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Archiv "Qualitätssicherung: Originäre ärztliche Gemeinschaftsaufgabe" (21.05.1993)

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POLITIK

ärztlichen Gesundheitspolitik gefor- dert wird.

Der Vizepräsident der Bundes- ärztekammer, Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, zeigte zwei unterschiedliche Tendenzen im GSG auf: Der ambu- lante Bereich werde immer mehr in einen staatlich reglementierten Be- reich überführt. Im Krankenhausbe- reich sieht er dagegen eine Tendenz zur Privatisierung. Das Gesundheits-

Eine Fülle von Anträgen

system sei nach der Automobilindu- strie der größte Arbeitgeber in Deutschland. Bei einer Reform des Gesundheitswesens müsse deshalb auch berücksichtigt werden, daß sie zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen kann.

Dr. med. Wolfgang Mohr, Lan- desärztekammer Baden-Württem- berg, wies die Vorwürfe der Studen- ten zurück. Die Niederlassungsbe- schränkung sei zwar „menschenver- achtend", doch gebe es keine Pfrün- de mehr. Viele Praxen stünden am Rand ihrer Existenzfähigkeit.

Zahlreiche Entschließungen, die im Wortlaut in diesem Heft abge- druckt sind, wurden zum Thema Ge- sundheits- und Sozialpolitik verab- schiedet. Unter anderem forderten die Delegierten den Gesetzgeber auf, gesundheitsschädliche Konsumgüter, zum Beispiel Nikotin und Alkohol, mit einer Gesundheitsabgabe zu be- legen und diese zweckgebunden der Finanzierung gesundheitlicher Fol- gekosten zuzuführen.

Gisela Klinkhammer

96. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Qualitätssicherung

D

ie Qualitätssicherung ärztli- cher Berufsausübung er- streckt sich auf das gesamte, vielfältige Tätigkeitsspek- trum des ärztlichen Wirkens. Die Qualitätssicherung in der Medizin ist eine essentielle, unverzichtbare Auf- gabe aller im Gesundheitswesen Tä- tigen. Sie bedarf der Koordination, Kooperation, der engagierten, wis- senschaftlich fundierten Weiterent- wicklung unter Beachtung der medi- zinischen, medizinisch-technischen und finanziellen sowie kapazitätsmä- ßigen Rahmenbedingungen des „Me- dizinbetriebs".

Die Qualitätssicherung in der Medizin und in der ärztlichen Be- rufsausübung umfaßt sämtliche Maß- nahmen zur Optimierung diagnosti- scher und therapeutischer Prozesse.

Qualitätssicherung darf nicht um der Qualitätssicherung willen betrieben werden und sich in rein technokrati- schen Äußerlichkeiten verlieren.

Mithin ist die Qualitätssicherung ei- ne Hilfswissenschaft, sie hat „dienen- den Charakter". Solche Thesen, Postulate und Axiome und daraus abgeleitete Forderungen und Des- iderate zogen sich wie ein roter Fa- den durch die neun Referate, State- ments und zahlreichen engagierten Redebeiträge im Plenum der 250 De- legierten während des 96. Deutschen Ärztetages in Dresden.

So sehr die Nuancen und Facet- ten der Qualitätssicherung und ihrer begrifflichen Unterscheidung in Struktur-, Prozeß- und Ergebnis- (Produkt)Qualität in Dresden disku-

tiert wurden, am Ende der einen Tag beanspruchenden engagierten Vor- träge und Debatten stand ein klares Bekenntnis des Ärztetages, das in zwei fast einstimmig angenommene Leitanträge des Bundesärztekam- mer-Vorstandes einmündete.

• Der erste Antrag, die „Zehn Gebote zur Qualitätssicherung in der Medizin und der ärztlichen Berufs- ausübung" (QS) bekräftigen, daß die QS eine selbstverständliche, berufs- begleitende ärztliche Daueraufgabe ist und sein müsse. Sie müsse alle Ge- biete der ärztlichen Berufsausübung umfassen. Sie habe ausschließlich die Patientenversorgung zu verbessern und habe vorrangig die Effektivität und Effizienz der medizinischen und

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Kolkmann, Stuttgart, Referent zum TOP II „Qualitätssicherung".

