auf den direkten Zugang zu einem Psy- chotherapeuten nach eigener Wahl nicht eingeschränkt werden, fordert der Ver- band. Das Versorgungsangebot sei aus- reichend und flächendeckend zu gestal- ten. „Das psychische Befinden der Pati- enten ist bei nahezu jeder körperlichen Erkrankung mit betroffen“, ergänzte Prof. Dr. Dietmar Schulte, Psychothera- peut an der Ruhr-Universität Bochum.
Dabei beeinflussten psychische Faktoren auch die Kosten bei somatischen Erkran- kungen. So könne beispielsweise durch psychotherapeutische Betreuung nach Unfällen die Liegezeit der Patienten ver- kürzt werden. Doch noch immer würden psychische Krankheitsbilder von nieder- gelassenen Haus- und Fachärzten feh- lerhaft diagnostiziert beziehungsweise unangemessen behandelt. Häufig wür- den die Patienten viel zu spät an einen Psychotherapeuten verwiesen, ergänzte Kommer.
Balance zwischen Optimalem und Finanzierbarem
„Die niedergelassenen Ärzte sind ko- operationsbereit“, sagte Dr. med. Leon- hard Hansen, zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Dass ein Drittel der erwachsenen Be- völkerung der psychotherapeutischen Behandlung bedürfe, erscheint ihm aber zu hoch gegriffen. „Die Psychothe- rapeuten sollten keine neuen Ausgren- zungseffekte provozieren, indem sie hy- pertrophe Bedarfe anmelden“, sagte er.
Stattdessen müsse die Balance zwi- schen dem Optimalen und dem Finan- zierbaren gefunden werden. Generell befinde sich die Psychotherapie in ei- nem Dilemma, konstatierte Hansen.
Die Forderung nach Gleichberechti- gung zur somatischen Medizin stehe im Widerspruch zum Verständnis der Psy- chotherapie als Alternative. Dies tre- te besonders bei integrierten Versor- gungskonzepten zutage. Bestünde eine völlige Gleichberechtigung zur somati- schen Medizin, wäre der Zugang zur Psychotherapie innerhalb von Haus- arztmodellen eingeengt. Bliebe die Psy- chotherapie dagegen eine Alternative, hätten die Patienten auch weiterhin einen freien Erstzugang zum Psycho- therapeuten. Dr. med. Eva A. Richter
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A1868 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 27½½½½5. Juli 2002
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ie jüngsten Rechtsstreite von ärztlichen Direktoren der Uni- versitätskliniken Heidelberg und Bonn – vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und vor dem Landgericht Bonn – verdeutlichen einmal mehr, dass kein Arzt an Universitätskliniken und Krankenhäusern seit dem so ge- nannten Herzklappenkomplex vom Juli 1994 wegen seines Umgangs mit Drittmitteln aus der Industrie sich auf der rechtlich sicheren Seite wiegen kann. Die renommierten Hochschul- lehrer und Direktoren von angesehe- nen Universitäts-In-situten sind wegen Materialbestellun- gen (Herzschrittma- cher; Herzklappen und Apparaturen) in Höhe von bis zu zehn Millionen DM zwischen 1991 und 1999 ins Fadenkreuz der staatsanwaltli-
chen Ermittler geraten, weil sie sich um die Einwerbung von Drittmitteln bemühten – dies um der Forschung, Wissenschaft und des Renommees der Klinik willen taten, und keinen Pfennig auf ihr privates Konto ab- gezweigt hatten.
Der BGH hat im Heidelberger Streitfall um Prof. Dr. med. Siegfried Hagl nun den Vorwurf der Untreue aufgehoben. Damit wurde ein deutli- ches Signal gesetzt, dass die Einwer- bung von Drittmitteln nicht per se mit dem strafbewehrten Verdacht der Un- treue belastet werden darf. Allerdings wurde im Heidelberger Fall die Verur- teilung wegen angeblicher Vorteils- nahme nicht vollständig aufgehoben, sondern an das Landgericht – und zwar an eine andere Kammer – zu- rückverwiesen. Der Vorsitzende des 1. BGH-Senats verdeutlichte, dass der Tatbestand der Vorteilsnahme „gera- de noch“ erfüllt sei. Zwar müssten Hochschullehrer auch Drittmittel ein- werben, doch ohne Transparenz und Kontrolle durch die zuständigen Gre- mien der Universität (Rektorat; Dritt- mittelverwaltung) drohe „die Gefahr
einer Drittmittelschattenwirtschaft“.
Wie groß die Vorteile des Heidelber- ger Uniklinik-Direktors waren, soll nun das Landgericht näher prüfen.
Im Fall des Bonner Direktors der Uniklinik für Nuklearmedizin, Prof.
Dr. med. Hans-Jürgen Biersack, hatte vor einem Jahr das Landgericht Bonn eine Verfahrenseröffnung noch abge- lehnt. Die Richter meinten damals, dass Bonuszahlungen „staatsnützig“, und damit nicht zu beanstanden, und nicht „privatnützig“, und damit gesetzeswidrig, waren. Die Leitsätze postulierten: „Dass sich die Industrie mit dem Geld den Krankendienst selbst verbessert, kann nicht straf- bar sein.“ Die bei- den Streitfälle leh- ren: Transparenz, Äquivalenz von Leistungen und ge- zahlten Drittmitteln, Offenlegung und strikte kontenneutrale Drittmittelver- waltung sind unbedingt erforderlich.
Allein auch auf die Tatsache zu ver- weisen, eine Einwerbung von Indu- striegeldern sei unabdingbar, um den Forschungsbetrieb aufrechtzuerhal- ten, können nicht jede Drittmittel- einwerbung und Drittmittelgabe sal- vieren. Mengenrabatte, Boni und Rückvergütungen bei der Beschaf- fung von Apparaturen und Implanta- ten müssen vollständig der Univer- sität als der Bestellerin zugute kom- men. Die Klinikverwaltung als Ein- käuferin ist deshalb in der Vorhand, nicht jedoch die jeweilige Klinik und deren Klinikdirektor oder forschen- de Ärzte selbst.
Um Unikliniken und Klinikleiter von dem Stigma des Unrechtmäßigen zu befreien und zu vermeiden, dass na- hezu sämtliche Methoden der Dritt- mitteleinwerbung in die Strafbarkeit münden, müssen die politischen Ent- scheidungsträger eine für jeden Be- teiligten klar erkennbare Grenzzie- hung zwischen Recht und Unrecht herbeiführen. Dr. rer. pol. Harald Clade