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Für Menschenrechte - gegen Hass und rechte Gewalt

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Academic year: 2022

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3 Inhalt

Inhalt

Vorbemerkung . . . 5

1. Plädoyer für eine menschenrechtsorientierte Schulpädagogik . . . 6

2. Die Herausforderung Rechtsextremismus . . . 9

2.1 Zum Selbstverständnis der rechten Ideologie . . . 9

2.2 Soziale Hintergründe der Akzeptanz einer rechtsextremen Gesinnung . . . 10

2.3 Organisationsformen . . . 12

2.4 Rechtsextremistische Aktivitäten . . . 15

2.5 Eine politische Antwort: Die Politik der Verbote rechtsextremer Organisationen . . . 17

3. Unterricht in der Sekundarstufe I: Parteinahme für die Menschenrechte – Aufklärung über den Rechtsextremismus . . . 19

3.1 Zur allgemeindidaktischen Orientierung . . . 19

3.2 Fach Politik/Sozialkunde: Menschenrechtsorientierte Antworten auf die politische Herausforderung durch den Rechtsextremismus . . . 21

3.3 Fach Musik: Der Fall Bruno Balz – Rechtsrock – kritische Gegenlieder . . . 28

3.4 Fach Deutsch: Die Kurzgeschichten »Saisonbeginn« und »Die Zwerge«, das Gedicht »Ist das ein Mensch?« und der Fall »Garage Hakenkreuz« . . . 33

3.5 Fach Religion: Religionsfreiheit – Nächstenliebe statt Hass – vor Gott sind alle Menschen gleich . . . 39

4. Kopiervorlagen zum Unterricht in der Sekundarstufe I M 1 Rassismus im Alltag . . . 43

M 2 Militante Kameradschaften . . . 44

M 3 »Garage Hakenkreuz« – eine lokale militante Kameradschaft schlägt zu . . . 45

M 4 Bildungsstätte Waldmünchen . . . 46

M 5 Die NPD . . . 47

M 6 Pro und Contra NPD-Verbot . . . 48

M 7 »Hakenkreuze abkratzen« . . . 49

M 8 Konstantin Wecker: Sage Nein! . . . 50

M 9 Gesichtspunkte für ein gutes Lernklima . . . 50

M 10 Aussteigerprogramme . . . 51

M 11 Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage: Der Weg zum Titel . . . 53

M 12 Bruno Balz (1902–1988) . . . 54

M 13 Die Bedeutung beliebter Schlager für das Wunschkonzert der Wehrmacht . . . 55

M 14 Männer mit dem rosa Winkel . . . 55

M 15 Eine Strophe aus dem Lied »Unsere Antwort« von der Skinhead-Band Weisse Wölfe . . . 56

M 16 Aus einem Interview . . . 56

M 17 Das Menschen- und Gesellschafts bild des Rechtsextremismus . . . 57

M 18 Menschenrechte . . . 58

M 19 Saisonbeginn (1947) – Elisabeth Langgässer . . . 58

M 20 Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi . . . 60

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4 Inhalt

M 21 Grüß Gott, Frau Nachbarin . . . 61

M 22 Das Menschenrecht der Religionsfreiheit . . . 61

M 23 Jüdische Friedhöfe in Deutschland . . . 62

M 24 Jüdische Erzählung . . . 63

M 25 Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten . . . 63

M 26 Die Zwerge (1958) – Wolfdietrich Schnurre . . . 64

M 27 Joy Denalane: Wem gehört die Welt . . . 65

M 28 Abraham . . . 66

M 29 Christen sind das neue leichte Ziel des »Islamischen Staats« . . . 67

M 30 Die 30 Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in gekürzter Fassung . . . 68

5. Der Erziehungsauftrag Menschenrechte: die Macht wertschätzender Beziehungen . . . 69

6. Spielräume für eine menschenrechtsorientierte Schulkultur: ohne Angst verschieden sein . . . 73

7. Was die Politik unterstützend leisten könnte . . . 77

Literatur . . . 79

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5 Vorbemerkung

Vorbemerkung

Bernd Janssen arbeitete nach seiner Erstausbildung als Geschichts- und Politiklehrer 34 Jahre als Hoch- schullehrer an der Pädagogischen Hochschule bzw.

an der Universität Hannover in der Ausbildung von Lehrkräten, und zwar in den Fächern Politische Bil- dung und Schulpädagogik. Als 2015/2016 die Bedro- hung durch den Rechtsextremismus deutschlandweit, europaweit und in den USA immer mehr zunahm, war er der Überzeugung, es sei an der Zeit, aus schulpäd- agogischer Sicht ein Zeichen gegen Hass und Gewalt zu setzen und alle pädagogischen Möglichkeiten im Kampf für die Menschenrechte zu bündeln.

