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Archiv "Einsicht in Stasi-Unterlagen wieder ungehindert möglich" (05.08.2002)

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se“ an den betreffenden Einrichtungen, Themen und Personen sowie der politi- sche Stellenwert einzelner Staats- oder sonstiger Planaufgaben. Den medizini- schen Fakultäten wandte sich das MfS stärker zu als dem allgemeinen Gesund- heitswesen. Sie galten als „politisch be- sonders konservativ“. Die Ärzte be- suchten vergleichweise häufig Tagun- gen im nichtsozialistischen Wirtschafts- gebiet. 1985 entfielen von 6 700 Ta- gen Westaufenthalt von DDR-Wissen- schaftlern 3 200 Tage allein auf den For- schungsbereich Biowissenschaften und Medizin.

„Die Stasi zog die geheimen Fäden in der Wissenschaftsorganisation, zumin- dest aber kontrollierte sie sie“, konsta- tiert Buthmann. Dazu besetzte die Stasi bevorzugt die leitenden Positionen mit IM oder vergewisserte sich der betref-

fenden Personen. „Der Prorektor der Medizinischen Fakultät war in den Jah- ren vor der Wende immer ein Spitzel“, berichtet Prof. Dr. med. Siegfried Wau- rick, Vorsitzender der Personalkommis- sion der Universität Leipzig. Die Kom- mission untersucht seit 1990 – wie ähnli- che Kommissionen an anderen ostdeut- schen Hochschulen – die Vergangenheit von Hochschullehrern auf Stasimitar- beit. Dabei stützt sie sich auf die Ehren- erklärungen der Betroffenen, die Perso- nalbögen der Hochschullehrer der DDR sowie auf das Material der Stasi-Unter- lagen-Behörde („Gauck-Behörde“).

Fast alle Mitarbeiter an den Univer- sitäten füllten die Erhebungsbögen aus – mehr oder minder wahrheitsgemäß.

„Einige IM stellten sich als unbelastet dar oder verwendeten Halblügen“, be- richtet Waurick. Viele hätten angege-

ben, dass sie die Weitergabe von Infor- mationen nicht als „wirkliche Stasi- Tätigkeit“ betrachtet hätten. „Sie fühl- ten sich sicher, weil sie noch nicht wuss- ten, wie genau die Stasi Buch geführt hat“, meint Waurick.Andere hätten hin- gegen die Flucht nach vorn angetreten und ihre IM-Tätigkeit offen zugegeben.

Nach der bisherigen Auswertung habe der Anteil von IM zum Beispiel an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig unter zehn Prozent gelegen. Je nach Position wurde ihnen nach der Wende gekündigt, oder es wurden ihnen Brücken für die eigene Kündigung ge- baut. Bei geringfügigen Vorkommnissen konnten nach Einzelfallprüfung einige Mitarbeiter an der Fakultät bleiben, al- lerdings in niedrigerer Position. Sonja Süß, Psychiaterin und ehemalige wissen- schaftliche Mitarbeiterin der Bundes-

P O L I T I K

A

A 2082

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 31–325. August 2002

Die historische und journalistische Auf- arbeitung des Staatssicherheitssy- stems der DDR kann weitergehen. Am 12. Juli stimmte der Bundesrat der Än- derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes zu. Der Antrag der Länder Bayern, Sachsen, Saarland und Thüringen auf Anrufung des Vermittlungsausschusses fand keine Mehrheit. Bereits am 4. Juli 2002 hatte der Bundestag gegen die Stimmen der Union den Gesetzentwurf verabschiedet. Die Gesetzes-Novelle kann somit noch im Sommer in Kraft treten. Dann darf die Bundesbeauftrag- te für die Unterlagen des Staatssicher- heitsdienstes der ehemaligen DDR, Marianne Birthler, auch wieder Akten über Prominente ohne deren aus- drückliche Einwilligung herausgeben.

Dies war nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März dieses Jahres, das die Heraus- gabe der Stasi-Akten über Alt-Bundes- kanzler Dr. Helmut Kohl untersagte, zunächst nicht mehr möglich.

