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Archiv "Der nicht-kardiale Thoraxschmerz" (14.08.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DAS EDIT 1 RIA

Der nicht-kardiale Thoraxschmerz

Was ist gesichert?

Wieviel Diagnostik ist notwen6ig?

Wilhelm Berges

B

ereits die umständliche Bezeichnung

„nicht-kardialer Thoraxschmerz"

(NKTS) ist ein Hinweis auf die Pro- blematik dieser „modernen" deskrip- tiven Diagnose. Hiernach können intermittie- rend auftretende Thoraxschmerzen eine extra- kardiale Ursache haben, die jedoch positiv (noch) nicht eindeutig zu benennen ist. Ferner suggeriert sie die Sicherheit, daß die Angina- ähnlichen Beschwerden tatsächlich nicht kar- dial verursacht werden. Ist dies richtig?

Bei etwa 30 Prozent der Patienten sollen den akut und intermittierend auftretenden Thoraxschmerzen Funktionsstörungen der Speiseröhre zugrunde liegen. Nicht in allen hierzu durchgeführten Studien wurde aber ei- ne kardiale Ursache sicher ausgeschlossen.

Zum Teil wurde auf eine invasive Koronarge- fäßdiagnostik verzichtet. Auch nach unauffälli- ger Darstellung der Herzkranzgefäße ist je- doch eine Erkrankung der kleinen Gefäße oder ein intermittierend auftretender Koro- narspasmus möglich (6). Sorgfältige und um- fangreiche Untersuchungen zeigen, daß sich bei einem Teil der Patienten sowohl im Be- reich des Herzens als auch der Speiseröhre pa- thologische Befunde registrieren lassen, die je- weils für Beschwerden verantwortlich sein

können (13, 15). Bei zehn von 20 Patienten mit Thoraxschmerzen ließ sich ein intermittierend auftretender Koronarspasmus nachweisen;

hiervon hatten sechs Patienten gleichzeitig die manometrischen Kriterien eines Osophagus- spasmus. Unter Hyperventilation traten die be- kannten Thoraxschmerzen mit ST-Strecken- veränderungen im EKG und eine Zunahme der Osophagusmotilitätsstörungen auf (15).

Auch pharmakologisch (Metacholin) ließen sich Thoraxschmerzen zusammen mit mano- metrisch registrierbaren Kontraktionsstörun-

gen der Speiseröhre und Kammerendteilver- änderungen im EKG provozieren. Bei einem Patienten entwickelte sich eine Prinzmetal- Angina (7). Nach diesen Befunden ist der so- genannte NKTS zumindest bei einem Teil der Patienten auf eine unspezifische Störung im Bereich der glatten Muskulatur beider Organe zurückzuführen.

Kurzzeitmessungen häufig ohne Befund

Aus mehreren Gründen ist die ätiologische Klärung der Beschwerden problematisch. Die Schmerzen treten häufig nur unregelmäßig oder selten auf, so daß Kurzzeituntersuchun- gen meistens in einem schmerzfreien Intervall erfolgen und damit die Zuordnung der Be- schwerden zu einem registrierbaren pathologi- schen Befund nur selten gelingt. Schmerzen können sowohl durch primäre Funktionsstö- rungen der Speiseröhre als auch durch einen sauren gastroösophagealen Reflux verursacht werden. Intraösophageale Säure kann direkt oder durch Provokation spastischer Ösopha- guskontraktionen zu Schmerzen führen. Nicht jede hypertone Ösophaguskontraktion verur- sacht jedoch Beschwerden. Bei systematischen Untersuchungen zeigte sich, daß Patienten zum Zeitpunkt einer manometrisch sichtbaren hypertonen Kontraktionsstörung der Speise- röhre häufig ohne Schmerzen waren. Nicht die Amplitude, wohl aber die Dauer der Kontrak- tionen war in einer Manometriestudie mit Thoraxschmerzen korreliert (11). Demnach trägt die konventionelle Ösophagusmanomet- nie meistens nicht zur diagnostischen Klärung des NKTS bei (3, 5). Benz et al fanden bei 83 Prozent der manometrisch untersuchten Pa- A1-2694 (38) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992

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tienten mit nicht-kardialem Thoraxschmerz ei- nen Normalbefund; nur sechs Patienten wie- sen Motilitätsstörungen auf, waren jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchung asymptomatisch ( 3 ).

Provokationstests haben enttäuscht

Es stellt sich demnach die Fage, ob Be- schwerden und Funktionsstörungen durch ge- eignete Maßnahmen zu einem definierten Zeitpunkt provozierbar sind und sich dann äti- ologisch analysieren lassen. Zu diesem Ziel wurden mehrere Provokationstests erarbeitet, von denen der Säureperfusionstest, die phar- makologische Stimulation mit Edrophonium und die intraösophageale Ballondilatation die weiteste Verbreitung gefunden haben.

