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Predigt beim Festgottesdienst am Fest des hl. Florian in der Stiftskirche St. Florian.

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Academic year: 2022

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Feuer und Flamme: St. Florian und die Märtyrer von Lorch

Predigt beim Festgottesdienst am Fest des hl. Florian 4. Mai 2016, Stiftskirche St. Florian

„Er hinterlässt einen Scherbenhaufen.“ So kann man es über einen Menschen hören, der eine Verantwortung und Aufgabe zurücklässt und einen Ort verlassen muss. Seine Entscheidun- gen, seine Arbeit, seine Weise, mit Menschen umzugehen, hat nicht aufgebaut, nicht zum Wachstum, nicht zum Fortschritt geführt, sondern zum Chaos. „Er hinterlässt einen Schulden- berg“, d.h. er hat auf Kosten anderer, auf Kosten nachfolgender Generationen gelebt, gewirt- schaftet, spekuliert. Die Last müssen andere tragen. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Si- cherheit, ihre soziale Rolle und ihre gesellschaftliche Identität. Im vergangenen Jahrhundert haben Diktatoren, mächtige Führer und Systeme Ruinen, Leichenfelder, die Asche von Millio- nen von Menschen hinterlassen. Verbrannte Erde bezeichnet eine Kriegstaktik, bei der eine Armee alles zerstört, was dem Gegner in irgendeiner Weise nützen könnte, also Gleise, Stra- ßen, Brücken, Fahrzeuge, Fabriken, Wohnhäuser und manchmal bis hin zur kompletten Zer- störung von Städten und Dörfern. Brandbomben hinterließen verheerende Schäden für die Zivilbevölkerung. Es war die Taktik der verbrannten Erde mit der Folge von Hungersnöten, Verseuchungen des Bodens und anderen schwerwiegenden Auswirkungen. Da brannten die Städte und Ortschaften, es standen nur noch Ruinen, die Felder waren verwüstet. Wo sie hintraten, sollte lange nichts mehr leben. Wo sie nicht herrschen konnten, sollte kein anderes Leben mehr sein.

Was hinterlassen wir: einen Schuldenberg, verbrannte Erde, einen Scherbenhaufen? Oder:

„Fürchte dich nicht / es blüht / hinter uns her.“1 – Florian war nicht nur an sich selbst, an der Selbsterhaltung seiner Macht und seiner Position und der eigenen Autonomie interessiert, sondern ein „generativer Mensch“, also einer, der selbst auf festem Grund steht, Vertrauen vermittelt und Freude am Blühen anderer hat. Die Differenz zwischen dem Selbstmordatten- täter und Terroristen einerseits und dem Märtyrer andererseits lässt sich am Namen den hl.

Florian, des „Blühenden“, andeuten: Im Gefolge des Selbstmordattentäters und Terroristen ist ein Scherbenhaufen, ist Chaos. Er hat Beziehungen nachhaltig vergiftet, Feindschaften wer- den sich vielleicht über Generationen hinhalten. Dazu gehört die Ideologie der verbrannten Erde. Wo er hintritt, soll lange nichts mehr wachsen und leben. Im Gefolge des Märtyrers und des Heiligen gilt ein Wort von Hilde Domin: „Es blüht hinter ihm her.“ Seine Hinterlassenschaft, seine Erbschaft ist Friede, weil er das Karussell der Gewalt, der Aggression und der Verach- tung unterbrochen und Entfeindung und Versöhnungsbereitschaft gelebt hat.

Der Mensch und das Feuer

„Am Anfang standen nicht die Kälte und die Finsternis; am Anfang stand das Feuer.“2

Feuer ist positiv mit Wärme und mit Energie verbunden. Es kann aber auch eine unheimliche zerstörerische Macht entfalten. Wir Menschen wissen auch, dass etwas ganz anderes in uns entflammen kann: Liebe, Leidenschaft, Solidarität, ebenso wie Zorn, Hass oder Misstrauen.

