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Predigt zum Dankgottesdienst anlässlich 25 Jahre Polizeiseelsorge in Österreich in der Stiftskirche St. Florian

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25 Jahre Polizeiseelsorge in Österreich

Predigt zum Dankgottesdienst anlässlich 25 Jahre Polizeiseelsorge in Österreich

13. Juli 2021, Stiftskirche St. Florian

Erfahrungen der Polizei

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte schauen in ihrem Dienst in die Abgründe des „dem Men- schen Mögliche“ und sehen die „Sünde“ oft in ihrer brutalsten Form1. Die Gewalterfahrung von Polizisten ist eine zweifache: Einerseits üben sie in der Umsetzung des staatlichen Gewaltmo- nopols und in Form des unmittelbaren Zwangs legitime Gewalt aus, andererseits sind sie sel- ber Ziel nicht-legitimer Gewalt. Dies kann schon beim einfachen Verkehrsunfall vorkommen, wenn ein aufgebrachter Unfallbeteiligter sich ungerecht von der Polizei behandelt fühlt und dem Beamten „an den Kragen“ will. Beim Einschreiten in Familienstreitigkeiten wendet sich die Gewalt, die ursprünglich zwischen den Ehepartnern eskaliert, oft unvermittelt gegen die Beamten. Die Polizei muss immer dort eingreifen, wo alle anderen wegrennen, weil die Gewalt schon in vollem Gange ist.

Zu den schlimmsten Folgen von Gewalt gehört der Tod. Mit ihm werden Polizisten in all seinen Erscheinungsformen konfrontiert: begonnen beim plötzlichen Kindstod über die schrecklichen Unfälle Jugendlicher auf dem Heimweg von Festen bis hin zu Opfern von Gewaltverbrechen.

Polizistinnen und Polizisten sind es auch, die die Nachricht vom Tod eines Menschen den Angehörigen überbringen müssen. Dies wird häufig auch als eine der belastendsten Aufgaben im Polizeidienst überhaupt benannt, weil man hier mit den unmittelbaren Trauerreaktionen der Angehörigen konfrontiert wird.

Die andere Seite der Begegnung mit dem Tod ist für Polizistinnen und Polizisten das Bewusstsein, dass der Polizeidienst auch eigene Lebensgefahr bedeuten kann und sie selbst auch von Gewalt und von der Schusswaffe Gebrauch machen müssen.

Polizisten wollen der Gerechtigkeit dienen. Was sie im Alltag erleben, ist aber oft von himmelschreiender Ungerechtigkeit. Diesen Spagat auszuhalten, ohne sich eine „eigene Gerechtigkeit“ verschaffen zu wollen, ist eine große ethische Leistung – und sie gelingt nicht immer.

Wichtig für den Blickwinkel der Polizeiseelsorge ist: Die Menschen in der Uniform sind Polizistinnen und Polizisten geworden, weil sie Menschen helfen wollten. Ihr Berufsalltag aber beschert ihnen überwiegend Situationen, in denen sie von den Menschen abgelehnt, wenn nicht gar missachtet werden. Vergleichsweise selten können sie den Dank für gelungene Bewahrung, Rettung oder Schutz ernten. – Ohne moralische Orientierungen, die immer wieder die Legitimität und den Sinn der eigenen Berufsausübung sichern, lässt sich dieser Beruf weder ausüben noch auf Dauer aushalten2.

Ruhe und Sicherheit wurden in früheren Jahrhunderten nicht so sehr in kosmischen

1 Vgl. Kurt Grützner / Claudia Kiehn, Polizeiseelsorge und ihr Blick auf die Polizei, in: K. Grützner / W. Gröger / C. Kiehn / W. Schiewek, Handbuch Polizeiseelsorge, Göttingen 2006, 15–28.

2 Vgl. Werner Schiewek, „Moral haben wir schon! Wozu noch Ethik?“. Berufsethische Herausforderungen der Poli- zeiarbeit, SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (3), 12–23, hier: 14.

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Ordnungen (Stoa), sondern in einem Netz menschlicher Beziehungen gesucht und gefunden.

Auch heute werden Sicherheit und Vertrauen nicht durch Statistiken und Mathematik, nicht durch Technik allein gefunden. Sicherheit, Gewissheit, Hoffnung sind ja kein Besitz, der festgehalten werden kann, keine Technik, die auf Knopfdruck funktioniert. Es sind konkrete Menschen, die Sicherheit geben oder Angst machen. Nicht im Stich lassen und nicht im Stich gelassen werden, das zeichnet eine humane Gesellschaft und eine christliche Gemeinschaft aus. „Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Kain entgegnete: Ich weiß es nicht.

Bin ich denn der Hüter meines Bruders?“ (Gen 4,9) – Die Botschaft der Heiligen Schrift mutet uns zu, dass wir einander aufgetragen sind, einander Patron sind, füreinander sorgen, Verantwortung tragen, einander Hüter und Hirten sind. Das Evangelium traut uns zu, dass wir Freunde und Anwälte des Lebens sind, dass wir Lebensräume schaffen, in denen in die Enge getriebene Menschen Ja zum Leben sagen können. Polizei und Polizeiseelsorge: Freunde und Anwälte des Lebens.

Spiritualität der Polizeiseelsorge

Aus dem „Pastoralkonzept für die Polizeiseelsorge der Katholischen Kirche in Österreich“ (be- schlossen am 14. Juli 2020): „ICH BIN der, ICH BIN“ (Ex 3,14) „und siehe, ICH BIN mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20b): Seelsorge ist da sein und begleiten. Polizei- seelsorgerinnen und Polizeiseelsorger wollen mit Polizistinnen und Polizisten den Fragen nach dem „Woher?“, „Wohin?“, „Warum?“ und „Wozu?“ nachgehen. Und sie wollen ihnen den lie- benden Blick Jesu Christi, den Segen Gottes und den Beistand des Heiligen Geistes zusagen.

