegel des öffentlichen Bewusstseins?

Beim Bibliographieren stellte ich fest, dass es unzählige Titel mit dem Stichwort

“Welt” gibt. Es handelt sich um Texte über “Weltpolitik”, “Weltreligion”,

“Umwelt” und neuerdings über “Lebenswelt”. Die allermeisten Titel folgen

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3 In der klassischen Philosophie ist Heidegger die letzte wichtige philosophische Referenz nach Hegel. Außerdem setzt sich die Antikenforschung mit der “Welt” auseinander. Vgl. Gerold Prauss, Die Welt und wir(Metzler: Stuttgart 1990); Holger Sonnabend, “Welt”, in: Der blaue Reiter. Journal für Philosophie, Themenheft “Welt-Bilder”13 (2001), 82-83.

4 Johann Auer / Joseph Ratzinger, Die Welt – Gottes Schöpfung(Kleine Katholische Dogmatik 3; Pustet: Regensburg 1975); Gerhard Ebeling, Der Glaube an Gott, den Vollender der Welt (Dogmatik des christlichen Glaubens 3; Mohr Siebeck: Tübingen 1993); Ernst Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theis- mus und Atheismus (Mohr-Siebeck: Tübingen 1977; 72001); Hans Küng, Projekt Weltethos (Piper: München 1992; 72002).

aber dem Schema “Die Welt der Indianer”, “… der Delphine”, “… der Edel- steine”: Der Begriff “Welt” verweist auf ein Ganzes, auffällig häufig auf ein Anderes, Fremdes, Unbekanntes als ein Ganzes, manchmal auch auf das eigene Ganze (“Lebenswelt”).

Begrifflich ist zu “Welt” in den letzten Jahrzehnten so gut wie nicht gear- beitet worden. Der letzte Meisterdenker, der mehrfach den Begriff “Welt” in seinen Titeln verwandte, war Heidegger.3Ferner kommen auch systematisch theologische Arbeiten aufgrund des ambivalenten christlichen Verhältnisses zur Welt nicht umhin, immer wieder Stellung zum Verhältnis von Christentum und Welt zu beziehen.4

Am meisten hat mich bei meinen Nachforschungen jedoch verblüfft, dass von feministischer Seite aus das Verhältnis von “Frauenverachtung” und

“Weltverachtung” nicht aufgearbeitet wurde. Die Kritik an der “Frau” als der Anderen hat zwar dazu geführt, dass Wissenschaftlerinnen weitere Phänomene, die des gleichen als das “Andere des Männlichen” galten wie “Natur”, “Mate- rie”, “Besonderheit”, “Schwarzsein”, “Jüdischsein” oder “Homosexualität”, in Verbindung mit “Weiblichkeit” aufgearbeitet haben. Das Wort “Welt” fällt hier jedoch nicht. Dafür scheint es mehrere Gründe zu geben:

1. Frauenbewegte Frauen haben die Welt als männlich besetzt und geformt erfahren. Der Feminismus hat die Welt in der Folge als männliche theoreti- siert. Diese Perspektive hat den Zusammenhang zwischen Frauenverachtung und Weltverachtung verdeckt.

Was die Mutter betrifft, so wurde sie üblicherweise der Natur zugeordnet.

Des gleichen wurde sie nur selten als die “Andere” zum männlich-väterli- chen Diskurs in den Blick genommen. Hier spielt Augustinus eine löbliche Ausnahme. Die mütterliche Ordnung ist für ihn der Gegensatz zur väterli- chen. Allerdings zählt er die Mutter nicht zur Welt, sondern ihr (richtiges) Tun hat seinen Ursprung in Gott.

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5 Vgl. Hannah Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben(Piper: München 61981), 90; Augu- stinus, Bekenntnisse(dtv: München 1982), 1. Buch; Andrea Günter, Politische Theorie und sexuelle Differenz. Feministische Praxis und die symbolische Ordnung der Mutter (Helmer:

Königstein/Taunus 1998), 9 u. 189-191.

6 Eine Ausnahme bildet hier der französisch-italienische Differenz-Ansatz, zu dem ich Denkerin- nen wie Cixous, Irigaray und Kristeva zähle. Für den deutschen Feminismus vgl. Inge Stephan / Regula Venske / Sigrid Weigel, Frauenliteratur ohne Tradition? Neun Autorinnenporträts (Fischer: Frankfurt 1987), 7-9.