1 Hilde Domin, Sämtliche Gedichte. Hg. Nikola Herweg und Melanie Reinhold, Frankfurt am Main 2009.

2 Teilhard de Chardin, Lobgesang des Alls, Olten 1961, 17.

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Wie Feuer äußerlich überaus positiv, aber auch ganz destruktiv wirken kann, so ist es auch mit unseren Haltungen und Leidenschaften. In den Evangelien wird immer wieder erzählt, wie sehr durch die Begegnung mit Jesus Erloschenes, Ausgebranntes (Burn-out!), Verglühtes neu entflammen konnte. Das Entflammte (das Wort Gottes, der Glaube, das Leben) kann dann leuchten, wärmen, Wirkung zeigen, zum Segen werden, wenn sich der Mensch um seine „Wur- zeln“ kümmert, um das, was ihn erdet, verankert, stärkt, Hoffnung und Perspektive gibt.

Unter dem Stichwort „entflammt“ lässt sich auch der hl. Florian – sein Leben, seine Geistes- haltung, seine Person – besser verstehen. An Florian zeigt sich sehr gut, für wen, wofür und auf welche Art ein Mensch „entflammen“ kann. Florian lebte in einer gefährlichen Zeit den

„neuen, anderen Weg“ der Christen. Sein Festhalten an diesem neuen, anderen Weg hing wohl damit zusammen, dass mit diesem Weg ein Leben in neuer Qualität verbunden war:

Zuwendung statt „Macht-Haberei“, Anteilnahme statt Gleichgültigkeit, Gemeinschaft statt Ein- samkeit. Florian war in einer bewegten Zeit entflammt für Christus und seine Botschaft. Den Glauben als tragfähige Hilfe und belebende Perspektive in unübersichtlichen Zeiten zu entde- cken und zu leben – das können wir von Florian lernen. Florian – sein Name bedeutet der Blühende – trug also dazu bei, das Christentum „zum Blühen“ zu bringen. Florian handelte dabei aber ganz anders, als das nach ihm benannte Prinzip es vermuten lässt: „Beschütz mein Haus, zünd andere an.“ Er sicherte gerade nicht das Seine, sondern setzte sich für andere ein, öffnete sich. Er riskierte das Eigene zum Nutzen anderer. Und er blieb in der Bedrohung dem treu, was ihn in seinem Leben getragen und geprägt hat. Er rückt auch angesichts des Todes nicht von seinem Glauben an Jesus Christus und seinen Gott ab. Es wäre daher an der Zeit, das sprichwörtlich gewordene – aber falsch verstandene – „Florianiprinzip“ neu zu defi- nieren, und dabei wirklich Maß an Florian zu nehmen, z. B. in der europäischen Flüchtlings- politik. Wie verbreitet die eigentliche (Geistes-)Haltung des hl. Florian dennoch in unseren Breiten ist, zeigten z. B. die Feuerwehren bei Katastrophen auf beeindruckende Weise: Ein- satz für andere, gegenseitige Hilfe, Zuspruch, Ermutigung und Zivilcourage sind unüberseh- bar.

Die Botschaft des hl. Florian

Die Botschaft des Florian für uns Menschen im 21. Jahrhundert könnte daher so lauten: Er ermutigt und befähigt, von sich abzurücken, andere und anderes in den Blick zu nehmen, auch von sich abzusehen, ja – wo es nötig ist – sich mit Haut und Haaren einzusetzen für die Fragen, Nöte, Anliegen der Mitmenschen. Gesellschaft und Kirche leben in vielen und weiten Berei- chen vom Engagement von Menschen, die gemeinhin als „Freiwillige“ bezeichnet werden. Das Ehrenamt hat sich in den vergangenen Jahren hin zu einer „Kultur der Freiwilligkeit“ entwickelt.