Originäre ärztliche

Gemeinschaftsaufgabe

Die systematische Sicherung der Qualität medizinischer Leistungen ist eine genuine Aufgabe professioneller ärztlicher Tätigkeit sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor. Zu diesem Ergebnis kam der 96. Deutsche Ärztetag bei der Beratung von Punkt II der Tagesordnung („Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsaus- übung"). Einmütig votierte er für die Errichtung eines „Kuratoriums zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin".

A1 -1498 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 20, 21. Mai 1993

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Präsidium, Geschäfts- führung und Gastrefe- renten verfolgten auf- merksam die Referate und Statements zum fa- cettenreichen Thema

„Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsaus- übung". Zwei Referate, zwei Korreferate und fünf Statements wurden ebenso wie die Be- schlußanträge engagiert diskutiert.

ärztlichen Versorgung zu optimieren.

Die Maßnahmen zur Sicherung der Qualität könnten zu Kostenerspar- nissen im Gesundheitswesen führen, müßten es aber nicht. Maßnahmen zur Qualitätssicherung seien sicher- lich nicht zum Null-Tarif zu erhalten.

Der zweite Antrag, der vom Ärz- tetags-Referenten Prof. Kolkmann begründet wurde, empfiehlt, ein

„Kuratorium zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin"

bei der Bundesärztekammer in Köln einzurichten. Der Antrag des BÄK- Vorstandes, versehen mit einem Ent-

rektor Gerhard Schulte in Dresden bestätigte, sich bei der weiteren fi- nanziellen Förderung zu beteiligen.

Prof. Dr. med. Friedrich Wil- helm Kolkmann, Pathologe aus Stutt- gart, Vorsitzender der Qualitätssi- cherungsgremien der Bundesärzte- kammer, Präsident der Landesärzte- kammer Baden-Württemberg und Referent zum Tagesordnungspunkt II beim Ärztetag in Dresden, unter- strich den Prioritätsanspruch der ärztlichen Körperschaften, der Kas- senärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern, bei der Durchfüh-

über Pilotprojekte in verschiedenen operativen Disziplinen (etwa Herz- chirurgie, Peri- und Neonatalogie, Nieren-Ersatztransplantation, Neu- rochirurgie u.a.), doch gibt es auch Bereiche der Medizin und der ärztli- chen Berufsausübung, wofür heute zum Teil noch keine allgemein an- wendbaren, objektivierbaren und vergleichbaren Kriterien und Metho- den zur Verfügung stehen. Dies gelte insbesondere im Bereich der Inneren Medizin und der Psychiatrie. Der Mensch sei eben ein Individuum und nicht normierbar, insofern könne es

wurf eines Statuts und einer detail- lierten Kostenrechnung für die „An- schubfinanzierung", wurde mit gro- ßer Mehrheit bei nur einer Gegen- stimme und drei Enthaltungen ange- nommen.

Es ist als eine gemeinsame Ein- richtung der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, der Deutschen Krankenhaus- gesellschaft und der Spitzenverbände der Krankenkassen konzipiert. Über das Statut und den Umfang der Kom- petenzen haben sich die geplanten Teilnehmer noch nicht einigen kön- nen. Das Kuratorium QS soll aber so bald wie möglich seine Arbeit auf- nehmen. Der Ärztetag beschloß (un- ter Tagesordnungspunkt „Finan- zen"), den Landesärztekammern zu empfehlen, die erforderlichen Mittel für die Startphase des Kuratoriums (631 000 DM) bereitzustellen. Das Bundesgesundheitsministerium hat bereits zugesagt, wie Ministerialdi-

rung und Verbreiterung erfolgver- sprechender Qualitätssicherungs- maßnahmen. Es geht nicht darum, Qualitätssicherung neu zu entdecken und in zentrale bürokratische Gre- mien zu bündeln und über die Köpfe der Betroffenen zu beschließen, son- dern vielmehr nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips und auf frei- williger Grundlage für mehr Akzep- tanz und den routinemäßigen Einsatz zu werben.

Kolkmann verwies auf die seit mehr als 15 Jahren von der Ärzte- schaft entwickelten Qualitätssiche- rungsmechanismen und die verschie- denen Anwendungsbereiche im ärzt- lichen Beruf und in der Medizin.

