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Der Auskunftsanspruch nachdem Stasi-Unterlagen-Gesetz

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Academic year: 2021

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stud. iur Susanna Much

Der Auskunftsanspruch nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz

- aktuelle Rechtsprechung des BVerwG und geplante Gesetzesänderungen

Studienarbeit im Rahmen des Seminars

„Aktuelle Entwicklungen auf dem Weg zur Informationsfreiheit“

bei

Prof. Dr. Reimund Schmidt-De Caluwe

Wintersemester 2002/2003

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Gliederung

A. Einführung I. Einleitung

II. Entstehungsgeschichte III. Gesetzeszweck

IV. Stasi-Unterlagen als Bezugsobjekt der Ansprüche B. Die einzelnen Ansprüche

I. Die Ansprüche nach den §§ 12-18 für Betroffene, Dritte, Mitarbeiter der Stasi und Begüns- tigte

1. Allgemeine Grundsätze nach § 3 2. Verfahrensvorschriften nach § 12

3. Einordnung als Opfer oder Täter nach § 6 VIII 4. Ansprüche der Betroffenen und Dritten nach § 13 5. Ansprüche von nahen Angehörigen nach § 15 6. Ansprüche von Mitarbeitern nach § 16

7. Ansprüche von Begünstigten nach § 17 8. Regeln bei Justizakten

II. Die Ansprüche für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen nach den §§ 19-31 1.Allgemeine Regeln nach den §§ 4, 29, 30

2. Verfahrensvorschriften nach § 19 3. Verwendungen nach den §§ 20, 21

4. Verwendung für Zwecke parlamentarischer Ausschüsse, § 22

5. Verwendung der Unterlagen zur Strafverfolgung / Gefahrenabwehr, § 23 6. Verwendung der Justizakten nach § 24

7. Sonstige Verwendungen nach den §§ 25, 26

III. Verwendung für die politische und historische Aufarbeitung sowie durch Presse und Rundfunk nach den §§ 32-34

1.Verfahrensvorschriften nach § 33 2. Verwendung nach § 32

3. Verwendung der Unterlagen durch Presse, Rundfunk und Film nach § 34 4. Der sog. Aktenstreit vor dem BVerwG

a) Sachverhalt

b) Rechtsposition des BVerwG c) Rechtsposition der BStU d) Argumentation

e) Ergebnis 5. Die Gesetzesänderung

a) Die einzelnen Änderungen

b) Bewertung der Gesetzesänderung C. Zusammenfassung

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A. Einführung

I. Einleitung

Nach dem Zusammenbruch der DDR gab es unterschiedliche Forderungen, wie mit den Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zu verfahren sei: Gegen die Forderungen einer der Öffentlich- keit vorenthaltenen Archivierung und der Vernichtung sämtlicher Akten setzte sich die Forderung nach der Öffnung der Akten und ihrer umfassenden Nutzung zur Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS durch und fand im Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG)1 ihre Umsetzung.

Diese Entscheidung für die Öffnung der Akten ist insofern historisch einmalig, als es sich um die Un- terlagen eines Geheimdienstes handelt, die dessen z.T. menschen- und persönlichkeitsrechtswidriges Vorgehen und die Herrschaftsstruktur eines totalitären Regimes dokumentieren2.

Mit dieser Entscheidung gehen allerdings auch umfassende Verwendungsansprüche nicht nur derje- nigen, über die die Akten geführt wurden, einher, so dass ein Ausgleich zwischen den entgegenste- henden Interessen der Opfer und Täter am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts und der Öffentlichkeit an einer Aufklärung und Aufarbeitung notwendig ist.

Diese Arbeit setzt sich mit den im StUG gewährten Auskunftsansprüchen und etwaigen Interessenkol- lisionen auseinander.

II. Entstehungsgeschichte

Das StUG ist die gesetzliche Grundlage für die Gründung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) als Oberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des In- nern (BMI), § 35 I, und gibt den gesetzlichen Rahmen für deren Tätigkeit vor, § 2 I. Anhand der Ent- stehungsgeschichte dieses Gesetzes, das einerseits den Bedürfnissen der Ostdeutschen nach Ver- gangenheitsaufklärung und Vergangenheitsbewältigung und andererseits dem Rechtsverständnis der Westdeutschen, also der vom Grundgesetz vorgeschriebenen Rechtsstaatlichkeit gerecht werden musste3, kann die Bedeutung der Öffnung der Stasi-Unterlagen für die Ostdeutschen aufgezeigt wer- den.

Nachdem bereits im Dezember 1989 die Stasi-Zentralen besetzt wurden, wurde im Februar 1990 un- ter Druck der in Bürgerkomitees vereinigten Bürgerrechtler durch Regierungsbeschluss das „Komitee zur Auflösung des MfS/AfNS“ gegründet. Allerdings war dieses Komitee dem damaligen Minister für Innere Angelegenheiten unterstellt und als solches ein staatliches, so dass die Bürgerrechtler erhebli- che Zweifel an der unabhängigen Arbeit des Komitees hatten4. Unter dem Eindruck dieses Misstrau- ens wurde im Juni 1990 durch einen Volkskammerbeschluss ein staatlich unabhängiger Sonderaus-

1 BGBl. I 1991, S. 2272.

2 Brandenburger, KJ 1995, 351 (351, 352); Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (65); Trute, JZ 1992, 1043 (1044).

3 Heitmann, NJW 2000, 1458 (1459); Staff, ZRP 1992, 462 (463); Weichert, ZRP 1992, 241 (241).

4 http://www.bstu.de/rechtl_grundl/volkskammer/index.htm.

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schuss zur Kontrolle der endgültigen Auflösung des MfS/AfNS, dem auch einige Bürgerrechtler mit be- ratender Stimme angehörten, geschaffen. Dieser Sonderausschuss wurde über seine Kontrollfunktion hinaus neben dem BMI am Verfahren für ein Volkskammergesetz über den Umgang mit den Stasi- Unterlagen beteiligt. Bereits hier wurden die unterschiedlichen Vorstellungen über den Umgang mit den Stasi-Unterlagen sichtbar: Während das BMI den Vorschlag unterbreitete, die Akten nur zur Re- habilitierung und für Strafverfahren zu öffnen, sprach sich der Sonderausschuss für einen umfassen- den Zugang der DDR-Bürger zu „ihrer“ Akte aus. Die Volkskammer stimmte schließlich mit großer Mehrheit für den Vorschlag des Sonderausschusses und wollte, dass das am 24. August 1990 verab- schiedete „Gesetz über die Sicherung und Nutzung personenbezogener Daten des ehemaligen MfS/AfNS“5 Bestandteil des Einigungsvertrages wird. Da dieses Gesetz aber keinen Eingang in den Einigungsvertrag gefunden hatte, brachte die Volkskammer ihren Willen mit einer erneuten Abstim- mung über das Gesetz zum Ausdruck. Daraufhin wurde in einer Zusatzvereinbarung zum Einigungs- vertrag bestimmt, dass der Umgang mit den Stasi-Unterlagen durch den gesamtdeutschen Gesetzge- ber zu regeln ist6. Das von der Volkskammer verabschiedete Gesetz wurde aber nicht in den Eini- gungsvertrag aufgenommen. Bereits ab Oktober 1990 konnten dann die Unterlagen, wenn auch nur beschränkt, genutzt werden7. Schließlich begann 1991 die Vorbereitung für die Schaffung des StUG unter einer breiten öffentlichen Beteiligung. So unterbreiteten u.a. die Bürgerkomitees und die Landta- ge der neuen Bundesländer Gesetzesvorschläge. Schließlich verabschiedete der Bundestag mit gro- ßer Mehrheit am 20. Dezember 1991 das StUG, das am 29. Dezember 1991 in Kraft trat und seither durch fünf Änderungsgesetze novelliert worden ist, wobei im Rahmen dieser Arbeit die jüngste Ände- rung von besonderer Bedeutung ist.

III. Gesetzeszweck

In § 1 I Nr. 1-48 werden die vom StUG verfolgten Zwecke dargelegt und gleichsam ein Überblick über die drei unterschiedlichen Arten der Auskunftsansprüche gegeben, ohne dass hieraus bereits kon- krete Ansprüche hergeleitet werden können9.

Zunächst wird der Anspruch des einzelnen auf Zugang zu den zu seiner Person gespeicherten Daten in § 1 I Nr. 1 genannt, der durch die §§ 3, 12-18 konkretisiert wird. Zwar haben auch ehemalige Mitar- beiter des MfS und die durch das MfS Begünstigten einen Anspruch auf Zugang zu ihren Akten, §§

16,17, der Hauptzweck liegt jedoch darin, wie das Gesetz zum Ausdruck bringt, dem einzelnen Opfer die Möglichkeit zu geben, den Einfluss des Staatssicherheitsdienstes (Stasi) auf sein Leben durch die Eingriffe in seine Freiheitsbestimmung aufzuklären. Diese Gewährleistung der persönlichen Aufarbei- tung ergibt sich aus dem Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle

5 DDR-GBl. 1990, 11419.

6 Geerlings/Küas, DVBl. 2001, 1642 (1644).

7 Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (66); wobei die gesetzlichen Grundlagen hierfür das Volkskammergesetz vom 24.8.1990, die Zusatzvereinba- rung und die Durchführungsvereinbarung zum Einigungsvertrag sowie die vorläufige Benutzerordnung des Sonderbeauftragten waren.