7 Außerdem scheint sich hier niederzuschlagen, dass die Frauenpolitik zu sehr auf die Spiegel- beziehung zwischen Frauen, auf Anerkennung und Wertschätzung von Frauen und zwischen Frauen gesetzt hat. Die Welt geht dabei verloren, weil es sich lediglich um imaginäre, nicht aber um politische und symbolische Beziehungen handelt. Denn diese meinen immer eine Öff- nung für das andere, die die Überschreitung der eigenen Position voraussetzt. Vgl. Andrea Günter, Die weibliche Seite der Politik. Ordnung der Seele, Gerechtigkeit der Welt(Helmer:

Königstein/Taunus 2001), 80; Libreria delle donne di Milano, Das Patriarchat ist zu Ende. Es ist passiert – nicht aus Zufall(Göttert: Rüsselheim 1996), 55-56.

Bei Arendt findet man die ungewöhnliche Aussage, dass die Gebürtigkeit nicht einem natürlichen, sondern einem weltlichen Phänomen entspricht.5 Für mich heißt dies, die Mutter nicht als Natur, sondern als weltliche Größe zu denken, als erwachsene Frau, die für das Kind zuerst die ganze Welt ist, ihm Welt vermittelt, selbst von der Welt geprägt wurde und auch Welt gestaltet. Die Mutter ist zuerst die Welt und steht später – auch bei Augu- stinus – zwischen dem Kind und der Welt.

Im Feminismus wurde die Mutter häufig als Figur der Identifikation des Weiblichen im Patriarchat betrachtet. Dies legt allerdings die männliche Tra- dition selbst nahe. Vielleicht kommt es zu dieser Zuschreibung, weil sie zwi- schen Kind und Welt steht, und für Frauen aus dieser Perspektive den Über- gang zur – vorgefundenen männlichen – Welt markiert.6Hier spiegelt sich wohl auch die Tendenz in Frauenbewegung und feministischer Wissenschaft, in Dualismen zu verbleiben. Die Auseinandersetzung mit dem Thema

“Welt” erfordert ein differenziertes Denken, das die Gleichzeitigkeit von

“männlicher Welt” und “Weltverachtung” analog der “Frauenverachtung”, und das heißt, die mehrfache, vielschichtige und ambivalente Positionierung der Frauen in Vergangenheit und Gegenwart in den Blick nehmen will. Der Begriff der Welt erlaubt, einen Zwischenraum zu denken, der Übergänge eröffnet und offen hält. Die Welt ist demnach nicht einfach männlich. Frauen hatten auch schon immer eine fruchtbare Beziehung zur Welt.7

2. Phänomene, die die Welt betreffen, werden in Form anderer Fragestellungen verhandelt. Eine zentrale Fragestellung ist beispielsweise “Gesellschaft”

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8 Vgl. Daniel Bell, Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus(Campus: Frankfurt 1991;

Neuauflage von: Die Zukunft der Welt. Kultur und Technologie im Widerstreit[Fischer: Frank- furt 1976]); Otfried Höffe, “Bausteine für ein ökologisches Weltethos”, in: ders., Moral als Preis der Moderne. Ein Versuch über Wissenschaft, Technik und Umwelt(Suhrkamp: Frankfurt 1993), 151-171; Carolyn Merchant, Der Tod der Natur: Ökologie, Frauen und die neuzeitliche Naturwissenschaft(Beck: München 1994).

9 Ist diese weibliche Form der Weltpolitik nicht eigentlich jesuanisch? Eine Politik, die die per- sönliche Rechtfertigung, den Kern der christlichen Kultur, in aller Radikalität zu praktizieren erlaubt? Dann wäre es kein Zufall, dass diese Weise der Politik in den christlichen Kontexten erfunden wurde und aufgegriffen wird. Vgl. José Ignacio González Faus, “Die Welt der reichen Länder und die Welt Lateinamerikas”, in: Ignacio Ellacuría / Jon Sobrino (Hg.): Mysterium Liberationis. Grundbegriffe der Theologie der Befreiung(Edition Exodus: Luzern 1995); Pedro Trigo, “Schöpfung und materielle Welt”, in: ebd., 637-676.

