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Archiv "3. Wirtschaftlichkeit der werksärztlichen Tätigkeit" (27.06.1974)

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auf die Einführung eines Facharz- tes für Arbeitsmedizin zu prüfen.

Der Ausbau der Weiterbildungs- möglichkeiten ist insbesondere an- gesichts des Ende dieses Jahres in Kraft tretenden Gesetzes über Be- triebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeits- sicherheit von besonderer und ak- tueller Bedeutung. Die Beratungen im Ausschuß „Arbeitsmedizin"

über diesen Weiterbildungsgang sind bereits angelaufen.

Fortbildung in Arbeitsmedizin Der Fortbildung interessierter Ärzte auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin hat sich die Bundesärztekammer bereits früh angenommen. Im Hin- blick auf die erweiterten Möglich- keiten der gesetzlichen Regelung des werksärztlichen Dienstes wird ständige Fortbildung in Arbeitsme- dizin von zunehmender Bedeutung sein. Hingewiesen sei auf die letzte Initiative des Ausschusses „Ar- beitsmedizin" im Bereich der Fort- bildung, den Vorschlag für einen arbeitsmedizinischen Grundlagen- lehrgang. Dieser steht in engem Zusammenhang mit dem Arbeitssi- cherheitsgesetz (Einzelheiten siehe dort).

3. Wirtschaftlichkeit der werksärztlichen Tätigkeit

Ausgehend von den Überlegungen im Ausschuß und in der Ständigen Konferenz „Arbeitsmedizin", die wirtschaftlichen Auswirkungen der präventiv-medizinischen Betreuung der Beschäftigten aufzuzeigen, hat das Rationalisierungskomitee der deutschen Wirtschaft (RKW) diese Frage wissenschaftlich untersu- chen lassen. Das Forschungsinsti- tut der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn-Bad Godesberg erhielt den Auftrag, eine Untersuchung der wirtschaftlichen Auswirkungen werksärztlicher Tätigkeit durchzu- führen. Zur Beratung des Instituts wurde ein Projektbeirat gebil- det, in dem auch die Bundesärzte- kammer vertreten war. Die Erwar- tungen, die in das Projekt gesetzt wurden, haben sich leider nicht ganz erfüllt. Vor allem ließ die Un-

tersuchung, bedingt durch die Aus- wahl der Untersuchungsobjekte, kaum repräsentative Aussagen in Form konkreter Berechnungen über die Wirtschaftlichkeit arbeits- medizinischer Tätigkeit zu. Die Un- tersuchungen einzelner Betriebe und einzelner Funktionen und dar- aus abgeleitete Modellrechnungen ließen allerdings erkennen, daß sich die präventive arbeitsmedizini- sche Tätigkeit recht vorteilhaft auf die Unternehmen auszuwirken scheint. Dieses Ergebnis der Un- tersuchung wurde in der Öffent- lichkeit auch durchaus beachtet.

4. Gesetz über Betriebs- ärzte, Sicherheits- ingenieure und

andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit

Im Dezember 1973 wurde das Ge- setz über Betriebsärzte, Sicher- heitsingenieure und andere Fach- kräfte für Arbeitssicherheit verab- schiedet. Ein Jahr nach seiner Ver- abschiedung wird es nach dem Willen des Gesetzgebers in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist die Verbesserung des Gesundheits- schutzes am Arbeitsplatz durch Förderung und Ausbau arbeitsme- dizinischer und sicherheitstechni- scher Maßnahmen.

Über die gesetzliche Regelung der werksärztlichen Tätigkeit ist jahre- lang diskutiert worden. Auch im Ausschuß und in der Ständigen Konferenz „Arbeitsmedizin" der Bundesärztekammer sind die damit zusammenhängenden Fragen mehrfach erörtert worden. Lange Zeit standen praktische und grund- sätzliche Bedenken einer gesetzli- chen Regelung entgegen. Ein wich- tiges Hindernis war unter anderem die Tatsache, daß die Zahl der zur Verfügung stehenden Betriebsärzte

— hauptberuflich wie nebenberuf- lich tätig — auf viele Jahre hinaus nicht ausreicht, um alle Betriebe adäquat arbeitsmedizinisch betreu- en zu können. Als grundsätzliches Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung wurde geltend gemacht, daß eine freiwillige Bestellung des Betriebsarztes im Interesse des

Vertrauens zwischen Arzt und Ar- beitnehmer aber auch zwischen Unternehmensleitung und Betriebs- arzt zu bevorzugen sei. Die Bun- desärztekammer hat ihre Beden- ken gegen eine gesetzliche Rege- lung im Verlauf der Diskussion zu- rückgestellt, zumal die am meisten betroffenen Ärzte, nämlich die Werksärzte, gegen eine gesetzliche Fixierung keine Einwände mehr er- hoben.