Sabine Janssen hat als Deutsch- und Politiklehrerin umfassende Unterrichtserfahrungen, aufgrund ihres Zweitstudiums in Sozialpsychologie und ihrer Rolle als Schulleiterin ein vertietes Verständnis darüber, wie Beziehungen in der Schule wertschätzend gestal- tet werden können und eine Schulkultur der wech- selseitigen Achtung und Akzeptanz gelingen kann.

Insofern war ihre Mitarbeit an allen pädagogischen Kapiteln unverzichtbar.

Jan Janssen schrieb seine Examensarbeit im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit über das he- ma Rechtsextremismus. Seine sozialwissenschatli-

che Aufarbeitung dieser hematik fand überarbei- tet Eingang in dieses Werk. Seine Kenntnisse über die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit, gefährdete Jugendliche in der Lebenswelt Schule aufzufangen, beeinlussten die Beiträge zur Erziehung und Schul- kultur.

Wir danken der Religionslehrerin Christiana Do- meier-Dittmar für ihre engagierte Mitarbeit an dem entsprechenden Unterrichtskapitel. Ferner danken wir Heinz Goebel, der als Musiklehrer und systemi- scher herapeut die Angebote für das Fach Musik und die Gestaltung der Erziehungsebene sehr bereichern konnte. Nicht zuletzt danken wir den Lektorinnen, Frau Dr. Gießmann-Bindewald und Frau Schreiber- Quanz, für ihre kreative und professionelle Beratung.

Das Selbstverständnis im Autorenteam war geprägt durch den Satz: Wir gestalten Unterricht, Erziehung und Schulkultur aus Sicht der Menschenrechte. Wir hofen darauf, dass die Lehrerinnen und Lehrer diese Botschat als pädagogischen Imperativ für ihre wert- volle Arbeit annehmen können.

Hannover im März 2017

Sabine Janssen, Bernd Janssen, Jan Janssen

© Jooke Janssen

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6 Plädoyer für eine menschenrechtsorientierte Schulpädagogik

1. Plädoyer für eine menschenrechtsorientierte Schulpädagogik

Speziell zu den rechtsextremen Verächtern unserer Demokratie sagen wir in aller Deutlichkeit: Euer Hass ist unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich … Ihr werdet Vergangenheit sein und unsere Demokratie wird leben.

Ex-Bundespräsident Joachim Gauck Der Rechtsextremismus will das Rad der Geschichte

zurückdrehen, er will zurück zu einem nationalisti- schen und demokratiefreien Führerstaat – auf der Basis einer rassistisch deinierten Volksgemeinschat. Daher verharmlost oder rechtfertigt der aktuelle Rechtsex- tremismus die Verbrechen der Rechts extremisten in der Zeit ihrer Herrschat von 1933–1945. Die rechts- extremistische Ideologie lehnt zugleich die Allge- meinen Menschenrechte ab, leugnet insbesondere die Gleichheit der Menschen hinsichtlich ihrer Wür- de und Rechte. Ihre rassistisch motivierte Hass- und Gewaltideologie gegenüber Flüchtlingen, Menschen anderer Hautfarbe, Menschen muslimischer oder jü- discher Religion widerspricht dem Diskriminierungs- verbot aller Menschenrechtserklärungen.

Daher sind rechtsextreme Wertvorstellungen ein inhumaner »Gegenentwurf zu den Grundlagen der Menschenrechtsorientierung« (Borrmann 2016, S. 162). Deshalb sind alle demokratisch gesinnten Kräte gefordert, für die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte Partei zu ergreifen und gefordert, alle Varianten einer rechtsextremistischen Haltung als menschenverachtend und menschenrechtswidrig zu- rückzuweisen. Wer sich für die Menschenrechte enga- giert, verteidigt das Erbe der Auklärung, arbeitet für die Bewahrung des erreichten Fortschritts hinsichtlich der Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlich- keit und leistet Widerstand gegen den Rückfall in die im 20. Jahrhundert erlittene Barbarei.

1945 wurde die UN-Gründungscharta verabschiedet.

Darin verplichteten sich die Mitgliedstaaten zur Ach- tung der Menschenrechte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde am 10.12.1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris ohne Gegenstimmen verabschiedet. Artikel 1: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rech- ten geboren. Sie sind mit Vernunt und Gewissen be- gabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit

begegnen.« Artikel 2: »Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freihei- ten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunt, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.«

Die Menschenrechte sind universell gültig und im internationalen Recht fest verankert. Aber in der Rea- lität werden sie immer wieder massiv verletzt. Mitt- lerweile sind alle Mitgliedstaaten verplichtet, alle fünf Jahre über die Situation der Menschenrechte in ihrem eigenen Land zu berichten. 1994 wurde das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte mit Sitz in Genf eingerichtet. Es soll alle UN-Aktivitäten im Bereich Schutz der Menschenrechte koordinieren.