als Repräsentant eines umfassenden Ganzen. Eine andere ist die “Ökolo- giefrage”, in der Welt und Weiblichkeit auf eine bestimmte Art und Weise miteinander verknüpft sind, nämlich als Liebe zur Natur und der ganzen Erde. Hier trifft ein bestimmter Aspekt des Weltbegriffs, nämlich die Welt als “terra”, mit einer bestimmten symbolischen Verknüpfung von “Frau”

und “Natur” zusammen. Aber es ist auch die “Globalisierung”, die ein Ganzes der Erde und auf der Erde behauptet, allerdings einen spezifischen Aspekt dieses Ganzen, nämlich die ökonomisch-kapitalistisch arbeitsteilige Struktur der Welt, so dass auch dieser Weltbegriff eine Einschränkung enthält.8

Ein weiteres Beispiel zeigt die Befreiungstheologie: Hier geht es um eine bestimmte Sorge und Tätigkeit für die Welt in Abgrenzung zur christlichen Forderung nach Weltabstinenz, und das heißt in diesem Falle, nach Politi- kabstinenz. Im Hinblick auf die Befreiungstheologie könnte gefragt werden, inwiefern hier eine “weibliche Position in der Welt” aktiviert wird: Die Option für die Armen ist eigentlich die Politik derArmen im Unterschied zur Stellvertreterpolitik. Arme agieren aus der Position des Mangels und der Passivität, die zugleich den Frauen zugeschrieben wird: Weniger zu sein als der Mann, ihn zu ergänzen, niemals aber für das Ganze zu stehen, aber den- noch unauslöschbar Teil des Ganzen zu sein. Zeigt sich hier, dass es sich beim Begriff der Welt um bestimmte Beziehungsformen der Menschen han- delt? Und zwar gerade nicht um solche, die ausschließen, wie es die Logik der Macht erzeugt, sondern um solche, die sich vervollständigen, und zwar unabhängig von unserem eigenen Willen?9

3. Damit geht es bei der Welt um Verhältnisse, nämlich um die des Einzelnen zum Allgemeinen und des Teils zum Ganzen. Ob und wie das Einzelne und

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10 Luce Irigaray, Genealogie der Geschlechter(Kore: Freiburg/Breisgau 1989), 217; Manon And- reas-Grisebach, “Zwischen Vielheit und Ganzheit”, in: Arbeitsgemeinschaft Interdisziplinäre Frauenforschung und -studien (Hg.), Feministische Erneuerung von Wissenschaft und Kunst (Frauenforschung und Kunst 2; Centaurus: Pfaffenweiler 1990), 19-25; Slavoj Zizek, Die Nacht der Welt. Psychoanalyse und Deutscher Idealismus (Fischer: Frankfurt 1998), z. B.

59-61.

11 Dietmar Kamper / Christoph Wulf (Hg.), Rückblick auf das Ende der Welt (Boer: München 1990).

der Teil im Allgemeinen und Ganzen zu finden sind, erweist sich als grundsätzliche Problematik der abendländischen Geistesgeschichte. Slavoi Zizek bearbeitet diese Fragestellung unter dem Titel “Die Nacht der Welt”, mit dem er sie zur unbewussten Triebkraft der Philosophie erklärt. Auch hier gibt es ein gemeinsames Schicksal zwischen der Weltproblematik und der Frauenfrage. Luce Irigaray etwa hält fest, dass die Frau in der Tradition zwar immer gedacht wurde, aber immer nur als Abstraktion, nie als konkrete Frau. Auch mit der Frauenfrage stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Abstraktion und Konkretion neu.10

4. “Welt” ist von Anfang an einer der zentralen Begriffe der Metaphysik, so bei Aristoteles oder bei Kant. Nachdem nun die Metaphysik zusammen mit der Ontologie von der Postmoderne im letzten Jahrhundert kritisiert und verabschiedet worden ist, ist es kein Zufall, dass kaum mehr zum Begriff

“Welt” gearbeitet wurde. Im Vergleich mit der Destruktion von Konzep- ten wie “Ich” und “Gott” gibt es hier aber keine dermaßen explizite Aus- einandersetzung mit dem Begriff “Welt”.