8 Paragrafen ohne Gesetzesangaben sind solche des StUG.

9 Stoltenberg, § 1 Rn. 1,3.

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Selbstbestimmung nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG10. Damit wird der Zweck, zu dem die Akten einst angelegt worden sind, nämlich für die Verwendung gegen die Opfer, vollständig umgewandelt11. Als weiteren Gesetzeszweck nennt § 1 I Nr. 2 den Schutz des einzelnen vor Beeinträchtigungen sei- nes Persönlichkeitsrechts durch die weitere Verwendung der zu seiner Person gespeicherten Infor- mationen. Einerseits wird hiermit der Maßstab, an dem sich alle Auskunftsansprüche messen lassen müssen, statuiert. Insofern soll das Persönlichkeitsrecht als Eingriffsabwehrrecht vor weiteren Verlet- zungen schützen12. Andererseits wird mit dem Schutz des im Grundgesetz verbürgten Persönlich- keitsrechts nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG zum Ausdruck gebracht, dass sich sämtliche Regelungen des StUG am Grundgesetz messen lassen müssen13. Zwar sind die Eingriffe in das Persönlichkeits- recht, die bei der Anlegung der Akten durch das MfS stattfanden, nicht der Bundesrepublik zurechen- bar14, das StUG ist jedoch ein vom Bundestag unter den Regeln des Grundgesetzes verabschiedetes Gesetz, so dass die Prinzipien des Grundgesetzes Anwendung finden müssen. Des Weiteren liegt dem StUG eine Differenzierung zwischen Opfern und Tätern zugrunde15, die sich auch auf den Per- sönlichkeitsrechtsschutz auswirkt. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts gilt prinzipiell für all diejeni- gen, zu denen eine Akte angelegt wurde, also auch für die Täter, zu denen zumindest eine Personal- akte besteht. Indem die Täter aber durch Bespitzelung auf ein fremdes Leben eingewirkt haben und den Opfern aufgrund ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG, ein umfassendes Recht zusteht, zu erfahren, wie tief und durch wen in ihr Leben eingedrungen wurde, müssen die Interessen der Täter zurücktreten, so dass ihre Tätigkeit den Opfern in vollem Umfang offengelegt werden kann. Demgegenüber dürfen die personenbezogenen Informationen über die Op- fer, die unter Verletzung ihrer Rechte entstanden sind nur unter strengen Voraussetzungen verwendet werden. Die Opfer sind also bzgl. der weiteren Verwendung ihrer personenbezogenen Informationen besser geschützt und haben auch weitergehende Auskunftsansprüche als die Täter. Diese Differen- zierung ist auch nach dem Gleichheitssatz geboten16. Danach ist eine Ungleichbehandlung von meh- reren Normadressaten nur dann möglich, wenn dies durch ihre unterschiedliche Eigenschaft17, wie vorliegend bei Opfern und Tätern, begründet werden kann.

Des Weiteren soll gem. § 1 I Nr. 3 die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit der Stasi gewährleistet und gefördert werden. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass der dar- gelegte Zweck nicht ausschließlich durch staatliches Handeln erreicht werden soll und auch nicht er- reicht werden kann. Vielmehr bedarf es hierzu der Presse, dem Rundfunk und Forschungseinrichtun- gen, deren Zugangsrechte in den §§ 32-34 geregelt sind. Diese Aufarbeitung soll die Unrechtspraxis der Stasi sichtbar machen, die Opfer rehabilitieren und wieder Vertrauen in die staatlichen Institutio- nen schaffen18.

10 Stoltenberg, § 1 Rn. 5, Trute, JZ 1992, 1043 (1045).

11 Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (66); Wassermann, NJW 2000, 1460 (1460).

12 Stoltenberg, § 1 Rn. 8.

13 Brandenburger, KJ 1995, 351 (355); Staff, ZRP 1992, 462 (463).

14 BVerfGE 84, 90 (122); Trute, JZ 1992, 1043 (1045).

15 Auf die konkrete Untergliederung nach § III-VIII wird an späterer Stelle eingegangen.

16 Trute, JZ 1992, 1043 (1047).

17 BVerfGE 84, 348 (359); 55, 72 (88).

18 Trute, JZ 1992, 1043 (1045).

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Schließlich sollen nach § 1 I Nr. 4 zu den gesetzlich vorgeschriebenen Verwendungszwecken öffentli- chen und nicht-öffentlichen Stellen die für ihre Tätigkeit erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die konkreten Ansprüche hierzu befinden sich in den §§ 19-31.

IV. Stasi-Unterlagen als Bezugsobjekt der Ansprüche

Das gemeinsame Bezugsobjekt aller Ansprüche sind, wie § 1 II festlegt, alle Unterlagen des Staatssi- cherheitsdienstes, also des MfS und seiner Vorläufer- und Nachfolgeorganisationen, § 1 I, die sich bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen sowie bei natürlichen Personen befinden. Darunter fallen nach der Legaldefinition des § 6 I sämtliche Informationsträger einschließlich ihrer Kopien, soweit sie bei der Stasi oder dem Arbeitsgebiet I der Kriminalpolizei entstanden, in ihren Besitz gelangt oder zu ihrer Verwendung überlassen worden sind. Ferner gehören hierzu Akten von Gerichten und Staats- anwaltschaften, die der Stasi überlassen wurden. Insbesondere die Ausdehnung des Begriffs der Sta- si-Unterlagen auf diese Akten war während des Gesetzgebungsverfahrens umstritten19. Die sog. Jus- tizakten dienen aber eindeutig der Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit gem. § 1 I Nr. 3, indem sie die wechselseitigen Einflussnahmen zwischen Justiz, Staatsanwaltschaft und Stasi dokumentieren20.

Nicht zu den Unterlagen gehören gem. § 6 II u.a. Schreiben der Stasi an öffentliche Stellen, denen gegenüber die Stasi weder rechtlich noch faktisch weisungsbefugt war. Der Ausschluss derartiger Schreiben muss jedoch insoweit kritisiert werden, als durch sie gerade offengelegt werden kann, wel- chen Einfluss die Stasi hatte21. Mithin könnten sie ebenfalls der Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit nach

§ 1 I Nr. 3 dienen.

Schließlich dehnt § 10 den Zugriff des BStU über den Bereich der Stasi-Unterlagen nach § 6 I, II auf die Unterlagen der SED, der mit ihr verbundenen Parteien sowie der Massenorganisationen der ehe- maligen DDR aus. In diesem Zusammenhang wird bemängelt22, dass es keine zu § 10 parallele Re- gelung für die Akten bei bundesdeutschen Behörden gibt, die ebenfalls nicht der Definition des § 6 I, II unterfallen, aber Informationen über die Tätigkeit und die Einflussnahme der Stasi auf das Schicksal des einzelnen beinhalten könnten und somit den Gesetzeszwecken nach § 1 I Nr. 1, 3 dienen könn- ten. Aufgrund der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR ist es nicht auszuschließen, dass sich derartige Informationen in den Unterlagen des Auswärtigen Amtes, des BND oder der Verfas- sungsschutzämter befinden. Die einer solchen Offenlegung entgegenstehenden Geheimhaltungsinte- ressen könnten durch die Anonymisierung betroffener Stellen oder die Übermittlung von bloßen Ak- tenauszügen berücksichtigt werden. Schließlich ist eine Offenlegung aller relevanten Unterlagen in- soweit auch verfassungsrechtlich geboten, als es um die Aufklärung des Einflusses der Stasi auf das Einzelschicksal geht. So legt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das dem einzelnen das Recht gibt, zu wissen, welche ihn betreffenden Informationen anderen bekannt sind, dem Staat eine umfassende Schutzpflicht auf23, so dass die einzige Konsequenz die Öffnung aller dem Zugriff des Staates unterliegenden und erheblichen Akten ist.

19 BT-Drucks. 12/1093, S. 30.

20 Trute, JZ 1992, 1043 (1046).

21 Brandenburger, KJ 1995, 351 (353); Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (68).

22 Brandenburger, KJ 1995, 351 (353); Staff, ZRP 1992, 462 (464).

23 BVerfGE 65, 1 (43); Staff, ZRP 1992, 462 (464).

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Indem sich nicht bereits alle Akten in den Archiven des BStU, sondern auch bei öffentlichen und nicht- öffentlichen Stellen befinden, besteht gem. § 7 für diese Stellen eine Unterstützungs- und Anzeige- pflicht, wenn sich bei ihnen Unterlagen befinden. So soll dem BStU eine möglichst umfassende und lückenlose Arbeit ermöglicht werden. Darüber hinaus müssen gem. § 8 öffentliche Stellen auf Verlan- gen des BStU alle Unterlagen sowie Kopien herausgeben. Nach § 9 obliegt diese Herausgabepflicht den nicht-öffentlichen Stellen nur, wenn es sich bei den Unterlagen nicht um ihr Eigentum handelt, an- sonsten ist dem BStU die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen.