2002 wurde der Internationale Gerichtshof in Den Haag geschafen, der auch Staatschefs wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen anklagen und verurtei- len kann (vgl. Hirschmann 2015, S. 50–55).

In der Bundesrepublik Deutschland bilden die Menschenrechte in der Form von Grundrechten die Basis der Verfassung, die 1949 in Krat trat. Artikel 1 heißt: »(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Sie zu achten und zu schützen ist Verplichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschat, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. (3) Die nachfolgenden Grundrechte bin- den Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Recht- sprechung als unmittelbar geltendes Recht.« Damit wurden die Menschenrechte verfassungsrechtlich aus- drücklich anerkannt und die Bürger*innen verfügen über einen Rechtsanspruch auf Schutz und Durchset- zung ihrer Menschenrechte.

Menschenrechte sind das rechtliche, politische, ethi- sche und zwischenmenschliche Fundament einer de- mokratischen Gesellschat. Diese Rechte sind nicht

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13 Die Herausforderung Rechtsextremismus 2013, S. 53). Auch auf die neue Partei AfD ( Alternative

für Deutschland) wird nicht eingegangen, denn sie wird in der Öfentlichkeit als rechtspopulistisch und nicht als rechtsextremistisch bezeichnet, taucht folg- lich auch in dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2014 noch nicht auf. Möglicherweise wird es in eini- gen Jahren zu einer Neubewertung der AfD kommen.

Die NPD gründete sich 1964 in Hannover, unter an- derem mit dem Ziel, das rechtsextreme Spektrum wieder zu vereinen, da die rechtsextreme SRP (So- zialistische Reichspartei) durch das Bundesverfas- sungsgericht 1952 verboten wurde und damit die Anhänger*innen der rechtsextremen Szene bis zur Gründung der NPD die politische Willensbildung in der Öfentlichkeit nicht mehr nennenswert be- einlussen konnten.

Die NPD-Gründer waren unter anderem ehemali- ge Anhänger der SRP, der Wafen-SS und der NSDAP.

Ein Jahr nach ihrer Gründung verfügte die Partei über 14.000 Mitglieder, ein Jahr später waren es 25.000 (vgl.

Dornbusch 2008, S. 22).

Die NPD leugnet die Gleichheit der Menschen hin- sichtlich ihrer Würde und Rechte. Ihre Ablehnung und Ausgrenzung von Flüchtlingen, Menschen ande- rer Hautfarbe, Menschen muslimischer oder jüdischer Religion widerspricht den Menschenrechten. Letztlich will diese Partei zurück zu einem nationalistischen und demokratiefreien Führerstaat – auf der Basis einer rassistisch deinierten Volksgemeinschat. »Ein völ- kisches Politikverständnis, Verbalattacken gegen das parlamentarisch-demokratische System und die de- mokratischen Parteien sowie mehr oder minder un- verhüllt positiver Bezug auf den Nationalsozialismus sind Bestandteil von Publizistik und Propaganda der NPD von Beginn an« (Kopke 2008, S. 37). »Die NPD wäre nicht die NPD, würde sie nicht stets versuchen, Hitler zu verteidigen. Die Verharmlosung des Drit- ten Reichs ist das Identitätsthema der NPD« (Kulick/

Staud 2012, S. 61). Insofern ist es nicht überraschend, dass auch der Antisemitismus prägendes Element der NPD-Ideologie ist.

In den Jahren nach ihrer Gründung zog die NPD in insgesamt sieben Landtage ein – mit Wahlergebnissen von 5,8 bis 9,8 %. Nach diesen anfänglichen Erfolgen verlor die NPD nach und nach ihre Landtagsmandate, da die Wirtschatskrise der 60er-Jahre ablaute, viele Wähler*innen aus der rechtsextremen Szene die An- sätze der NPD für zu systemkonform hielten und die Überzeugungskrat der demokratischen Parteien wie- der Boden gut machte.

2014 verfügte die NPD nur noch über 5.200 Mitglie- der. 2014 schied die NPD in Sachsen aus dem Land- tag aus. Im September 2016 erreichte die NPD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern nur noch 3 % und verlor damit ihre letzten Mandate in einem Länderparlament. Allerdings ist sie in einzelnen Regionen Deutschlands weiter stark verankert. Bundes- weit kommt sie auf 360 kommunale Mandate, davon 305 in den neuen Bundesländern. Auch darf die insge- samt geringe Präsenz in den Parlamenten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die NPD in der vielschichtigen rechtsextremen Szene ein Machtzentrum geblieben ist.