Die Kritik am Konzept “Welt” schien mit dieser Diskussion immer impli- zit zu verlaufen, nämlich in der Kritik an “Identität”, “Universalismus” und

“Ganzheit”. 1991 endlich erscheint ein Buch mit dem sprechenden Titel

“Rückblick auf das Ende der Welt”. Hier wird das Ende der “Welt” mit den Argumenten konstatiert, mit denen postmoderne Meisterdenker auch die Metaphysik verabschiedet haben. Das Ende der Welt ist keine eigenständige Frage mehr, es ist die logische Konsequenz postmoderner Argumentationen und nur noch wie eine Rechenaufgabe zu behandeln. Die Denker haben ihre Hausaufgaben gemacht, sie sagen es selbst durch ihren Titel, und ihre Texte lesen sich wie Hausaufgaben für jemanden, der die Übungen kennt:

langweilige Wiederholungen der selben Argumentationen, Automatisie- rungen des Denkens, ohne eigenständige Diskussion um den speziellen Begriff “Welt”.11

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12 Dies dokumentiert der Themenschwerpunkt “Welt-Bilder” der Zeitschrift Der blaue Reiter.

Journal für Philosophie13 (2001).

13 Vgl. Noam Chomsky, Profit over people. Neoliberalismus und globale Weltordnung(Europa:

Hamburg / Wien 32000); Gert Kähler (Hg.), Dekonstruktion? Dekonstruktivismus? Aufbruch ins Chaos oder neues Bild der Welt?(Vieweg: Braunschweig 1991).

Ist der Begriff “Welt” deshalb falsch, weil er der Metaphysik angehört oder weil er in dieser dieselbe Funktion erfüllt wie das “Ich” und “Gott”? Dass der Begriff der Welt nicht in dieser metaphysischen Funktion aufgehen kann, darauf verweist die überlieferte begriffliche Unterscheidung von der Welt als

“mundus”, “saeculum” und “terra”. So stellt sich die Welt selbst als Kom- bination dreier Grundkategorien der Metaphysik heraus, deren Ende bislang keiner erklärt hat. Sie werden im Gegenteil als Alternative der Metaphysik gepriesen: Die Welt erweist sich als eine bestimmte Kombination von Zeit, Ort und Raum.

Für besonders problematisch an diesen Kurzschlüssen halte ich, dass diese Veröffentlichung sich im Kontext der Diskussion um die Globalisierung ansiedelt. Kann es eine politische Antwort auf die Globalisierung sein, dass es Globales nicht gibt, weil wir die Metaphysik und mit dieser die Welt ver- abschiedet haben? Dies aber legt die Ablehnung der Metaphysik durch die Postmoderne nahe.

5. Zugleich ist die Welt – bei Kant – der Inbegriff der Anschauung. Die Anschauung – sprachliche Verfasstheit der menschlichen Existenz, Bilder, Inszenierungen – wiederum ist der Focus der Postmoderne, so dass man sagen kann, dass die Postmoderne die Weltlichkeit der menschlichen Existenz gerade nicht verabschiedet, sondern ins Zentrum rückt.12

Meine persönliche Einschätzung des Verhältnisses von “Welt” und Globa- lisierung führt mich dazu, dass wir den Begriff Welt unbedingt klären müssen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Reduzierung der Vorstellung der Welt auf die Politik der Großkonzerne, des Neoliberalismus und der Kultur der neuen Medien – Welt als Anschauung – nur deshalb Sinn macht und machen kann, weil wir keinen angemessenen Begriff der Welt haben.13Erst wenn wir einen angemessenen Begriff der Welt gefunden haben oder zumindest in die Dis- kussion über den Sinn und die Bedingungen dieses Begriffs eingestiegen sind, werden wir einen Rahmen haben, in dem die an Großkonzernen orientierte Globalisierung, die Politik des Neoliberalismus und die neuen Medien als ein Aspekt, und das heißt, nicht als Welt, sondern lediglich als einer der Faktoren deutlich wird, die sie bedingen.

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14 Vgl. Aristoteles: Metaphysik(Rowohlt: Reinbek bei Hamburg 1999), 12. Buch; ders.: Über die Welt(Reklam: Stuttgart 1991); Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft(Meiner: Hamburg 1998); Josef Schmucker, Das Weltproblem in Kants Kritik der reinen Vernunft. Kommentar und Strukturanalyse des ersten Buches und des zweiten Hauptstückes des zweiten Buches der transzendentalen Dialektik(Bouvier: Bonn 1990); Christian Wohlers, Kants Theorie der Einheit der Welt(Königshausen uund Neumann: Würzburg 2000).