Selbstverständlich müßten die An- strengungen über die reine Sicherung der technischen Qualitäten hinaus vor allem auch die Qualität der ärzt- lichen Berufsausübung sichern. Dies geschehe schon teilweise seit vielen Jahren in zahlreichen Einzelfällen,

keinen allgemeinen Qualitätsstan- dard und nur eine einzige Qualitäts- norm geben, sondern nur das Bemü- hen, einen vorgegebenen Qualitäts- standard und objektivierbare Kriteri- en möglichst umfassend zu erreichen, so Kolkmann.

„Modus" fehl am Platz

Maßnahmen der Qualitätssiche- rung dürfen nicht auf wissenschaftli- che Spitzfindigkeiten und die Samm- lung von Datenfriedhöfen hinauslau- fen, sondern sie müssen praktisch an- wendbar sein. Das Verhältnis von eingesetzten Mitteln zum Ertrag/Er- folg muß meßbar sein. Eine sture Vollzugverbindlichkeit und eine „Be- strafung" seien fehl am Platz. Allen- falls wäre — wie auch im Bereich der Fortbildung — ein Bonus angezeigt, gab Referent Prof. Dr. med. Franz Carl Loch zu bedenken. Qualitäts-

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POLITIK

sicherung muß auf Akzeptanz bedacht sein, sie darf nicht von außen oktroy- iert und mit Sanktionen bewehrt sein.

Man könne auch nicht jeden abwei- chenden Wert von der Norm sofort als Qualitätsmangel stigmatisieren und mit dem „Sanktionsknüppel" beden- ken, sondern es müßten erst einmal den Ursachen der Abweichung nach- gegangen und gegebenenfalls Korrek- tive eingebaut werden, so ein anderes Postulat beim Ärztetag.

Die Ausbildung zum Arzt, die ärztliche Weiter- und Fortbildung beeinflussen wesentlich den Stellen- wert und die Güte der Struktur-, Pro-

Dr. Ingrid Hasselblatt- Diedrich, Chirurgin aus Frankfurt, Mitglied des Vorstandes der Bundes- ärztekammer, und Dr.

Alfred Möhrle, Präsi- dent der Landesärzte- kammer Hessen, Frank- furt/Main, engagierte Mitstreiter auf dem Po- dium.

zeß- und Produktqualität ärztlicher Leistungen und ärztlichen Handelns.

Nach den Worten der beiden Korre- ferenten zum Haupttagesordnungs- punkt des Ärztetages, Dr. med.

Jörg-D. Hoppe, Vorsitzender des Ausschusses und der Ständigen Kon- ferenz „Ärztliche Weiterbildung", Düren, und Sanitätsrat Prof. Dr.

med. Franz Carl Loch, Vorsitzender des Deutschen Senats für ärztliche Fortbildung, Saarbrücken, sind die Weiter- und Fortbildung „geborene", ja klassische Instrumente der Quali-

tätssicherung in der Eigenregie und Eigenverantwortung der Ärzteschaft.

Sie bestimmen in erster Linie die Struktur- und Prozeßqualität, stehen in einem wechselseitigen Zusammen- hang und beeinflussen sich gegensei- tig. Es ist deshalb notwendig, beide Pflichtaufgaben der ärztlichen Be- rufsausübung gleichgewichtig zu be- trachten und mit demselben Engage- ment zu betreiben. Qualitätssiche-

96. DEUTSCHER ÄRZTETAG

rung ist deshalb eine der ärztlichen Berufsausübung immanente gemein- schaftliche Aufgabe der Ärzteschaft, wird in dem einstimmig angenomme- nen Leitantrag des BÄK-Vorstandes, Nummer 1, bekräftigt.

Qualitätssicherung im Sinne ei- ner Verbesserung der Ergebnis- und Produktqualität ärztlicher Leistun- gen ist aber auch ein unverzichtbares

„Marketing-Instrument" im Umgang mit den Patienten, den Kranken wie Gesunden. Insoweit dient das Quali- tätssicherungs-Management in allen medizinischen Versorgungsberei- chen der Verbesserung des Vertrau-

ensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Maßnahmen zur Qualitätssi- cherung zählen mithin zu den wich- tigsten vertrauensbildenden Maß- nahmen im Medizinbetrieb.