1991 wurde Günter Deckert, der ofen den Holo- caust leugnete, Parteivorsitzender. Mit seiner Wahl ing die Ausrichtung der Partei wieder stärker bei ihren Gründungsansätzen an. Udo Voigt (Parteivor- sitzender 1996–2011) öfnete die Partei für das ge- waltbereite Milieu und versprach Ende der 90er-Jahre, dass es mit ihm keine »zweite Entnaziizierung« in- nerhalb der Partei geben würde (vgl. Salzborn 2015, S. 40 f.). Diese Wende führte dazu, dass sich zahl- reiche ehemalige Funktionäre verbotener neonazisti- scher Organisationen der NPD anschlossen (vgl. Kop- ke 2008, S. 37). Ende 2014 wurde Frank Franz zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Er betont die Vier- Säulen-Strategie: »Kampf um die Köpfe«, »Kampf um die Straße«, »Kampf um die Parlamente«, »Kampf um den organisierten Willen« (vgl. Bundesamt für Ver- fassungsschutz 2015, S. 47 f.). Die vierte Säule meint die Anstrengungen, die extreme Rechte in Deutsch- land unter der Führung der NPD zur Zusammenarbeit in einer Volksfront zu bewegen. Die Volksfront will alle rechtsextremen Gruppierungen einbeziehen, die in ihrer Region mit Gewalt gegen Flüchtlinge, Far- bige, Menschen muslimischen oder jüdischen Glau- bens und politisch Andersdenkende vorgehen. Die NPD propagiert im Rahmen der Volksfront die Bil- dung sog. national befreiter Zonen. Rassismus und Antisemitismus markieren den ideologischen Hin- tergrund. »In dieser Ideologie ist das Naturrecht des Stärkeren und Gewalt gegen Schwächere bereits ent- halten« (Buntenbach/Wagner 2002, S. 133).

Neben der Parteienlandschat versucht sich die Neona- zi-Szene seit den 90ern lokal in zahlreichen Kamerad- schaten zu organisieren, die gewalttätig gegen Min- derheiten und politisch Andersdenkende vorgehen.

Deshalb halten wir es für richtig, von militanten Ka- meradschaten zu sprechen, obwohl diese es vorziehen, von »Freien Kameradschaten« oder »Freien Nationa- listen« oder »Autonomen Nationalisten« zu sprechen.

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15 Die Herausforderung Rechtsextremismus Von der Skinhead-Band »Weisse Wölfe« stammt das

Lied »Unsere Antwort«. Darin heißt es:

Und dann haben wir die alleinige Führung Dann weinen viele, doch nicht vor Rührung Für unser Fest ist nichts zu teuer

10.000 Juden für ein Freudenfeuer Ihr tut unserer Ehre weh

Unsere Antwort Zyklon B

Dass viele weinen werden und insbesondere der Ver- weis auf das Gitgas »Zyklon B« müssen als Aufruf zur Gewalt interpretiert werden. Indem der Massenmord an Juden darüber hinaus als »Freudenfeuer« bezeich- net wird, tritt die menschenverachtende Einstellung der Band ganz ofen zutage.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Skinhead- Szene stärker ausgebildet im Sinne eines militanten Kameradschatmilieus, z. B. die Skinhead-Front Dort- mund-Dorsfeld (vgl. Röpke/Speit 2013, S. 226). Die Autoren beschreiben, dass diese Gruppe versucht,

ihr Revier mit Gewalt zu beherrschen: «Immer wie- der schlugen vermummte Aktivisten auf nichtrechte Jugendliche ein, Scheiben von Parteibüros der Grü- nen, Linken und SPD wurden beschädigt – teilwei- se auch mit Stahlkugeln zerschossen» (Röpke/Speit 2013, S. 226 f.).

Die größte und gefährlichste paramilitärische Ka- meradschat war vermutlich die Gruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), die einer ihrer Anführer,

homas Sattelberg, 1996 als paramilitärische Trup- pe aubaute. Auf alten Truppenübungsplätzen und in abgelegenen Waldgebieten wurden Wehrsportübun- gen durchgeführt. Die SSS nutzte Tschechien als Hin- terland für Wafengeschäte, Camps und Ausbildung an schwerem militärischem Gerät. 2001 erklärte der Dresdener Staatsanwalt, dass die Kameradschat Skin- heads Sächsische Schweiz das Stadtbild von Pirna be- stimme und Angst und Leid verbreite. Die Gruppe habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Sächsische Schweiz von Ausländer*innen, Drogenabhängigen und Linken zu »säubern«.

Die SSS wurde 2001 verboten, 2003 vom Landge- richt Dresden als »kriminelle Vereinigung« eingestut, blieb aber trotzdem weiter aktiv. 2007 musste ho- mas Sattelberg als einziger SSS-Anführer eine Hat- strafe wegen Fortführung einer verbotenen Organi- sation absitzen.