Vor der Verabschiedung des „Ar- beitssicherheitsgesetzes" (und bis zu seinem Inkrafttreten Ende dieses Jahres) richtete sich der Einsatz von Betriebsärzten nach freien Verein- barungen und Empfehlungen. Das auch heute noch geltende Abkom- men zwischen der Bundesvereini- gung deutscher Arbeitgeberver- bände, dem Deutschen Gewerk- schaftsbund und dem Verband deutscher Werksärzte über den werksärztlichen Dienst stammt aus dem Jahre 1953. Ein weiterer Schritt zur Förderung der werks- ärztlichen Betreuung auf freiwilli- ger Grundlage war die im Jahre 1966 vom Bundesarbeitsminister erlassene Richtlinie zur werksärzt- lichen Betreuung der Arbeitnehmer und zur Einrichtung werksärztli- cher Dienste in den Betrieben und Unternehmen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Empfehlungen, auf internationaler Ebene der ILO und der EWG. Diese Vereinbarungen und Empfehlungen befassen sich im wesentlichen mit dem Tätig- keitsfeld des Werksarztes sowie den Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche betriebsärztliche Tätigkeit. Sie sind aus der Praxis heraus unter Mitwirkung der Ärzte- schaft gestaltet worden und haben sich bewährt. Dennoch sind sie trotz des wiederholten Drängens der Bundesärztekammer bei den Beratungen zum „Arbeitssicher- heitsgesetz" weitgehend nicht be- rücksichtigt worden. Im Verlauf der Gesetzesvorbereitung zeigte es sich sogar, daß die Teile, die spe- ziell ärztliche Aufgaben regeln soll- ten, sich mehr und mehr ver- schlechterten, bedingt vor allem durch die zu starke Vermengung der Arbeitsmedizin und der Sicher- heitstechnik in vielen Fragen. Dem Wunsch der Ärzteschaft, die eigen- ständige Bedeutung des betriebs-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1945

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B. III. Arbeitsmedizin und Jugendarbeitsschutz

ärztlichen Bereichs durch eine saubere Trennung beider Bereiche herauszustellen, wurde nicht ent- sprochen.

So hat die Bundesärztekammer zwar das Ziel des Gesetzes, eine weitere „Humanisierung des Ar- beitslebens" anzustreben, begrüßt, hat aber auch in mehreren schriftli- chen wie auch mündlichen Stel- lungnahmen, die sie zum Teil mit den ärztlichen Verbänden gemein- sam abgegeben hat, bedauert, daß den Wünschen der Ärzteschaft in vielen Fragen nicht entsprochen wurde. Es wird jetzt darauf ankom- men, bei der Bestellung der Be- triebsärzte diese Fragen auf ver- traglichem Wege einigermaßen be- friedigend zu regeln.

Im folgenden werden die aus ärztli- cher Sicht wichtigsten Bestimmun- gen des Gesetzes dargestellt und kurz kommentiert: Ziel des Geset- zes ist es, die arbeitsmedizinische Betreuung der Betriebsangehöri- gen weiter zu verbessern. Dem Ar- beitgeber wird auferlegt, Betriebs- ärzte und Fachkräfte für Arbeitssi- cherheit einzustellen, wenn die Ge- gebenheiten seines Betriebes — wie Höhe der Unfall- und Gesund- heitsgefahren, Zahl der Arbeitneh- mer und die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft sowie techni- sche Einrichtungen und Betriebs- organisation — es erfordern. In der Anlaufphase des Gesetzes liegt es zunächst wesentlich in der Selbst- verantwortung des Unternehmers, ob und welche Maßnahmen er nach dem Betriebsärztegesetz für sei- nen Betrieb trifft. Als Richtschnur für seine Entscheidung gelten die von den Berufsgenossenschaften zu erlassenden Unfallverhütungs- vorschriften, die das Rahmenge- setz präzisieren und ausfüllen sol- len. Die Berufsgenossenschaften haben damit eine Schlüsselstellung bei der Realisierung dieses Geset- zes erhalten; im Laufe des Gesetz- gebungsverfahrens wurde dies sei- tens der Ärzteschaft akzeptiert.