Rechtliche Grundlagen

Zur Verankerung und routine- mäßigen Anwendung von Maßnah- men zur Qualitätssicherung und -kontrolle gibt es verschiedene recht- liche Grundlagen, und zwar das ärzt- liche Berufsrecht, gesetzliche Grund- lagen und vertragliche Abmachungen mit den Vertragspartnern (Kosten- träger, Kassenärztliche Vereinigun- gen, Ärztekammern).

Die ärztliche Muster-Berufsord- nung hat 1988 die Pflicht für alle Ärz- tinnen und Ärzte zur Beteiligung an Qualitätssicherungsmaßnahmen fest- geschrieben. Dies haben inzwischen

sämtliche Ärztekammern in das ärzt- liche Berufsrecht übernommen.

Neue gesetzliche Grundlagen gibt es seit 1989 im Sozialgesetzbuch V (SGB V). Dadurch ist Qualitätssi- cherung zum gesetzlich fixierten Be- standteil des ärztlichen Versorgungs- auftrages und der Aufgaben der ges- setzlichen Krankenversicherung ge- worden. Nach § 135 Abs. 3 SGB V muß die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) Durchführungsricht- linien für QS-Maßnahmen im ambu- lanten vertragsärztlichen Bereich er- lassen. Entsprechende Richtlinien hat die Vertreterversammlung der KBV am 3. Mai 1993 fast einmütig gebilligt (vgl. DÄ, Heft 19/1993).

Nach § 137 SGB V werden auch die Krankenhäuser zur Teilnahme an externen Maßnahmen zur QS ver- pflichtet, die die Behandlung, die Versorgungsabläufe und die Behand- lungsergebnisse umfassen und ver- gleichende Prüfungen ermöglichen.

Paragraph 115 b Gesundheitsstruk- turgesetz 1993 (GSG) erfaßt quali- tätssichernde Maßnahmen beim am- bulanten Operieren. In Nordrhein- Westfalen ist die Qualitätssicherung auch im Landeskrankenhausgesetz verankert.

Darüber hinaus werden im am- bulanten Bereich vom Gesetzgeber Vereinbarungen über Maßnahmen zur QS zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und den Spitzen- verbänden der gesetzlichen Kranken- versicherung vorgeschrieben.

Im stationären Bereich müssen die Vereinbarungen zwischen Lan- deskrankenhausgesellschaften, Lan- desverbänden der GKV — unter Be- teiligung der Landesärztekammern — abgeschlossen werden. Im Bereich des ambulanten Operierens durch die Krankenhäuser sind die Kran- kenkassen für detaillierte Vereinba- rungen zuständig — ebenfalls unter Einbeziehung der Landesärztekam- mern. Allerdings gibt es bei den Rah- menbedingungen und den gesetzli- chen Vorgaben erhebliche Qualitäts- mängel, die bei der Forcierung des Qualitätssicherungsgedankens eher hinderlich und kontraproduktiv sind.

Im vertragsärztlichen Bereich leidet die Anwendung von QS-Maß- nahmen oftmals wegen des schwer durchschaubaren Wirrwarrs an Zu-

A1 -1502 (46) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 20, 21. Mai 1993

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ständigkeiten, der QS-Maßnahmen erschwert und/oder diese auf die lan- ge Bank schiebt. Auch führt die Ver- lagerung qualitätssichernder Kompe- tenz von der Länder- auf die Bundes- ebene dazu, daß neue Qualitätssiche- rungsmaßnahmen für den kassen-/

vertragsärztlichen Bereich auf der Länderebene schwer realisierbar werden.