2013 wählten ihn die Mitglieder des NPD-Kreis- verbandes Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in Pirna zum neuen Vorsitzenden. Insofern zeigt dieses Bei- spiel auch, dass die Übergänge zwischen den verschie- denen rechtsextremistischen Gruppierungen ließend sind (vgl. Röpke/Speit 2013, S. 170 f.). Umgekehrt »be- nutzt« die NPD die Skinheads. Sie spielen im »Kampf um die Straße« eine wichtige Rolle. »Über die Ein- schüchterung und Vertreibung politischer Gegner und Alternativkulturen schafen sie Räume, in denen die NPD nachfolgend recht ungestört agieren kann«

(Weiss 2008, S. 251).

2.4 Rechtsextremistische Aktivitäten

Der Wille zu zerstören muss entstehen, wenn der Wille etwas zu schafen, nicht befriedigt werden kann.

Erich Fromm Insgesamt agitiert die extreme Rechte sehr vielfältig.

In Jugendorganisationen, wie z. B. Bund Heimat- treuer Jugend (BHJ), Wiking Jugend (WJ), Heimat- treue Deutsche Jugend (HDJ) wurden bzw. werden gezielt Kinder in Ferienlagern so sozialisiert, dass sie sich mit dem NS-Weltbild identiizieren (vgl. Salzborn 2015, S. 49). Über Martin, einen ehemaligen Neona- zi, ergab die Recherche folgendes Bild: »Martin liest immer mehr einschlägige Literatur, der Bruder sei- nes besten Freundes weicht ihm nicht mehr von der Seite, er rutscht immer tiefer in die Szene. Neben der Hausaufgabenbetreuung gibt es Fußballturniere. Die Jungs angeln, bauen Gartenlauben, feiern und jagen.

Mit echten Wafen, in Tschechien. Dort lernt Mar-

tin den Umgang mit Gewehren, Pistolen und Hand- granaten. ›Ich war 14 Jahre alt, als ich das erste Mal eine MG in den Pfoten hielt‹, sagt er. Dem Teenager gefällt das. ›Dieses Wir-Gefühl ist unbeschreiblich.

Das kannte ich von zu Hause nicht‹, sagt er« (Men- zel/Kifmeier 2013).

Mit Bürgerinitiativen und einem bürgerlich-gemä- ßigten Autreten versucht die rechtsextreme Szene neue Anhänger*innen zu erreichen. Diese Bürgerin- itiativen betiteln sich z. B. mit »Bürgerinitiative Schö- ner Wohnen« und meinen damit die Schließung bzw.

Verhinderung des Baus von Flüchtlingsunterkünten.

Mit Internetseiten und Musikveranstaltungen ver- suchen rechtsradikale Gruppierungen Anhänger*in-

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19 Unterricht in der Sekundarstufe I

3. Unterricht in der Sekundarstufe I:

Parteinahme für die Menschenrechte – Aufklärung über den Rechtsextremismus

3.1 Zur allgemeindidaktischen Orientierung

Die Sache klären und die Menschen stärken.

Hartmut von Hentig

Die Kultusministerkonferenz hat Empfehlungen zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule (2000) sowie zur Stärkung der Demokratie- kompetenz (2009) und zur Menschenrechtsbildung (2008), Unterrichten über Nationalsozialismus und Holocaust (2005) sowie zum hema »Erinnern für die Zukunt. Empfehlungen zur Erinnerungskultur als Gegenstand historisch-politischer Bildung in der Schule« (2014) herausgegeben. Bildung in den Berei-

chen » Demokratie lernen«, »Menschenrechte ach- ten« und »Vielfalt gestalten« ist verplichtend für alle Schulen.

Die folgenden Verlaufsplanungen und Materialien sind für den Fachunterricht und für fächerübergrei- fenden und fächerverbindenden Unterricht, für Pro- jekte, Projekttage (z. B. Demokratietag), Aktionen, hemenwochen geeignet.

Bezüge zu Bildungsplänen, Lehrplänen und Curricula der Bundesländer*

Politik/Sozialkunde Musik Deutsch Religion

– Demokratie – Frieden und

Menschenrechte – Konliktbewältigung

und Friedenssiche- rung

– Recht und Rechtsprechung – Gleichheit der

Geschlechter – Individuum und

Gesellschat

– Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – Die Rolle der

Medien in Politik und Gesellschat

– Musik hören, erleben und beschreiben – Musik gestalten – Musik machen – Musik erschließen

und untersuchen – Musik deuten,

verstehen und relektieren

– Musik erläutern und beurteilen

– Funktionale Musik:

