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Dieses Buch bietet eine persönliche Sicht

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Academic year: 2022

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Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser

einem Menschen mit Asperger-Syndrom ermöglicht zu verstehen, warum er oder sie anders ist als andere, ohne sich deswe- gen entmutigt oder zurückgesetzt fühlen zu müssen. Es ist auch für andere wichtig, sich bewusst zu machen, dass es immer eine logische Erklärung für das exzent- risch erscheinende Verhalten von Men- schen mit Asperger-Syndrom gibt. Dieses Buch erklärt die Logik und die Perspektive des Menschen mit Asperger-Syndrom.

Das Jahr 2006 war das hundertste Geburts- jahr von Hans Asperger, und je mehr ich die Welt entdecke, wie sie von Menschen mit Asperger-Syndrom wahrgenommen wird, desto mehr muss ich die Genauigkeit seiner detaillierten Beschreibung von vier betroffenen Kindern, Fritz, Harro, Ernst und Hellmuth, vor über 60 Jahren anerken- nen. Ich habe Hans Asperger nie persönlich kennengelernt, doch habe ich großen Res- pekt vor seinem Verständnis und seiner Bewunderung einer bestimmten Gruppe von Kindern, die auch meine eigenen Hel- den sind. Vor ein paar Jahren traf ich seine Tochter, Maria Asperger-Felder, eine Kin- derpsychiaterin in der Schweiz, und ich war bezaubert von ihren Geschichten über ihren Vater, seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit, vor allem aber über die Umstände, unter denen er in Wien Ende der 1930er-Jahre gearbeitet hat.

Maria gab mir eine der Arbeiten, die ihr Vater 1938 veröffentlichte, als er erstmals jene Merkmale beschrieb, die einige Jahre

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ieses Buch bietet eine persönliche Sicht auf Kinder, Jugendliche und Erwachse- ne mit dem Asperger-Syndrom. Es basiert auf meiner umfangreichen klinischen Er- fahrung, der Kenntnis entsprechender For- schungsergebnisse und Veröffentlichun- gen und eigener Untersuchungen. Ich bin praktizierender Psychologe in einer Klinik und habe das Buch für Eltern, Fachkräfte und Menschen mit Asperger-Syndrom ge- schrieben. Dabei habe ich versucht, nicht allzu viele Fachbegriffe zu verwenden, so- dass man den Text auch ohne psychologi- sche Fachausbildung verstehen kann. Für Kollegen und Studenten, die weitere Infor- mationen suchen, biete ich Quellenanga- ben, mit denen bestimmte Aussagen belegt werden und die zusätzliche Informationen bereitstellen. Sie finden auch zahlreiche Zi- tate aus Autobiografien von Menschen mit Asperger-Syndrom. Jedes Kapitel beginnt mit einem Zitat von Hans Asperger – dem Wiener Kinderarzt, der die Merkmale des Syndroms als Erster beschrieb – und endet mit einem Zitat von einem Menschen mit Asperger-Syndrom. Ich denke, dass den- jenigen, die selbst das Asperger-Syndrom haben, das letzte Wort gebührt.

Dieses Buch soll Eltern und Fachkräfte mit den aktuellsten Informationen ausstatten, damit sie einem Familienmitglied oder ei- ner Person mit Asperger-Syndrom helfen können. Ich habe es aber auch zum per- sönlichen Nutzen von Menschen mit As- perger-Syndrom geschrieben. Meine Ab- sicht ist es, dass das Lesen des Ratgebers es

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Liebe Leserinnen, liebe Leser 왘

später als autistische Persönlichkeitsstö- rung bekannt wurden und die seit 1981 die Bezeichnung Asperger-Syndrom tragen.

Als Kinderarzt im von den Nazis besetz- ten Österreich sprach er sich mutig gegen das zuvor eingeführte Gesetz »zur Verhin- derung erbkranken Nachwuchses« aus. Er vertrat die Meinung, dass durch Erziehung

»die Gefahren gebannt werden können, die in der genetischen Veranlagung eines Kin- des begründet liegen.« Er wollte die Kinder in seiner Klinik davor bewahren, ermordet zu werden und erklärte mit Vehemenz, dass ungewöhnliche Kinder nicht notwen- digerweise minderwertig seien. Damit war er eindeutig ein Gegner der Nazis.