Es sei zwar anerkennenswert, daß der Gesetzgeber die Qualitätssi- cherung in den letzten Jahren mehr- fach mit stringenten Pflichten für alle Beteiligten aufgegriffen habe, doch sei dies im GSG inkonsequent und mit verworrenen Zuständigkeits- und

Verantwortungsregelungen verbun- den, so die Diagnose des Hauptge- schäftsführers der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft e.V. (DKG), Dr.

jur. Klaus Prößdorf, Düsseldorf. Der Krankenhausträger-Sprecher beklag- te, daß es zur Zeit noch keine flä- chendeckende Umsetzung im statio- nären Bereich und vor allem noch Reibungsverluste an der Schnittstelle zwischen ambulantem und stationä- rem Sektor gebe. Die meisten Bun- desländer hätten noch nicht die nach

§ 112 SGB V abzuschließenden Ver- träge abgeschlossen, mithin seien die verbindlich geforderten externen Qualitätssicherungsprogramme noch mit Leben zu erfüllen.

Der Ärztetag bemängelte, daß der Gesetzgeber es versäumt habe, in

§ 137 SGB V die Landesärztekam- mern als unmittelbar Beteiligte an vertraglichen Regelungen unerwähnt

ließ. Deshalb dürfe man sich jetzt nicht wundern, wenn es noch Span- nungen und Dissonanzen gebe, die Verhandlungen zwischen den Kran- kenhausträgern, Krankenkassen und den Landesärztekammern nur zäh vorankämen.

Ein mit großer Mehrheit be- schlossener Antrag fordert den Ge- setzgeber auf, § 135 SGB V (Quali- tätssicherung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versor- gung) entsprechend der neuen Rege- lung in § 137 SGB V zu ergänzen und die Beteiligung der Ärztekammern beziehungsweise der Bundesärzte- kammer vorzusehen.

Töte-ä-töte beim Ärzte- tag: Prof. Dr. Horst R.

Bourmer, Präsident der Ärztekammer Nord- rhein, Köln, (I.) und Dr.

Rolf Bialas, Präsident der Ärztekammer Ham- burg.

Wenn auch bei manchen regio- nalen Verhandlungen oftmals Orga- nisations- und Machtfragen Sachfra- gen überlagern, gibt es zwischen der Bundesärztekammer und der DKG als Bundesverband der Kranken- hausträger in Deutschland in diesem Punkt keine Dissonanzen. Prößdorf von der DKG rief in Erinnerung: Ob- wohl das Gesundheitsreformgesetz von 1988 zweiseitige Verträge zwi- schen der Landeskrankenhausgesell- schaft und den Landesverbänden der Krankenkassen vorsah — die Ärzte- kammern also außen vor ließ —, ha- ben Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverbände in Rahmen- empfehlungen zum Inhalt eines Ver- trages nach § 137 (in Verbindung mit

§ 112 Abs. Nummer 3 SGB V) die Ärztekammern als „geborene" Sach- verständige für QS-Fragen ausdrück- lich einbezogen.

„Qualitätssicherung findet zu- erst im Kopfe statt", so ein Kernsatz des Referates von Prof. Kolkmann, unterstützt durch den Tübinger Bio- metriker und Informatiker, Prof. Dr.

rer. hum. biol. H.-Konrad Selbmann, früher im Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion federfüh- rend für Fragen der Qualitätssiche- rung. Qualitätssicherung ziele auf Verhaltensänderungen, müsse einen dynamischen Prozeß im Gang halten.

Qualitätssicherung mache die Quali- tät der eigenen Arbeit transparent, helfe, Defizite zu erkennen, zu korri- gieren und zu beseitigen. Sie müsse den kollegialen Informationsaus- tausch, die interkollegiale Kommuni- kation fördern. Zugleich sei sie ge- eignet, das hohe Qualitätsniveau der ärztlichen Arbeit auch der Öffent- lichkeit und dem Patienten gegen- über transparenter zu machen.

Wer die Maßnahmen zur Quali- tätssicherung auf ihre ökonomische Dimension reduziere und ausschließ- lich Kontrollen inszenieren wolle, greife zu kurz. Qualitätssicherung dürfe nicht mißbraucht werden, um Rationalisierungsreserven und jede Möglichkeit zur „Erschnüffelutig von Wirtschaftlichkeits- und Rationali- sierungsreserven" zu mißbrauchen.

Wer so denke und den Hebel bei der Kostendämpfung ansetze, wolle letztendlich den Medizinbetrieb zu einem industrialisierten Fließband- betrieb umfunktionieren.