Das gilt für das reiche kulturelle Leben ebenso wie für den kirchlichen, sozialen und auch für den sportlichen Bereich. Wir dürfen dankbar sein für die hohe Solidarität weit über die Grenzen des Landes hinaus. Freiwillige engagieren sich in der Kinder- und Jugendarbeit, pflegen den Kulturschatz ihres Landes, schützen und pflegen die Natur, retten und versorgen Unfall- und Katastrophenopfer, organisieren Flohmärkte für Menschen in Not, besuchen alte und kranke Menschen, entlasten überlastete Angehörige und spenden das teuerste Gut unserer Ära, näm- lich Zeit. Durch gelebtes Brauchtum wird Zugehörigkeit und Heimat gestiftet. In einer Gesell- schaft, die sich immer mehr aufsplittert und die auseinanderdriftet, sind sie ein unverzichtbares Bindeglied und Botschafter zwischen unterschiedlichen, teils sehr gegensätzlichen Lebens- welten. Sehr dankbar dürfen wir sein für alle, die sich in den letzten Monaten für Asylwerbe- rInnen und Flüchtlinge eingesetzt haben. Gegen alle Negativfixierungen und Radikalisierun- gen dürfen wir gerade am Fest des hl. Florian darstellen, was gelungen ist, und welches menschliche Gesicht Österreich (auch) gezeigt hat. Was von Freiwilligen und Hauptamtlichen,

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von Einsatzkräften und von Beamten geleistet wurde, verdient großen Respekt und Wertschät- zung.

Es wäre fatal, wenn die einen gegen die anderen ausgespielt werden, die Alten gegen die Jungen, die Leistungsträger gegen die Menschen mit Beeinträchtigungen, die Arbeitenden ge- gen die Arbeitslosen, die Einheimischen gegen die Fremden, die Österreicher gegen die Asyl- werber. Und es ist grundlegend falsch den Begriff „Nächstenliebe“ als Gegensatz zur Liebe zu den Fremden zu deuten. Mit einer Einschränkung auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ist der biblische „Nächstenliebe-Begriff“ nicht vereinbar. Sie gilt vielmehr jedem, der hier und jetzt Hilfe braucht, ob das nun ein In- oder Ausländer ist, ist egal. Das zeigt Jesus Paradebeispiel über die Nächstenliebe – die Erzählung vom Barmherzigen Samariter –, in der gerade ein Ausländer, ein Fremder mit anderer Kultur und Religion als Vorbild gilt.

Oft hört man den Satz: „Politik ist nun einmal ein schmutziges Geschäft.“ Politik ist nicht von Haus aus ein schmutziges Geschäft. „Politik ist angewandte Liebe zur Welt.“ (Hannah Arendt) Politik als angewandte Liebe zur Welt, das heißt, nicht auszuweichen, nicht auszuweichen vor der Verantwortung im Kleinen und im Großen. – Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich denn der Hüter meines Bruders?

(Gen 4,9) – Die Botschaft der Heiligen Schrift mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, füreinander Verantwortung tragen, einander Hüter, Hirten und Beschützer sind.

Die Verwirklichung des Gemeinwohls ist oberstes Ziel aller Politik. Das Gemeinwohl ist „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ermöglichen, die eigene Vollendung voller und leichter zu er- reichen.“3 Das Gemeinwohl beruht auf drei wesentlichen Elementen: Erstens setzt es die Ach- tung der Person als solcher voraus. Im Namen des Gemeinwohls sind die öffentlichen Gewal- ten verpflichtet, die unveräußerlichen Grundrechte der menschlichen Person zu achten. Ins- besondere besteht das Gemeinwohl darin, dass man die natürlichen Freiheiten ausüben kann, die unerlässlich sind, um die Berufung als Mensch zu entfalten: „das Recht zum Handeln nach der rechten Norm seines Gewissens, das Recht auf Schutz des Privatlebens und auf die rechte Freiheit, und zwar auch im religiösen Bereich.“4 Zweitens verlangt das Gemeinwohl das soziale Wohl und die Entwicklung der Gemeinschaft. Gewiss kommt es der staatlichen Autorität zu, im Namen des Gemeinwohls zwischen den verschiedenen Sonderinteressen als Schiedsrich- terin zu walten. Sie muss aber einem jeden das zugänglich machen, was für ein wirklich menschliches Leben notwendig ist, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Arbeit, Er- ziehung und Bildung, richtige Information und Recht auf Familiengründung. Zum Gemeinwohl gehört schließlich der Friede, das heißt die Dauerhaftigkeit und Sicherheit einer gerechten Ordnung.5

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

3 Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes 26.

4 Gaudium et spes 26.

5 Katechismus der Katholischen Kirche Nr. 1906-1909.

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