Es gibt also eine interessante Geschichte in Bezug auf die Entwicklung unseres Ver- ständnisses von Kindern und Erwachse- nen mit Asperger-Syndrom. Was aber sind unsere Hoffnungen für die Zukunft? Wir müssen innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Konsens finden, was die Diagnose- kriterien angeht und wir müssen die An- zeichen des Asperger-Syndroms schon bei jüngeren Kindern sehr genau untersuchen, damit auch diese von frühen Interventi- onsprogrammen profitieren können. Die Regierungen müssen mehr Mittel für die Unterstützung von Kindern mit Asperger- Syndrom an der Schule bereitstellen, und sie müssen Erwachsenen mit Asperger- Syndrom helfen, eine Beschäftigung zu finden, die ihren Qualifikationen und Fä- higkeiten entspricht. In unserer modernen Gesellschaft brauchen wir die Talente von Menschen mit Asperger-Syndrom und wir

Mir macht Sorge, dass es in Regierungs- behörden kaum politische Strategien und Mittel gibt, die speziell auf Menschen mit Asperger-Syndrom ausgerichtet sind.

Tatsächlich ist es bisweilen so, dass eine Diagnose von einem öffentlichen Arbeit- geber eher dazu benutzt wird, dem Be- troffenen den Zugang zu Dienstleistungen zu versagen, statt ihn zu ermöglichen.

Ich hoffe, dass das zunehmende öffentli- che Bewusstsein für die Lebensumstände und die Fähigkeiten von Menschen mit Asperger-Syndrom die Entscheidungen der Politiker beeinflusst, besonders, da es bald eine riesige Anzahl Erwachsener mit Asperger-Syndrom geben wird, die eine diagnostische Beurteilung suchen wird, nämlich jene Generation, die bislang keine Gelegenheit hatte, diagnostiziert und ver- standen zu werden.

In den nächsten zehn Jahren werden sich mehr Fachkräfte auf das Asperger-Syn- drom spezialisieren und wir werden die Einrichtung örtlicher Diagnose- und Be- handlungszentren erleben, die speziell auf Kinder und Erwachsene mit Asperger-Syn- drom zugeschnitten sind. Wenn die Ver- breitung des Asperger-Syndroms bei 1 von 250 Personen liegt, wird es auch genügend Überweisungen an Spezialisten geben, um ein nationales Netz von Kliniken und Fach- kräften unterhalten zu können.

Wir brauchen eindeutig mehr Forschung im Bereich Asperger-Syndrom, vor allem bei Aspekten der sensorischen Wahrneh- mung. Viele Menschen mit Asperger-Syn-

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Vorwort

ze zu reduzieren. Gegenwärtig können Kliniker und Therapeuten wenig tun, um solche auditiven, taktilen und olfaktori- schen Überempfindlichkeiten zu reduzie- ren. Wir müssen auch Programme entwi- ckeln und evaluieren, mit denen die Fä- higkeit, Freundschaften und Beziehungen einzugehen, ebenso gefördert wird wie die Fähigkeit, mit den eigenen Emotionen bes- ser fertig zu werden und die Fähigkeit, Spe- zialinteressen konstruktiv umzusetzen.

Ich hoffe auch, dass es in Zukunft eine posi- tivere und bestärkende Haltung gegenüber

Menschen mit Asperger-Syndrom und ein zunehmendes Selbstbewusstsein der Be- troffenen geben wird. Ich habe dieses Buch geschrieben, um das aktuelle Wissen, das wir über das Asperger-Syndrom haben, weiterzugeben, es wurde aber auch ge- schrieben, um vorhandene Einstellungen zu ändern. Wissen verändert Einstellun- gen, die umgekehrt auch wieder Fähig- keiten und Lebensumstände verändern können.

Brisbane (Australien), Januar 2008 Tony Attwood

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Vorwort des Übersetzers 왘

Vorwort des Übersetzers

ich den Film »Rain Man« gesehen und mit der Hauptfigur eine gewisse Seelenver- wandtschaft empfunden, hatte aber doch Zweifel, ob die Bezeichnung »autistisch«

auf mich wirklich zutreffen konnte. Erst Jahre später bin ich über das Internet da- rauf gestoßen, dass es auch eine Variante des Autismus gibt, die auf den ersten Blick meist unauffällig wirkt, eben das Asper- ger-Syndrom. Endlich hatte ich für viele meiner Schwierigkeiten einen Namen, ich fühlte mich vor allem erleichtert.

Nun hatte ich die Chance, eine wirksame Therapie bei einem Psychologen zu begin- nen, der sich mit dem Thema Asperger- Syndrom auskennt (was leider nicht für alle Psychologen der Fall ist). Viele autisti- sche Menschen haben Schwierigkeiten im Berufsleben, da es ihnen sehr schwer fällt, den sozialen Anforderungen an der Ar- beitsstelle gerecht zu werden; so erging es mir früher auch. Eine dauerhafte Beschäf- tigung erschien mir angesichts meiner persönlichen Probleme illusorisch und ich schlug mich viele Jahre lang durch, wech- selte von einem Job zum nächsten oder leb- te von Sozialleistungen. Mein Selbstwert- gefühl war meist im Keller, zumal es mir nie gelingen wollte, auch nur den Ansatz eines Freundeskreises aufzubauen. Die Di- agnose veränderte daran einiges. Ich traute mir zu, ein Fernstudium zum Übersetzer zu absolvieren – diese Art des Studiums

