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Archiv "Rechte Gewalt: Ursachen liegen tiefer" (22.09.2000)

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Rechte Gewalt

Zu dem „Seite eins“-Beitrag „Deutli- che Worte“ von Dr. Thomas Gerst in Heft 33/2000:

Bericht war fällig

Ich danke Ihnen sehr für Ihren Beitrag. Ihr Bericht war einfach fällig und sprach endlich aus mir:

Da ich in einem international renommierten (deutschen) Forschungszentrum arbeite und viele internationale Kol- legen habe, und insbesonde- re durch meine hälftige indi- sche Herkunft immer sehr betroffen bin, wenn rechter Populismus in Deutschland aufkeimt.

Damit waren Sie sehr wahr- scheinlich die Stimme vieler ausländischer Kollegen, die sonst sprachlos (wie ich) über die jüngsten Nachrichten sind.

Dr. Raoul Breitkreutz, German Cancer Research Center, Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg

Problematik differen- zierter betrachten

So gut gemeint der Kommen- tar von Herrn Dr. Hoppe ist, so lässt er sich sinngemäß auch dahingehend deuten, dass die ausländischen Ärzte – wären sie nichtnach Deutschland gekommen – in ihrem Heimatland zur Ver- besserung des dortigen Ge- sundheitssystems hätten bei- tragen können. Diese nicht gerade Ausland-freundliche Sichtweise schüttet Wasser auf die Argumente jener So- zialrevolutionäre, die oh- nehin behaupten, wir verdan- ken unseren Wohlstand im Wesentlichen der Ausbeu- tung armer Länder.

Auch erscheint es wider- sprüchlich, dass einerseits die Tätigkeit von knapp 15 000 ausländischen Ärzten in Deutschland als unverzicht- bar erachtet wird, anderer- seits von kostenbewussten Sozialpolitikern (Frau Fi- scher, Herr Dreßler, gesetzli- che Krankenkassen) immer wieder die Existenz von zu viel Ärzten bedauert wird.

Die Problematik ausländi- scher angestellter oder frei- beruflich tätiger Ärzte in un- serem sozialen Gesundheits- wesen muss differenzierter betrachtet werden als nur in Bezug auf die braune Brille des Nationalsozialismus.

Dr. Dieter Klein, Brucknerallee 69, 41236 Mönchengladbach

Ursachen liegen tiefer

In den Medien rangiert die Gewalt gegen Ausländer obenan, in den Kriminalstati- stiken die Gewalt von Aus- ländern. Ersteres ist nicht ty- pisch deutsch und letzteres nicht typisch ausländisch, vielmehr ist beides typisch Einwanderung.

Verglichen mit traditionell multi-ethnischen Gesell- schaften, liegt der Gewaltpe- gel in Deutschland noch er- freulich tief. Weit verbreitet ist hier hingegen eine Über- fremdungsangst-gesteuerte Antipathie breiter Bevölke- rungskreise gegen alle (auch gegen beruflich hoch qualifi- zierte) fremdländische Ein- wanderer. „Klassische Ein- wanderungsländer“ wie die USA oder Australien geben sich hierin weltoffener, was aber nicht Folge einer freien Entscheidung von Indianern beziehungsweise Aborigines ist, sondern vorläufiges Ende eines wohl kaum nachah- menswerten Weges voller Blut und Tränen.

NS-Ideologie ist Begleiter- scheinung, nicht Ursache von Fremdenhass. Die Ursachen liegen tiefer, sind hier diesel- ben wie in Ex-Jugoslawien, Indonesien oder Burundi, und am ehesten stammesge- schichtlich als „Reviervertei- digung“ zu verstehen. Der Mensch denkt nicht nur in

„ich“ und „du“, sondern auch in „wir“ und „ihr“, und das ist gut so. Zum „wir“

kann der Berufsstand, die Partei, die Familie oder das Volk beziehungsweise die Volksgruppe werden, und im letzten Fall entstehen Ten- denzen, für das eigene Volk, die eigene Volksgruppe ein eigenes Land zu beanspru- A

A2452 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 38½½½½22. September 2000

B R I E F E

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 38½½½½22. September 2000 AA2453 chen, ähnlich der eigenen

Wohnung für die eigene Fa- milie, in der wohl Gäste zu- weilen gern gesehen sind, aber nicht konkurrierende Mitbewohner mit gleichen Rechten. Gewalt gegen Aus- länder, Vertreibung und Völ- kermord lassen sich verhin- dern, indem man dieser menschlichen Veranlagung Rechnung trägt, aber nicht, indem man sie tabuisiert.

