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Predigt Reminiscere, 28. Febr. 2021, Thomaskirche, Stephanuskirche Nürnberg. Jesaja 5,1-7. Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg

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Predigt Reminiscere, 28. Febr. 2021, Thomaskirche, Stephanuskirche Nürnberg

Jesaja 5,1-7

Das Lied vom unfruchtbaren Weinberg

„Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte;

aber er brachte schlechte. Nun richtet, ihr Bürger zu Jeru- salem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg! Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte? Wohlan, ich will euch zei- gen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten

werde. Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht be- schnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dor- nen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen. Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing.

Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war blutiger Rechtsbruch;

und auf Gerechtigkeit, siehe, da war schreiende Schlechtigkeit.“

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Liebe Mitchristen hier in Großreuth / Gebersdorf, Dieses Lied ist in seiner Härte und in seiner berechnen- den Konsequenz ein gefährliches Wort der Heiligen Schrift. Denn in ihm klingen vertraute und belastende Erfahrungen von uns allen an, - ja vielleicht sind es sogar Grunderfahrungen nicht nur eines reifen sondern auch eines jungen Lebens. Es spiegeln sich in ihm Verhal- tensweisen und Erfahrungen, die wir selber als Kinder schon erlebt und gefürchtet haben, und die wir, so vermu- te ich, unseren eigenen Kindern, unseren Freunden, Ar- beitskollegen, ja auch gerade den Menschen, die wir lie- ben, nicht ersparen, nämlich die Strafe durch Liebesent- zug: Liebesentzug und Schweigen, Abbruch der Bezie- hung, die unser Dasein Tag für Tag trägt. Davon singt Jesaja hier. Kalte Abwendung, Preisgabe an das zerstöre- rische Chaos, das kennen wir eigentlich alle, selbst wenn wir es nicht so konsequent machen wie manche Familien noch heute, die ihre Kinder, Jungen und Mädchen, gna- denlos fallen lassen, wenn sie den Wünschen der Eltern nicht entsprechen, oder wie manche ehemals Liebende,

die einander erbarmungslos bekriegen, nachdem ihre Liebe wodurch auch immer abgestorben ist. Selbst wenn wir nur kurzfristig unsere Liebe entziehen, oder Liebe entzogen bekamen, - das Modell dieser Art von Erzie- hung ist uns allen sicher vertraut, seine Logik sitzt tief in unserer Seele. Sie treibt in Anpassung, in Unfreiheit und in Angst! Gefährlich.

Aber auch die anderen Erfahrungen, die dem Liebesent- zug vorausgehen, kennen wir alle, nämlich die Erfahrun- gen von Vergeblichkeit und vom Umsonst unserer Mühe, von Anstrengungen ohne Erfolg. Im Beruf, in den Bezie- hungen der Liebe, in der Erziehung unserer Kinder, in der Arbeit in und an der Kirche, in Gesellschaft und Politik - alles umsonst, alles vergeblich. Lebensträume scheitern und lassen uns dann verbittert zurück. Ein Sohn, eine Tochter bricht ihre Ausbildung ab, Kinder finden sich im Leben nicht zurecht, obwohl wir alles für sie getan haben, - oder schon in der Jugend: der Freude der gerade er- wachten Liebe folgt ihr schneller Tod. - Trotz allem, was man investiert hat, implodieren Freundschaften, und der

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Vorrat an Vertrauen reicht nicht. Alles, was wir an Lie- beskraft, an Zeit, auch an Geld und Energie investiert ha- ben - es war umsonst.

Gefährlich ist dieses sogenannte „Weinberglied“, weil es diesen Schmerz, diese Kränkung, diesen Frust, und v.a.

die Strafe auch bei Gott sieht. Nicht nur wir kennen das Umsonst, nicht nur wir strafen mit dem Entzug unserer Liebe, nicht nur wir geben den Menschen preis, der unse- re Zuwendung ausschlug, nicht nur wir pochen darauf, dass Leistung sich lohnen muss, sondern Gott selber tut es. Hat Gott diese Form des strafenden Rückzuges, diese Logik selber seiner Schöpfung eingegeben, so dass es nicht nur ein menschliches Verhalten ist, sondern sogar ein schöpfungsgemäßes Grundgesetz des Lebens? Dann wäre all dies Verhalten von Gott sogar so gewollt, sozu- sagen sanktioniert. Dann könnte ich mich, wenn ich mich so verhalte, immer auf Gott selbst berufen. Und umso leichter kann ich es gegen mich wenden und verstehen, dass ich schutzlos mir selbst überlassen bleiben muss, wenn ich mich Gott widersetze und seine Reaktion auf

mein Tun provoziere.

Gefährlich in nochmal anderem Sinn ist dieses Lied, wenn wir es deuten auf die Schwierigkeiten unserer Kir- che: den immensen Traditionsabbruch, - oder unser dra- matisches Kleinerwerden. Steckt hier in Jesajas Lied vom enttäuschten Weingärtner der Schlüssel zur Antwort auf unsere Fragen zur Misere und Zukunft der Kirche:

- Warum muss gerade unsere Generation so stark abbau- en, einschränken, zurücknehmen, auflösen, umstrukturie- ren? Ich sage nur PUK.