Prof. Kolkmann und Kranken- haussprecher Prößdorf setzten sich dafür ein, daß die bislang üblichen externen Qualitätssicherungsmaß- nahmen, die auch einen „gewissen Kontroll-Charakter" hätten, durch interne Qualitätssicherungsprogram- me ergänzt werden sollten. Ein Bei- spiel für den ambulanten Bereich sei- en die Qualitätszirkel und kollegialen Gespräche von Klinikern und Ärzten in der freien Praxis. Interne QS- Maßnahmen sollten aber auch an den Schnittstellen der ambulanten und stationären Versorgung etabliert werden können.

Dr. med. Wolfgang Mohr, Inter- nist aus Holzgerlingen, Mitglied des Vorstandes der KBV, sekundierte:

Notwendig ist eine Kostenübernah- me von zusätzlich geforderten Quali- tätssicherungsmaßnahmen durch die

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POLITIK

gesetzliche Krankenversicherung.

Das wichtigste ist aber: Es gibt keine Qualitätssicherung ohne Akzeptanz.

Referent Kolkmann ebenso wie Ärztetagspräsident Dr. med. Karsten Vilmar betonten, die Maßnahmen zur QS müßten nach dem Subsidiari- tätsprinzip ausgestaltet werden. In erster Linie seien die Ärztekammern und die Kassenärztlichen Vereini- gungen in der Region, aber auch je- der einzelne Arzt aufgefordert, das Seine und Notwendige zu tun. Die Bundesärztekammer und das von ihr zu schaffende Kuratorium QS seien nicht als eine zentrale bürokratische Behörde konzipiert, die bevormun- dend eingreifen wolle. Ganz im Ge- genteil: Die Eigeninitiative, die Ideenvielfalt und Spontaneität auf der unteren und mittleren Ebene der Selbstverwaltung und der Verbände müßten Vorfahrt haben.

Keine

„Qualitätspolizei"

Die Bemühungen, die Maßnah- men zur Qualitätssicherung zu ver- breitern, zu institutionalisieren und in gemeinsamen Vorgaben und mit ärztlichem Sachverstand auf der Bundesebene zu bündeln, seien das Gegenteil einer allgegenwärtigen, sanktionswütigen „Qualitätspolizei"

— etwa nach den Empfehlungen des Sachverständigenrates für die Kon- zertierte Aktion, der für die Schaf- fung eines übergeordneten Bundes- instituts (ä la TÜV) plädierte. Es wä- re kontraproduktiv, monopolistische, extrem praxisferne Einrichtungen zu schaffen, die Sanktions- und Strafbe- fugnis erhielten. Eine übertriebene Regelungsdichte und -tiefe seien ebenso kontraindiziert.

Auch bei der Qualitätssicherung spielen pekuniäre Überlegungen ei- ne wichtige Rolle. Wer allerdings die Qualitätssicherung nur ökonomisch sieht, greife zu kurz, so die dezidierte Meinung des Geschäftsführers der Ersatzkassenverbände, Dr. med. Ek- kart Fiedler, Siegburg. Auch der Vertreter der Krankenhäuser sprach sich für eine finanzielle Absicherung sämtlicher gesetzlich vorgeschriebe- ner externer Maßnahmen zur Quali- tätssicherung aus. Doch darf nicht

96. DEUTSCHER ÄRZTETAG

übersehen werden, so der eindringli- che Hinweis der Debattenredner und der Referenten, daß das GSG „Mar- ke Seehofer/Dreßler" für die Jahre 1993 bis 1995 wegen der geltenden sektoralen Budgetierung erhebliche Hürden aufgebaut hat. Während in Ländern, in denen externe Program- me bereits etabliert sind, dadurch die verbundenen Kosten in das geltende Basisbudget 1992 eingeflossen sind, ist dies in anderen Bundesländern bisher nicht der Fall.

• DKG-Geschäftsführer Pröß- dorf sprach sich deshalb dafür aus, neu eingeführte Maßnahmen zur QS außerhalb des gedeckelten Budgets zu finanzieren.

