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ie Tour de France 2001: Jan Ullrich versucht, den Abstand zu seinem Rivalen Lance Armstrong zu ver- ringern. Mit seinem Helfer Kevin Le- vingston jagt der deutsche Tour-Sieger von 1997 das Gelbe Trikot. Auf den ra- santen Abfahrten der Pyrenäen führt das zu gewagten Manövern. Dann pas- siert es: Der Kapitän vom Team Tele- kom ist zu schnell und wird aus der Kur- ve getragen. Er stürzt eine Böschung hinunter und landet nach einem spekta- kulären Überschlag in einem Bach. Zum Glück bleibt der spätere Tour-Zweite unverletzt und kann die Etappe fortset- zen. Jan Ullrich weiß um die Gefahr:„Trotz aller Erfahrung und neuester Technik, ein Restrisiko gibt es immer.“
Auch im Alltag können unvorherseh- bare Situationen ein Leben schlagartig verändern. Jeden Tag sind Menschen in Unfälle verwickelt oder erkranken ohne Vorwarnung schwer. Manche von ihnen können ohne ein neues Herz, eine neue Lunge oder eine neue Niere nicht überle- ben. Sie sind auf die Bereitschaft ihrer Mitmenschen zur Organspende ange- wiesen. Viele bekannte Sportler sind sich dessen bewusst und engagieren sich im
„Verein Sportler für Organspende“
(VSO). „Ich würde meine Organe ohne Einschränkung spenden“, sagt Jan Ull- rich, der Spitzenfahrer des Team Tele- kom. „So kann ich am Ende meines Le- bens noch einem anderen Menschen hel- fen. Außerdem möchte ich ein Zeichen setzen und kranken Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, Mut machen.“
Der Mangel an Spenderorganen ist groß. Fast 12 000 Dialysepatienten war- ten auf eine Niere, doch nur 2 219 Transplantationen konnten im vergan- genen Jahr vorgenommen werden. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt cir- ca fünf Jahre. Auch an Spenderherzen fehlt es. 418 Spenderorgane standen zur Verfügung, während rund 900 Patien- ten auf ein neues Herz warteten.
Grundsätzlich sind zwei Drittel der Deutschen einer Organspende gegen-
über aufgeschlossen. Aber nur wenige dokumentieren ihre Hilfsbereitschaft durch einen Organspendeausweis.
Noch immer kursiert unter potenzi- ellen Spendern, aber auch unter ihren Angehörigen die Angst, es könnten, zum Beispiel nach einem Unfall, Orga- ne entnommen werden, bevor ein Mensch wirklich tot ist. Tatsächlich ist diese Angst unbegründet. Nierenspe- zialist Prof. Harald Lange: „Erst nach dem Hirntod, das heißt nach dem irre- versiblen Ausfall sämtlicher Hirnfunk- tionen, wird untersucht, ob die Organe für eine Organspende geeignet sind.“
Jeder Mensch kann dabei in seinem Ausweis festlegen, welche Organe er im Falle seines Todes zur Verfügung stel- len würde. Selbst in hohem Alter kann der Mensch als Organspender nützlich sein. Das gilt mit Ausnahme des Her- zens für sämtliche Spenderorgane.
„Auch ältere Menschen verfügen über völlig intakte und gesunde Organe. Für das Gelingen einer Transplantation ist das biologische Alter der Spender ent- scheidend“, erklärt Professor Lange.
Bis zu diesem Augenblick leben die Empfänger oft lange Zeit zwischen Hof- fen und Bangen. Der „Verein Sportler für Organspende“ will ihnen zeigen: Wir lassen euch nicht allein. Viele bekannte Sportler hat Hans Wilhelm Gäb, lang- jähriger Präsident des Deutschen Tisch- tennisbundes und Vorstandsmitglied der Stiftung der Deutschen Sporthilfe, für den von ihm gegründeten VSO gewin- nen können. Boris Becker, Stefanie Graf, Dr. Michael Gross, Heike Henkel, Jürgen Klinsmann, Reinhold Messner und Franz Beckenbauer sind einige von ihnen. Deutsche Spitzensportler als Vorbilder – Gäb ist sich sicher, dass die Athleten Menschen dazu bewegen kön- nen, sich über Organspende ernsthafte Gedanken zu machen: „Sie setzen Zei- chen, auf die viele Menschen reagieren.“
Sport und Organspende bilden darüber hinaus einen wichtigen Zusammenhang:
Sport hilft den Patienten nach einer Or- gantransplantation bei der Stärkung ihrer Gesundheit. Neben gemäßigtem Laufen raten Ärzte gerne auch zum Schwimmen und Fahrradfahren. Jens Baron T H E M E N D E R Z E I T
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 12½½½½22. März 2002 AA765
Weitere Informationen zum „Verein Sportler für Organspende“: www.vso.de. Gültige Organspen- deausweise gibt es auch zum Downloaden im Internet. Unter www.vso.de/inhalt/organspende ausweis/inhalt_sr2.html können sich Interessierte das Dokument zum Ausfüllen herunterladen oder direkt ausdrucken.
Organspende
Sportler wollen ein Zeichen setzen
Deutsche Athleten werben für Organspendeausweise.
Jan Ullrich engagiert sich im „Verein Sportler für Organspende“. Foto:
Deutsche Telekom AG