- Was haben wir falsch gemacht?

- Sind wir vielleicht nicht glaubwürdig genug, als Pfarrer, als Kirchenvorstand, als Gemeinde, als Kirchenleitung?

- Trifft uns daher Gottes Zorn?

- Hat Gott uns preisgegeben und pflegt er seine Kirche nicht mehr?

Der verstorbene hessische Kirchenpräsident Peter Stein- acker, bei dem ich noch studiert habe, hat zu diesen Fra- gen angesichts unseres Weinberg-Lieds ein beeindru-

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ckendes Zeugnis gegeben. Er schreibt: „Ich gestehe, dass ich mich von diesem Text, den ich kenne und liebe, seit ich ihn im Theologiestudium in der Jesaja-Vorlesung ge- hört habe, oft verführen ließ. Ich habe in Situationen meines Lebens, in denen mich die Reue über Schuld, Fehlverhalten und Angst vor Folgen und Liebesentzug sowieso schon niederdrückte, diesen Eiseshauch als ver- diente Reaktion Gottes geglaubt. Nicht nur meine Schuld, auch der Rückzug meines Gottes, dessen liebevolles, mich stets tragendes Erbarmen mir dann auch noch ent- schwand, das drohte mir dann den Boden unter den Fü- ßen völlig wegzuziehen. Ich nahm meine Verzweiflung über mich und mein Fehlverhalten, über meine Kirche, mein Umsonst-aller-Mühe als logische Folge der strafen- den Abwendung Gottes, der meinen Hochmut dämpft und meine Sorglosigkeit einfach nicht hinnimmt.“

So würde dieses Weinberglied eine destruktive, zynische Wirkung entfalten. Darin liegt seine Gefahr. Die Bot- schaft wäre dann das, was man heute schwarze Pädago- gik nennt. Steinacker wollte das Lied dann so nicht mehr

verstehen und auch wir haben alles Recht, es schöner zu verstehen, weil es sonst auch nicht in die Gesamtbot- schaft Jesajas passen würde – und der Bibel schon gar nicht. –

Gut, immerhin, es bleibt dabei: Dieses Lied zeigt uns Gott nicht als lieben Gott. Hier redet kein gefühlloser, unberührbarer Gott, keiner, der unser Harmoniebedürfnis kosmisch befriedigt. Der Gott des Weinbergliedes kennt Angst, Sorge, Verletzung, Wut und Enttäuschung, denn er ist einer, der Antwort haben will, der unser Schweigen, unseren Lebens-Unsinn nicht erträgt. Ein Gott, dessen Liebe enttäuscht wird und der darauf reagiert – auch mit Strafe. Immer wieder höre ich den Satz: Wir haben kei- nen strafenden Gott mehr. Also wer das Alte Testament stehen lässt, hat den strafenden Gott noch. Und vorhin hörten wir aus dem Johannesevangelium (Joh 3,14-21), dass auch Jesus das Gericht verkündet. Aber gerade dort wurde deutlich, dass das Gericht eine Folge von Gottes Liebe ist. Gott will nicht richten, sondern retten. Gott ist aber ebensowenig ein Rettungs-Automat wie er kein

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Straf-Automat ist. Wer sich seiner Barmherzigkeit ent- zieht, landet im existentiellen Chaos. Ja, aber es gibt im- mer die Tür zurück, den Weg in die rettende Liebe. Auch als Richter kennt Gott nicht den Triumph des: „Da hast Du’s! Das hast du dir selbst zuzuschreiben. Schau, wie du da wieder rauskommst.“

Und auch im Weinberglied geht es eigentlich nur um die Liebe. Auch die zornige Reaktion Gottes ist eingerahmt in die Liebe. Man sieht es an der Wendung: „die Männer Judas sind seine Pflanzung, an der sein Herz hing“. Jesa- ja singt ein Liebeslied. Er singt vom Schmerz der Liebe Gottes.

Es ist sogar ein Liebeslied mit eindeutig erotischem Un- terton. Der Weinberg, das ist ein allen Zuhörern vertrau- tes Bild für die Braut. An vielen Stellen der Bibel, beson- ders im Hohen Lied, ist der Vergleich des Weinbergs mit der erotisch Geliebten gewählt. Als Kostprobe lese ich Hoheslied 7: Er fängt an: „Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! Dein Wuchs ist hoch wie ein

Palmbaum, deine Brüste gleichen den Weintrauben. Ich sprach: Ich will auf den Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und den Duft deines Atems wie Äpfel“. – Und sie antwortet: „Meinem Freund gehöre ich, und nach mir steht sein Verlangen. Komm, mein Freund, lass uns aufs Feld hinausgehen und unter Zyperblumen die Nacht ver- bringen, dass wir früh aufbrechen zu den Weinbergen und sehen, ob der Weinstock sproßt und seine Blüten auf- gehen, ob die Granatbäume blühen. Da will ich dir meine Liebe schenken.“ (Hld 7,7-9.11-13)

Das ist der Ton, in dem Jesajas Hörer normalerweise vom Weinberg hören. Gott scheut sich also nicht, sein Ver- hältnis zu uns sogar in erotischen Bildern zu beschreiben.

