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Monitoringbericht 2020

Kampfsport

und extrem rechte Gewalt

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Herausgeber:

Modellprojekt VOLLKONTAKT www.vollkontakt.info

Autor: Robert Claus

Redaktionelle Mitarbeit: Olaf Zajonc und Michael Staack Layout: Marius Kowitz, Christoph Löffler

Veröffentlichung: Juni 2021 Auflage: Digital

Impressum

Dieser Monitoringbericht ist Teil des Modellprojekts ‘VOLLKONTAKT – Demokratie und Kampfsport‘. Es findet im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) statt und wird von der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Deutschen Sportjugend, der Amadeu-Antonio-Stiftung sowie ideell von der Koor- dinationsstelle Fanprojekte gefördert.

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autorinnen und Autoren die Verantwortung.

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Gliederung

Ziel des Monitorings Editorial

Kampfsport und extrem rechte Gewalt in Deutschland Organisationen: Akteure und europäische Netzwerke Ideologie: Rassismus und Männlichkeit

Funktionen und Strategien:

Finanzierung, Vernetzung und Rekrutierung für das Training politischer Gewalt Monitoring 2020

Der Kampf der Nibelungen (KdN): Eventverbot 2019 und Razzia 2020 Extrem rechte Kampfsportakteure während der Coronakrise

Aktivitäten der „Kampfgemeinschaft“ um den KdN

Jenseits des KdN: Jungsturm Erfurt, Imperium Fight Team und die LaFamilia FightNight Ankündigungen für das Jahr 2021 und Ausblick

Literatur & Quellen 4

5 68 119

12 1416 18

22 20

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Da der Kampfsport in der extremen Rechten eine zentrale Rolle einnimmt, dient die- ses Monitoring dazu, die Entwicklung jährlich zu dokumentieren. Hierfür werden so- wohl zentrale Organisationen und verflochtene Netzwerke beschrieben sowie aktu- elle Geschehnisse aufgegriffen als auch prägende Ideologieelemente analysiert. Dabei

Ziel des Monitorings

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Die 90er Jahre in Deutschland sind geprägt von Sze- nen rassistischer Gewalt. In Hoyerswerda, Rostock-Lich- tenhagen, Mölln und Solingen tobt der rechte Mob und macht Jagd auf Ausländer, Flüchtlinge und Asylsuchen- de. 1993 ist das Jahr, in dem der Brandanschlag von So- lingen seine Spuren hinterlässt. Ein Haus geht in Flam- men auf. Es sterben zwei junge Frauen und drei Kinder.

Die Mörder sind Rechtsextremisten.

Die Erinnerung an meine Kindheit besteht aus Gedan- kenfetzen an Solingen, an Häuser, die brennen, mit Men- schen, die noch in ihnen sind. Es hat lange gedauert, bis mich die Bilder von auflodernden Flammen nicht mehr aus dem Schlaf reißen, weil sie mir Angst machten. So- lingen ist eingebrannt in die Erinnerung an meine Kind- heit. Und was passierte nach Solingen?

Als der NSU im November 2011 aufflog, wurde deutlich, wie sehr Politik, Sicherheitsbehörden und Medien die Gefahr von rechts unterschätzt hatten. Was heute un- terschätzt wird, ist, dass der NSU unter Neonazis wei- terhin eine große Bewunderung genießt. Im Jahr 2018 veröffentlichte die Bundesregierung eine Statistik, wel- che 360 Straftaten auflistete, bei denen sich die Täter auf den NSU beriefen und die rassistische Mordserie verherr- lichten. Ihre Taten stießen in rechten Kreisen auf eine große Resonanz und wirken bis heute in die Szene hin- ein. Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız erhält weiterhin Morddrohungen, unterzeichnet vom „NSU 2.0“. Obwohl die Drohschreiben in einem Zusammen- hang mit der hessischen Polizei stehen, sind die Hinter- gründe der Tat nach wie vor unaufgeklärt.

Der Täter von Hanau verübte seine Tat mit einer „Česká“, also jener Pistole, die auch der NSU benutzte. Bereits im Jahr 2019 erhielt die Hanauer Staatsanwaltschaft und die Generalbundesanwaltschaft ein Schreiben, in dem Tobias R. seine Taten ankündigte. Seine rechtsextre- men und verschwörungstheoretischen Inhalte stellte er ebenfalls ins Netz. Bei intensiverer Recherche zeigt sich, dass die Schreiben nicht die einzigen Hinweise waren.

Die Hinterbliebenen machen auf zwei Vorfälle aufmerk- sam, die sich in den Jahren 2017 und 2018 ereigneten.

Insbesondere der Vorfall aus dem Jahr 2017 wirft Fra- gen auf: Ein vermummter und bewaffneter Mann ging in Hanau-Kesselstadt auf ein Jugendzentrum los und be- drohte Jugendliche. Obwohl damals die Polizei hinzu- gezogen wird, werden zum Vorfall keine Akten angelegt.

Hier drängt sich zu Recht die Frage auf: Handelte es sich bei dem Mann um den Täter von Hanau? Hätte die Tat verhindert werden können, wenn die Behörden die La- ge ernst genommen und der Spur nachgegangen wären?

Ein Jahr nach Hanau müssen wir uns daher fragen: Was hat sich verändert? Welche politischen, juristischen und zivilgesellschaftlichen Antworten gibt es auf die Kon- tinuität von rassistischer und rechtsextremer Gewalt?

Wie ernst nehmen wir die Bedrohung, die von rechten Strukturen und Akteur*innen ausgehen? Welche Gegen- strategien existieren auf gesellschaftlicher und institu- tioneller Ebene, wenn unsere Leben bedroht werden?

Die Gegenstrategie gegen die Bedrohung von rechts kann daher nur lauten: Anstatt rechte Strukturen und rassistische Gewalt zu verdrängen, müssen wir struktu- relle Zusammenhänge und Wechselwirkungen in die Öf- fentlichkeit hineintragen und sichtbarer machen. Wenn sich Neonazis im Kampfsport für ihre Gewalttaten im Namen rassistischer Ideologie aufrüsten, dann ist die Grenze zum Rechtsterrorismus fließend. Eine demo- kratische Zivilgesellschaft sollte dies sehr wachsam im Blick haben. Vor diesem Hintergrund leistet dieser Mo- nitoringbericht einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung über die Strukturen rechtsextremer Gewalt.

Bahar Aslan, wohnhaft in Köln, ist Autorin und Publizistin, Mitherausgeberin des Buches

„Die haben gedacht, wir waren das – MigrantInnen über rechten Terror und Rassismus“. Sie arbeitet als Lehrerin für Englisch, Sozialwissenschaften und Politik an einer weiterführenden Schule in Nordrhein-Westfalen.

Bahar Aslan, 14.03.2021

Eingebrannt in die Erinnerung: Solingen, NSU, Hanau

Editorial

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Zwischen 300 und 400 militante Neonazis haben sich am 07. November 2020 auf dem Augustusplatz in Leip- zig versammelt, um am Aufmarsch der Querdenker teil- zunehmen. Bereits im Laufe des Nachmittags bedrohten sie Journalist*innen und griffen vermeintliche politische Gegner*innen in den Seitenstraßen des Versammlungs- platzes an. In den Stunden des frühen Abends spitzte sich die Lage weiter zu.