Dass die Politik der Globalisierung zugleich Parallelen mit der philosophi- schen Frage aufweist, bestätigt, dass es zugleich auch einen inneren Zusam- menhang zwischen Globalisierung und Metaphysik gibt. Denn auch bei der Glo- balisierung geht es um die Konstituierung eines Ganzen. Eines Ganzen, das sich lediglich als ein bestimmtes Ganzes erweist – etwa alle Internetbenutzer plus alle global agierenden Konzerne –, und bei dem deshalb die anderen, die nicht zu einer solchen Schnittmenge zählen, per definitionem ausgeschlossen sind.

Die Metaphysik und die Welt

Für Aristoteles zählt die Welt zu den Prinzipien, mit deren Hilfe die Menschen ihre Wahrnehmungen ordnen. Um gemeinsames Wissen aus den persönlichen Wahrnehmungen gewinnen zu können, stellen die Menschen Gemeinsamkei- ten beim Wahrgenommenen fest. Dabei gibt es grundlegende Größen, die allen von den Menschen wahrgenommenen Dingen zugrunde liegen. Dazu zählen Aristoteles zufolge etwa die Kategorien “Ort” und “Zeit”: Alles, was Men- schen wahrnehmen, befindet sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimm- ten Ort. Die Gemeinsamkeit von bestimmten Dingen kann dabei zuweilen in nichts anderem bestehen als darin, dass sie jemand zur gleichen Zeit am glei- chen Ort angetroffen und wahrgenommen hat.

Auch die Welt ist Aristoteles zufolge ein Parameter, der eine solche Gemein- samkeit benennt. Dieser Parameter besteht bei Aristoteles aus einer Kombina- tion mehrerer anderer Parameter. Die Welt besagt die folgende Kombination:

von den Menschen Wahrgenommenes an allen Orten und zu allen Zeiten. Der dritte Parameter neben Ort und Zeit ist dabei eine bestimmte Quantität, näm- lich “alle”. Dieses “alle” ist aber nicht einfach nur als Quantität zu verstehen, sondern zugleich als Qualität. Denn niemand kann an allen Orten und zu allen Zeiten all das wahrnehmen, was es wahrzunehmen gibt. Dieses Alles lässt sich nicht addieren.14

Selbst wenn man alle Menschen, die an allen Orten und zu allen Zeiten all das wahrnehmen, was jeweils da und dann ist, zu all den jeweiligen Orten und Zeiten addieren würde, ist eine Abstraktionsleistungvonnöten. Denn Menschen lassen sich nicht mit Orten, Orte wiederum nicht mit Zeiten addieren. Ferner

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15 Hannah Arendt, Wahrheit und Lüge in der Politik. Zwei Essays(Piper: München 1987), 61.

können Menschen nicht an allen Orten und zu allen Zeiten zugleich sein, weil sie nicht gleichzeitig leben. Ebensowenig werden alle Menschen das selbe wahrnehmen können, weil sie an jeweils unterschiedlichen Orten zu unter- schiedlichen Zeiten leben. Außerdem werden auch niemals alle Menschen sich an einem Ort und zu einem Zeitpunkt versammeln können, so dass sie aus- tauschen können, was sie alles erlebt haben.

Dennoch kann an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten Wahrge- nommenes im Hinblick auf seine Gemeinsamkeit mit dem in Beziehung gesetzt werden, was an allen Zeiten und zu allen Orten für Menschen wahrnehmbar ist.

“Alles” wird zu der Art und Weise, wie Ort und Zeit bestimmt und miteinan- der im Denken verbunden werden. Kant nennt diese Qualität “Inbegriff”. “Zu allen Zeiten und an allen Orten” wird ein Deutungshorizont der Urteilsfindung, den Hannah Arendt “erweiterte Denkungsart” genannt hat. Als solches ist der Begriff der Welt eine der zentralen Prinzipien des Denkens und der Politik. Er ist das Prinzip des Denkens der Politik.15

Das Konzept “Welt” ist folglich eine Kombination aus verschiedenen anderen Parametern, mit denen die Menschen grundlegend Gemeinsamkeiten festhalten, und dabei zugleich eine “Abstraktion”, oder anders gesagt, eine Multiplikation dieser Parameter.

Die Parameter “zu allen Zeiten” und “an allen Orten” sind dabei die, die das Konkrete – Zeit und Ort – mit dem Allgemeinen und Abstrakten – alle – verbindet. Das heißt, dass der Begriff “Welt” genau die Schnittstelle zwischen Kontingenz und Essenz, zwischen “Dasssein” – zu einer Zeit an einem Ort sein –, “Sosein” – auf eine bestimmte Art und Weise als in diesem Augenblick sein – und “Wassein” – hier als Inbegriff – benennt. Dass die Welt eine sol- che abstrakte Kombination ist, die das Abstraktum “alles” zu denken erlaubt, darauf, so kann man sagen, legt die Postmoderne ihr Augenmerk.