Das Stasiunterlagen-Gesetz muss das Recht des Einzelnen auf Schutz sei- ner Persönlichkeit gegen das öffentliche Interesse an der Aufklärung der DDR- Vergangenheit abwägen. Nach dem jetzt gebilligten Entwurf muss die Bun- desbeauftragte berücksichtigen, ob die

„Informationserhebung erkennbar auf einer Menschenrechtsverletzung be- ruht“, also ob sie beispielsweise durch

Einbrüche oder Abhöraktionen der Sta- si zustande kam. Unterlagen über Per- sonen der Zeitgeschichte oder Inhaber politischer Funktionen darf sie nur dann zur Verfügung stellen, wenn durch de- ren Verwendung keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen beeinträch- tigt werden. Die Betroffenen müssen in- formiert werden. De facto behält die Behörde jedoch das letzte Wort über die Herausgabe der Akten.

Die Union hatte diese Regelung im Vorfeld kritisiert. Altbundeskanzler Kohl hält sie für verfassungswidrig und will erneut klagen. Birthler begrüßte dagegen die Entscheidung. Bundestag und Bundesrat hätten damit verdeut- licht, wie wichtig ihnen die Aufarbei-

tung der SED-Diktatur und die Recher- che zur Tätigkeit des Staatssicherheits- dienstes sei. Wäre die Gesetzes-Novel- le gescheitert, hätten nach der zuvor gültigen Regelung „Betroffene oder Dritte“ ab dem 1. Januar 2003 ihre Ak- ten von der Behörde vernichten lassen können – egal, wie stark sie in das Sy- stem der Stasi involviert waren. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz wäre zur Ver- schlusssache geworden.

Für viele ehemalige DDR-Bürger wä- re das ein Verrat an der friedlichen Revo- lution gewesen. Denn das politische Fundament des Gesetzes wurde bereits im Herbst 1989 gelegt, als sich Hundert- tausende gegen die Diktatur der SED und gegen ihr „Schild und Schwert“, das Ministerium für Staatssicherheit, auflehnten. Ende November/Anfang Dezember 1989 signalisierten Rauch- wolken über den Bezirksverwaltungen

des MfS, dass deren Mitarbeiter auf ihre Weise mit der „Bewältigung“ der Ver- gangenheit begonnen hatten. Sie ver- nichteten im „heißen Herbst“ erhebli- che Teile der Unterlagen, doch rund 185 Kilometer Unterlagen blieben erhalten.

Die der Vernichtung entgangenen Akten wurden an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen DDR, die

„Gauckbehörde“, übergeben. Notwen- digkeit und Risiken einer zügigen und möglichst umfassenden Aufarbeitung sahen die Menschen in Ost und West sehr unterschiedlich. Die Spannweite der Forderungen reichte von der Ver- nichtung der Unterlagen bis zu dem Vor- schlag, sie vorbehaltlos offen zu legen.

Der Gesetzgeber löste das Problem im Sinne einer kontrollierten Öffnung der Stasi-Unterlagen für verschiedene Nut- zungszwecke. Das vom ersten gesamt- deutschen Bundestag verabschiedete

„Gesetz über die Unterlagen des Staats- sicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG)“ trat am 29. Dezember 1991 in Kraft.

Inzwischen haben knapp 1,9 Millio- nen Bürger Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Bis zum Jahresende 2001 wur- den circa 1,76 Millionen dieser Anträge bearbeitet – neben drei Millionen An- trägen von Behörden, Parteien und der Privatwirtschaft. Dennoch sind das In- teresse und der Bedarf an Einsicht in die Unterlagen ungebrochen – etwa 8 900 neue Anträge gingen 2001 monatlich bei der Bundesbeauftragten ein. ER

Einsicht in Stasi-Unterlagen wieder ungehindert möglich

Bürgerrechtler protestierten in den vergangenen Wochen vor dem ehemaligen Stasi-Gebäude in Leipzig, der „Runden Ecke“. Foto: ddp

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