Als die Polizei der Versammlung den Weg auf den Stadt- ring wegen nicht eingehaltener Coronamaßnahmen ver- weigert, wird sie von den kampfsporterprobten Neona- zis zurückgedrängt, die mit Feuerwerk um sich schießen und die Presse attackieren. Wieder einmal haben gewalt- tätige Neonazis ihre Gewaltressourcen in einem men- schenfeindlichen Aufmarsch eingebracht.

Diese Szenen reihen sich in eine historische Kontinu- ität ein. Denn extrem rechte Ideologie im Allgemeinen und nationalsozialistische Ideologie im Speziellen sind grundlegend gewaltvoll. In ihrem Kern geht es immer darum, Leben als Kampf von Menschen, Gruppen und – in der Sprache ihrer Vertreter*innen – von „Völkern“

auszulegen. Dementsprechend ziehen sich Kampfrheto- rik in Reden und Schriften ebenso durch die Jahrzehnte extrem rechter Geschichte wie Kampftrainings und poli- tische Gewalt. Sie reichen vom Boxtraining in der Hitler- jugend als Vorbereitung auf die militärische Ausbildung über die Manöver extrem rechter Wehrsportgruppen seit den 1970er Jahren bis hin zur Gewalt militanter Neo- nazikameradschaften in den vergangenen Jahrzehnten.

Gewalttraining hat in der extremen Rechten eine lan- ge Geschichte. Zwei Aspekte sind in Hinsicht auf den gro- ßen Bedeutungsgewinn von Kampfsport in der extremen Rechten jedoch in den vergangenen Jahren hinzugekom- men. Zum einen versucht die Szene generell am Wachs- tum des gesamten Kampfsport- und Fitnessmarkts fi- nanziell zu partizipieren. Hierfür investierte sie gezielt in den Aufbau eigener Strukturen, sei es durch eigene Trainingsstudios, Kampfsportevents oder Marken für Ausrüstung.

Zum anderen haben extrem rechte Organisationen ein europäisches Netzwerk an Kampfsportorganisationen und -firmen gegründet. Die engen Netzwerke deutscher Neonazis reichen heute bis in die Ukraine.

Treibender Motor dieser Entwicklung ist der gemein- same Rassismus. Insbesondere in den Debatten um die Themen Flucht und Migration der vergangenen Jahre hat sich eine gemeinsame Identität als weiße und ‚christli- che‘ Europäer entwickelt.

Mit Slogans wie „Defend Europe“ (Identitäre Bewegung) gegen Bedrohungsszenarien des „historischen Ansturms“

(AfD) und der „Umvolkung“ (NPD) werden kriegsähnliche Zustände heraufbeschworen, denen stets der Aufruf inne liegt, deutsche Männer sollten sich im nationalistischen bzw. nationalsozialistischen Sinne wehrhaft machen.

Kampfsport und extrem rechte Gewalt in Deutschland

Das „Leben als Kampf“ zu interpretieren, ist der zentrale Kern extrem rechter Ideologie.

(Quelle: Telegram, @deutsche_weltanschauung, https://t.me/deutsche_weltanschauung/11)

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Da diese rassistische Ideologie die gemeinsame Klammer um das gesamte Spektrum am politischen rechten Rand der Bundesrepublik bildet, verwenden wir den Begriff der extremen Rechten. Auf den ersten Blick mag er wie ein Wortspiel zum Begriff des Rechtsextremismus klingen, jedoch bezeichnet der Begriff der „Extremen Rechten“

mehr. Denn er umfasst die Gesamtheit an menschen- und demokratiefeindlichen, au- toritären Einstellungen, Organisationen und ihren Strategien.

Anders formuliert: Der Begriff der Extremen Rechten trennt nicht künstlich zwi- schen einem gerade noch legitimen Rechtsradikalismus und einem verfassungswidri- gen Rechtsextremismus, sondern begreift diese Spektren analytisch als Kontinuum.

(vgl. Stöss 1998; Braun, Geisler, Gerster 2016).

1 Wie jede andere Identität auch, bleibt ebenso das gemeinsame Selbstverständnis europäischer Neonazis fragil:

Die Frage, ob die Nationalismen früherer Jahrzehnte wirklich überwunden oder nur zeitweise hintenangestellt sind, wird sich erst in der Zukunft beantworten lassen.

Der Kampfsport in der extremen Rechten passt nahtlos in diese Entwicklung. Neonazis trainieren hier ihre Fä- higkeiten zur Gewalt und tragen dabei ihre rassistische und demokratiefeindliche Ideologie offen zur Schau. So wird auf der Homepage des extrem rechten Kampfsport- events Kampf der Nibelungen (KdN) die Demokra- tie als „faulendes politisches System“ bezeichnet, und ein Ringsprecher der Organisation sagt im Interview mit der Neonazi-Zeitschrift N.S. Heute 2018:

Die gewählte Sprache kennzeichnet ein hohes Maß an Hass und gewaltvollen Kampfansagen. Dementspre- chend logisch ist es, dass sich eine ganze Reihe an rech- ten Gewalt- und Straftätern im Publikum der Veranstal- tung befand. Rassismus und das Interesse an Gewalt und Kampfsport führt sie zusammen.

„Wo kann man sonst auf eine Kampfsportveranstal- tung in Deutschland kommen, wo nur weiße Menschen gegeneinander antreten? Das ist nahezu ausgeschlos- sen, so etwas gibt es nur hier. Beim KdN treten stol- ze Europäer an, die ihre Wurzeln noch kennen und für ein weißes Europa der Vaterländer stehen, statt es zu einer multikulturellen Kloake verkommen zu lassen.“

Letztlich münden diese verbalen Kriegsszenarien in realer, extrem rechter Gewalt. Zwar registrieren die Or- ganisationen der Opfer- und Betroffenenberatung sowie staatliche Behörden seit Jahrzehnten unterschiedliche Zahlen – diese liegen jedoch stets auf hohem Niveau. Das Bundesinnenministerium identifiziert auf Basis der Da- ten der Landespolizeien bundesweit zwischen 2001 und 2019 jährlich rund 800 bis 1.700 extrem rechte Gewalt- taten. Die Jahre 2015 und 2016 – zu Hochzeiten der De- batten um die Themen Flucht und Migration – stechen hier negativ heraus und bilden mit 1.485 und 1.698 der- artiger Straftaten den traurigen Höhepunkt. Zumal die Dunkelziffer stets hoch bleibt, da viele Vorfälle entwe- der nicht zur Anzeige bei der Polizei gebracht oder dort nicht richtig entsprechend der tatsächlichen Tathinter- gründe erfasst werden. So beklagen die Beratungsstel- len für Opfer rechter Gewalt seit Jahren eine „beunru- higende Diskrepanz zwischen Zahlen der Beratungsstellen und Strafverfolgungsbehörden“ (Verband der Beratungs- stellen für Betroffene rechter, rassistischer und antise- mitischer Gewalt 2018).

Zudem weist der Potsdamer Politikwissenschaftler Gi- deon Botsch darauf hin, dass extrem rechte Gewalt ana- lytisch auf zwei Achsen zu verorten sei (Botsch 2019):

Zum einen bezieht er sich dabei auf den Grad der Vor- bereitung, der von verhältnismäßig spontanen Gewalt- ausbrüchen bis hin zu detailliert geplanten Angriffen reiche. Zum anderen sei die Schwere der Gewalttat zu beachten, die sich von verbalen Bedrohungen bis hin zu terroristischen Akten erstrecken könne. Denn auch letz- tere prägen das politische Geschehen in Deutschland.