Politische Musik – Rechtsrock interpre-

tieren und Stellung nehmen

– Sprechen und Zuhören – Schreiben

– Lesen – mit Texten und Medien umge- hen

– Sprache und Sprachgebrauch untersuchen und relektieren – Schritliche

Kommunikation – Mündliche

Kommunikation – Argumentations-

fähigkeit

– Nachkriegsliteratur

– Ich und die anderen – Kirchliche Verant-

wortung in Staat und Gesellschat – Religionen

entdecken und begegnen

– Verantwortung der Religionen für die Welt

– Einsatz für Gerechtigkeit und Menschenwürde – Kirche und andere

Formen religiöser Gemeinschat – kulturelle Vielfalt

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22 Unterricht in der Sekundarstufe I VERLAUFSPLANUNG 1

Klasse: 7–8

hema: Militante Kameradschaten Zeit: 4–5 Unterrichtstunden

Materialien

M 1 Rassismus im Alltag (Zeitungsausschnitt) M 2 Militante Kameradschaten

M 3 Der Fall »Garage Hakenkreuz«

M 17 Das Menschen- und Gesellschatsbild des Rechtsextremismus

M 18 Menschenrechte

Methoden/Aufgaben Lesen, Vorlesen Diskutieren

Fiktive Briefe schreiben und vorlesen

Erster Schritt:

◆ Einstieg: Rassismus im Alltag (M 1), Diskussion der Fragestellungen in PA.

◆ Erneute Diskussion der Fragestellungen im Ple- num. L. formuliert eine Überleitung zu den mili- tanten Kameradschaten.

◆ Orientierung über militante Kameradschaten auf der Basis von M 2. L. ergänzt mithilfe von Informa- tionen aus den Kapiteln 2.3 und 2.4.

Zweiter Schritt:

◆ Der Fall »Garage Hakenkreuz« (M 3).

◆ Zeit für Fragen und spontane Äußerungen.

◆ Die S. werden aufgefordert, in Kleingruppen einen iktiven Brief zu schreiben. Einige Gruppen ent- werfen einen Brief an die Frau, die nach der Ermor- dung ihres Mannes mit ihren drei Kindern aus Sim- babwe lüchtete und aufgrund des Brandanschlags auf ihre Unterkunt unter Ängsten und Panikat- tacken leidet und jegliches Vertrauen in die Men- schen verloren hat. Als Impuls könnte die Lehrkrat vorgeben, dass die S. sich vorstellen, ebenfalls in dem kleinen Ort Salzhemmendorf zu leben. Die an- deren Gruppen entwerfen in der Rolle der gelüch- teten Frau einen Brief, den sie am Tag nach dem Anschlag an ihre Freundin in Simbabwe verfasst.

◆ Die iktiven Briefe werden – am besten stehend vor der Klasse – vorgelesen. Eine Diskussion ist nicht zwingend erforderlich.

◆ UG: Beschreibt die politische Gesinnung der männ- lichen Täter mit Textbelegen. L. verteilt M 17/M 18 und fragt: Inwieweit entspricht die Gesinnung der Täter dem Menschen- und Gesellschatsbild des Rechtsextremismus? Inwieweit bestehen Gegensät- ze zwischen der rechtsextremistischen Überzeugung und dem Selbstverständnis der Menschenrechte?

Dritter Schritt:

◆ L. informiert über Verbote rechtsextremer Kame- radschaten (vgl. Kap. 2.5, S. 17). Fragen: Inwieweit kann es gelingen, den Rechtsextremismus mit Straf- verfahren und Verboten erfolgreich zu bekämpfen?

Was wird durch Gerichtsverfahren und Verbote in der Regel nicht erreicht? Welche weiteren Möglich- keiten gibt es, Rechtsextremismus zu bekämpfen?

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26 Unterricht in der Sekundarstufe I VERLAUFSPLANUNG 4

Klasse: 9–10

hema: Individuelle und gesellschatliche Lösungs- ansätze

Zeit: 5–6 Unterrichtsstunden

Materialien

M 4 Bildungsstätte Waldmünchen Zitat Erich Fromm

M 10 Aussteigerprogramme M 3 Der Fall »Garage Hakenkreuz«

M 11 Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Methoden/Aufgaben Partnerarbeit

Diskussion im Plenum Gruppenarbeit Gespräche Rollenspiele Relexion

Erster Schritt:

◆ PA zu M 4 Bildungsstätte Waldmünchen.

◆ Diskussion im Plenum über die Ergebnisse der PA.

◆ Diskussion über ein Zitat von Erich Fromm: Der Wille zu zerstören muss entstehen, wenn der Wil- le etwas zu schafen, nicht befriedigt werden kann.

Zweiter Schritt:

◆ Über M 10 Aussteigerprogramme wird in vier arbeitsgleichen Gruppen unter vier Fragestellun- gen diskutiert.

◆ Diskussion im Plenum über die Ergebnisse der Gruppenarbeit.