Beim Säureperfusionstest (Bernstein- Test) wird wechselweise und für den Patienten nicht erkennbar der Ösophagus über eine in- traösophageal liegende Sonde mit Salzsäure beziehungsweise physiologischer NaCl-Lösung perfundiert. Der Test ist positiv, wenn der Pa- tient unter Säureperfusion den vertrauten Schmerz angibt.

In einer aktuellen vergleichenden Untersu- chung war der Säureperfusionstest bei 36 Pro- zent der Patienten mit NKTS positiv (10). Die diagnostische „Ausbeute" ist damit dem Edro- phonium-Test vergleichbar. Dieser Provokati- onstest gilt als positiv, wenn es nach i. v. Injek- tion von Edrophoniumchlorid (80 tg/kg Kör- pergewicht) zum Auftreten der bekannten Thoraxschmerzen kommt. Kontrovers ist noch, ob für die positive Bewertung eine gleichzeiti- ge Änderung der Osophagusmotilität im Sinne einer Zunahme der Kontraktionsamplituden und/oder der Kontraktionsdauer zu fordern ist.

Weitere Stimulationsuntersuchungen wur- den mit Betanechol, Vasopression und Ergo- novin durchgeführt.

Bei der intraösophagealen Ballondilatati- on wird zur Schmerzprovokation ein in der di- stalen Speiseröhre positionierter Ballon kurz- fristig aufgebläht. In 5 bis 56 Prozent der un- tersuchten Patienten fällt der Test positiv aus (2, 8, 10). Die unterschiedliche Aussagekraft ist wahrscheinlich auf die vielen Variablen bei der Testdurchführung zurückzuführen. So ist die Schmerzprovokation wahrscheinlich ab- hängig von der Lokalisation des Ballons sowie der Schnelligkeit, dem Ausmaß und der Dauer

der Dilatation (14). In der Untersuchung von Paterson et al waren Schmerzen besonders in- tensiv dann auslösbar, wenn der Ballon im mittleren Ösophagus positioniert war (14). Pa- tienten mit NKTS empfinden Schmerzen of- fenbar bereits bei geringerem Ballonvolumen als nicht Betroffene (16).

Die niedrigere Schmerzschwelle gegen- über Provokationsmaßnahmen und die gleich- förmige Reaktion auf verschiedene Stimuli läßt in Analogie zum Reizdarm an einen irri- tablen Ösophagus denken (10, 21). In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, daß Patienten mit nicht-kardialem Brustschmerz auf psychischen Streß mit einer Zunahme der ösophagealen Kontraktionsamplituden reagie- ren können (1), wie dies jedoch auch bei ge- sunden Probanden der Fall sein kann (20). Al- lerdings wurde wiederum keine eindeutige Korrelation zwischen registrierter Motilitäts- störung und Auftreten der Beschwerden regi- striert (1).

Ein wichtiger Ansatz zur Klärung der Schmerzentstehung und Schmerzperzeption ist die Messung evozierter zerebraler Potenti- ale nach Stimulation vagaler Afferenzen im Ösophagus (4, 9).

Zusammenfassend ist allen Provokations- tests gemeinsam, daß sie nur hei einem Drittel der untersuchten Patienten zu einem positiven Ergebnis führen und bei etwa 20 Prozent der Probanden beziehungsweise Kontrollen eben- falls Schmerzen oder einen pathologischen Manometriebefund verursachen. Damit rei- chen Sensitivität und Spezifität der Provokati- onsuntersuchungen nicht für eine verläßliche Diagnostik aus

I Langzeituntersuchungen hilfreich?

Bei nur intermittierend auftretenden Be- schwerden werden besondere diagnostische Erwartungen mit Langzeituntersuchungen ver- bunden. Tatsächlich ist seit wenigen Jahren die Langzeitregistrierung der Ösophagusmoti- lität möglich; die intraösophageale Langzeit- pH-Metrie hingegen ist bereits ein weit verbrei- tetes diagnostisches Verfahren. Beide Langzeit- messungen lassen sich synchron durchführen.

Wie beim Langzeit-EKG können Patienten auf- tretende Beschwerden markieren.

Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß nur etwa die Hälfte der Patienten ihre vertrau- Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992 (39) A1-2695

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ten Schmerzen innerhalb der 24 Stunden einer Langzeitregistrierung empfinden (3a).