B. Die einzelnen Ansprüche

I. Die Ansprüche nach den §§ 12-18 für Betroffene, Dritte, Mitarbeiter der Stasi und Begünstigte

1. Allgemeine Grundsätze nach § 3

§ 3 legt die allgemeinen Grundsätze für die Auskunftsansprüche des einzelnen nieder und enthält in seinem ersten Absatz das Recht des einzelnen, zu erfahren, ob in den bereits erschlossenen Unterla- gen Informationen zu ihm enthalten sind. Ist dies der Fall, dann sollen ihm Einsicht, Auskunft und Her- ausgabe von diesen Akten gewährt werden, wobei sich der konkrete Anspruch nach den §§ 12 ff.

richtet. Da sich die jeweiligen Ansprüche immer nur auf die Person des einzelnen Antragstellers be- ziehen und jedem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG, zusteht, kann der einzelne die ausschließlich ihn betreffenden Informationen gem. § 3 II im Rahmen der allge- meinen Gesetze verwenden. Schließlich bestimmt § 3 III in Anbindung an § 1 I Nr. 2, dass durch die Auskunftsansprüche die Interessen anderer nicht verletzt werden dürfen.

2. Verfahrensvorschriften nach § 12

Alle Ansprüche können gem. § 12 I durch Antrag unter Nachweis der Identität des Antragstellers und zusätzlich bei Vertretern oder Bevollmächtigten unter Nachweis der Vertretungs- bzw. Vollmacht gel- tend gemacht werden. Das StUG unterscheidet zunächst bei den einzelnen Ansprüchen nach dem Begehren des Antragstellers, also ob auf Auskunft, Einsicht oder Herausgabe von Unterlagen abge- zielt wird. Die Regeln für den Anspruch auf Auskunft sind in § 12 II, III niedergelegt, wonach die Aus- kunft in der Regel schriftlich zu erteilen ist und unter bestimmten Voraussetzungen ein eilbedürftiges Auskunftsbegehren mit Vorrang behandelt werden kann. Der Anspruch auf Einsicht kann sich gem. § 12 IV sowohl auf Originale als auch auf Duplikate der Akten beziehen. Um, wie in § 1 I Nr.2 statuiert, weitere Verletzungen des Persönlichkeitsrechts zu verhindern, darf die Einsicht in Originalpapiere, die auch personenbezogene Informationen von Betroffenen und Dritten beinhalten, nur mit deren Einwilli- gung gestattet werden, da mit der Zustimmung die Geheimhaltungsinteressen der Opfer entfallen24. Liegt eine derartige Einwilligung nicht vor, dann darf in Originalunterlagen nach Nr. 2 nur Einsicht ge- nommen werden, wenn die unterschiedlichen Informationen nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand voneinander körperlich getrennt werden können und die Geheimhaltungsinteressen der anderen nicht

24 Geiger/Klinghardt, § 12 Rn. 10.

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überwiegen. Bei der Einsicht in Duplikate wird der Schutz der Betroffenen und Dritten durch die Ano- nymisierung ihrer personenbezogenen Informationen erreicht. Schließlich können Unterlagen auch herausgegeben werden. Dieser Anspruch bezieht sich gem. § 12 V nur auf Duplikate, in denen zudem die Informationen über Betroffene und Dritte anonymisiert worden sind.

3. Einordnung als Opfer oder Täter nach § 6 VIII

Wie bereits dargelegt, unterscheidet das StUG zwischen Opfern und Tätern, wobei bei der Einord- nung einer Person in eine der Gruppen gem. § 6 VIII 2 die Zielrichtung, mit der eine Information über eine Person aufgenommen wurde, entscheidend ist. So wird also nicht objektiv hinterfragt, ob jemand Stasi-Mitarbeiter etc. war, sondern es wird ausschließlich der Inhalt der Akten zugrundegelegt. Dies ist in den Fällen problematisch, in denen die Akten vom wahren Sachverhalt abweichen oder ihn unzu- treffend wiedergeben, was vor allem bei inoffiziellen Mitarbeitern möglich ist25. Allerdings müssen die Unterlagen Ausgangspunkt der Einordnung von Personen sein, da sie die einzige schriftliche Quelle der damaligen Tätigkeiten und damit die einzige Grundlage für die Arbeit der BStU sind26. Zugleich fordert § 6 VIII 1, dass für jede einzelne Information festgestellt werden muss, ob die Person Opfer o- der Täter war, da ein und dieselbe Person gleichzeitig oder im Laufe der Jahre abwechselnd Opfer o- der Täter gewesen sein kann27.

4. Ansprüche der Betroffenen und Dritter nach § 13

Nach all dem ergeben sich für Betroffene, also diejenigen, die gem. § 6 III zielgerichtet von der Stasi ausgespäht worden sind, nach § 13 I-IV umfangreiche Auskunfts-, Einsichts- und Herausgabeansprü- che. Dabei ist der mit dem Anspruch verfolgte Zweck nicht geltend zu machen, da der Umstand, dass jemand bespitzelt wurde, ein hinreichendes Zugangsinteresse ist28. Entsprechend dem Recht auf umfassende Aufklärung ihres Schicksals, § 1 I Nr. 1, befindet sich in Abs. 5 die sog. Klarnamenrege- lung, wonach die wahren Namen und weitere Identifizierungsangaben von denjenigen Mitarbeitern und Denunzianten, die in den Akten nur mit Decknamen genannt werden, offen zu legen sind. Indem

§ 13 V 3 explizit regelt, dass in diesem Fall die Interessen der Täter hinter die Interessen der Opfer zurücktreten müssen, können sich die Täter nicht auf § 3 III berufen, wonach schutzwürdige Interes- sen anderer durch den Aktenzugang nicht beeinträchtigt werden dürfen. Der Anspruch des einzelnen Betroffenen auf Nennung des Klarnamens ist nach § 13 VI für diejenigen ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Spitzeltätigkeit gegen den Betroffenen noch nicht volljährig waren. Dieser Anspruch entfällt sogar dann, wenn sie nach Vollendung der Volljährigkeit weiterhin für die Stasi, aber gegen andere Personen ermittelt haben. Zum Teil wird argumentiert, dass für eine „Amnestie“ nach der Ju- gendsündenregelung kein Grund besteht, wenn nach dem 18. Lebensjahr weiterhin mit der Stasi zu- sammengearbeitet wurde, weil es sich dann gerade nicht mehr um, eine jugendliche Verfehlung han- delt29. Letztlich ist der Wortlaut diesbezüglich aber eindeutig, so dass die Einschränkung der Klarna- menregelung hingenommen werden muss30.

25 Trute, JZ 1992, 1043 (1048).

26 Dörr, ZG 1991, 170 (173); Trute, JZ 1992, 1043 (1048).

27 BT-Drucks. 12/1093, S. 22.

28 Stoltenberg, § 13 Rn. 3.

29 Stoltenberg, § 13 Rn. 11.

30 Schmidt/Dörr, § 13 Rn. 16.

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Dritten, die gem. § 6 VII zwar nicht zielgerichtet ausgespäht wurden, über die aber bei Gelegenheit der Bespitzelung anderer Informationen gesammelt wurden, stehen gem. § 13 VII die gleichen An- sprüche wie den Betroffenen zu. Indem sie selbst nicht im Objektfeld der Stasi waren, sind personen- bezogene Informationen über sie in den Akten nur schwer zu finden, so dass Angaben zum Auffinden der Akten gemacht werden müssen und der Suchaufwand nicht außer Verhältnis zum Informationsin- teresse stehen darf.

5. Ansprüche von nahen Angehörigen nach § 15

Nahen Angehörigen von Vermissten und Verstorbenen stehen gem. § 15 die gleichen Ansprüche wie Betroffenen zu, sofern dies nicht dem ausdrücklichen Willen des Vermissten oder Verstorbenen wi- derspricht und dies einem der gesetzlich vorgeschriebenen Zwecke dient.

6. Ansprüche von Mitarbeitern nach § 16

Den Ansprüchen der Mitarbeiter, also den hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi (§ 6 IV) sowie den inoffiziellen Mitarbeitern des Arbeitsgebiets I der Kriminalpolizei und denjenigen, die den Weisungen der Stasi rechtlich oder faktisch unterlagen (§ 6 V), liegt die Besonderheit der zu ihnen geführten Akten zugrunde. Diese bestehen aus einem Teil, in dem die Anbahnung des Mitarbeiterver- hältnisses dokumentiert sowie einige Probeberichte enthalten sind, und einem zweiten Teil, in dem die angefertigten Spitzelberichte, deren Kopien sich noch einmal in den Opferakten befinden, enthalten sind31. Dementsprechend stehen den Mitarbeitern nach § 16 I, II, V Ansprüche auf Auskunft und Her- ausgabe des ersten Teils ihrer Akte zu. Dabei muss die Anonymisierung von personenbezogenen In- formationen über Betroffene und Dritte so umfassend wie möglich sein, um zu verhindern, dass der Mitarbeiter aufgrund seines Zusatzwissens den Fall rekonstruiert32. Die Auskunft bzgl. des zweiten Teils der Akte sowie der Probeberichte aus dem ersten Teil ist gem. Abs. 2 nur auf grobe Informatio- nen, etwa über die Art, den Umfang und die Häufigkeit der Berichterstattung gerichtet, um zu verhin- dern, dass der Mitarbeiter seine Erinnerungen auffrischt und so erneut die Opfer in ihren Rechten verletzt33. Schließlich kann gem. Abs. 4 nach pflichtgemäßem Ermessen Einsicht in den zweiten Teil der Akte gewährt werden, wenn der Mitarbeiter ein rechtliches Interesse daran hat und das Geheim- haltungsinteresse des Betroffenen nicht überwiegt. Dabei ist das rechtliche Interesse dann gegeben, wenn durch die Einsicht ein Rechtsverhältnis oder ein rechtlich relevantes Verhalten geklärt oder eine gesicherte Grundlage für die Durchsetzung eines Anspruchs geschaffen werden soll34. Zum Teil wird kritisiert, dass nur die Einsichtnahme, nicht aber die Verwendung der erlangten Informationen an das rechtliche Interesse gebunden ist, so dass die Informationen auch zu anderen Zwecken als zur Gel- tendmachung von rechtlichen Interessen genutzt werden können35. So kann der Mitarbeiter mit dem aufgefrischten Wissen erneut gegen die Opfer vorgehen, solange er sich gem. § 3 II an die allgemei- nen Gesetze hält. Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass die personenbezogenen Infor- mationen der Opfer so zu anonymisieren sind, dass er sein Gedächtnis gerade nicht auffrischen kann, und somit keine Gefahr von ihm ausgeht.