Die rassistisch motivierten Terrorakte des Nationalso- zialistischen Untergrundes, der Mord an Walter Lübcke 2019 sowie die Attentate von Halle und Hanau 2020 ha- ben dies unter Beweis gestellt.

Der Beg r if f „ Ex t reme Rechte“

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Die Bedeutung, die Kampfsport für die militante ex- treme Rechte in Deutschland in den vergangenen Jah- ren gewonnen hat, lässt sich exemplarisch an der Ent- wicklung vom „Kampf der Nibelungen“ nachweisen. Dieser wurde 2013 zunächst als „Ring der Nibelungen“ von Lud- wigshafener, Dortmunder sowie Bremer Neonazis ge- gründet und fand bis 2016 einmal jährlich vor ca. 120 Zuschauer*innen statt. Die Veranstaltung war von Be- ginn ihrer Existenz an tief verwurzelt in der militanten Neonaziszene. 2016 wurde die Veranstaltung als Mar- ke beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert und wuchs zu einem Großevent an. Im Oktober 2017 be- suchten bereits über 500 Neonazis das Turnier, und die Sponsorenliste erweiterte sich.

2018 geriet indessen zum Boomjahr des KdN: Erstmals fand das Event nicht an einem geheimen Ort, sondern drei Mal im ostsächsischen Ostritz statt. Zwei Mal als Teil des RechtsRock-Festivals „Schild und Schwert“, nicht zufällig am 20. April (Hitlers Geburtstag), und einmal als eigenständiges Hauptevent am 18. Oktober. Letzte- res wurde professionell umgesetzt: beworben mit eige- nen Werbevideos und ausgestattet mit leistungsstarker Soundanlage und einem echtem Kampfring. Bundes- und europaweit reisten rund 1.000 Zuschauer*innen an. Der KdN wuchs damit im Jahr 2018 zum größten Kampfsport- event der militanten Neonaziszene in Westeuropa an.

Zudem bezeichnen sich seit 2018 eine Reihe extrem rechter Kleidungsmarken – die auch Sponsoren des KdN sind – sowie extrem rechte Kameradschaften und Fight- clubs als sogenannte Kampfgemeinschaften. Dazu gehö- ren die Kleidungsmarken Wardon21, Greifvogel Wear und Black Legion aus Brandenburg, Pride France, Sport- Frei aus Bremen und Resistend für den Outdoorbereich.

Hinzu kommen Gruppen wie die Baltik Korps aus Meck- lenburg-Vorpommern, KnockOut 51 aus Thüringen, der Nordic Fightclub aus dem Raum Bremen und der Fight- club 062 aus Sachsen-Anhalt.

Zu diesem Netzwerk gehört ebenfalls das zweite ex- trem rechte Kampfsportevent in der Bundesrepublik – das von sächsischen Neonazis organisierte Tiwaz – Kampf der freien Männer. Es fand im Sommer 2018 zum ersten Mal statt und zog ca. 250 Zuschauer an. Zu seinen Un- terstützern gehört neben einigen der genannten Mar- ken auch die Partei „Der III. Weg“ sowie das Chemnitzer Rechtsrocklabel PC Records. 2019 zog das Event knapp 400 Neonazis an. Durch diese Auflistung der Gruppen, Labels und Events werden die Schwerpunktregionen extrem rechter Kampfsportorganisationen deutlich: Es handelt sich um ein bundesweites Netzwerk mit Kern- gebieten in Südbrandenburg, Thüringen und Sachsen.

Im Zusammengang mit der Netzwerkbildung ist von Bedeutung, dass die bereits erwähnte Firma Greifvogel Wear ihre Produkte, gemeinsam mit einer Reihe anderer europaweit agierender extrem rechter Marken, u.a. über den Internetversand „2yt4u“ vertreibt (das Kürzel steht für die Lautsprache des englischen Slogans „Too White For You“ – dt. „Zu weiß für dich“). Auf dieser Plattform verkau- fen ebenfalls „White Rex“ aus Russland (gegründet 2008),

„Pride France“ (2013), „Sva Stone“ aus der Ukraine (2010) und „Rodobran“ aus Bulgarien (2018) u.a. Alltagskleidung wie Mützen und T-Shirts und Kampfsportausstattung wie Boxhandschuhe, Mundschutz und Handtücher. Sym- bolisch bewegt man sich zwischen eher unverfänglichen Tiermotiven oder kriegerischen Motiven und deutlicher NS-Symbolik sowie vermeintlich germanischen als auch slawischen Runen. Ebenso sponserte das Netzwerk di- verse extrem rechte Kampfsportevents in den vergan- genen Jahren u.a. in Griechenland, Frankreich und der Ukraine. Das Geschäft rund um den Kampfsport ist ei- ne wichtige Einnahmequelle für die Szene geworden (vgl. Claus 2018).

Organisationen:

Akteure und europäische Netzwerke

Auf der Homepage des KdN präsentieren sich die Kleidungslabels der „Kampfgemeinschaft“.

(Quelle: Screenshot www.kampf-der-nibelungen.com vom 20.03.2021)

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Alle der genannten Organisationen sind durch ihre ras- sistische Ideologie miteinander verbunden. Dementspre- chend führt die Szene eine publizistische Debatte über Sinn und Zweck von Kampfsport. Dies wird beispielgebend deutlich anhand eines Textes aus dem Jahr 2018, den die extrem rechte Partei „Der III. Weg“ über „Kampfsport als Bestandteil rechter Metapolitik“ veröffentlichte.

Der Begriff „Metapolitik“ erlebte in der extremen Rech- ten über die vergangenen Jahre einen steilen Aufstieg.

Er entstammt den theoretischen Überlegungen der so- genannten Neuen Rechten, die in grobschlächtiger An- lehnung an die Thesen des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci eine eigene Vorstellung kultureller He- gemonie entwickelt hat (Weiß 2017). „Metapolitik“ ist da- mit kein tagespolitisches Angebot, sondern zielt auf ab- strahierte strategische Überlegungen. Deshalb werden in dem Text auch keine konkreten Hinweise zum Auf- bau eines eigenen Kampfsportstudios gegeben, sondern generelle Ansätze zu den Themen Männlichkeit, der Re- krutierung von Nachwuchs und Wehrhaftigkeit ausge- führt (vgl. Claus 2020).

Ideologie und Metapolitik:

Rassismus und Männlichkeit

Die Partei „Der III. Weg“ ist tief in den Strukturen ex- trem rechter Kameradschaften verwurzelt. Sie versteht sich als national, revolutionär und sozialistisch und markiert mit diesen Begriffen deutlich, in wessen his- torischer Tradition sie sich sieht. Nicht zuletzt ist die Partei sehr aktiv im Kampfsport: Sie unterhält eine „AG Körper und Geist“, die Wanderungen und Kampfsport- training durchführt. Auf dem jährlich im Sommer or- ganisierten Tag „Jugend im Sturm“ wird Kampfsport als Begleitprogramm angeboten. Darüber hinaus unterbrei- tet die Partei regelmäßig Kurse im Thaiboxen (kosten- los) für Kinder und Jugendliche zur Selbstverteidigung.