◆ Rückkehr in die vier Gruppen: Vorbereitung von vier Rollenspielen zu M 10. Jede Gruppe teilt sich in zwei Untergruppen. Jeweils eine Untergruppe über- nimmt die Vorbereitung einer für EXIT-Deutsch- land arbeitenden Beraterin für ein Gespräch mit Jens (vgl. M 3). Die jeweils andere Untergruppe be- reitet Jens, der zurzeit seine Hat absitzt (vgl. M 3) und gerne aus der rechten Szene aussteigen möch- te, auf ein Gespräch mit der EXIT-Beraterin vor.

In allen Untergruppen sollen die jeweils zentralen Informationen zum Fall »Garage Hakenkreuz« be- achtet werden. Falls eine Überforderung der S. be- fürchtet wird, könnte die L. in jede Gruppe zwei Rollenkarten geben, auf denen für die Gestaltung

der jeweiligen Rolle einige wesentliche Vorgaben formuliert sind. Jedes Rollenspiel soll thematisch einen bestimmten Schwerpunkt haben:

• Erstes Gespräch: über Jens’ Möglichkeiten, sei- ne persönliche Lebenssituation zu stabilisieren

• Zweites Gespräch: über den Weg und die Proble- me der Ablösung aus der rechten Szene

• Drittes Gespräch: über Strataten, die Jens be- gangen hat

• Viertes Gespräch: in der Absicht, seine rechtsex- treme Überzeugung in Frage zu stellen.

◆ Die Rollenspiele werden nacheinander aufgeführt.

Die anderen S. erhalten vorab den Autrag, die Spielszene unter der Fragestellung zu beobachten, inwieweit das Rollenspiel vor dem Hintergrund der vorliegenden Informationen über den Fall »Gara- ge Hakenkreuz« und die Arbeit in Aussteigerpro- grammen als realistisch eingeschätzt werden kann.

◆ In der Relexionsphase haben zunächst die Dar- steller*innen das Wort und können sich über ihre Spielerfahrung frei äußern. Anschließend rückt der Vergleich zwischen Spiel und Realität in den Mit- telpunkt der Gespräche.

Dritter Schritt:

◆ Ofener Einstieg: Was könnte in der Schule gesche- hen, um ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen? Eine Ideensammlung.

◆ Diskussion im Plenum über M 11 Schule ohne Ras- sismus – Schule mit Courage.

◆ Eventuell: Entscheidung für eine Initiative gegen den Rechtsextremismus.

Querverweise/Ergänzende Hinweise

ӹ Wenn nach den Verlaufsplanungen 1 und 2 oder 3 und 4 unterrichtet wird, kann am Ende mit der Methode Votum-Ei ein Feedback eingeholt werden:

L. zeichnet ein Spiegelei an die Tafel. L. zieht durch die Mitte des Bildes eine waagerechte Linie, sodass eine obere und eine untere Hälte entstehen.

L. sitzt mit dem Rücken zur Tafel.

S. zeichnen nacheinander ein Kreuz ein, um zu zei- gen, wie zufrieden oder unzufrieden sie mit dieser Unterrichtseinheit sind. Die Schüler werden aufge- fordert, ihr Kreuz in die obere Hälte zu setzen; die Schülerinnen sollen ihre Markierung in der unteren Hälte anbringen. Kreuz in das Gelbe vom Ei bedeu- tet: sehr zufrieden. Kreuz auf der Grenze zwischen Gelb und Weiß heißt: zufrieden. Kreuz im weißen

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27 Unterricht in der Sekundarstufe I Bereich heißt: unzufrieden. Kreuz außerhalb der

Eiläche bedeutet: sehr unzufrieden.

Angebot einer Aussprache. Wer mag, kann sein Kreuz in Worte übersetzen. Falls geschlechterbe- zogene Diferenzen aufällig sind, sollten sie ange- sprochen werden.

ӹ Der Fall Miller – die Diskriminierung und Bedro- hung eines in Berlin lebenden Ehepaars, das sich zum muslimischen Glauben bekennt (vgl. M 1) – wird im Abschnitt zum Religionsunterricht aus- führlich für den Unterricht aubereitet. Der Unter- richtsentwurf (vgl. S. 39–40) kann für den Politik- unterricht unverändert übernommen werden.

ӹ Der Fall des homosexuellen Textdichters Bruno Balz wird im Musikunterricht thematisiert. Die Verlaufsplanung (vgl. S. 29–30) kann auch im Poli- tikunterricht zur Anwendung kommen. Allerdings liegt es im Fach Politik nahe, das hema Homose- xualität auch noch in der Zeit nach 1945 weiter zu verfolgen, z. B. in dieser Form: Internet-Recherche zum § 175: Wie lange wurden Homosexuelle in der Bundesrepublik Deutschland noch strafrechtlich verfolgt? Austausch von Alltagserfahrungen: In- wieweit sind Homosexuelle heutzutage noch eine Minderheit, die immer wieder Vorurteile oder so- gar Ablehnung erlebt?