31 Stoltenberg, § 16 Rn. 3.

32 Schmidt/Dörr, § 16 Rn. 9; Stoltenberg, § 16 Rn. 7.

33 Schmidt/Dörr, § 16 Rn. 4.

34 Geiger/Klinghardt, § 16 Rn. 6; Schmidt/Dörr, § 16 Rn. 6.

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7. Ansprüche von Begünstigten nach § 17

Den von der Stasi Begünstigten, die gem. § 6 VI von der Stasi wesentlich gefördert oder bei der Straf- verfolgung verschont wurden, stehen gem. § 17 die gleichen Ansprüche zu, ausgenommen derjeni- gen, die sich auf Spitzelberichte beziehen, die von Begünstigten gerade nicht angefertigt wurden.

Dem dürfen allerdings keine öffentlichen Interessen, wie ein laufendes Strafverfahren, entgegenste- hen. Da sich Informationen zu Begünstigten vornehmlich in den Akten anderer befinden36, müssen sie Angaben machen, die das Auffinden der Informationen erleichtern.

8. Regeln bei Justizakten

Nach § 18 gilt für den Anspruch auf Auskunft, Einsicht und Herausgabe der sog. Justizakten, die der Stasi von den Gerichten und Staatsanwaltschaften zur Archivierung überlassen wurden, nicht das StUG, sondern die einschlägige gesetzliche Verfahrensordnung, etwa die StPO oder ZPO. Durch die Einschränkung auf Verfahrensordnungen in Gesetzesform, finden Richtlinien, die zu diesen Gesetzen ergangen sind, wie die Richtlinie für das Straf- und Bußgeldverfahren, keine Anwendung37. Für die Entscheidung, ob Zugang gewährt wird, ist nach dem weiterhin geltenden § 12 I-III der BStU zustän- dig, wobei er seiner Entscheidung die einschlägige Verfahrensordnung zugrunde zu legen hat38. Die- se Regelung wurde stark kritisiert39, da sie den Zugang zu den Akten verengte: Nach § 147 I StPO kann nur der Verteidiger des Beschuldigten Akteneinsicht nehmen, so dass sich Betroffene für die Einsicht eines Verteidigers bedienen müssen. Seit der Einführung des § 147 VII StPO40 steht dieses Recht aber auch dem Beschuldigten zu, so dass die Kritik hinfällig geworden sein dürfte. Zudem ha- ben nach § 299 I ZPO und § 100 I VwGO alle Prozess- bzw. Verfahrensbeteiligten ein Einsichtsrecht.

Darüber hinaus ist diese Regelung insofern geboten, als es sich trotz der Archivierung bei der Stasi weiterhin um Justizakten handelt, die in erster Line das gerichtliche Verfahren und nicht die Spiona- getätigkeit der Stasi dokumentieren41.

II. Die Ansprüche für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen nach den §§ 19-31

1.Allgemeine Regeln nach den §§ 4, 29, 30

Die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Zugang zu und die Verwendung von Stasi- Unterlagen für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen sind in § 4 niedergelegt. Abs. 1 S. 1 der Vor- schrift bestimmt zunächst einen Vorrang des StUG, indem Zugang und Verwendung nur möglich sind, soweit dies vom StUG erlaubt oder angeordnet ist. Damit soll das Persönlichkeitsrecht vor der umfas- senden Verwendung personenbezogener Informationen durch Außenstehende geschützt werden42. Allerdings ist davon nach Satz 2 eine Ausnahme möglich, wenn die jeweilige Person ihre Unterlagen von sich aus einer öffentlichen oder nicht-öffentlichen Stelle zur Verfügung stellt. In diesem Fall dürfen

35 Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (70).

36 Geiger/Klinghardt, § 17 Rn. 2; Stoltenberg, § 17 Rn. 3.

37 Schmidt/Dörr, § 18 Rn. 8.

38 Geiger/Klinghardt, § 18 Rn. 12; Schmidt/Dörr, § 18 Rn. 11.

39 Geiger/Klinghardt, § 18 Rn. 5; Stoltenberg, DtZ 1992, 65 (69).

40 BGBl. I 2000, S 1253.

41 BT-Drucks. 12/1540, § 14a.

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die vorgelegten Akten für den Zweck, zu dem sie vorgelegt wurden und der gerade nicht im StUG ge- regelt sein muss, verwendet werden. Diese Regelung ist Ausdruck des Rechts des einzelnen, gem. § 3 II seine personenbezogenen Informationen im Rahmen der allgemeinen Gesetze zu verwenden.

Abs. 2 enthält eine Berichtigungspflicht, wenn die BStU feststellt oder ihr mitgeteilt wird, dass perso- nenbezogene Informationen unrichtig sind, bzw. wenn derjenige, auf den sich die Informationen be- ziehen, die Richtigkeit bestreitet. Die Berichtigungspflicht führt aber nicht zur Änderung in den betrof- fenen Unterlagen, da auf diese Weise der Akteninhalt verfälscht würde43. Vielmehr wird der Akte ein gesonderter Vermerk beigefügt.

Die Nachberichtspflicht nach Abs. 3 fordert, dass die Unrichtigkeit der Informationen, die sich erst nach der Übermittlung an eine Stelle herausgestellt hat, dem Empfänger der übermittelten Information mitzuteilen ist, sofern die Richtigkeit für ihn von Bedeutung ist. Diese Pflicht soll aber nur bei Informa- tionsübermittlungen aufgrund eines Ersuchens gelten, so dass der Fall, dass die BStU von sich aus, ohne ein entsprechendes Ersuchen Daten übermittelt hat, §§ 27, 28, nicht erfasst ist. Da die Norm dem Schutz des Persönlichkeitsrechts dient und ein Eingriff in dieses Recht bei jeder falschen Infor- mationsübermittlung vorliegt, sollte sich die Nachberichtspflicht aber auch auf Übermittlungen ohne Ersuchen erstrecken44.

Schließlich regelt Abs. 4 in Anlehnung an § 1 I Nr. 2, dass die schutzwürdigen Interessen derjenigen, über die Informationen übermittelt werden, nicht verletzt werden dürfen.

An § 4 anknüpfend, allerdings spezieller als dieser, regelt § 29 die Zweckbindung: Alle personenbezo- genen Informationen, egal ob sie Opfer oder Täter betreffen, dürfen nur zu dem Zweck verwendet werden, zu dem sie übermittelt worden sind. Auch Zweitempfänger, also diejenigen, denen die Infor- mationen weiterübermittelt wurden, sind hieran gebunden45. Nach Satz 2 ist die Verwendung zu ei- nem anderen als dem übermittelten Zweck möglich, wenn auch der neue Zweck nach den Vorschrif- ten des StUG legitim ist. Allerdings ist dieser Wechsel des Verwendungszwecks bei personenbezoge- nen Informationen über Betroffene oder Dritte nur dann erlaubt, wenn der BStU vorher zugestimmt hat, Abs. 2. Diese enge Zweckbindung der Verwendungsmöglichkeiten steht im Gegensatz zu der weiten Verwendungsregel nach § 3 II, die für den einzelnen gilt. Der Grund hierfür ist, dass dem ein- zelnen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zur Seite steht, Außenstehende aber durch ihre Verwendung den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des einzelnen nicht vertiefen sollen46. Schließlich ist in § 30 zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die Pflicht zur Benachrichtigung des Betroffenen über die Informationsübermittlung enthalten. Dritte sind mangels eigener Akten und dem damit verbundenen Zeitaufwand nicht zu benachrichtigen47. Schließlich kann nach Abs. 2 und 3 gegenüber Betroffenen die Benachrichtigungspflicht entfallen, wenn der Betroffene bereits Kenntnis von der Übermittlung erlangt hat, die Benachrichtigung nur mit unvertretbarem Auf- wand möglich wäre oder ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, wie z.B. bei der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr nach § 23.