Eine Handhabe zur Einbezie- hung der Kosten (sie werden vom Bundesgesundheitsministerium auf 0,3 bis 0,5 Prozent der gesamten Pro- duktionskosten des Krankenhauses veranschlagt; in der Automobilindu- strie zum Beispiel liegen sie bei 10 Prozent), bietet § 4 Abs. 3 Nummer 2 c der Bundespflegesatzverordnung.

Danach sind dem gedeckelten Kran- kenhausbudget die Mehrkosten hin- zuzurechnen, die auf Grund von krankenhausspezifischen Rechtsvor- schriften, die nach dem 31. Dezem- ber 1992 in Kraft treten, entstehen.

Aus der Sicht der Krankenhaus- träger ist Qualität und Qualitätssi- cherung im Krankenhaus eine inter- disziplinäre Aufgabe und eine Pflicht- aufgabe für alle Krankenhausfach- mitarbeiter und für alle Abteilungen und Bereiche. Für den Bereich der Klinikmedizin sind das Konsilium, die kollegiale Fallbesprechung, die Obduktion/Pathologie, Fall- und To- desfallkonferenzen, Qualitätskon- trolle von Röntgenbildern, die Über- wachung der Hygiene-Richtlinien, Laborrichtlinien, aber auch die Qua- litätssicherung im technischen Be- reich (rund 40 Prozent der Kranken- hausinvestitionen besteht aus Tech- nik) sicherzustellen.

So gesehen sind externe wie in- terne Referenz-Systeme notwendig.

Der Transparenz dienen auch Kran- kenhausverzeichnisse, sagte Prof.

Selbmann, wie sie zum Beispiel die Krankenkassen des Rheinlandes her- ausgeben. Dort sei für jedes Kran- kenhaus und für jede Abteilung ver- zeichnet, ob sie sich an Aktivitäten

zur Qualitätssicherung beteiligt, oder nicht. Nach Selbmanns Ansicht hat die Indikation in der medizinischen Qualitätssicherung ein besonders großes Gewicht zu spielen. Dies be- deutet: Es muß stets geprüft werden, ob eine medizinische Leistung, der apparative und personelle Aufwand im Einzelfall überhaupt sinnvoll und wie diese zu dimensionieren sind.

Obwohl die Krankenkassen stets darüber klagen, daß sie knapp bei Kasse sind, wollen sie nicht von vorn- herein bei der Finanzierung quali- tätssichernder Maßnahmen „strei- ken". Die Krankenkassen sind daran interessiert, daß hochstehende medi- zinische Leistungen ständig im Hin- blick auf ihre Qualität überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.

Bei der Qualitätssicherung gehe es auch darum, den größtmöglichen Nutzen für eine größtmögliche Zahl Kranker zu erreichen. Mißtrauen müsse abgebaut, Vertrauen aufge- baut werden, betonte Fiedler. Zwar mochte der Geschäftsführer der Er- satzkassen-Verbände nicht sofort die Schatulle zugunsten der Qualitätssi- cherung auftun, doch wollen die Krankenkassen nach seinen Worten die Bestrebungen der Bundesärzte- kammer nachdrücklich unterstützen.

Fiedler äußerte Verständnis für den Wunsch nach einer angemessenen Finanzierung durch die Krankenkas- sen. Hier entstehe eine neue Diszi- plin in der Medizin, eine Professi- onalisierung der Qualitätssicherung.

Dies erfordere eine hohe Kompetenz der Qualitätsbeauftragten.

Alle Möglichkeiten zur Standar- disierung und zur Verbesserung der QS müßten die Einmaligkeit und In- dividualität der Arzt-Patienten-Be- gegnung beachten. Daraus resultiere auch der Widerspruch zwischen ap- parativer Medizin und ganzheitlicher Betrachtung des Patienten als Indivi- duum. Qualitätssicherung könne sich daher an die Individualität der Pro- bleme, insbesondere der psychischen und sozialen Dimension des Krank- heitsgeschehens und der Krankheit, nur annähern. Die Ärzteschaft, so Fiedlers Ratschlag, müsse einsehen, daß Qualität maßgeblich aus der in- neren Einstellung des Arztes und im Zusammenspiel mit dem Patienten folgt. Dr. Harald Clade A1-1506 (50) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 20, 21. Mai 1993

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