A 840 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 17|
27. April 2012 Salicylat, der aktive Wirkstoff von Acetylsalicyl-säure (ASS), aktiviert in den Zellen ein Energie- sparenzym, welches das Zellwachstum hemmt. Diese Entdeckung in „Science“ (2012;
doi: 10.1126/science.1215327) könnte die seit längerem diskutierte krebspräventive Wir- kung von ASS erklären. Es gibt Überschnei- dungen mit dem Wirkungsmechanismus des oralen Antidiabetikums Metformin, dessen An- wendung ebenfalls mit einer Senkung der Krebsrate in Verbindung gebracht wird.
Das in den 1980er Jahren von Grahame Hardie, Universität Dundee, entdeckte Enzym AMPK (AMP-activated protein kinase) reguliert in den Zellen den Energiestoffwechsel. Seine Funktion wird als ein Schutzmechanismus vor Energiemangel gedeutet. Der Tritt auf die Spar- bremse hat zur Folge, dass Zellteilungen ver- schoben werden. Betroffen ist damit auch die
Proliferation energiehungriger Tumoren. In den letzten Jahren hat es zahlreiche epidemiologi- sche und klinische Hinweise gegeben, dass Anwender von ASS seltener an Krebs erkran- ken. Der Wirkungsmechanismus war jedoch bisher unbekannt. Hardie kann jetzt zeigen, dass Salicylate in der Zelle AMPK aktivieren.
Die Folge ist nicht nur ein potenzieller Krebsschutz. Die Aktivierung von AMPK führt auch zu einem Anstieg der Fettverbrennung und einem Abbau von Fett in der Leber, wie Greg Steinberg von der McMaster Universität in Hamilton/Ontario herausfand. Bei sogenann- ten Knock-out-Mäusen, die kein AMPK bilden, blieb die Wirkung auf den Fettstoffwechsel aus. Durch die Aktivierung von AMPK könnten Salicylate einer diabetischen Stoffwechsellage entgegenwirken. Tatsächlich gibt es für Salsa- lat, ein derzeit nicht gebräuchliches Salicylat,
Belege für eine Wirkung beim Typ-2-Diabetes mellitus. In einer klinische Studie konnte der Langzeitblutzucker HbA
1c unter der Therapie mit Salsalat gesenkt werden (Annals of Internal Medicine 2010; 152: 346–57). Es laufen der- zeit weitere klinische Studien zu dieser Frage.
Auch das Diabetesmedikament Metformin aktiviert AMPK. Für Metformin wird ebenfalls eine krebspräventive Wirkung diskutiert. So zeigen Beobachtungsstudien, dass Typ-2-Dia- betiker, die mit Metformin behandelt werden, seltener an Darmkrebs erkranken (Diabetes Care 2011; 34: 2323–8). AMPK könnte nach Ansicht von Hardie der gemeinsame Nenner der präventiven Wirkung der beiden Medika- mente sein. Der Hinweis auf den möglichen Mechanismus sei wegen des Blutungsrisikos von ASS allerdings kein Argument für den kli- nischen Einsatz. Rüdiger Meyer
WARUM ASS UND METFORMIN VOR KREBS SCHÜTZEN
Die Chirurgen in Deutschland se- hen wegen des ökonomischen Drucks, unter dem die Krankenhäu- sern stehen, ihre Therapiefreiheit in Gefahr. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, sähen sich die Kliniken gezwungen, ihre Patientenzahl zu steigern. „Es ist fraglich, ob dieser Fallzahlsteigerung tatsächlich im- mer gerechtfertigte medizinische Indikationen zugrunde liegen oder aufgrund des starken finanziellen Drucks auf die Häuser aus finan- ziellem Interesse entschieden wur- de“, sagte Prof. Dr. med. Joachim Jähne, Vizepräsident der Deutschen CHIRURGIE
Ökonomischer Druck schafft Fehlanreize
Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) im Vorfeld des Chirurgenkongres- ses in Berlin. Zudem seien heutige Ärzteverträge im Krankenhaus häu- fig mit Bonuszahlungen bei Fall- zahlsteigerungen verbunden.
Neben einer wachsenden Patien- tenzahl spielt aber auch die Wahl der Operationstechnik eine finan- zielle Rolle für das Krankenhaus:
„Patienten werden mitunter mit mo- dernen Methoden operiert, die zwar
Die Universität Bonn bietet im In- ternet einen Selbsttest zum Medi- zinstudium an. Das „Online-Self- Assessment“ (OSA) richtet sich an Abiturienten und andere Interes- sierte. Der Test soll möglichen Be- werbern bei der Entscheidung hel- fen, ob Studium und Arztberuf das Richtige für sie wären.
Schülern fällt es oft schwer, ein- zuschätzen, ob sie für ein Medizin- studium geeignet sind. Das OSA hilft dabei, die eigene Vorstellung MEDIZINSTUDIUM
Uni Bonn startet Online-Selbsttest
mit den Studienanforderungen abzu- gleichen. Dabei geht es um Durch- haltevermögen und Leistungsbe- reitschaft, aber auch Empathie- und Reflexionsfähigkeit. Außerdem tes- tet das OSA naturwissenschaft - liche Grundlagen, Englischkenntnis- se, Merkfähigkeit und räumliches Vorstellungsvermögen.
Der Test ist anonym und kosten- los. Er dauert etwa 45 Minuten und ist abrufbar unter www.selbsttest.
uni-bonn.de/humanmedizin. BH nicht immer effektiver als her- kömmliche Lösungen, jedoch oft fi- nanziell wesentlich ertragreicher sind“, so Jähne.
In dieser Entwicklung sieht die DGCH einen Interessenkonflikt zwi- schen Krankenhäusern und Ärz- ten. Einer ärztlichen Entscheidung müssten medizinische, keine finan- ziellen Intentionen zugrunde liegen, betonte der DGCH-Präsident Prof.
Dr. med. Markus Büchler. hil
Wenn die Ärzte mehr operieren, ist das gut für die Klinik – aber nicht unbedingt für die Patienten.
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