42 Stoltenberg, § 4 Rn. 2.

43 Geiger/Klinghardt, § 4 Rn. 4.

44 Schmidt/Dörr, § 4 Rn. 11; Stoltenberg, § 4 Rn. 15.

45 Stoltenberg, § 29 Rn. 3.

46 Stoltenberg, § 29 Rn. 1.

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Zum Teil wird bemängelt, dass es dem StUG an verfahrensrechtlichen Schutzmöglichkeiten für die Täter fehlt, denen gegenüber z.B. keine Benachrichtigungspflicht besteht48. Indem prinzipiell vom Wahrheitsgehalt der Akten ausgegangen wird, was für die effektive Arbeit mit den Akten unerlässlich ist, kann aufgrund unrichtiger Informationen ein falsches Bild von einer Person entstehen. Besonders im Bereich der inoffiziellen Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, dass die Aktenlage eine Qualifizierung als Täter nahe legt, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht49. Dann ist aber die Behandlung einer solchen Person als Täter ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff, denn das Recht auf infor- mationelle Selbstbestimmung, das allen zusteht, enthält einen Anspruch auf eine der Wahrheit ent- sprechende Außendarstellung50. Einem solchen Eingriff kann nur durch bestimmte Verfahren entge- gengewirkt werden: So besteht zwar nach § 4 II die Möglichkeit, unrichtige Informationen durch einen Aktenvermerk als solche zu kennzeichnen, problematisch erweist sich jedoch, dass kein Recht zur umfassenden Gegendarstellung besteht, denn nur so kann sich der jeweilige Verwender ein Bild von der tatsächlichen Situation machen und nur so kann dem Persönlichkeitsrecht des scheinbaren Täters Rechnung getragen werden51. Des Weiteren könnte, bevor die Akte eines vermeintlichen Täters für eine öffentliche oder nicht-öffentliche Stelle geöffnet wird, eine Anhörung stattfinden und das Anhö- rungsprotokoll der Akte beigefügt werden52. Jedenfalls ist es nicht ausreichend, dass die Benachrich- tigungspflicht nach § 30 I nur gegenüber Betroffenen besteht, denn so wird dem vermeintlichen Täter schon die Möglichkeit genommen einen Vermerk der Unrichtigkeit zu machen. Dem Einwand, dass durch derartige Verfahren die Arbeit der BStU gelähmt wird53, kann entgegengehalten werden, dass durch das 5. Stasi-Unterlagen-Änderungsgesetz eine solche Benachrichtigungspflicht für Personen der Zeitgeschichte, auch wenn sie nicht Opfer sind, in § 32 a aufgenommen wurde.

2. Verfahrensvorschriften nach § 19

§ 19 regelt die allgemeinen Verfahrensvorschriften für den Zugang zu allen, also nicht nur zu den be- reits erschlossenen54 Unterlagen durch öffentliche und nicht-öffentliche Stellen. Als Anspruchsarten kennt § 19 die Mitteilung, Abs. 4 und 5, die Einsicht, Abs. 6, und die Herausgabe, Abs. 7. Bei perso- nenbezogenen Informationen über Betroffene und Dritte gelten die gleichen Trennungs- und Anony- misierungspflichten wie bei § 1255, soweit die Betroffenen und Dritten nicht die Personen sind, auf die sich das Ersuchen richtet. Im Übrigen können nach Abs. 7 S. 2 auch Originalunterlagen herausgege- ben werden, wenn dies für Beweiszwecke, etwa in einem gerichtlichen Verfahren, notwendig ist. Das besondere an den Zugangsarten ist, dass sie nach der Kenntnisnahmemöglichkeit gestuft sind56: Ein- sicht wird nur gewährt, wenn die Mitteilung nicht ausreicht, und Akten werden nur herausgegeben, wenn weder die Mitteilung noch die Einsichtnahme ausreichen oder die Einsicht mit einem unvertret-

47 Schmidt/Dörr, § 30 Rn. 2; Stoltenberg, § 30 Rn. 4.

48 Brandenburger, KJ 1995, 351 (356); Staff, ZRP 1992, 463 (469); Trute, JZ 1992, 1043 (1054).

49 Trute, JZ 1992, 1043 (1054).

50 Staff, ZRP 1992, 463 (468).

51 Staff, ZRP 1992, 463 (469); Trute, JZ 1992, 1043 (1054).

52 Brandenburger, KJ 1995, 351 (356); Staff, ZRP 1992, 463 (469).

53 OVG Berlin, LKV 1992, 417 (417).

54 Geiger/Klinghardt, § 19 Rn. 4; Schmidt/Dörr, § 19 Rn. 3.

55 Dazu B I 2.

56 Stoltenberg, § 19 Rn. 8,9; Trute, JZ 1992, 1043 (1052).

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baren Aufwand verbunden ist. Damit soll die Verbreitung der Inhalts der Akten und der damit verbun- dene Grundrechtseingriff so niedrig wie möglich gehalten werden57.

Schließlich obliegt nach Abs. 3 der BStU die durch die besondere Schutzbedürftigkeit von Betroffenen und Dritten grundrechtlich gebotene Pflicht, zu prüfen, ob das Ersuchen auf einen zulässigen Verwen- dungszweck gerichtet ist, ob es zu den Aufgaben des Empfängers gehört und ob die Verwendung zu dem angegebenen Zweck erforderlich ist. Bei Ersuchen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Po- lizeibehörden, soweit sie als Hilfsorgane der Staatsanwaltschaft handeln, besteht diese Prüfungs- pflicht nur bei besonderem Anlass, Abs. 3 S. 2.

Schließlich besteht die Möglichkeit, dass trotz eines zulässigen Verwendungszwecks kein Informati- onsanspruch besteht: So ist nach § 19 I 2-4 für Personen, die nach 1975 nicht mehr für die Stasi oder einen anderen Nachrichtendienst tätig waren, die Personalüberprüfung ausgeschlossen, sofern sie während ihrer Tätigkeit keine Verbrechen begangen haben und sie sich nicht für ein Amt bewerben, bei dem die Personalüberprüfung nach dem StUG erlaubt ist. Dies gilt nach § 19 VIII auch für diejeni- gen, die nur während des Wehrdienstes oder eines entsprechenden Dienstes für die Stasi tätig waren und keine Informationen geliefert haben, und diejenigen, die trotz einer Verpflichtung keine Informati- onen geliefert haben.

3. Verwendungen nach den §§ 20, 21

Die in den §§ 20, 21 geregelten Verwendungszwecke sind weitestgehend identisch. Der Unterschied zwischen den Vorschriften liegt hauptsächlich darin, welche Unterlagen genutzt werden dürfen. Nach

§ 20 I 1 sind dies nur Unterlagen ohne personenbezogene Informationen über Betroffene und Dritte, also lediglich Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Mitarbeiter, ihnen gem. § 6 V Gleichgestellte und Begünstigte sowie Unterlagen ohne Personenbezug. Nach § 21 I 1 sind alle Un- terlagen, also auch die der Opfer verwendbar.

Der Übersichtlichkeit halber soll zunächst auf die Verwendungszwecke nach § 20 und danach auf § 21 eingegangen werden. § 20 enthält eine umfassende Liste zulässiger Verwendungszwecke, die von der Rehabilitierung von Betroffenen (Nr. 1) bis zur Aufklärung des Vermögens der ehemaligen DDR ( Nr. 5) reicht. Von besonderem Interesse ist jedoch die Verwendung zu Personalüberprüfungen nach Nr. 6 und 7, um festzustellen, ob eine Person nach Vollendung des 18. Lebensjahrs hauptamtlicher o- der inoffizieller Mitarbeiter der Stasi oder eines anderen Nachrichtendienstes oder ein ihm gem. § 6 V Gleichgestellter war. Bei der Überprüfung von Personen nach Nr. 6, also z.B. von Regierungsmitglie- dern, im öffentlichen Dienst angestellten oder leitenden Angestellten in der Wirtschaft, ist die Kenntnis des zu Überprüfenden erforderlich. Bei der Überprüfung nach Nr. 7, die sich u.a. auf Vorstände politi- scher Parteien und ehrenamtliche Richter sowie diejenigen, die sich um ein Amt nach Nr. 6 a-f bewer- ben, bezieht, ist die Einwilligung des zu Überprüfenden notwendig. Wenn jedoch tatsächliche Anhalts- punkte für eine Stasi-Zusammenarbeit vorliegen, dann genügt gem. § 20 I Nr. 7 a.E. anstelle der Ein- willigung die bloße Kenntnis. Ansonsten hätte es die jeweilige Person in der Hand, ihre Überprüfung und damit die Möglichkeit einer Kündigung zu verhindern58.