Ebenso unausgesprochen wie die postmoderne konturiert auch die femini- stische Frage die ”Welt”. Denn in der feministischen Frage wird diskutiert, wie die jeweilige Bestimmung des Verhältnisses von Wassein/“Substanz”, Erschei- nung und Anschauung in die Konzeptionen von “Sex”, “Gender” und Geschlechterdifferenz einfließt. Hier wird ein gemeinsamer Nenner zwischen der Globalisierungs- und den neueren Entwicklungen der feministischen Theo- rie sichtbar.

Findet sich in der metaphysischen Tradition die Tendenz, das Was – die Ontologie – in den Vordergrund dessen zu stellen, etwas zu bestimmen, dann

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16 Hierfür steht vor allem Heideggers Sein und Zeitund die postmoderne Kritik am Subjekt, die dieses als Kombination von Sein – “Vernunft” – und Ort – Position und Ursprung der Hand- lung – kritisiert und es selbst als bewegt thematisiert. Vgl. Luisa Muraro, “Vorher und Nach- her im Leben einer Frau”, in: Luce Irigaray (Hg.), Der Atem der Frauen(Göttert: Rüsselsheim 1997), 55-67.

17 Den Hinweis auf die aktuelle Diskussion in der Physik verdanke ich Ulrike Wagener. Bei Irigaray findet sich die gleiche Differenzierung anhand der Begriffe ”Raum” und Umschließung wie in der Physik, wobei Irigaray mit diesen Gedanken die traditionelle Deutung der Mutter als Ort kritisiert. Vgl. Luce Irigaray, Ethik der sexuellen Differenz(Suhrkamp: Frankfurt/Main 1991), 26-28, 46-70 u. 101-114; Kip S. Thorne, Gekrümmter Raum und verbogene Zeit.

Einsteins Vermächtnis, (Droemer Knaur: München 1996); Margaret Wertheim, Die Hose des Pythagoras. Physik, Gott und die Frauen(Piper: München / Zürich 1998).

ist im Zuge der Postmoderne die Möglichkeit, etwas zu bestimmen, abhanden gekommen. Die Postmoderne hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Onto- logie das Sein niemals allein als Sein, sondern immer in Verbindung mit dem Ort – und das heißt auch, mit Positionen – denkt. Der Ort ist jedoch immer mit der Zeit verbunden. Die Zeit wiederum kann durch das Sein am Ort bzw. das Festhalten an der Position wie gefroren sein. In der Folge fordert die Postmo- derne ein, die Zeit als Zeit, und das heißt, das Vorher und das Nachher von etwas zu denken.16

Dieses Etwas wiederum wäre absolut kontingent und das radikal andere zur Ontologie, wenn es in der Folge lediglich über die Zeit definiert würde, wie es postmodernen Konzepten innewohnt. Als bestimmender und beständiger Faktor bliebe allein die Zeit, das ist die ständige Verschiebung und unendli- che Bewegung. Dies gilt aber nur, wenn man ins andere Extrem verfällt, die Zeit absolut setzt und sie über den Ort und das Ding stellt. So muss hier das Absolutsetzen unterschieden werden vom angemessenen Denken der Zeit in Relation zu den Orten, den Dingen und Menschen.

Die zeitgenössische Physik versteht die Zeit als Aspekt des Raums und kombiniert sie mit dem “Ort”. Der Raum ist das, was ein Anderes zwischen absoluter Kontingenz und fixem Wassein zu denken erlaubt. Denn der Raum ist kein Ort, wie Irigaray festhält, sondern die Umschließung von Ort, Zeit und den Dingen, die sich in ihm befinden, sowie von der Möglichkeit der Umschließung selbst.17

Mit dem Begriff “Welt” wird die Kombinationsmöglichkeit von Zeit, Ort, Dingen und “alle” als Quantität und Qualität sowie von Einzigartigkeit, All- gemeinheit und Abstraktion – in Form der Allheit der menschlichen Anschau- ung als Schnittstelle und Möglichkeit der Umschließung von allen Orten, allen

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18 Hannah Arendt, Was ist Existenzphilosophie?(Hain: Frankfurt am Main 1990), 47.