Polizeiseelsorge ist im besten Sinn des Wortes missionarisch.

Mission – das ist ja nicht mehr so sehr ein geografischer, sondern auch ein soziologischer und existentieller Begriff: In welchen Milieus sind wir nicht mehr präsent? Es geht vielmehr im nicht- kirchlichen „Außen“ nach Spuren der „Präsenz Gottes“ (GS 11) zu suchen. Papst Franziskus wird nicht müde, das Profil einer missionarischen Kirche zu zeichnen und zu leben: Die Kirche müsse sich an die Grenzen menschlicher Existenz vorwagen. „Evangelisierung setzt aposto- lischen Eifer“ und „kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgeht“, „nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Ignoranz, der fehlenden religiösen Praxis, des Denkens und jeglichen Elends“.3

Was uns bewegt

Die Bediensteten der Polizei leisten einen wertvollen Dienst am Menschen, an der Gesell- schaft und am Staat. Dieser Dienst ist rund um die Uhr zu leisten. In Ausübung ihres Dienstes sind Exekutivbedienstete und in der Sicherheitsverwaltung Tätige oft mit Opfern und Tätern, Unfällen, Kriminalität und Gewalt konfrontiert. Unter Umständen müssen sie staatliche Anord- nungen und Gesetze mit Zwangsmaßnahmen, Körperkraft und Waffengebrauch durchsetzen.

Dieser Dienst wird von der Bevölkerung nicht immer so geschätzt, steht unter strenger recht- licher Beobachtung und Beurteilung und regelmäßig in öffentlicher Kritik. Die Polizeiseelsor- gerinnen und Polizeiseelsorger wollen helfen, den Exekutivbediensteten ein geistliches Leben unter Berücksichtigung der berufsspezifischen Besonderheiten zu ermöglichen und mögliche Belastungen zu bewältigen. Das ist verbunden mit der „work-life balance“, mit der Frage nach

3 Manuscrito entregado por el Cardenal Bergoglio al Cardenal Ortega. Palabra Nueva; http://blog.radiovati- kan.de/die-kirche-die-sich-um-sich-selber-dreht-theologischer-narzissmus/ (abgerufen am 28. März 2013)

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der Lebensfreude, der Sinnhaftigkeit der Arbeit und auch der inneren Widerstandskraft, Resi- lienz in Schwierigkeiten und Krisen. Es ist alles andere als leicht und selbstverständlich, die in der Polizeiseelsorge unvermeidlichen Niederlage-, Ohnmachts- und Demutserfahrungen aus- zuhalten und dennoch nicht aufzuhören zu fragen und zu suchen, wo noch etwas für andere getan werden kann, auch, wo Konflikte gewagt werden müssen. Es geht um „Beistand“, Men- schen nicht in ihrer Einsamkeit, in ihren Verstrickungen allein zu lassen, zu fragen, was sie brauchen, wenn nötig zu schweigen, Anknüpfungspunkte zu suchen, nach aufbauenden „Res- sourcen“ – bereits geleisteten positiven Aufarbeitungen von Krisen – Ausschau zu halten.

Wie in der Gefängnisseelsorge stellen sich Fragen der Schuldfähigkeit und der Verantwortung.

Schuldfähigkeit und Verantwortung gehören zu unserer Würde als freie Geschöpfe. Freiheit schließt ein, dass wir fehlbar sind und schuldig werden können, und das ist nicht salopp ge- meint im Sinn von „Jeder macht mal Fehler“. Die menschliche Fähigkeit zur Verletzung der Freiheit, der Rechte, der Güter oder auch der Vernichtung des Lebens anderer darf nicht dä- monisiert, aber auch nicht verdrängt werden. Bei den polizeilichen Einsatzsituationen taucht die Schuldfrage regelmäßig auf: Bei Unfällen, Gewaltdelikten … Im Hinterkopf der Einsatz- kräfte stehen aber auch die Fragen „Haben wir getan, was möglich war? Welcher Anteil an der gelungenen oder nicht gelungenen Konfliktlösung liegt bei uns?“

Danksagung

25 Jahre Polizeiseelsorge, das ist Anlass zur Danksagung. In der Sprache der Heiligen Schrift:

Das Gute vergessen bringt den Menschen in das „Land der Finsternis“ (Ps 88,13). Undank- barkeit und Vergessen sind die große Sünde der „Heiden“. Sie verfinstern das Herz (Röm 1,21). Deswegen sagt der Psalmist: „Meine Seele, vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“

(Ps 103,2)

„Im Deutschen und im Englischen hängt danken mit denken, thank mit think im Sinne von gedenken, sich jemandes erinnern zusammen: wer ich danke dir sagt, erklärt dem Angespro- chenen, er werde ihn im Gedächtnis bewahren, und zwar – das versteht sich hier charakteris- tischerweise von selbst – in einem freudigen und freundlichen Gedächtnis; … Anders im Heb- räischen. Da bedeutet die Verbalform hodoth zunächst sich (zu jemand) bekennen, sodann danken. Wer dankt, bekennt sich zum Bedankten, er will sich jetzt und fortan zu ihm bekennen.

Das schließt natürlich das Gedenken ein, aber es ist mehr als das. … Sich zu jemand beken- nen heißt aber: ihn in seiner Existenz zu bestätigen.“4

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

4 Martin Buber, Danksagung 1963, in: Nachlese, Heidelberg 3 1993, 255f.

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