Sollten die Berufsgenossenschaf- ten nicht oder nicht ausreichend tätig werden, wird der Bundesar- beitsminister durch Rechtsverord- nungen die notwendigen Regelun- gen zur Ausfüllung des Gesetzes treffen.

Entscheidet sich der Arbeitgeber zum Beispiel auf Grund des Gefah- rengrades der Tätigkeiten in sei- nem Betrieb für eine betriebsärztli- che Betreuung seiner Arbeitneh- mer, kann er unter verschiedenen Organisationsformen wählen. Er kann sowohl einen hauptberuflich wie einen nebenberuflich tätigen Betriebsarzt bestellen oder sich ei- nem überbetrieblichen arbeitsme- dizinischen Dienst anschließen.

Diese Dienste können nach dem Gesetz von verschiedenen Trägern eingerichtet werden. Als Träger überbetrieblicher Dienste zeigen Berufsgenossenschaften, techni- sche Überwachungsvereine, Hoch- schulinstitute, Gewerkschaften, Ar- beitgebervereinigungen und natür- lich auch Gemeinschaftspraxen In- teresse. Im Gesetz besonders er- wähnt werden die arbeitsmedizini- schen Dienste der Berufsgenos- senschaften, die in ihrer Satzung einen Anschlußzwang für diejeni- gen Arbeitgeber vorsehen können, die noch nicht ihrer Verpflichtung nach dem Gesetz nachgekommen sind.

Wegen dieser einseitigen Hervor- hebung eines bestimmten Trägers im Gesetz der für die Einrichtung überbetrieblicher arbeitsmedizini- scher Dienste in Frage kommt, muß noch einmal wiederholt wer- den, daß keine bestimmte Organi- sationsform der betriebsärztlichen Betreuung vorgeschrieben ist, son- dern daß das Gesetz alle Möglich- keiten offenläßt und aus Gründen der Realisierbarkeit auch offenlas- sen muß. So wäre es zum Beispiel auch denkbar, daß ein niedergelas- sener Arbeitsmediziner „überbe- trieblich" eine Reihe von Unter- nehmen arbeitsmedizinisch betreut oder daß sich mehrere Ärzte frei- praktizierend als Werksärzte in ei- ner Gruppenpraxis niederlassen und gemeinsam mehrere Unterneh- men in einem Bereich versorgen.

In diesem Zusammenhang sei er- wähnt, daß das Betriebsärztegesetz

nicht nur für die bereits tätigen Be- triebsärzte, sondern vor allem auch für die Ärzte, die sich in diesem Bereich der ärztlichen Berufsaus- übung engagieren wollen, von gro- ßer Bedeutung ist. Es befaßt sich mit einem zunehmend wichtigeren

Arbeitsgebiet, in dem noch viele Aufgaben zu lösen sind. Ärztlicher Nachwuchs ist sehr gesucht, die Nachfrage nach Betriebsärzten wird noch lange das Angebot über- steigen.

Die im Gesetz ausgesprochene Grundsatzverpflichtung des Arbeit- gebers schließt auch die zur Erfül- lung der gesetzlichen Aufgaben er- forderliche personelle und mate- rielle Unterstützung, zum Beispiel durch Bereitstellung des notwendi- gen Hilfspersonals, der erforderli- chen Räume, Einrichtungen, Gerä- te und Mittel ein. Der Arbeitgeber hat also dafür zu sorgen, daß der Betriebsarzt seine Aufgaben nach dem Gesetz entsprechend erfüllen kann.

Die Aufgaben des Betriebsarztes bestehen im wesentlichen darin, den Arbeitgeber in allen Fragen des arbeitsmedizinischen Gesund- heitsschutzes zu unterstützen und zu beraten, also vor allem die Ar- beitnehmer zu untersuchen, ar- beitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersu- chungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten. Der Umfang der Auf- gaben wird sich auch nach den be- triebsspezifischen Erfordernissen richten müssen. Die Aufgaben des Betriebsarztes sind im Gesetz selbst sehr vage umschrieben. Um so wichtiger ist daher die Geset- zesbegründung, in der zur Erläute- rung auf die Richtlinie des Bundes- arbeitsministers über die werks- ärztliche Tätigkeit (aus dem Jahr 1966) hingewiesen wird. Diese Richtlinie enthält eine detaillierte Aufgabenbeschreibung, die aus der Praxis heraus, auch unter Mit- wirkung der Ärzteschaft, gestaltet wurde.

Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat

Mit dem i3etriebsrat hat der Be- triebsarzt bei der Erfüllung seiner arbeitsmedizinischen Aufgaben zu- sammenzuarbeiten. Der Betriebsrat ist über wichtige Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Un- fallverhütung zu unterrichten, auf sein Verlangen ist er in diesen An- gelegenheiten zu beraten.

1946 Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 DEUTSCHES _ÄRZTEBLATT

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Weiterhin hat die Bestellung und die Abberufung derjenigen Betriebs- ärzte, die hauptberuflich im Unter- nehmen tätig sein wollen, mit Zu- stimmung des Betriebsrates zu er- folgen. Bei der Verpflichtung oder Entpflichtung eines freiberuflich tä- tigen Arztes oder eines überbe- trieblichen Dienstes ist der Be- triebsrat ebenso zu hören wie bei der Erweiterung oder Einschrän- kung der Aufgaben des Betriebs- arztes.

Gegen die vom Gesetzgeber ver- ordnete Sonderform der Mitbestim- mung des Betriebsrates hat sich die Ärzteschaft energisch — aller- dings erfolglos — gewandt, da sie die Unabhängigkeit der betriebs- ärztlichen Entscheidungen gefähr- det.

Damit es nicht zu unerfreulichen Konfliktsituationen kommt, wird es in Zukunft ganz entscheidend dar- auf ankommen, wie die Vorschrif- ten des Gesetzes in der Praxis ge- handhabt werden. Ausdrücklich hervorgehoben sei, daß sich die Mitbestimmung nicht auf die ärzt- lich-medizinischen Beziehungen zwischen Betriebsarzt und Arbeit- nehmer auswirken darf. Selbstver- ständlich müssen auch bei der be- triebsärztlichen Tätigkeit im Zei- chen des neuen Gesetzes Patien- tengeheimnis und ärztliche Schweigepflicht geschützt sein.

Stellung

des Arztes im Unternehmen Die Einordnung des Betriebsarztes innerhalb des Unternehmens ist ebenfalls nicht befriedigend gere- gelt. Es besteht die Gefahr, daß Konflikte zwischen dem Arbeitge- ber und dem mitbestimmenden, aber nicht die Verantwortung tra- genden Betriebsrat zu Lasten des Betriebsarztes ausgetragen wer- den. Der Gesetzgeber konnte sich nicht dazu entschließen, den Be- triebsarzt der Unternehmensleitung direkt zu unterstellen. Künftige Be- triebsärzte werden darauf zu ach- ten haben, daß durch ihre Ver- tragsbedingungen dieser Mangel ausgeglichen wird, um im Interesse der Arbeitnehmer Abhängigkeiten zu vermeiden.

Die Bereitschaft der Arbeitgeber zu einer möglichst hohen „Anbin- dung" des Betriebsarztes scheint (zum Teil wenigstens) gegeben zu sein. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf Ausführungen eines prominenten Industrievertre- ters, nämlich des Vorstandsvorsit- zenden der Bayer AG, Professor Hansen, vor dem Verband Deut- scher Betriebs- und Werksärzte, der sich für eine Unterstellung un- ter die „Firmenleitung" aussprach.

Das Gesetz sieht (als Mindestvor- schrift) lediglich die Unterstellung des Betriebsarztes unter den Leiter des Betriebes vor, eine unzurei- chende Bestimmung, da „Betrieb"

im Sinne der im Arbeitsrecht ent- wickelten Begriffsbestimmung ver- standen wird, wonach zum Beispiel auch Betriebsteile als selbständige Betriebe gelten, wenn in ihnen min- destens fünf zum Betriebsrat wahl- berechtigte Arbeitnehmer beschäf- tigt und sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.

Fachliche Anforderungen

Mit den im Gesetz festgelegten Aufgaben darf der Arbeitgeber nur Betriebsärzte betrauen, die die An- forderungen des Gesetzes erfüllen.

Sie müssen berechtigt sein, den ärztlichen Beruf auszuüben und über die erforderliche arbeitsmedi- zinische Fachkunde verfügen.