Schmerzen waren bei 4,6 Prozent der Pa- tienten mit einem sauren Reflux, bei 9,2 Pro- zent mit einem Reflux und einer gleichzeitigen Motilitätsstörung und bei 4,6 Prozent allein mit einer Motilitätsstörung verbunden. Bei 81,8 Prozent der Patienten konnte durch die Langzeituntersuchung kein Zusammenhang zwischen einer ösophagealen Funktionsstö- rung und dem Beschwerdebild hergestellt wer- den (3 a). In einer kürzlich publizierten Studie hatten sechs von 37 Patienten mit vermutetem NKTS ein pathologisches Meßergebnis in ei- ner Langzeituntersuchung. Insgesamt wiesen 19 der 37 Patienten einen pathologischen Be- fund im Rahmen der funktionsdiagnostischen Untersuchungen auf (13 a).

Nur bei jedem zweiten untersuchten Pa- tienten fällt demnach ein funktionsdiagnosti- scher Test aus einer Reihe von Untersuchun- gen positiv aus.

Diagnostisches Vorgehen

Unter Berücksichtigung dieser enttäu- schenden Ergebnisse empfiehlt sich demnach das folgende diagnostische Vorgehen bei NKTS: Nach der primären kardiologischen Diagnostik sollten zunächst endoskopisch ent- zündliche und neoplastische Veränderungen der Speiseröhre ausgeschlossen werden. Wenn

sich kein morphologischer Befund nachweisen läßt, richtet sich die Indikation zur Funktions- diagnostik nach der Häufigkeit und Intensität der Beschwerden. An erster Stelle sollte dann die Langzeit-pH-Metrie stehen, da ein nachge- wiesener saurer Reflux (auch ohne morpholo- gische Veränderung) wirksam behandelt wer- den kann. Bei negativem Ergebnis und fortbe- stehenden intensiven Schmerzen ist eine ma- nometrische Untersuchung, eventuell ergänzt durch einen pharmakologischen Provokations- test, sinnvoll. Gerechtfertigt ist aber auch eine probatorische Therapie mit Nitraten oder Kal- ziumantagonisten, wenn ein saurer gastroöso- phagealer Reflux ausgeschlossen ist. Gegen die regelhafte Abfolge einer „Testbatterie"

sprechen die nicht unerhebliche Belästigung des Patienten bei niedriger Sensitivität und Spezifität der jeweiligen Tests, sowie die damit verbundenen Kosten. So soll die „esophageal chest-pain industry" in den Vereinigten Staa- ten bereits zu Kosten von mehr als 300 Millio- nen Dollar jährlich führen (17).

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -2694-2696 [Heft 33]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturver- zeichnis im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Wilhelm Berges Luisen-Hospital

Boxgraben 99 • W-5100 Aachen

Durchfallserkrankungen während der

"Operation Desert Shield"

Während der „Operation Desert Shield" (Golfkrieg) stellten Durch- fallserkrankungen ein nicht unbe- trächtliches Handikap der eingesetz- ten Streitkräfte dar. Insgesamt wur- den 432 Stuhlproben von Solda- ten analysiert, die an Durchfällen, Krämpfen, Erbrechen und Hämato- chezie erkrankt waren.

Bei 49,5 Prozent der Soldaten mit Gastroenteritis ließ sich ein pa- thogener Keim nachweisen, am häu- figsten enterotoxinbildende Escheri- chia coli und Shigella sonnei. Von 125 E.-coli-Infektionen erwiesen sich

39 Prozent als resistent gegenüber Trimethoprim-Sulfamethoxazol, 61 Prozent gegenüber Tetrazyklin und 48 Prozent gegenüber Ampicillin.

Von 113 Shigellosen waren 85 Pro- zent resistent gegen Trimethoprim- Sulfamethoxazol, 68 Prozent gegen Tetrazyklin und 21 Prozent gegen Ampicillin. Alle Isolate erwiesen sich als empfindlich gegenüber Nor- floxacin und Ciprofloxacin.

Nach einem durchschnittlichen Aufenthalt von zwei Monaten in Saudi-Arabien waren 57 Prozent der Soldaten mindestens einmal an einer Durchfallsepisode erkrankt, 20 Pro- zent gaben an, daß sie vorüberge- hend wegen Durchfallssymptomen nicht im Stande gewesen wären, ih- ren Dienstverpflichtungen nachzuge- hen. Von elf Soldaten, bei denen das

Symptom Erbrechen ganz im Vor- dergrund stand, boten neun Hinwei- se auf eine akute Infektion mit dem Norwalk-Virus.

Hyams, K. C., A. L. Bourgeois, B. R. Mer- rell, P. Rozmajzi, J. Escamilla, S. A.

Thornton, G. M. Wasserman, A. Burke, P.

Echeverria, K. Y. Green, A. Z. Kapikian, J.

N. Woody: Diarrheal Disease During Op- eration Desert Shield. N. Engl. J. Med.

325: 1423-1428, 1991.

Epidemiology Divison, U.S. Naval Medical Research Institute, Bethesda, MD.

A1-2696 (40) Dt. Ärztebl. 89, Heft 33, 14. August 1992

Referenzen

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