Zeiten und all den Menschen begegnenden Dingen – ausgesagt. Somit wird zugleich die Möglichkeit eröffnet, Kontingenz und Wassein miteinander zu verbinden. Die Welt benennt genau diese Schnittstelle und damit diese Mög- lichkeit.

Auch Arendt markiert die Welt als eine Umschließung, wobei sie dies im Hinblick auf die Menschheit ausformuliert:

Die Mitmenschen sind nicht (wie bei Heidegger) ein zwar strukturell notwendiges, aber das Selbstsein notwendig störendes Element der Existenz; sondern umgekehrt, nur in dem Zusammen der Menschen in der gemeinsamen Welt kann sich die Exi- stenz überhaupt entwickeln. […] Innerhalb des ›umgreifenden‹ Seins jedenfalls bewegen sich die Menschen miteinander; und sie jagen nicht dem Phantom des Selbst nach, noch leben sie in dem hybriden Wahn, das Sein überhaupt zu sein.18 Die Politik der Globalisierung will auf die Möglichkeit der Umschließung zurückgreifen – die Parameter und Regeln vorgeben, die von nun an global gel- ten – und behauptet, dies erfüllen zu können, nämlich alle Menschen glück- lich zu machen. Globalisierung hieße damit zu beanspruchen, die Welt als menschliche Umschließung von allem menschlichen Weltlichen in Anspruch zu nehmen. Das aber muss Widerstand hervorrufen. Arendts Aussage veran- lasst nämlich nachzufragen: Was ist das die Menschen umschließende Sein?

Natalität und Welt bei Hannah Arendt

Hannah Arendts Begriff der Welt präzisiert einen wichtigen Aspekt des vor- gestellten metaphysischen Weltbegriffs. Hierzu schließt Arendt an Kant an.

Kant definiert “Welt” nämlich als Inbegriff aller Erscheinungen und aller Anschauungen. Damit verweist die Welt auf die Menschen, denn einzig die Menschen bilden Anschauungen aus von dem, was ihnen begegnet, so dass das, dem sie begegnen, durch das Ausbilden von Anschauungen zu Erschei- nungen wird.

Die Welt ist Arendt zufolge der gemeinsame Wohnraum der Menschen, in dem ihnen die Dinge erscheinen und in dem sie Anschauungen von diesen Dingen ausbilden. Arendt definiert die Welt damit maßgeblich als Kombina- tion der menschlichen Beziehungen – entsprechend dem “zu allen Zeiten und an allen Orten” – den Dingen, die hier erscheinen, und den menschlichen Mög- lichkeiten, Anschauungen bzw. Urteile auszubilden.

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19 Arendt, Wahrheit und Lüge, 53.

20 Hier gibt es eine Nähe zwischen Arendts Begriff der Verschiedenheit und Derridas “diffe- rence”. Vgl. Jacques Derrida, Die Schrift und die Differenz(Suhrkamp: Frankfurt 21985), 50.

21 Vgl. Günter, Die weibliche Hoffnung, 61-72.

Dabei hält Arendt fest, dass die Menschen Anschauungen in den Bezie- hungen miteinander ausbilden und dass die Übereinstimmung mit dem Den- ken anderer die einzige Garantie für die Richtigkeit des Denkens ist.19Damit führt sie in ihre Kombination “Welt” ein weiteres Merkmal ein, nämlich die Verschiedenheit der Menschen. Das Alles wird als Möglichkeit aller Men- schen zu allen Zeiten und an allen Orten erkennbar. Es ist ein Alles, das immer durch die Kraft der Verschiedenheit – verschieden sein und gleichzeitig sich unterscheiden – gestiftet ist. Als solches ist dieses Alles als eine Form denk- bar, nicht aber als ein bestimmter Inhalt.

Die menschliche Verschiedenheit als aktives sich Unterscheiden-Wollen und -Können ist wiederum für Arendt in der Generationsdifferenz begründet.20Die Gebürtigkeit verlangt, dass die Welt für die zukünftige Generation offen bleibt, so dass diese die Möglichkeit erhält, Initiative zu ergreifen. Nur dann nämlich ist das Prinzip “alle Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten” erfüllt. Denn

“alle” in Bezug auf “Menschen” heißt alle Menschen in ihrer Verschieden- heit, wobei die menschliche Seite von allen Orten und allen Zeiten – das Gene- rationengefüge – wiederum diese Verschiedenheit aktiviert. Das menschliche Alles beinhaltet demnach die Kraft des aktiven sich Unterscheidens, die immer wieder für Offenheit sorgen wird, denn sonst, so Arendt, müsste man den Men- schen verbieten zu denken. Diese Kraft aber kann Welt genannt werden: Die Welt als Raum der Menschen, in der die Zeit wirkt. Damit wird die Welt als politischesGebilde deutlich.