Wegen des derzeitigen Mangels an entsprechend weitergebildeten Ärzten ist im Interesse der Prakti- kabilität des Gesetzes davon abge- sehen worden, eine bestimmte Qualifikation, etwa die Zusatzbe- zeichnung „Arbeitsmedizin", im Gesetz vorzuschreiben. Die Berufs- genossenschaften müssen nun zu- sammen mit den Landesärztekam- mern hinsichtlich der erforderli- chen arbeitsmedizinischen Fach- kunde materielle Kriterien erarbei- ten und in die Unfallverhütungsvor- schriften aufnehmen. Im Ausschuß

„Arbeitsmedizin" der Bundesärzte- kammer sind zu dieser Frage be- reits Vorschläge erarbeitet worden, die in die ersten Beratungen beim Hauptverband der Berufsgenossen- schaften eingeflossen sind.

Daß in der „Anfangsphase" hin- sichtlich der Anforderungen an die arbeitsmedizinische Fachkunde Konzessionen gemacht werden müssen, zeigt bereits die Rege- lung, die es dem Arbeitgeber ge- stattet, auch solche Betriebsärzte zu bestellen, die noch nicht über die erforderliche arbeitsmedizini- sche Fachkunde verfügen, wenn er den Ärzten ermöglicht, sich inner- halb einer bestimmten Frist fortzu- bilden und die erforderliche Fach- kunde zu erwerben. Die Kosten der Fortbildung trägt nach dem Gesetz der Arbeitgeber.

Die Beratungen im Ausschuß „Ar- beitsmedizin" des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossen- schaften über eine Muster-Unfall- verhütungsvorschrift für Betriebs- ärzte einerseits und für sicher- heitstechnische Fachkräfte ande- rerseits sind — auch unter Hinzu- ziehung von Vertretern der Bun- desärztekammer — angelaufen.

Auf der Grundlage einer Muster- Unfallverhütungsvorschrift soll dann jede Berufsgenossenschaft für ihren Bereich eine entspre- chende branchenspezifische Vor- schrift erlassen; mit deren Verab- schiedung wird Ende des Jahres gerechnet. Die Tätigkeit der Be- rufsgenossenschaften auf diesem Gebiet ergibt sich aus dem Gesetz;

dieses gibt — wie erwähnt — ja nur einen Rahmen ab, der zu- nächst durch Vorschriften der Be- rufsgenossenschaften auszufüllen ist.

Bei richtiger und realistischer Ein- schätzung der Möglichkeiten, ent- sprechend fachkundige Ärzte zu finden, hat es sich als überaus schwierig erwiesen, die Kriterien, unter denen eine betriebsärztliche Betreuung als erforderlich angese- hen werden muß, für den Arbeitge- ber verbindlich festzulegen.

Die Zahl und die Einsatzzeit für Be- triebsärzte soll sich nach Auffas- sung der Berufsgenossenschaften zunächst in der Hauptsache nach der Betriebsart und den damit ver- bundenen Unfall- und Gesundheits- gefahren sowie der Zahl der be- troffenen Arbeitnehmer richten.

Stufenweise, entsprechend der DEUTSCHES ARZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1947

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B. III. Arbeitsmedizin und Jugendarbeitsschutz

wachsenden Zahl an fachkundigen Personen, sollen dann auch weni- ger gefährdete Betriebe erfaßt wer- den.

Unterschiedliche Anforderungen in „Anfangs-" und „Endphase"

Hinsichtlich der erforderlichen ar- beitsmedizinischen Fachkunde hat man beim Hauptverband weitge- hend die Vorstellungen der Ärzte- schaft aufgegriffen. Der Ausschuß

„Arbeitsmedizin" der Bundesärzte- kammer hatte bereits Vorstellun- gen zu der an die Betriebsärzte zu stellenden erforderlichen arbeits- medizinischen Fachkunde entwik- kelt, die auch dem Bundesarbeits- ministerium vorgetragen werden konnten und von diesem akzeptiert wurden. Danach ist zwischen den Anforderungen, die als Endziel an- zustreben sind, und den Anforde- rungen einer noch zu bestimmen- den Übergangszeit zu unterschei- den. Des weiteren soll eine Diffe- renzierung der Anforderungen an die arbeitsmedizinische Fachkunde im Hinblick auf die vom Betriebs- arzt wahrgenommenen Aufgaben vorgenommen werden. So ist zu unterscheiden zwischen den Be- triebsärzten, die den gesamten Aufgabenkatalog des Gesetzes (dargestellt in § 3), und solchen, die lediglich Teile davon durchfüh- ren, wie zum Beispiel die für be- stimmte arbeitsmedizinische Vor- sorgeuntersuchungen ermächtig- ter Ärzte. Für die Ärzte, die den gesamten Aufgabenkatalog wahr- nehmen, wird als Endstufe die Zu- satzbezeichnung „Arbeitsmedizin"