Der Nachwuchs für die Partei wird somit aktiv über die Kampfsportangebote rekrutiert.

Die AG Jugend der extrem rechten Partei III. Weg bietet Trainings für Kinder und Jugendliche an.

(Quelle: Telegram, @agjugend, https://t.me/agjugend/50)

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Demzufolge steht im Zentrum des Textes „Kampfsport als Bestandteil rechter Metapolitik“ – wie auch aller ande- ren extrem rechten Publikationen zum Thema – der krie- gerische Begriff der Wehrhaftigkeit. In ihm verbinden sich die zwei zentralen Merkmale extrem rechter Ideolo- gie: die sozialdarwinistische Befürwortung von Gewalt mit der Ideologie der Ungleichwertigkeit menschlichen Lebens. Denn der Begriff der Wehrhaftigkeit funktio- niert nur durch die notwendige Beschwörung einer äu- ßeren Bedrohung. Sie dient dazu, die eigene gewalttäti- ge Männlichkeit zu legitimieren.

So beginnt der Text auf der Homepage des III. Wegs im ersten Schritt mit einer rassistischen Konstruktion:

„Fast täglich muss die autochthone Bevölkerung zuschauen, wie Volksangehörige durch kulturfrem- de Migranten drangsaliert werden, was sich aufgrund weiteren ungebremsten Zuzuges sog. Flüchtlinge ver- stärken dürfte“.

Hier wird die migrationsgeprägte Vielschichtigkeit der bundesrepublikanischen Gesellschaft durch die künst- liche Trennung zwischen „autochthoner Bevölkerung“ ei- nerseits und „Flüchtlingen“ andererseits negiert. Auch erwecken Begriffe wie „kulturfremd“, „drangsaliert“ und

„ungebremst“ den Eindruck, die deutsche Bevölkerung erlebe die Panik eines unkontrollierten Ausnahmezu- stands. Mit derlei rhetorischen Mitteln versucht nicht nur der III. Weg stetig, den Rassismus in der gesamt- deutschen Bevölkerung anzufachen.

Im zweiten Schritt wird das elitäre Selbstverständnis gegen den verhassten Liberalismus in Stellung gebracht:

„In Zeiten der propagierten Geschlechtsneutralität bzw.

der Gleichmacherei ist Kampfsport eins der wenigen Bindeglieder, in der der deutsche und westeuropäische Mann sich seiner Männlichkeit noch bewusst sein darf.“

Es geht um die Beschwörung traditioneller, gewaltvoller Männlichkeit als Ideal der extremen Rechten. Wenngleich es medial weniger Aufmerksamkeit erhält, wettern ext- rem rechte Gruppen seit Jahren gegen Gleichstellungs-

„Die Ausübung von Kampfsport innerhalb der Rechten ist schon deshalb unverzichtbar, um deutsche Jugendli- che nicht kriminellen Strukturen zu überlassen, bei de- ren Mitgliedern es sich nicht selten auch um Personen mit Migrationshintergrund handelt und welche sich ih- rer Männlichkeit noch bewusst sind.“

Offener kann der extrem rechte Mann den eigenen Neid kaum zugeben: Im Zentrum der Argumentation – mit all ihren rassistischen Zuschreibungen – steht keine Kritik an beispielsweise sexualisierter Gewalt oder patriarcha- ler Macht, sondern das Gefühl, sich in seiner angestreb- ten weißen und männerbündischen Herrschaftspositi- on gekränkt zu sehen. Dem wird im vierten Schritt eine militante Kampfansage entgegengesetzt:

„Im Kampfsport treffen oftmals noch Kerle zusam- men, die die vier Tugenden der Männlichkeit besitzen, und zwar Kraft, Mut, Kompetenz und Ehre. (…) Zudem werden kampfsporterprobte Identitäre und Volkstreue viele andere junge Deutsche anziehen, denn die unter Migranten zu (sic!) leidende Jugend sucht meistens ei- nen starken Schutz bzw. eine Rückendeckung.“

Dem gesamten Text liegt die grundsätzliche These ex- trem rechter Ideologie zugrunde, Kampf sei das natürliche Prinzip menschlichen Daseins, nur durch Kampf ließen sich Männlichkeit, Hierarchie und Identität herstellen.

Dementsprechend sind in diesem – wie auch weiteren Texten – vielfache, machtvolle Anforderungen an das extrem rechte Ideal von Männlichkeit enthalten: Deut- sche Männer sollten sich dem `Leben als Kampf` stellen, in dem es darum geht, die eigene Frau und Familie vor nicht-weißen Männern zu schützen. Naturalisierungen von Krieg, gewaltvolles Konkurrenzgebaren, Abgren- zung zu feministischer Gleichstellungspolitik und ras- sistische Zuschreibungen sind dem immer eingeschrie- ben. Die zentrale Aufforderung, die daraus für Männer und Jungen aus der extrem rechten Szene erwächst und Und schließlich wird im dritten Schritt deutlich, wo- rum es extrem rechten Männern eigentlich geht, wenn sie schreiben:

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Funktionen und Strategien:

Finanzierung, Vernetzung und Rekrutierung für das Training politischer Gewalt

Wie anhand der Schilderungen deutlich wird, erfüllt der Kampfsport für die extreme Rechte verschiedene Funktionen. Erstens dient er der Vernetzung. Sie er- streckt sich über das gesamte Bundesgebiet. Gemeinsa- me Kampfsporttrainings sowie -events dienen als Sze- netreffpunkte und verbindende Aktivitäten. Zudem werden Netzwerke auf die internationale Ebene aus- gedehnt und gepflegt. Beispielsweise haben deutsche Neonazis auf extrem rechten Fight-Nights in Russland, Griechenland und in der Ukraine gekämpft. Andershe- rum beteiligten sich Kämpfer aus diesen Ländern auch am Kampf der Nibelungen.

Zweitens finanzieren Kader aus der Szene ihre politischen Aktivitäten über die Einnahmen aus dem Kampfsport.

Dabei treten sie oft in Doppelrollen auf: Zum einen sind sie extrem rechte Geschäftsmänner, zum anderen nati- onalsozialistische Agitatoren und Netzwerker. Die Ein- trittspreise für den Kampf der Nibelungen lagen verteilt über die Jahre zwischen 20 und 45 Euro. Rechnet man dies auf knapp 1.000 Besucher*innen hoch, die zudem Speisen und Getränke konsumieren sowie Merchandi- seartikel kaufen, wird auf solch einem Event ein hoher fünfstelliger Betrag umgesetzt. Preise für T-Shirts und Jacken auf der Homepage des KdN liegen zwischen 20 und 70 Euro. Auch hier dürfte der jährliche Umsatz fünf- stellig sein, so dass einzelne Neonazis sich hierdurch eine berufliche Existenz im Kampfsport aufbauen konnten.

Drittens ist der Kampfsport wichtig für die Rekrutie- rung junger, gewaltaffiner Männer. Zusammen mit dem Rechtsrock bildet sich eine extrem rechte Erlebniswelt aus Gewalt, Männlichkeit, politischem Hass und Acti- on, die als niedrigschwelliges Kulturangebot wirkt. Da- bei richten die Kader des Kampfsportes in der extremen Rechten ihre Aktivitäten auf die deutsche Hooliganszene aus, wo sie eine entsprechende Menge gewaltfaszinier- ter Männer finden. Zwar sind nicht alle Hooligans in Deutschland rechts, aber die Szene ist nach wie vor der wichtigste Rekrutierungspool für militante Neonazis.