So wie einem enttäuschten Bräutigam mit seiner treulo- sen und seiner Liebe nicht würdigen Braut geht es Gott mit uns. Dennoch: Es geht bei allem Vergleich mit unse- rer Liebe um die Liebe Gottes. Und von Gott verkündet uns ein anderer Prophet den entscheidenden Unterschied zwischen der erotischen Liebe unter uns und der Liebe

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Gottes: „Ich bin Gott und kein Mann!“, heißt es beim Propheten Hosea (Hos 11, 9). Das heißt, auch wenn seine Liebe nicht erwidert wird, pocht Gott nicht auf sein Recht und holt – etwa bei Hosea - sein Volk nach Hause. Gott ist eben „kein Vertilger“. Seine Enttäuschung führt nicht automatisch zu Vergeltung und ewigem Hass. Anders herum ist es: Gott lässt sich so auf uns ein, dass er in all seiner Allmacht eingestehen muss: „Auch ich kann hier nichts mehr tun. Sie haben meine Liebe enttäuscht. Aber wenn ich sie jetzt zwingen würde, würde ich die Liebe auch noch von meiner Seite aus zerstören. Das will ich nicht.“

Und wie es Gott jetzt geht, auch das kennen wir von uns:

Es gibt Phasen auch in unserem Leben, in denen wir vom Leben und von anderen so enttäuscht sind, dass wir nur noch uns selber haben. Dann warten wir vergeblich da- rauf, angesprochen zu werden, angesehen und herausge- holt zu werden aus unserer Menschen- und Gottver- schlossenheit. Wüste, Dornen und Disteln, auch das ge- hört zu unserem Leben, auch zu unseren Glaubenserfah-

rungen als Gotteserfahrungen. Zur Liebe und zum Glau- ben, das lehrt uns das Weinberglied, gehört auch die Pas- sion: das Leiden aus Leidenschaft.

Und hier möchte ich den eigentlichen Schlüssel zum Lied von Gott, dem enttäuschten Liebhaber seiner Braut fin- den. Gott selber ist in das Gelingen seiner Liebe unwider- ruflich verliebt. Darum geht er trotz Rechtsanspruchs und Enttäuschung in seine große Passion - uns zum Heil.

So dienen sein Zorn, seine eiskalte Abwendung, seine Emotionen letztlich auch wieder nur dazu, den Bann der bitteren Erfolglosigkeit zu brechen. Gott, der uns von Je- sus als die unsterbliche Liebe ins Herz gesenkt wurde, Gott geht selber den Passionsweg der Liebe, deren „Um- sonst“ nicht endgültig ist, weil es für Gottes Gnade kein Aus und Vorbei gibt. Das zeigt der Kreuzweg. Jesus zeigt uns, dass Gottes Liebe ins Gelingen verliebt ist, dass er selber sich ins Leid der Welt begibt, damit der Schatten des Umsonst und des vernichtenden Zorns, die Dornen und die Wüste unseres kleinen Lebens und des ungeheu-

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ren Leides der Welt nicht das letzte Wort haben.

Niemand hat das welt- und lebenserfahrener beschreiben können als Martin Luther. Seine Worte weisen den Weg aus dem Umsonst und der Angst - zur dankbaren Freude an unserem hilfreichen Hirten. Damit schließe ich:

„Wenn du diesen Hirten kennst, so kannst du wider Teu- fel und Tod dich schützen und sagen: Ich habe ja leider Gottes Gebote nicht gehalten; aber ich krieche dieser lieben Henne, meinem lieben Herrn Christo, unter ihre Flügel und glaube, dass er ist mein lieber Hirte, Bischof und Mittler vor Gott, der mich deckt und schützt mit sei- ner Unschuld und schenkt mir seine Gerechtigkeit; denn was ich nicht gehalten habe, das hat er gehalten, ja, was ich gesündigt habe, das hat er mit seinem Blute bezahlt.

Sintemal er ist nicht für sich, sondern für mich gestorben und auferstanden, wie er denn … spricht: Er lasse sein Leben nicht für sich, sondern für die Schafe. Also bist du denn sicher, und muss dich der Teufel mit seiner Hölle zufrieden lassen; denn er wird freilich Christo nichts an-

haben können, der ihn schon überwunden [hat] und dich, so du an ihn glaubst, schützt und erhält.“

Amen.

Wesentliche Anregungen zu dieser Predigt stammen von Prof. Dr. Peter Steinacker ()

Pfr. Dr. Matthias Dreher

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