(bzw. der Facharzt für Arbeitsmedi- zin, wenn die Voraussetzungen ge- schaffen sind) verlangt werden.

Während einer länger zu bemes- senden Übergangszeit ist eine et- was großzügigere Handhabung des Qualifikationsnachweises ange- zeigt. Folgende Eingangsvoraus- setzungen in der Übergangszeit sind vorgesehen: Ein Jahr klini- sche oder poliklinische Tätigkeit in der inneren Medizin oder in einem anderen Fachgebiet, das noch nä- her bestimmt werden wird. Zusätz- lich dazu soll ein arbeitsmedizini- scher Einführungslehrgang ver- langt werden, der inhaltlich dem vierzehntägigen, von den beiden

Leitern der Akademien für Arbeits- medizin in Berlin und München er- arbeiteten und in seinem Inhalt in Heft 52 des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES veröffentlichten Fortbil- dungskursus zur Einführung in die betriebsärztliche Tätigkeit ent- spricht. Ferner sollen in angemes- sener Zeit von diesen Ärzten die übrigen Voraussetzungen zum Füh- ren der Zusatzbezeichnung „Ar- beitsmedizin" verlangt werden.

Diese Ärzte sollen in einer ange- messenen Zeit den dreimonatigen theoretischen Kursus an einer der beiden Akademien absolvieren, der hdchstens in drei Abschnitte geteilt werden darf. Weiter sollten sie die neunmonatige Tätigkeit in einer anerkannten Weiterbildungsstätte unter Anleitung eines zur Weiterbil- dung ermächtigten Arbeitsmedizi- ners ableisten. Letztere Vorausset- zung, die nur recht schwer für die Mehrzahl der Ärzte erfüllbar sein wird, soll auch dann als erbracht angesehen werden, wenn der Be- triebsarzt eine, dann allerdings ent- sprechend längere, selbständige Tätigkeit vorweisen kann. Gedacht wird an eine Zeit von mindestens zwei Jahren, wobei die Dauer der erforderlichen selbständigen Tätig- keit sich nach der Art der betriebs- ärztlichen Tätigkeit richtet. Es käme voraussichtlich zu einer Staf- felung der erforderlichen Zeit der selbständigen Tätigkeit bei der An- rechnung auf die Weiterbildungs- zeit, und zwar abhängig davon, ob der Betriebsarzt hauptberuflich und damit täglich im Unternehmen oder nur wenige Stunden in der Woche dort tätig ist.

Bei den Beratungen über die Un- fallverhütungsvorschrift wurde ver- einbart, daß die Bescheinigung der Ärztekammer über die erforderli- che Fachkunde in der Übergangs- zeit mit einem Rücknahmevorbe- halt versehen wird. Erfüllt der Arzt nach Ablauf der Übergangszeit die vorgeschriebenen weiteren, oben beschriebenen Voraussetzungen nicht, so kann ihm die Qualifikation für eine betriebsärztliche Betreu- ung aberkannt werden.

Einig war man sich darüber, daß leitende Betriebsärzte in einem Un- ternehmen oder in einem überbe- trieblichen Dienst bereits in der

Eingangsstufe über die Zusatzbe- zeichnung „Arbeitsmedizin" verfü- gen sollen.

Für die Ärzte, die nur Teile des Aufgabenkatalogs des Gesetzes durchführen, also die für bestimm- te Untersuchungen „ermächtigt"

sind, sollte als Eingangsvorausset- zung der vierzehntägige Fortbil- dungskursus vorgesehen werden.

Außerdem wird bei diesen Ärzten davon ausgegangen, daß sie ihre- Kenntnisse neben dem bereits durch ihre Tätigkeit erworbenen Erfahrungsschatz durch branchen- spezifische Fortbildung erweitern.