57 Trute, JZ 1992, 1043 (1052).

58 Stoltenberg, § 20 Rn. 15.

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Indem der Kreis der Personen, die überprüft werden können über Regierungsmitglieder bis zu leiten- den Angestellten in der Wirtschaft reicht und mithin sehr weit gefasst ist, soll in möglichst vielen Fällen die Möglichkeit geschaffen werden, eine Überprüfung durchzuführen. Dadurch soll das Austauschen von Funktionsträgern ermöglicht werden, um wieder Vertrauen in die jeweiligen Institutionen zu schaffen59. Aufgrund dieser weiten Fassung des StUG und der Anfragepraxis, die zeigt, dass nahezu jede Person, bei der eine Überprüfung möglich ist, auch tatsächlich überprüft wird, wird kritisiert, dass das StUG die sog. Regelanfrage ermöglicht60. Das StUG lässt die Überprüfung von Personen aber nur zu, es schreibt sie nicht vor, so dass es entgegen der Kritik keine Regelanfrage gibt61. Dies wird auch dadurch deutlich, dass gem. § 20 I Nr. 6 eine Überprüfung nur „nach Maßgabe der dafür gelten- den Vorschriften“ durchgeführt werden soll. Demnach ist für die Zulässigkeit einer Personalüberprü- fung nicht nur das StUG, sondern auch andere neben dem StUG bestehende Gesetze, soweit sie die Überprüfung besonders regeln, entscheidend. Damit wird dem Gesetzgeber die Möglichkeit gegeben, die Personalüberprüfung einschränkende Gesetze zu erlassen und so der Praxis der Regelanfrage entgegenzuwirken62.

Schließlich können Stasi-Unterlagen für den Nachweis von Zweifeln an der persönlichen Zuverlässig- keit bei der Erteilung oder dem Entzug einer Erlaubnis (Nr. 8), für Angaben gegenüber der Rentenver- sicherung (Nr.9) sowie für Ordensangelegenheiten (Nr. 10) genutzt werden.

Abs. 3 enthält schließlich eine „Resozialisierungsregelung“63, nach der die Verwendung von Unterla- gen 15 Jahre nach dem Inkrafttreten des StUG, also nach dem 29.12.2006, zur Personalüberprüfung ausgeschlossen ist und die Stasi-Tätigkeit der jeweiligen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorge- worfen werden oder ihr zum Nachteil gereichen darf. Ausnahmen von diesem Verwertungsverbot gelten für die Fälle des § 52 I Bundeszentralregistergesetz64 sowie für Gerichtsentscheidungen, An- sprüche, die anderen aus der Tätigkeit entstandenen sind, oder die gesetzlichen Folgen der Tätigkeit.

Damit wird dem Persönlichkeitsrecht der Täter insofern Rechnung getragen, als ihnen ihr früheres Fehlverhalten nicht das ganze Leben lang vorgehalten wird65.

Bei § 21 I gelten die gleichen Verwendungszwecke wie bei § 20 I ausgenommen die Nr. 8-10. Die Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Opfer dürfen zu Personalüberprüfungen nach den Nr. 6 und 7 nur herangezogen werden, wenn die Unterlagen nach § 20 für die Überprüfung nicht ausreichen. Es ist also stets zu prüfen, ob das Ersuchen allein mit den Unterlagen nach § 20 erledigt werden kann66. Indem bei der Verwendung von Unterlagen der Opfer Außenstehende notwendiger- weise Kenntnis von den personenbezogenen Informationen der Opfer erlangen, legt Abs. 2 fest, dass die Verwendung der Informationen nicht zum Nachteil der Opfer geschehen darf. Damit wird auf das Nachteilsverbot nach § 5 I 1 hingewiesen. Die erlangten Informationen können aber gem. § 5 I 2 dann nachteilig verwendet werden, wenn sich herausstellt, dass die Angaben, die der Betroffene oder Dritte

59 Geiger/Klinghardt, § 20 Rn. 16; Trute, JZ 1992, 1043 (1045).

60 Brandenburger, KJ 1995, 351 (354).

61 Geiger/Klinghardt, § 20 Rn. 17.

62 Stoltenberg, § 20 Rn. 9.

63 Stoltenberg, § 20 Rn. 17.

64 Dieser umfasst die Sicherheit der Bundesrepublik, die Erstellung eines Gutachtens über den Geisteszustand in einem neuen Strafverfahren, die Wiederaufnahme eines früheren Verfahrens sowie die Zulassung zu bestimmten Berufen.

65 Geiger/Klinghardt, § 20 Rn. 50.

66 Geiger/Klinghardt, § 21 Rn. 3; Stoltenberg, § 21 Rn. 3.

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gegenüber einer öffentlichen oder nicht-öffentlichen Stelle in den Fällen des § 21 I Nr. 1, 2, also bei Angelegenheiten der Rehabilitierung, der Wiedergutmachung, der Häftlingshilfe oder des Personen- schutzes gemacht hat, ganz oder teilweise unzutreffend sind. Darüber hinaus enthält auch § 21 III die Resozialisierungsregelung.

4. Verwendung für Zwecke parlamentarischer Ausschüsse, § 22

Die Verwendung von Stasi-Unterlagen wird nach § 22 auch auf die Beweiserhebung in den parla- mentarischen Untersuchungsausschüssen des Bundes und der Länder ausgedehnt. In mehreren Fällen67 sollten deshalb Stasi-Abhörprotokolle in Untersuchungsausschüssen als Beweismittel heran- gezogen werden, wogegen jedoch heftige Kritik vorgetragen wurde. Eine Ansicht macht geltend, dass gem. § 22 I die Regeln der Beweiserhebung für Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 I, II GG an- zuwenden sind. Indem Art. 44 II 2 GG regelt, dass das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG bei der Beweiserhebung unberührt bleibt, wird vertreten, dass nicht nur die Gewinnung von Beweismaterial durch unbefugtes Abhören, sondern jede weitere Verwendung der so erlangten Ab- hörprotokolle ein Eingriff in Art. 10 GG ist68. Das bedeutet, dass die Verwendung der Abhörprotokolle in Untersuchungsausschüssen ein erneuter Grundrechtseingriff wäre, der nach § 22 I i.V.m. Art. 44 II 2 GG verboten ist, so dass Abhörprotokolle nicht zur Beweiserhebung in Untersuchungsausschüssen herangezogen werden dürfen. Dem wird jedoch entgegengehalten, dass die DDR kein Grundrechts- adressat gewesen ist und deshalb schon das Abhören kein Eingriff in Art. 10 GG durch die öffentliche Gewalt ist69. Damit kann aber auch die weitere Verwertung der Abhörprotokolle in den Untersu- chungsausschüssen kein Eingriff in Art. 10 GG sein. Vielmehr liegt ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG vor, der seinerseits ebenfalls ein Verwertungsverbot begründet70. Damit besteht Einvernehmen darüber, dass die Stasi-Abhörprotokolle nicht nach § 22 in Untersuchungsausschüssen nutzbar sind. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn der Untersuchungsausschuss nicht zu dem Gesetzeszweck nach § 1 I Nr. 4, also für die Aufklä- rung der Stasi-Tätigkeit, sondern zu allgemein politischen Auseinandersetzungen, die allein die Bun- desrepublik betreffen, gebildet wurde71.

5. Verwendung der Unterlagen zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, § 23

Weitere Verwendungsmöglichkeiten ergeben sich gem. § 23 für die Strafverfolgung und die Gefah- renabwehr. § 23 I bestimmt, dass Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über die Opfer im erforderlichen Umfang, also ohne das Persönlichkeitsrecht der Opfer zu stark zu belasten, zur Verfolgung der Katalogstraftaten, wie Regimestraftaten oder schwere Verbrechen, und zur Gefahren- abwehr verwendet werden dürfen. Insofern müssen die Schutzinteressen der Opfer hinter dem staatli- chen Strafverfolgungsinteresse zum Schutz der Rechtsgüter der Allgemeinheit zurücktreten72. Aller- dings gilt nach § 23 I 2 nicht das Nachteilsverbot nach § 5 I, das die Verwendung personenbezogener

67 Kieler-Schubladen-Untersuchungsausschuss und Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre.

68 LG Kiel, NJW 1996, 1976 (1976); Bachmeier, in: Zukunftsforum für Politik Nr. 9/2000, S. 14; Benda, in: Zukunftsforum Politik Nr.

9/2000, S. 11.

69 Dammann, NJW 1996, 1946 (1946); Lesch, NJW 2000, 3035 (3038).

70 Lesch, NJW 2000, 3035 (3038).

71 LG Kiel, NJW 1996, 1976 (1977); Bachmeier, in. Zukunftsforum Politik Nr. 9/2000, S. 15; Dammann, NJW 1996, 1946 (1946); Wasser- mann, NJW 2000, 1460 (1460).

72 Trute, JZ 1992, 1043 (1050).

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Informationen der Opfer zu ihrem Nachteil verbietet. Vielmehr sollen die besonderen Verwertungsver- bote der StPO gelten. Diese Regelung wird insoweit bemängelt, als die StPO selbst nur wenige Ver- wertungsverbote enthält und den von der Rechtsprechung entwickelten Verwertungsverboten kein all- gemeingültiges System zugrunde liegt, so dass der Opferschutz stark eingeschränkt ist73.

6. Verwendung der Justizakten nach § 24

§ 24 regelt ähnlich wie § 18die Verwendung der der Stasi überlassenen sog. Justizakten der ehemali- gen DDR. Auch hier entscheidet die BStU nicht auf Grundlage des StUG, sondern nach der jeweils einschlägigen gesetzlichen Verfahrensordnung über ein Zugangsersuchen. Nach Satz 2 gilt hier e- benfalls das Nachteilsverbot zugunsten der Opfer gem. § 5 I nicht, so dass sie wegen einer Straftat aus dem Katalog des § 23 I 1 Nr.1 angeklagt werden können. Schließlich hat der BStU die Akten auch an Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden, soweit sie als Hilfsorgane der Staatsanwalt- schaft handeln, herauszugeben.