Hier gilt Entsprechendes wie für Eifersucht oder finanziel- les Besitzstreben, die ja auch zu Gewalt führen können, von denen wir aber eingese- hen haben, dass wir sie nicht wegerziehen können.

Dass unser Gesundheitswe- sen an einer besonderen Form von Ausländerfeind- lichkeit sich beteiligt, zeigt der Kommentar, wenn auch wohl unbeabsichtigt: Aus är- meren Ländern erst Ärzte und dann zahlungskräftige Patienten abzuziehen, diese Rosinenpickerei reicher In- dustrienationen ist auslän- derfeindlich. Feindlich gegen die Ausländer, die in ihrer Heimat bleiben wollen oder müssen, und auf das dortige, durch unser Zutun noch maroder werdende Gesund- heitswesen angewiesen sind.

Dr. med. Holger Schleip, Marktplatz 2 a, 75217 Birkenfeld

Jede Gewalt ist zu verurteilen

. . . Gewalt gegen Minder- heiten darf nicht deshalb ver- urteilt werden, weil diese Minderheiten in Deutschland eine gute Arbeit geleistet ha- ben und für die Funktion des deutschen Gesundheitswe- sens oder anderer Wirt- schaftszweige von Bedeutung sind, sondern weil sie Men- schen sind und ihre Men- schenrechte geschützt und respektiert werden müssen.

Nicht nur rechte Gewalt ist zu verurteilen, sondern jede Art von Gewalt und Gewalt- tätern, die Menschen und Menschenrechte verletzen oder gar töten. Fremdenhass ist außerdem kein spezifisch deutsches Problem. Die Dar-

stellung dieses Problems in den Medien lässt leider oft diesen falschen Eindruck entstehen.

Eine in Deutschland beson- ders schlecht geschützte Min- derheit sind ungeborene Kin- der, für deren Menschenrech- te man sich das Engagement und das Presseecho wünsch- te, das derzeit der rechten Szene eine ungewollte Publi- city verschafft . ..

Dietmar Wirsam,Markt 5, 08485 Lengenfeld

Was stimmt?

Amtliche Stellen, Kranken- kassen und Kammern klagen seit vielen Jahren unisono über die „erhebliche Über- versorgung im Ärztestand“, die viel zu vielen Universitäts- abgänger und die damit mehr und mehr zunehmende und deshalb bedrohliche „Ärzte- schwemme“ mit der unaus- bleiblichen Folge der Ho- norarsenkungen, sodass man einen äußerst strengen Nume- rus clausus und eine Nieder- lassungssperre, ja sogar Gerä- tesperre (CT) für Praxen ver- hängte. Jetzt schreibt das DÄ plötzlich: „Ende des Jahres 1999 waren in Deutschland 14 243 ausländische Ärzte tätig. Ohne den Einsatz von ausländischem Personal stün- den die deutschen Kranken- häuser vor dem Kollaps. Eine ausreichende Versorgung der Patienten wäre nicht mög- lich.“ Was stimmt denn nun eigentlich?

Es macht recht betroffen, wenn die Bundesärztekam- mer mit solchen fadenschei- nigen wirtschaftlichen Argu- menten gegen die Gewaltta- ten an Ausländern wettert.

Gewalttaten an Mitmen- schen sind immerVerbre- chen, nicht erst dann, wenn sie einem Staat, Stand oder Unternehmen zum Nachteil gereichen! Und die Schwere eines Verbrechens hängt nicht von der Hautfarbe des Opfers und der Weltanschau- ung des Täters ab. Gewalt bleibt immer Gewalt.

Dr. med. Lothar Dinkel, Clußstraße 6, 74074 Heilbronn B R I E F E

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