Die endgültigen Anforderungen für Ärzte, die nur Teile des Aufgaben- katalogs nach § 3 wahrnehmen — dies werden im wesentlichen im Nebenberuf tätige Betriebsärzte sein —, werden noch einmal über- dacht. Dabei wird geprüft, ob für diese Ärzte von einer Endqualifika- tion völlig abgesehen werden kann oder ob auch hier eine Art Zusatz- bezeichnung zu fordern wäre. Die- se Frage ist jedoch noch nicht ab- schließend beraten worden.

In den Beratungen beim Hauptver- band der gewerblichen Berufsge- nossenschaften wurde darüber hin- aus diskutiert, ob für die Ärzte, die bereits vor dem 1. Januar 1974 ar- beitsmedizinisch tätig waren, eine sogenannte Besitzstandsklausel vorgesehen werden kann.

Eng verbunden mit der Frage der Anforderungen an die arbeitsmedi- zinische Fachkunde sind die Krite- rien für die Bestellbarkeit des Be- triebsarztes durch den Betrieb. Der Arbeitgeber kann ja die Fachkunde des Betriebsarztes nicht prüfen;

deshalb wird die Ausstellung einer Bescheinigung erforderlich. Da die Landesärztekammern, entspre- chend ihrer Verantwortung für die Weiterbildung in der Endstufe, die Qualifikation des Betriebsarztes mit der Zusatzbezeichnung „Ar- beitsmedizin" bescheinigen, wer- den sie aus Gründen der Nachprüf- barkeit und der Kontinuität auch diese Aufgabe bereits in der Ein- gangsstufe wahrnehmen. Auch die- se Regelung fand die Zustimmung des Bundesarbeitsministeriums und der Berufsgenossenschaften.

1948 Sondernummer 26a vom 19.7. 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Einrichtung von Fortbildungskursen

Der bereits angesprochene Fortbil- dungskursus zur Einführung in die betriebsärztliche Tätigkeit wurde sowohl bei der Besprechung im Bundesarbeitsministerium als auch bei den Beratungen zur Unfallver- hütungsvorschrift als eine Ein- gangsvoraussetzung für die Über- gangszeit vorgeschlagen und dort auch anerkannt.

Als Träger des Grundlagenkurses kommen verschiedene Institutionen in Betracht: die Akademien für Ar- beitsmedizin in Berlin und Mün- chen, die Landesärztekammern, die Dienststellen der staatlichen Gewerbeärzte und die Berufsge- nossenschaften; der Inhalt der Kur- se muß mit der ärztlichen Standes- organisation abgestimmt werden.

Bereits in diesem Jahr sind an den beiden Akademien arbeitsmedizini- sche Fortbildungskurse eingerich- tet worden. Auch in einigen Lan- desärztekammerbereichen wurden bereits Kurse zur Fortbildung in Ar- beitsmedizin angeboten.

5. Jugendarbeitsschutz

Im Jahre 1960 wurde das auch heu- te noch geltende Jugendarbeits- schutzgesetz verkündet. Seine Ein- führung entsprach dem Bestreben der Ärzteschaft. Das Gesetz und vor allem seine Zielsetzung haben sich im Prinzip bewährt, wenn auch immer wieder Verstöße ge- gen einzelne Bestimmungen ver- zeichnet werden. Bei den Verstö- ßen über die mehrfach publiziert wurde, handelt es sich vorwiegend um solche gegen die Arbeitszeit und gegen die Vorschriften über die ärztliche Nachuntersuchung.

Dies und die sich weiterentwik- kelnden Erkenntnisse in der Ar- beitsmedizin führten dazu, daß der- zeit an einer Novellierung des Ge- setzes gearbeitet wird.

Novellierung des

Jugendarbeitsschutzgesetzes Ein erster Referentenentwurf des Bundesarbeitsministers zum Ju- gendarbeitsschutzgesetz erschien

im Sommer 1973. Das Kabinett ver- abschiedete den Gesetzentwurf mit einigen geringfügigen Veränderun- gen. Die Bundesärztekammer, die bereits zum Referentenentwurf Stel- lung genommen hatte, wird im Lau- fe des Gesetzgebungsverfahrens ihre Änderungsvorschläge erneut vortragen.

Ziel der Novellierung ist es — wie bereits erwähnt — u. a. den Verstö- ßen gegen das Gesetz mit geeigne- ten Maßnahmen zu begegnen.