Viertens trainieren Neonazis im Kampfsport ihre Fä- higkeiten zur politisch motivierten Gewaltausübung.

Neonazis trainieren vor allem Boxen, Kickboxen und MMA, um ihre Gewaltkompetenz weiterzuentwickeln – also den bewussten und befähigten Umgang mit kör- perlicher Gewalt und kämpferischen Fähigkeiten. Das geht einerseits mit der allgemeinen Weiterentwicklung von Kampfsporttechniken – nicht nur in der extremen Rechten – sowie andererseits mit gestiegenen qualitati- ven Standards im Trainingsbetrieb bezüglich Regenera- tion und Ernährung einher.

Durch diese Funktionen verfolgen die Schlüsselakteu- re der extremen Rechten das Ziel, ihre Szene im Sinne eines trainierten und hochideologisierten, politischen Soldaten zu disziplinieren. Diese Gefahr ist kaum zu überschätzen. Denn wie an diesen Entwicklungen loka- ler, regionaler, nationaler und europaweiter Netzwerke sichtbar wird, arbeitet die extreme Rechte daran, ihre Gewalt und Organisation im Kampfsport zu professio- nalisieren. Dabei umfasst dieser Prozess drei Ebenen:

die Gewaltkompetenz und technische Kampffähigkei- ten, Jobs im Geflecht extrem rechter Firmen sowie das Eventmanagement der Szene.

Neonazis haben ein extrem rechtes Firmennetzwerk im (Kampf)Sport aufgebaut.

Dazu zählt auch das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln.

(Quelle: Instagram, @Nibelungen2013, Instastory vom 07.12.2020)

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Monitoring 2020:

Der Kampf der Nibelungen -

Eventverbot 2019 und Razzia 2020

Nachdem der Kampf der Nibelungen binnen weniger Jahre 2018 zur größten Kampfsportveranstaltung der militanten Neonaziszene in Westeuropa herangewachsen war, wollte die Kommune im ostsächsischen Ostritz, wo das Hauptevent 2019 zum zweiten Mal in Folge stattfin- den sollte, nicht mehr weiter zuschauen. Selbst in polni- scher und tschechischer Sprache hatten die Veranstalter geworben, um Publikum aus dem grenznahen Raum an- zuziehen. Doch die Kommune verbot das Event und hob hervor, dass eine Gefahr für die Sicherheit und öffent- liche Ordnung mit der Ausrichtung des KdN einherge- he. Diese Einschätzung wurde vom Verwaltungsgericht Dresden erstinstanzlich bestätigt.

Auch auf der nächsthöheren Ebene, beim sächsischen Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen, schloss man sich der Argumentation an, die Vermittlung von Kampfsporttechniken in der extremen Rechten sei ge- fährlich für die Demokratie in Deutschland: „Es sei insbe- sondere nicht von Bedeutung, dass bei früheren Kampfsport- veranstaltungen ‚nichts passiert‘ sei“, wurde dort erklärt.

Das Verwaltungsgericht habe berücksichtigt, dass die Funktionsfähigkeit der grundgesetzlich geschützten staatlichen Ordnung betroffen sei.

Extrem rechte Kampfsportevents in Deutschland nach Jahren

Jahr

2013

2014 2015

2016

2017

2018 KdN

KdN KdN

KdN

KdN

Tiwaz

100-150

100-150 100-150

100-150

500-600

200-300 Vettelschloß

(Rheinland-Pfalz) Vettelschloß Hamm (NRW) Gemünden (Hessen) Kirchhundem (NRW) Grünhain-

VA Ort Zuschauerzahl Besondere Entwicklung

Ausschlaggebend für das Urteil waren letztlich „eige- ne Verlautbarungen des Veranstalters“, die „auf eine Be- reitschaft deuteten, das ‚abgewertete‘ System mittels der Ertüchtigung und Wehrhaftigkeit aktiv und gewaltsam zu bekämpfen. Die Annahme, dass Kampftechniken gezeigt werden, die auch gegen Polizeikräfte zum Einsatz kommen sollen, sei nicht fernliegend“.

Durch dieses Veranstaltungsverbot kommt zum Aus- druck, dass kommunale Verwaltungen und staatliche Behörden den Kampfsport in der extremen Rechten zunehmend ernst nehmen. Diese Entwicklung stellt ein Problem für die Veranstalter der Großevents in der Szene dar, da hier sehr viel Geld verdient werden kann und Verbote somit finanziell hart treffen. Der Höhen- flug des KdN, für den es seit seiner Gründung fünf Jah- re lang nur bergauf ging, wurde durch das Verbot 2019 vorerst unterbrochen.

(13)

2020 planten die Organisatoren, das Veranstaltungs- verbot von 2019 zu umgehen, indem sie den KdN als rei- nes Online-Event mit Kämpfen im Live-Stream anboten.

Dadurch wäre keine Halle für rund 1.000 Zuschauer*in- nen nötig gewesen. Die Videos der Kämpfe für den Stre- am sollten Ende September 2020 in einem Magdebur- ger Rockerclub aufgezeichnet werden. Jedoch führte die Landespolizei Sachsen-Anhalt eine Razzia bei den 90 Anwesenden durch, nahm deren Personalien auf und beschlagnahmte sowohl den Kampfring als auch Kame- ramaterial (vgl. Mitteldeutsche Zeitung 2020; Bundes- amt für Verfassungsschutz 2020).

2020 wollten die Organisatoren des KdN ein mögliches Veranstaltungsverbot durch einen Onlinestream umgehen.

(Quelle: Instagram, @Kampf.der.Nibelungen, 26.09.2020)

Im Stream 2020 konnten nur wenige neue Kämpfe vor den Bannern der Kampfgemeinschaft

angeboten werden.

(Quelle: Stream des Kampfs der Nibelungen 2020) Das Event wurde dennoch weiter beworben. Allerdings konnten offenbar nur noch sechs Kämpfe an anderen Or- ten gedreht werden. Somit mussten die Organisatoren auf das Material vergangener Jahre zurückgreifen und konnten nur wenige neue Kämpfe bieten, die zudem in schlechter Qualität im thüringischen Schmölln und im brandenburgischen Zossen aufgenommen wurden (vgl.

Exif Recherche 2020). Dies führte zu deutlichem Unmut unter dem zahlenden Publikum in den sozialen Medien.

Darüber hinaus verlor der KdN Ende des Jahres seinen Instagram-Account @Kampf.der.Nibelungen mit über 6.000 Follower*innen und erstellte eine neue Präsenz unter @Nibelungen2013, welche sich die Followerzahlen erst wieder erarbeiten muss. 2020 war demzufolge kein Erfolgsjahr für den Kampf der Nibelungen.

Im März 2020 erschütterte zudem ein vermeintlicher Milieumord die Szene.