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ür mich ist es eine Ehre, dieses Buch von Tony Attwood ins Deutsche zu überset- zen. Nicht ohne Grund wird Attwood von vielen autistischen Menschen in der eng- lischsprachigen Welt mit etwas Augen- zwinkern »Saint Tony« genannt – es gibt wenige Fachpsychologen auf dem Gebiet des Asperger-Syndroms, die zugleich ein so hohes Maß an Fachwissen haben und ein so tiefes menschliches Verständnis für die Perspektive von Menschen mit Asper- ger-Syndrom – für ihre Schwächen und Stärken – aufbringen. Ich durfte ihn vor einigen Jahren auf einem Autismuskon- gress in Magdeburg erleben und habe noch gut in Erinnerung, wie lebensnah er den Zuhörern die alltäglichen Sorgen dieser Menschen nahegebracht hat. Mittlerweile ist Attwood auch im deutschsprachigen Bereich längst ein Begriff. Sein erstes auf Deutsch erschienenes Buch »Das Asperger- Syndrom: Wie Sie und Ihr Kind alle Chan- cen nutzen« gilt hierzulande als Klassiker und ist immer meine erste Empfehlung für jeden gewesen, der sich über dieses Thema informieren will.

Ich denke, ich kann ganz gut beurteilen, wie authentisch Attwood die Lebensver- hältnisse von Menschen mit Asperger- Syndrom beschreibt – ich habe nämlich selbst diese Diagnose. Leider war das Wis- sen um das Asperger-Syndrom lange Zeit alles andere als Allgemeingut; das ist auch

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Vorwort des Übersetzers

Zugleich hatte ich aber auch den Wunsch, andere Menschen mit Asperger-Syndrom kennenzulernen. Das erwies sich als gar nicht so einfach. Im Jahre 2000, als ich meine Diagnose erhalten hatte, steckte die Asperger-Selbsthilfe in Deutschland noch in den Kinderschuhen. So suchte ich kurzerhand über das Internet selbst eine Hand voll erwachsener Menschen mit Asperger-Syndrom zusammen und rief eine Selbsthilfegruppe in Berlin ins Leben.

Seither sind auch in Deutschland zahlrei- che Selbsthilfetreffs entstanden, einige auf Initiative der Eltern, viele aber auch durch autistische Menschen selbst. Im Service- teil finden Sie hilfreiche Adressen, z. B. des Vereins »Aspies e.V.«, der von Menschen mit Asperger-Syndrom gegründet wurde und für den ich mich sehr engagiere.

Der englischsprachige Raum ist, was die Hilfe und Selbsthilfe für Menschen mit dem Asperger-Syndrom angeht, immer ein Vorreiter gewesen. Hierzulande gibt es noch nicht im selben Maß Integrations-, Förder- und Therapieangebote. Und auch das deutschsprachige Literaturangebot ist nicht so umfangreich wie das englisch- sprachige. Daher finden Sie an entspre- chenden Stellen im Buch Anmerkungen in [eckigen Klammern] zur Situation in Deutschland bzw. deutschsprachige Buch- empfehlungen. Auch den Serviceteil habe ich entsprechend an die hiesigen Verhält- nisse angepasst.

Wenn an einigen Stellen von »normalen«

bzw. »betroffenen« Menschen die Rede ist,

ist das keinesfalls wertend gemeint, son- dern dient lediglich der Abkürzung der umständlichen Umschreibung: Menschen ohne Asperger-Syndrom bzw. Menschen mit Asperger-Syndrom.

Das Leben eines Menschen mit Asperger- Syndrom, wie es auch das vorliegende Buch beschreibt, ist mitunter facetten- reich, hat aber wenig mit manchen spek- takulären Klischees zu tun, die über autis- tische Menschen noch immer im Umlauf sind. Weder sind wir alle kleine Einsteins, noch leiden wir ständig an unserer Isolati- on. Wir sind Menschen, die oft auch Spaß am Leben haben, die den Ehrgeiz haben, ihr Leben eigenständig und erfolgreich zu gestalten; manche sind berufstätig und stolz, ihren Beitrag zur Gesellschaft leis- ten zu können, manche leben auch in ei- ner funktionierenden Partnerschaft. Auch wir leben also eine gewisse Normalität, zugleich aber gibt es viele Dinge, die jeden von uns einzigartig machen, und das sind nicht nur die manchmal etwas exzentrisch wirkenden Spezialinteressen und Tics.

Tony Attwood gelingt es, uns Menschen mit Asperger-Syndrom so darzustellen, dass wir als liebenswerte Individuen er- scheinen, denen Respekt und Anerken- nung gebührt. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank aussprechen.

Berlin, Januar 2008 Rainer Döhle

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