Schwerpunkte der Novellierung sind die Anpassung der Arbeitszeit und des Urlaubs an die tarifver- tragliche Entwicklung und die Fünftagewoche, die Heraufsetzung des allgemeinen Mindestalters für die Zulassung zur Beschäftigung von 14 auf 15 Jahre, die Verkür- zung der Arbeitszeit in allen Berei- chen auf 40 Stunden in der Woche, die Ausdehnung des Verbotes der Akkord- und Fließarbeit auf Arbei- ten mit Zeitvorgabe, die Verbesse- rung der gesundheitlichen Betreu- ung, die bereits oben erwähnte schärfere Ahndung von Verstößen (u. U. Beschäftigungsverbot bei wie- derholten oder schwerwiegenden Verstößen) und die Einführung ein- heitlicher Schutzvorschriften für alle Beschäftigungsbereiche.

Der Ausbau der gesundheitlichen Betreuung der Jugendlichen durch die Gesetzesnovelle findet vor al- lem die Anerkennung der Ärzte- schaft. Neben der Verpflichtung, den ins Berufsleben eintretenden Jugendlichen zu untersuchen — Erstuntersuchung — und ihn nach einjähriger Beschäftigung nach- zuuntersuchen — erste Nachunter- suchung —, besteht die Möglichkeit weitere jährliche und außerordent- liche Nachuntersuchungen sowie Ergänzungsuntersuchungen in An- spruch zu nehmen. Bedauerlich ist allerdings, daß diese als erforder- lich anerkannten Untersuchungen lediglich als Wahlleistungen ange- boten werden. Kostengesichtspunk- te, die eventuell für diese Ein- schränkung maßgebend waren, soll- ten hier, wo es um den Schutz der Gesundheit der Jugendlichen geht, nicht ausschlaggebend sein.

Völlig unverständlich ist auch die im Kabinettsentwurf vorgesehene

Regelung, daß der Jugendliche, dessen berufliche Tätigkeit Gefah- ren für seine Gesundheit befürch- ten läßt, sich durch einen „ermäch- tigten" Arzt der Aufsichtsbehörde untersuchen lassen muß. Die Un- tersuchungen nach dem Jugendar- beitsschutzgesetz sind so angelegt, daß sie von jedem Arzt durchführ- bar sind. Es erscheint daher unver- ständlich, warum eine derartige Kontrolluntersuchung nicht dem gleichen Kreis von Ärzten überlas- sen bleibt. Die Regelung würde überdies dem Prinzip der freien Arztwahl widersprechen.

Eine weitere Bestimmung des Ge- setzes, gegen die sich die Ärzte- schaft schon bei der Verabschie- dung des ersten Referentenentwur- fes gewandt hat und die erneut im Kabinettsentwurf erscheint, ist eine Bestimmung nach der eine Koppe- lung der Jugendarbeitsschutzunter- suchungen mit anderen Untersu- chungen ermöglicht wird. Diese Koppelung verkennt den auch im Gesetz formulierten spezifischen Charakter der Jugendarbeits- schutzuntersuchungen, der die Verbindung mit Untersuchungen anderer Zielsetzungen wie zum Beispiel den Schulentlassungsun- tersuchungen oder aber auch den Einstellungs- bzw. Tauglichkeitsun- tersuchungen der Betriebe aus- schließt. Neben der Gefahr, daß durch eine solche Regelung die notwendige Sorgfalt, die zur Beur- teilung möglicher Gefährdungen durch berufliche Tätigkeit erforder- lich ist, nicht immer hinreichend gewährleistet ist, könnte die Rege- lung darüber hinaus dazu führen, daß die freie Arztwahl, die nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz garantiert ist, damit umgangen wird. Bereits in den letzten Jahren waren immer wieder Bestrebungen erkennbar, die freie Arztwahl ein- zuschränken. So wurde versucht, die Untersuchungen den Schulärz- ten als Dienstaufgabe zu übertra- gen, häufiger noch hingegen waren die Bemühungen der Betriebe, Ju- gendarbeitsschutzuntersuchungen, wie oben bereits erwähnt, mit Ein- stellungsuntersuchungen zu ver- binden.

Die Bundesärztekammer hat ihre Bedenken gegenüber dem Bundes-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Sondernummer 26a vom 19. 7. 1974 1949

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