Denn in der Nacht vom 29. Februar auf den 01. März wurde der extrem rechte Rocker und Kampfsportler Martin M. im Cottbusser Puschkinpark erschossen (Fröhlich 2020). Das Opfer hatte beim Kampf der Nibelungen gekämpft und han- delte mit Nahrungsergänzungsmitteln (Inforiot 2020). Die Art des Mordes legt nahe, dass die Täter aus dem Rockermi- lieu stammen könnten und ein Zeichen bezüglich ihrer Ge- schäftsfelder setzen wollten. Wieder einmal wird an diesem Fall deutlich, dass es sich beim Business um Kampfsport in der extremen Rechten um weit mehr handelt als den reinen Vertrieb von Kleidung. Die Szene ist tief verstrickt in bewaff- nete und kriminelle Kreise (Müller, Zimmermann 2020).

M i l i e u m o r d a n e x t r e m r e c h t e m

Ka mpf spor tler in Cot tbu s

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Die im Frühjahr 2020 in ganz Europa einsetzende Co- rona-Pandemie zeigte auch Auswirkungen auf die ex- treme Rechte: Größere Kundgebungen sind untersagt, extrem rechte Festivals werden abgesagt und für 2021 neu beworben. Kampfsportevents werden ebenfalls ver- schoben. Beispielsweise hatte das Netzwerk um die fran- zösische Marke Pride France ein Event für Juni 2020 an einem geheimen Ort sowie später auf Telegram ei- nen Treffpunkt im Westen der Schweiz angekündigt. Es wurde verschoben und für Sommer 2021 neu angesetzt.

Letztlich dünnte die Pandemie auch den extrem rechten Veranstaltungskalender stark aus.

Um die zähen Wochen im Frühjahr zu überbrücken, hat Alexander Deptolla – Kader beim Kampf der Nibelungen – eine Gesprächsreihe auf Instagram initiiert, in der er Aktivisten aus der Szene interviewt. Über 6.000 Follo- wer hatte der KdN auf Instagram damals – bis zur Sper- rung seines Accounts. Zu Gast waren unter anderem der NPD-Funktionär Thorsten Heise, ein Vertreter der Par- tei Der III. Weg, Deptollas Dortmunder Kameraden Mi- chael Brück und Sascha Krolzig, Chefredakteur der N.S.

Heute. Der RechtsRock-Organisator Tommy Frenck aus Thüringen erhielt ebenfalls die Möglichkeit zum Auftritt in der Fragestunde. Das Format war eher auf plaudernde Unterhaltung ausgelegt. Allein in einem sehr aufschluss- reichen Interview mit einer dreifachen Mutter aus der Szene wird über die Rolle von Kampfsport für ihr natio- nalsozialistisches Ideal der Kindererziehung zur Wehr- haftigkeit gesprochen. Jenseits dessen waren Gewalt oder eigene Strukturen kaum Thema.

Symbolisch wird hier auf die Figur des Jokers aus dem gleichnamigen Kinofilm angespielt. In dessen Story geht es um individuell erlebte gesellschaftliche Demütigungen, für die sich der Protagonist im Film letztlich mit der Her- beiführung eines gewaltvollen Ausnahmezustands rächt.

Unter Neonazis sowie in der nihilistischen Memekultur rechter Internettrolle ist der Film sehr beliebt. Der wei- ße, gewalttätige Hauptdarsteller bietet sich als fatalisti- sche Identifikationsfigur an. Der vermeintlich harmlose Clip kann somit als direkter Gewaltaufruf in die extrem rechte Szene verstanden werden. Ähnliche – wenngleich andersartig codierte – Gewaltaufrufe kursieren tausend- fach auf den Kanälen sozialer Medien der Szene.

Extrem rechte Kampfsportakteure während der Coronakrise

Dafür veröffentlichte der Kampf der Nibelungen inmit- ten der Krise vermeintlich harmlose Trainingsvideos. In einem der knapp dreiminütigen Clips absolviert beispiels- weise ein Sportler in einem Businessanzug vordergründig lediglich verschiedene Übungen wie Liegestütze, Laufen und Kniebeugen. Sein Gesicht ist weiß geschminkt, sein roter Mund als Narbe auf der Wange verlängert.

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Wenngleich die Bilder von Friedens- und Reichskriegs- fahnen bei den Aufmärschen symbolisch verstörend wirk- ten, nahm das breite Publikum der Querdenker-Proteste eine informelle Arbeitsteilung vor: Reichsbürger*innen und Impfgegner*innen stellten die Redner, extrem rech- te Hooligans lieferten das Gewaltpotential.

Dies kam besonders deutlich zum Ausdruck bei der Quer- denker-Demonstration am 07. November 2020 in Leipzig, als mehrere hundert extrem rechte Kampfsportler und Hooligans Journalist*innen, politische Gegner*innen und Polizei angriffen (vgl. Runter von der Matte 2020, Schenk 2020). Wie in dem beschriebenen Trainingsvideo symbolisch angedeutet, versuchen Neonazis gezielt, sol- che Demonstrationen – und gesellschaftliche Konflikte generell – durch ihre Gewalt zu eskalieren, um damit die demokratische Gesellschaft zu destabilisieren.

Diese versucht, die Aufrufe mit zeitlicher Verzögerung umzusetzen.

Zwar nahm die militante Neonaziszene an den frühen Querdenker-Protesten im April, Mai und Juni 2020 kaum teil. Doch änderte sich dies im August, als bei- spielsweise KnockOut51, eine Gruppe aus dem Organi- sationsteam des KdN, und Cottbusser Hooligans an der Massenkundgebung in Berlin am 29. August teilnahmen und dort politische Gegner*innen angriffen. Offenbar hatte die militante Neonaziszene in den Querdenkern und ihrem Sozialdarwinismus, ihren antisemitischen Verschwörungsphantasien und ihrer Demokratie- und Wissenschaftsfeindlichkeit ideologische Anknüpfungs- punkte erkannt.

Der extrem rechte Teil der deutschen Hooliganszene mobilisierte mit solchen Bildern vielfach zu den Querdenkerversammlungen.

(Quelle: Instagram, @aktivde, 29.11.2020)

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Entscheidend für derlei Mobilisierungen sind die bun- desweit verteilten Gruppen und Netzwerke extrem rech- ter Kampfsportler. So mag das Verbot des Events KdN die Szene zwar hart getroffen haben, doch sind die da- hinterstehenden Organisationen keineswegs verschwun- den. Hierzu zählt vor allem die sog. „Kampfgemeinschaft“

– ein Netzwerk aus militanten Kameradschaftsgruppen und extrem rechten Kleidungslabels. Da diese Organisa- tionen und Gruppen zentral sind für die Entwicklung ex- trem rechter Gewalt, werden ihre Aktivitätsschwerpunk- te im Jahr 2020 nachfolgend knapp zusammengefasst:

Die Gruppe Baltik Korps aus Mecklenburg-Vorpom- mern ist eng vernetzt mit den Hooligans der Nordischen Wut beim FC Hansa Rostock sowie den Nationalen Sozi- alisten Rostock. Sie betreibt auf Telegram, Facebook und Instagram den Account Aktionsblog, auf dem regelmä- ßig Fotos und martialische Videos von Kampfsporttrai- nings gepostet werden. Mit ihren Begleittexten forcieren sie eine nationalsozialistische Auslegung von Fitness.