7. Sonstige Verwendungen nach den §§ 25, 26

Schließlich regelt § 25 die Verwendung für die Zwecke der Nachrichtendienste und § 26 bestimmt, dass Dienstanweisungen und Organisationspläne auch außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zwecke genutzt werden dürfen.

III. Verwendung für die politische und historische Aufarbeitung sowie durch Presse und Rundfunk nach den §§ 32-34

Die §§ 32-34 dienen vorrangig dem in § 1 I Nr. 3 genannten Zweck der politischen und historischen Aufarbeitung74 der Tätigkeit der Stasi und gewähren der Presse und dem Rundfunk Zugangsrechte zu den Stasi-Unterlagen.

1. Verfahrensvorschriften nach § 33

Die Verfahrensvorschriften, die für die politische und historische Aufarbeitung sowie für den Zugang durch Presse und Rundfunk gelten, befinden sich in § 33. Danach kann in die bereits erschlossenen Unterlagen auf Antrag Einsicht genommen bzw. deren Herausgabe verlangt werden. Zwar ist nicht ausdrücklich geregelt, dass bloße Auskünfte bzw. Mitteilungen zulässig sind, allerdings müssen sie als Minus zu den stärkeren Grundrechtseingriffen der Einsichtnahme und Herausgabe möglich sein75. Dabei müssen sie objektiv gefasst sein und möglichst umfassende Informationen enthalten, um die freie Forschung und Arbeit der Medien zu gestatten76. Die Einsicht kann nach Abs. 2 wegen des Er- haltungszustandes der Akten auf Duplikate beschränkt werden. Die Herausgabe von Duplikaten ist nach Abs. 3 bereits dann gestattet, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Einsichtnahme vorliegen. Im Gegensatz zu § 19, der für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen gilt, sind hier also die Kenntnisnahmemöglichkeiten nicht gestuft, sondern gleichgestellt. Schließlich enthält Abs. 4 ein ab-

73 Geiger/Klinghardt, § 23 Rn. 3; Stoltenberg, § 23 Rn. 14.

74 Die ebenfalls in § 1 I Nr. 3 genannte juristische Aufarbeitung wird bereits durch §23 erzielt.

75 A maiore ad minus-Schluss; Stoltenberg, § 33 Rn. 4.

76 Schmidt/Dörr, § 33 Rn. 5.

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solutes Verbot, die herausgegebenen Unterlagen und, sofern schriftliche Mitteilungen gemacht wur- den, auch diese für andere Zwecke als den, zu dem sie herausgegeben wurden, zu verwenden oder an andere Stellen weiterzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Unterlagen personenbezogene Informationen enthalten oder nicht77. Es ist hier also im Gegensatz zu § 29 keine Zweckänderung er- laubt. Allerdings wird bemängelt, dass die Einhaltung dieser strengen Zweckbindung kaum kontrolliert werden kann78.

2. Verwendung nach § 32

Bei dieser Darstellung soll zunächst die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des sog. Aktenstreits vor dem BVerwG beschrieben werden, erst im Anschluss daran werden die einzelnen Gesetzesänderungen erläutert.

Während § 32 I regelt, zu welchen Zwecken welche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müs- sen, bestimmt Abs. 3 die Regeln für die Veröffentlichung der zur Verfügung gestellten Unterlagen durch den Empfänger. Abs. 2 bestimmt, dass sicherheitsrelevante Unterlagen nur mit der Einwilligung des BMI verwendet werden dürfen.

Nach Abs. 1 besteht ein Anspruch auf Zugang, wenn dies einem der beiden zulässigen Verwen- dungszwecke, also entweder der politischen Bildung oder der Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit, dient. Indem die Norm allgemein von der „For- schung“ spricht und nicht nur bestimmte Stellen, wie z.B. Forschungsinstitute, berechtigt, hat jeder ernsthaft Interessierte im Rahmen der vorgegebenen Zwecke Zugang zu den Akten79. Herauszuge- ben sind: Akten ohne jeglichen Personenbezug (Nr. 1) und Duplikate, in denen alle personenbezoge- nen Informationen, auch die der Mitarbeiter und Begünstigten, anonymisiert worden sind (Nr. 2). Dar- über hinaus können Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitge- schichte, Inhaber politischer Funktionen, oder Amtsträger80, soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind, sowie über Mitarbeiter, wenn es sich nicht um eine Tätigkeit vor der Volljährigkeit handelt, und Begünstigte (Nr. 3) herausgegeben werden. Aufgrund dieses weiten Zugriffsrechts nach Nr. 3 macht das Gesetz noch die Einschränkung, dass durch die Herausgabe keine schutzwürdigen Interessen der betreffenden Personen beeinträchtigt werden dürfen. Das bedeutet, dass die BStU eine Abwä- gung der Interessen der betreffenden Person am Schutz der zu ihr vorhandenen Informationen und dem öffentlichen Interesse an der Aufarbeitung durchführen muss. Dabei ist zugunsten der betreffen- den Person die Art der Informationserhebung, die u.U. auf gravierenden Persönlichkeitsrechtseingrif- fen beruht, zu berücksichtigen81. Allein die Tatsache, dass durch eine Herausgabe eine Stasi-Mitarbeit offengelegt wird, ist aber nicht schutzwürdig82.

Unterlagen mit anderen personenbezogenen Informationen können nur herausgegeben werden, wenn die betreffende Person in die Verwendung schriftlich eingewilligt hat (Nr. 4). Indem hier von „anderen personenbezogenen Informationen“ gesprochen wird, muss es im Gegensatz zu Nr. 3 um Informatio-

77 Geiger/Klinghardt, § 33 Rn. 5.

78 BVerwG, NJW 2002, 1815 (1817); Trute, JZ 1992, 1043 (1053).

79 Geiger/Klinghardt, § 32 Rn. 3; Schmidt/Dörr, § 33 Rn. 3.

80 Die Gruppe dieser Personen wird in Zukunft nur noch als Personen der Zeitgeschichte bezeichnet.

81 Geiger/Klinghardt, § 32 Rn. 6.

82 Dazu oben A III.

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nen über Betroffene und Dritte gehen83, die aufgrund ihres Rechts auf informationelle Selbstbestim- mung in eine Herausgabe ihrer Informationen einwilligen können.

Schließlich dürfen nach Abs. 3 personenbezogene Informationen durch die Empfänger veröffentlicht werden, wenn die betreffende Person darin eingewilligt hat (Nr. 1) oder es sich um Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Mitarbeiter und Begünstigte handelt und dadurch keine schutzwürdigen Interessen verletzt werden. Es ist also eine weitere Einwilligung gerade für die Veröffentlichung ab- zugeben bzw. eine zweite Einzelfallabwägung durch den Empfänger der Informationen durchzufüh- ren84, bei der zu berücksichtigen ist, dass die Veröffentlichung an einen weitaus größeren Kreis ge- richtet ist als die Herausgabe und ein tieferer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht damit verbunden ist.

Der frühere Kritikpunkt85, dass das StUG auf die Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit beschränkt ist, ob- wohl sich in den Stasi-Archiven gem. § 6 II Nr. 3 auch Unterlagen aus der nationalsozialistischen Zeit befinden, dürfte durch die Einfügung des Abs. 4, der die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Ver- gangenheit ermöglicht, behoben sein.

3. Verwendung der Unterlagen durch Presse, Rundfunk und Film nach § 34

Nach § 34 I gelten die §§ 32, 33 für die Verwendung der Unterlagen durch Presse, Rundfunk, Film, deren Hilfsunternehmen und die für sie journalistisch-redaktionell tätigen Personen entsprechend, so dass auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden kann. Darüber hinaus enthält Abs. 2 die Pflicht, Gegendarstellungen, die als Reaktion auf die Veröffentlichung personenbezogener Infor- mationen durch Rundfunkanstalten des Bundesrechts entstanden sind, den Unterlagen beizufügen und bei jeder weiteren Veröffentlichung zu berücksichtigen. Mithin dient Abs. 2 dem Schutz des Per- sönlichkeitsrechts. Diese Regelung musste auf die Rundfunkanstalten des Bundesrechts beschränkt werden, weil dem Bund im übrigen die Gesetzgebungskompetenz fehlt86.