Wenn man nun die menschliche Kraft des Unterscheidens anheim stellt, ist es nicht einmal realistisch, dass für alle dieselben Regeln gelten können und sollen. Eine Politik, die sich einer solcher Vorstellung verpflichtet, ist falsch und wird scheitern müssen. Das zeigt die Frauenbewegung. Das zeigt die Welt.

Denn gerade die christlichen Erfahrungen mit der Welt, die zur Weltverach- tung führen, führen vor Augen, dass die Welt nie der Raum ist, in dem die Regeln – die “guten” und moralisch “gerechtfertigten”, “göttlichen” Regeln – erfüllt werden. Und die Geschichte der Stellung(en) der Frauen in der Welt demonstriert, wie fatal es war, ihr Leben einem einzigen Maß, nämlich der Beziehung zum Mann zu unterwerfen. Weltverachtung kann als Ergebnis der Ignoranz von Verschiedenheit und Politik verstanden werden.21

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Was die Problematik der Globalisierung betrifft, so erlaubt die Erweiterung und Präzisierung des Arendtschen Weltbegriffs, Anfragen zu stellen. Zeigt sich in der Globalisierung die Welt als Raum der Verschiedenen jenseits des Ein- und Ausschlusses neuer Machtbereiche? Es wird von neuer Nähe auf dem Globus gesprochen, vom Zusammenrücken der Menschen und von der Ver- einheitlichung der Verhältnisse. Bleibt die Welt der selbe Raum, in dem sich, wie hier verkündet, das Verhältnis von Ort und Zeit verändert, dann verweist dies jedoch auf eine Gleichzeitigkeit von Annäherung und Distanzierung:

Einige Menschen werden – unter bestimmten Gesichtspunkten – mehr zusam- menrücken, andere aber – unter anderen – eher auseinander. Wer wiederum sind diese? Wohin rücken sie? Und vor allem: Welche sind die Gesichtspunkte, die die neuen Nachbarschaften, und welche sind die, die die Distanzen stiften?

Wenn dies gilt, dann ist der Begriff “Welt” der übergeordnete und orien- tierende Begriff für das, was Globalisierung heißt. Globalisierung aber ist dann nicht die Welt. Sie ist ihre Reduzierung, der erneute Versuch, die Zeit an Orte und feste Positionen zu binden, und das heißt, die Bewegung der Menschen in ihrer Verschiedenheit zu ignorieren. Gerade dann aber ist es notwendig, dass wir die Welt als Umschließung des menschlichen Tuns verstehen. Als eine Umschließung, in der es Schritte ins Offene gibt.

That hate of women is related to hate of the world is a virulent issue for politics in the era of globalisation, especially since one of the results of globalisation has been to suggest that women would once again be the losers if they were not quick enough to conform. The relationship can be seen not only from hard facts such as the dis- tribution of wealth and possessions between the sexes. It can be seen also from the use of symbolic language and images. The author of this article thus understands it to be necessary to reflect on the concept of the world and its – postmodern – fate.

L’existence d’un rapport étroit entre le mépris de la femme et le mépris du monde a de virulentes répercussions sur la politique à l’époque de la mondialisation. Notam- ment parce que la mondialisation suscita la thèse que les femmes seraient les vieilles nouvelles perdantes si elles ne s’adaptaient pas assez vite. Certains faits, comme la répartition des richesses entre les sexes, mais aussi l’usage d’un langage et d’images symboliques, semblent confirmer cette thèse. L’auteur pense qu’il est nécessaire de réfléchir sur le concept de monde et son destin – postmoderne –.

Andrea Günterhat sich im Jahr 2000 in Philosophie über “Politische Philosophie und das Denken der Geschlechterdifferenz” habilitiert, beschäftigt sich seit langem mit feministischer Theologie und Postmoderne, arbeitet freischaffend als Autorin, als Dozentin und Gastprofessorin an Hochschulen und in der Fort- und Weiterbildung.

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