Die Gruppe KnockOut 51 aus dem thüringischen Ei- senach hat sich offiziell 2019 aufgelöst. Jedoch war dies offensichtlich ein Manöver, um der weiteren Strafverfol- gung durch Behörden zu entgehen. Mitglieder der Gruppe waren bei den Videodrehs in Magdeburg und Schmölln für den KdN 2020 anwesend. Zudem hat die Gruppe an den Querdenker-Aufmärschen im August in Berlin so- wie im November in Leipzig teilgenommen.

Aktivitäten der Kampfgemeinschaft um den KdN

Die Gruppe Fightclub 062 aus Sachsen-Anhalt hat sowohl an den Videodrehs zum KdN 2020 als auch am Querdenker-Aufmarsch am 07.11.2020 in Leipzig mit- gewirkt und war Teil der gewalttätigen Gruppe extrem rechter Hooligans. Die Gruppe hat vor der Corona-Pan- demie regelmäßig Bilder ihrer Kampfsporttrainings auf Instagram gepostet.

Die Gruppe Wardon21 stammt aus dem Süden Thürin- gens und hat sich der nationalsozialistischen Auslegung von Straight-Egde – sog. NS-Straight-Edge – verschrie- ben. Auf ihrem Instagram-Account und auf ihrem nicht mehr existenten Facebook-Account werden viele Bilder von Naturwanderungen und veganen Gerichten gepos- tet. Diese sind oft mit schwülstigen Schachtelsätzen über die Abkehr von einer „dekadenten Welt“ versehen. So un- gefährlich dies auf den ersten Blick erscheinen mag, so ist das Ziel der Gruppe deutlich: Sie versucht, die eige- ne extrem rechte Anhängerschaft für Trainings zu dis- ziplinieren, damit diese dem eigenen Ideal eines politi- schen Soldaten näher kommt.

Wa s ist NS-St raight-Edge?

Der Gedanke des Straight-Edge stammt eigentlich aus der Kultur des Hardcore-Punks. Im Zentrum steht der Verzicht auf Alkohol und Drogen, in der strengen Aus-

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Die Marke Greifvogel Wear trägt den Untertitel

„Strength against the modern world“, gehört allerdings zum kommerziellen RechtsRock Label OPOS-Records aus dem südbrandenburgischen Lindenau. Sie bewirbt ihre T-Shirts und Jogging-Outfits auf www.greifvogel-wear.

de und einem Instagram-Account.

Das Label Black Legion aus Cottbus ist tief verwur- zelt in den Netzwerken extrem rechter Kampagnen. So richtet es sich mit seiner Webseite www.blacklegionwear.

com an Kampf- und Kraftsportler und bewirbt den Ver- kauf von Sportausrüstung mit symbolischen Bezügen zu Fußball und Hooliganismus. Zudem werden auf seinem Telegram-Kanal Artikel des extrem rechten Medienpor- tals EinProzent verlinkt, Aktivitäten zur Solidarität für inhaftierte Neonazis organisiert und zur Teilnahme an extrem rechten Aufmärschen – z.B. im Februar in Dres- den – aufgerufen.

Die Marke SportFrei kommt aus Bremen und richtet sich mit den Aufschriften seiner T-Shirts und Pullover auf www.sfextremsport.de deutlich an die rechte Hoo- liganszene – u.a. durch Verlinkung zur Hooligan-Band Kategorie C. Der Inhaber der Marke hält sich öffentlich bedeckt, gilt aber als Schlüsselfigur im Netzwerk des KdN und hat am Querdenker-Aufmarsch am 07.11.2020 in Leipzig teilgenommen.

Auch das extrem rechte Label Black Legion bewarb den Onlinestream des Kampf der Nibelungen 2020.

(Quelle: Telegram, @blklgnwear, t.me/blklgnwear/164)

Der Kopf der Marke Pride France trägt seine politische Gesinnung als Tattoo auf dem Oberarm.

(Quelle: Stream King of the streets) Das Label Pride France gehört dem französischen Neo-

nazi Tomasz S. (siehe Bild), der auch den Onlineshop auf www.2yt4u.com betreibt. Er ist europaweit sehr umtrie- big, verfügt über engste Netzwerke ins bulgarische Sofia.

Unlängst kündigte er ein extrem rechtes Kampfsport- event in der Schweiz für Juni 2020 an, welches wegen der Corona-Pandemie ausfiel. Selbst absolvierte er einen Kampf beim schwedischen Fightclub King of the Streets.

Anhand der Vielzahl extrem rechter Organisationen wird deutlich, wie breit das Interesse an Kampfsport ist. Zudem verdeutlicht die Auflistung der einzelnen Organisationen und ihrer Schwerpunkte im Jahr 2020 den Umfang der Aktivität, den das Netzwerk entfaltet.

Die zum Eingang des Monitoringberichts geschilder- ten Szenen aus Leipzig sind der symbolische Ausdruck der Gesamtlage.

Die Marke Resistend deckt den Outdoorbereich inner- halb des neonationalsozialistischen Geschäftsnetzwer- kes ab. Sie verkauft Funktionskleidung für Männer und Frauen auf ihrer Homepage „shop.resistend.com“ und über ihren Telegram-Kanal und widmet sich der Krisenvor- sorge unter dem Begriff des „Preppings“. Zwar wird der Inhaber als in Ungarn ansässig angegeben, doch deutet vieles darauf hin, dass die Köpfe hinter der Marke aus dem Raum zwischen dem brandenburgischen Spreewald und Chemnitz in Sachsen heraus agieren.

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Zudem geht das Kampfsportinteresse weit über dieses Kernnetzwerk des KdN hinaus. Hooligangruppen wie der Jungsturm Erfurt, gegen den 2020 wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wurde, (Hem- kentokrax, Hemmerling 2020) sehen sich qua Namensge- bung in der Tradition der Hitlerjugend und sind bestens im Kampfsportsektor organisiert. Außerdem absolvieren sie gemeinsame Trainingseinheiten mit dem „Imperium Fight Team“ (IFT) aus Leipzig. Dieses Kampfsportstudio stammt aus der extrem rechten Hooliganszene im Um- feld des Fußballclubs Lokomotive Leipzig.

Zahlreiche Kämpfer des IFT waren am Angriff auf Leip- zig Connewitz im Januar 2016 beteiligt (Mitteldeutscher Rundfunk 2020; Ulrich 2020). Der Prozess gegen mut- maßlich Beteiligte des Angriffs zog sich bis ins Jahr 2020.

Zu ihnen gehört auch der Mixed-Martial-Arts-Kämp- fer Timo Feucht, welcher im Sommer 2020 seinen ers- ten Kampf bei der weltweit größten MMA-Promotion, der Ultimate Fighting Championship (UFC) absolvieren sollte. Aufgrund des medialen Drucks zu Feuchts Ge- schichte mit dem IFT wurde der Vertrag allerdings auf- gelöst. Feucht versucht unterdessen, sich öffentlich von der Szene zu distanzieren.

Jenseits des KdN:

Jungsturm Erfurt, Imperium Fight Team und die LaFamilia FightNight

Aktuell plant der Betreiber des IFT den Aufbau eines weiteren Kampfsportstudios in Taucha bei Leipzig (Chro- nik.Le 2020). Dieses Vorhaben war Anlass für große Sor- gen in der lokalen Zivilgesellschaft. Im Raum Gelsen- kirchen weisen zivilgesellschaftliche Organisationen auf ähnliche Entwicklungen und die Zunahme extrem rechter Trainingsgruppen in lokalen Gyms hin (Essen stellt sich quer 2020).