Diese pressespezifischen Vorschriften, die den Zugang zu den Akten, § 32 I, und die Veröffentlichung der gewonnen Erkenntnisse regeln, § 32 III, wurden heftig kritisiert und als „Maulkorb“ für die Presse oder Vorzensur bezeichnet87. In der Tat schränkt § 32 I den Zugang der Medien auf die von der BStU zur Verfügung gestellten Unterlagen ein. Damit ist die Pressefreiheit nach Art. 5 I 2 GG, die alle Tätig- keiten der Presse von der Informationsbeschaffung bis zur Nachrichtenverbreitung schützt88, einge- schränkt. Allerdings findet die Pressefreiheit gem. Art. 5 II GG ihre Schranken in den allgemeinen Ge- setzen, zu denen das StUG gehört. Dem stimmen die Kritiker auch zu, sie führen aber weiterhin an, dass zwischen den Interessen, die durch ein Gesetz geschützt werden sollen, und denen, die durch das Gesetz eingeschränkt werden, ein verhältnismäßiger Ausgleich geschaffen werden muss89. Dabei darf der Gesetzgeber nicht schon eine pauschale Abwägung zugunsten des einen Interesses getrof- fen haben, wie dies im Fall des StUG zugunsten des Opferschutzes getan wurde, sondern es muss stets Raum für eine Einzelfallabwägung verbleiben. Beim StUG musste aber die Besonderheit der In-

83 Schmidt/Dörr, § 32 Rn. 15; Stoltenberg, § 32 Rn. 16.

84 Stoltenberg, § 32 Rn. 20.

85 Schmidt/Dörr, § 32 Rn. 3; Stoltenberg, § 32 Rn. 4.

86 Stoltenberg, § 34 Rn. 12.

87 Gounalakis/Vollmann, DtZ 1992, 77 (77).

88 BVerfGE 10, 118 (121); 66, 116 (133).

89 Gounalakis/Vollmann, DtZ 1992, 77 (78).

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formationen, die durch rechtsstaatswidriges Vorgehen der Stasi gegen die Opfer erlangt wurden, be- rücksichtigt werden. Darüber hinaus sind mit der Offenlegung der Akten erneut schwere Persönlich- keitsrechtsverletzungen verbunden. Insofern bedürfen die Opfer dem besonderen Schutz des Staates, so dass die generelle Abwägung zugunsten der Opfer geboten ist90. Auf die gleiche Weise kann die Beschränkung der Veröffentlichung nach § 32 II gerechtfertigt werden. Des Weiteren wird die Be- schränkung der Pressefreiheit durch die Möglichkeit gemildert, dass die Opfer gem. § 3 II im Rahmen der allgemeinen Gesetze über ihre eigenen Informationen verfügen und den Medien zur Verfügung stellen können. § 3 II regelt jedoch nicht, dass der Empfänger diese personenbezogenen Informatio- nen ebenfalls im Rahmen der allgemeinen Gesetze verwenden darf91. Da das Opfer hier selbst und in freier Verantwortung über seine Informationen verfügt, ist jedoch kein besonderer Opferschutz not- wendig, so dass die Medien die so erlangten Informationen ebenfalls im Rahmen der allgemeinen Ge- setze verwenden dürfen.

4. Der sog. Aktenstreit vor dem BVerwG

a) Sachverhalt: Im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre, für den eine Verwendung von Stasi-Abhörprotokollen u.a. schon deshalb abzulehnen ist, weil er nicht dem Zweck des § 1 I Nr. 3, sondern der Aufklärung innenpolitischer Vorgänge in der BRD dient92, stellten Forscher und Medien nach § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 i.V.m. § 34 I Antrag auf Einsicht in die Unterlagen von Helmut Kohl (K). Während die BStU ihrer Herausgabepflicht nachkommen wollte und nur Tonbänder und Wortlautprotokolle sowie ausschließlich die Privatsphäre betreffende Informatio- nen nicht herausgeben wollte, erhob K vor dem Verwaltungsgericht Klage, die Herausgabe sämtlicher ihn betreffender Informationen nach § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 zu unterlassen. Nachdem das Ver- waltungsgericht der Unterlassungsklage stattgegeben hatte, ging die BStU vor dem BVerwG in Sprungrevision, um die von ihr beabsichtigte begrenzte Herausgabe durchzusetzen.

b) Rechtsposition des BVerwG: Für die von der BStU beabsichtigte Herausgabe nach § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 müssten dessen Voraussetzungen erfüllt sein.

Der Zugang für Forschende setzt zunächst nach § 32 I bzw. für die Medien nach § 34 I i.V.m. § 32 I als zulässige Verwendungszwecke die politische Bildung und die Forschung zum Zweck der histori- schen und politischen Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit voraus. Nicht zulässig wäre also das Interesse an innenpolitischen Vorgängen der BRD oder die Ausforschung einer berühmten Person93. Vorliegend ist von zulässigen Verwendungszwecken auszugehen.

Des Weiteren müsste K nach § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 eine Person der Zeitgeschichte, Inhaber ei- ner politischen Funktion oder Amtsträger in Ausübung eines Amtes gewesen sein. Dabei sind Perso- nen der Zeitgeschichte solche Personen, an deren Informationen die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat, wie dies bei Persönlichkeiten des politischen Lebens, Künstlern und Sportlern der Fall ist94. Dabei kann der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem die betreffende Person die jeweilige Funktion in-

90 Geiger/Klinghardt, § 34 Rn. 1; Stoltenberg, § 34 Rn. 5.

91 Eberle, DtZ 1992, 263 (265); Geiger/Klinghardt, § 34 Rn. 2.

92 Benda, NJW 2001, 658 (660); Wassermann, NJW 2000, 1460 (1460); dazu auch B II 4 in dieser Arbeit.

93 Benda, NJW 2001, 658 (660); Geerlings/Küas, DVBl. 2001, 1642 (1647); Kleine-Cosack, NJ 2002, 350 (351).

94 VG Berlin, NJW 2001, 2987 (2988); Geiger/Klinghardt, § 32 Rn. 7..

(20)

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ne haben muss, nur der sein, zu dem die Stasi noch tätig war95. K war Bundeskanzler der ehemaligen Bundesrepublik und maßgeblich an der Wiedervereinigung beteiligt, darüber hinaus war er Minister- präsident eines Bundeslandes, Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag so- wie Bundesvorsitzender einer Partei, so dass er eindeutig der in § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 genann- ten Gruppe angehört.

Schließlich dürfte er weder Betroffener noch Dritter i.S.d. StUG sein. Nach § 6 III 1 sind Betroffene diejenigen Personen, zu denen der MfS aufgrund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspä- hung, einschließlich heimlicher Informationserhebung Informationen gesammelt hat. Dabei sind sämt- liche zielgerichtete Informationserhebungen erfasst, also nicht nur abgehörte Telefonate96. Nach Fest- stellung des Gerichts war K Zielperson des MfS, so dass er bzgl. sämtlicher auf zielgerichteter Aus- spähung beruhender Informationen und nicht nur bzgl. der von der BStU zurückgehaltenen Abhör- protokolle Betroffener ist97. Dritte hingegen sind nach § 6 VII sonstige Personen, über die die Stasi Informationen gesammelt hat. Sie standen im Gegensatz zu den Betroffenen gerade nicht im Mittel- punkt der Ausspähungen, sondern die über sie zusammengetragenen Informationen sind bei Gele- genheit der zielgerichteten Ausspähung anderer entstanden98. Insofern kann K für den Fall, dass er nicht zielgerichtet ausgespäht wurde, jedenfalls als Dritter eingestuft werden.

Mit der Einordnung Ks als Betroffener oder zumindest Dritter kommt das BVerwG zu dem Ergebnis, dass eine Herausgabe sämtlicher personenbezogener Informationen, also nicht nur der Abhörproto- kolle, nach § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 i.V.m. § 34 I ausgeschlossen ist, sofern keine Einwilligung nach

§ 32 I Nr.4 vorliegt.

c) Rechtsposition der BStU: Die BStU legt der Bestimmung, ob eine Person nach § 32 I Nr. 3 Spie- gelstrich 1 Betroffene oder Dritte ist, aber nicht die Legaldefinitionen des § 6 zugrunde. Vielmehr sind die Definitionen dieser Begriffe aus § 32 I Nr. 3 zu ermitteln99. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass Personen der Zeitgeschichte nur dann Betroffene oder Dritte sind, wenn ihre überwiegenden schutzwürdigen Interessen gem. § 32 I Nr. 3 a. E. beeinträchtigt sind, was dann der Fall ist, wenn ihre Privatsphäre betroffen ist. Folglich könne die BStU alle Unterlagen, die keine Informationen zur Privat- sphäre Ks beinhalten und nur dessen Rolle als Person der Zeitgeschichte oder seine Amtstätigkeit betreffen an Forscher und Medien herausgegeben werden.

d) Argumentation: Die Auslegung der BStU entspricht schon nicht dem Wortlaut des § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1, der bei Zugrundelegung der Ansicht der BStU lauten müsste: „Freizugeben sind Un- terlagen mit personenbezogenen Informationen [..], selbst wenn sie Betroffene oder Dritte sind.“100 Zur Begründung ihrer Ansicht führt die BStU zunächst an, dass die Einschränkung zugunsten Betrof- fener und Dritter erst kurz vor dem endgültigen Gesetzesbeschluss eingefügt wurde. Die umstrittene Regelung befand sich aber, zwar in einer anderen Formulierung, schon in der Beschlussempfehlung des Innenausschusses101. Des Weiteren war dieser Beschlussempfehlung die Aussage vorangestellt,

95 Schmidt/Dörr, § 32 Rn. 11; Stoltenberg, § 32 Rn. 8.

96 VG Berlin, NJW 2001, 2987 (2988).

97 BVerWG, NJW 2002, 1815 (1816).

98 VG Berlin, NJW 2001, 2987 (2989); Geiger/Klinghardt, § 6 Rn. 25.

99 http://www.bstu.de/rechtl_grundl/aktenstreit/index.htm, Gutachten von Prof. Dr. Klaus Marxen und Prof. Dr. Gerhard Werle.

100 BVerwG, NJW 2002, 1815 (1816).

101 BT-Drucks. 12/1540, S. 35.

Referenzen

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