Ferner sollten ein Kämpfer des IFT und ein Mitglied des Jungsturm Erfurt neben anderen rechten Hooligans auf der LaFamilia Fight Night im Mai 2020 in Halle antre- ten. Das Event wurde mit dem Slogan „In den Farben ge- trennt – Im Sport vereint“ beworben und hob seine Nähe zur Hooliganszene prominent als Werbeelement hervor.

Im Zuge der medialen Recherchen des MDR zum LaFa- milia Fightclub wurde auch die Rolle der Cottbusser Mo- demarke Label23 – Boxing Connection thematisiert. Ein Mitglied des Jungsturm Erfurt agiert als Model für das Label, welches der Brandenburger Verfassungsschutz eng verbunden mit der extrem rechten Kampfgemein- schaft Cottbus und als Erkennungszeichen des aktions- orientierten Rechtsextremismus sieht (Feldmann, Pin- kert, Seidel 2020; MDR Fakt 2020).

Ebenso vertrieb die größte Nachrichtenseite des deut- schen Hooliganismus „GruppaOF“ T-Shirts mit dem Slo- gan „White lives matter“. Der Slogan kursierte in extrem rechten Kreisen als Antwort auf die antirassistischen Proteste unter dem Slogan „Black lives matter“. Zudem arbeitet die GruppaOF mit dem schwedischen King of the Streets – Underground Fightclub zusammen. Dieser wird von der Hooligangruppe Hype Crew aus dem schwe- dischen Göteborg veranstaltet, bietet Pay-per-View Ti- ckets und Onlinewetten auf weitgehend regelfreie Kämp- fe in Industriehallen an. Die Veranstalter agieren dabei mit professionell inszenierten martialischen Bildern.

Zwar gilt die Hype Crew selber nicht als extrem rechts, und die dort auftretenden Kämpfer haben unterschied- liche ethnische, politische und nationale Hintergründe.

Allerdings zieht das Event zunehmend die Aufmerksam- keit der deutschen Hooligan- und internationalen Neo- naziszene auf sich.

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Insgesamt wird an diesen Schilderungen extrem rech- ter Strategien, zivilgesellschaftlicher sowie staatlicher Gegenwehr deutlich: Sowohl der Verlauf der Corona-Pan- demie als auch gerichtliche Urteile, mediale Aufmerk- samkeit, polizeiliches Handeln und nicht zuletzt die Haltung des breiten Kampfsportmarktes werden ent- scheidenden Einfluss auf die Frage haben, wie sich der Kampfsport in der extremen Rechten zukünftig entwi- ckelt. Dabei gilt es, den Blick verstärkt auf lokale und regionale Kampfsportstudios zu richten, die der Szene nahestehen. Anzunehmen ist, dass der KdN ohne sie nie derart groß hätte werden können, da ihm nicht genügend Kämpfer zur Verfügung gestanden hätten.

Auf der Eventebene zog das Organisationsteam des KdN aus dem abermaligen Scheitern im Jahr 2020 Kon- sequenzen und kündigte an, auf weitere Events solange zu verzichten, bis die rechtliche Lage geklärt sei. Damit ist die sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verbot 2019 gemeint, anhand derer verhandelt wird, ob das Verbot rechtens war und Auswirkungen auf zu- künftige Veranstaltungen hat. Auf Anfrage kündigte das Landgericht Dresden an, dass die Klage voraussichtlich nicht 2021 verhandelt wird. Insofern ist es sehr unwahr- scheinlich, dass der KdN oder Tiwaz im Jahr 2021 öffent- lich beworbene Veranstaltungen durchführen werden.

Durch den medialen und zivilgesellschaftlichen Druck sowie die staatlichen Interventionen in den Jahren 2019 und 2020 sind die Events Kampf der Nibelungen und Tiwaz vorerst stillgelegt. Keineswegs gebannt ist dadurch je- doch die Gefahr, dass extrem rechte Kampfsportler und Hooligans im Jahr 2021 auf extrem rechten Aufmärschen ihr Gewaltpotential nutzen, um politische Gegner*in- nen, Journalist*innen und Polizei anzugreifen. Zudem bleiben die Zahlen extrem rechter Straf- und Gewaltta- ten weiterhin besorgniserregend hoch.

Ankündigungen für das Jahr 2021 und Ausblick

Das Team des KdN kündigte den Verzicht auf weitere Events an, bis die Fortsetzungsfeststellungsklage verhandelt ist.

(Quelle: Telegram, @KDN2013, https://t.me/KDN2013/252)

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Das schwedische Format King of the Streets wird al- ler Voraussicht nach weiterhin große Aufmerksamkeit von extrem rechten Hooligans erhalten, auch wenn es nicht nur Neonazis anspricht.

Allerdings bleibt das gewalttätige und autoritäre, kampffi- xierte Männlichkeitsideal der zentrale Link zur extremen Rechten. Zudem ist es möglich, dass sich die politischen Aktivitäten aus den Kreisen von KOTS steigern, da von hier aus seit Längerem eine gewaltorientierte Kampagne gegen Pädophile betrieben wird. Damit schließt die Sze- ne direkt an frühere Kampagnen extrem rechter Orga- nisationen wie bspw. „Todesstrafe für Kinderschänder“ an.

Darüber hinaus kündigte das russische Label White Rex (dt. weißer König) sein Comeback auf dem Markt des Kampfsportes in der extremen Rechten an. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, da die 2008 gegründete Marke bereits zu Beginn der 2010er Jahre große kom- merzielle, extrem rechte Fight-Nights in Russland veran- staltete und somit als Vorbild der Entwicklung des KdN gilt. Die von einer Schweizer Aktienfirma vertriebene Marke erlitt allerdings starke Umsatzeinbußen, als ih- rem Chef Denis Kapustin im Jahr 2019 ein zehnjähriges Einreiseverbot in den europäischen Schengenraum auf- erlegt wurde. Sollte White Rex wie angekündigt – wahr- scheinlich von Kiew aus – erneut aktiv werden, belebt dies womöglich das gesamte internationale Netzwerk, für das Kapustin nach wie vor eine zentrale Schlüsselfi- gur in Europa darstellt.

Unter der Bezeichnung Pedohunterz wird gewalttätig gegen Pädophilie agitiert.

(Quelle: Instagram, @pedohunterz.swe, 23.11.2020, www.instagram.com/p/CH6XCIFA8Gb/)

Nicht zuletzt wurden 2020 bereits zwei Kampfsportevents für 2021 angekündigt. Zum einen bewarb Pride France sein aufgrund der Pandemie im Sommer 2020 ausgefallenes Event für den Sommer 2021. Zudem kündigte die NPD Niedersachsen an, im Jahr 2021 auf einem Grundstück der Partei in Eschede eine Kampfsportveranstaltung durch- führen zu wollen (Weigler 2020). Es ist durchaus möglich, dass die Szene ihre Erfahrungen mit vorrangig digitalen Events nutzt und zunehmend Veranstaltungen mit wenigen Menschen vor Ort streamt. Es kann daraus geschluss- folgert werden, dass das Interesse extrem rechter Organisationen und Aktivisten an Gewalt und Kampftrainings nicht abnehmen wird, und die Prävention sowie gezielte Gegenstrategien auch weiterhin äußerst notwendig bleiben.

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Literatur

Referenzen

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