ӹ Es wäre wünschenswert, wenn parallel zum Poli- tikunterricht im Fach Deutsch die Kurzgeschichte Saisonbeginn behandelt würde, möglichst nach der vorliegenden Verlaufsplanung (vgl. S. 34).

ӹ Zahlreiche weitere Fälle von alltäglichem Rassismus indet man unter: amnesty.de/gegen-rassismus.

ӹ Eine sinnvolle Erweiterung wäre auch, mit M 30 al- le Artikel der Menschenrechtserklärung von 1948 in den Blick zu nehmen.

ӹ Grundsätzlich ist es möglich, die Ausgrenzung einer Minderheit als Projekt im Sinne einer lokalen

Spurensuche anzugehen. Einer 10. Klasse in Stol- berg (Rheinland) gelang es, das Leben und Leiden der Sinti und Roma historisch und aktuell zu er- forschen. Dieses Vorhaben kann sicher mit einigen Modiikationen in zahlreichen 9. oder 10. Klassen durchgeführt werden.

Roma aus Stolberg – deportiert und ermordet.

Warum?

An den Anfang ihrer Spurensuche stellten 27 Schüler der Ganztagshauptschule Kogelshäuserstraße in Stol- berg eine einfache Frage: Warum wurden die in der rheinländischen Kleinstadt lebenden Roma 1943 de- portiert und ermordet?

Ihre Recherche führte die Schüler an die früheren Wohnorte von fünf Stolberger Roma-Familien und in Archive, deren Quellen die systematische Ausgrenzung und Deportation während des Nationalsozialismus do- kumentieren.

In Projektgruppen führten sie Interviews mit heu- tigen Mitgliedern der Roma-Gemeinde und weiteren Stolbergern, die sie über die Zeit des Dritten Reichs be- fragten. Die Schüler recherchierten in Bibliotheken und im Internet […] und suchten das Denkmal der ermor- deten Sinti und Roma in Berlin auf […].

Die Zehntklässler führten ihre Ergebnisse in einer Sonderausgabe der Schülerzeitung zusammen. Darin erläutern sie den historischen Kontext der Ausgrenzung und Deportation von Sinti und Roma im Nationalso- zialismus, zeigen aber auch durch Bezüge zur Gegen- wart, dass antiziganistische Ressentiments und Vor- urteile bis heute fortdauern. Für die Schüler war das Anlass, am Jahrestag der Deportation in Stolberg zu einem Gedenktag aufzurufen und unter dem Motto

»Ma bistar!« – »Vergiss nicht!« – ein öfentliches Zei- chen für Toleranz und gegen Ausgrenzung zu setzen (Spurensuchen, 29/2015, S. 6).

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30 Unterricht in der Sekundarstufe I

◆ Bruno Balz schrieb um sein Leben. Im UG prü- fen, ob bzw. wie sich die dramatische Vorgeschich- te dieser Lieder im Text und in der musikalischen Gestaltung wahrnehmen lässt. Diskutieren, ob in diesen Liedern eindeutig für die Nazis Partei er- grifen wird oder ob es Ansätze für die hese gibt, dass diese Lieder auch als indirekter Protest gegen die Nazi-Herrschat verstanden werden können.

◆ Schreibt in Einzelarbeit in der Rolle von Bruno Balz innere Monologe, die seine Gedanken und Gefüh- le sichtbar machen.

Das erste Drittel der S. weiß, dass die Nazis gera- de verfügt haben, dass der Name des Textdichters Bruno Balz nicht mehr öfentlich genannt werden darf und dass er mit einer linientreuen Bäuerin aus Pommern kurz zuvor zwangsverheiratet wurde. Er sitzt als Ehemann in seiner Wohnung und schreibt Tagebuch.

Das zweite Drittel der Klasse geht von der Situation aus, dass Bruno Balz in seiner Zelle sitzt, nachdem er im Berliner Hauptquartier der Gestapo gefol- tert wurde.

Die anderen gehen von folgender Situation aus:

Er ist für 24 Stunden eingesperrt in eine bewach- te Baracke auf dem Berliner Filmgelände und schreibt um sein Leben. Der Text des ersten Lie- des Davon geht die Welt nicht unter ist gerade fer- tig geworden.

◆ Zahlreiche innere Monologe werden vorgelesen – immer in der Abfolge erste Situation, zweite Situ- ation, dritte Situation. Manchmal ist es passend, die Monologe nur zu hören, manchmal kann eine kurze Gesprächsphase sinnvoll sein.

Zweiter Schritt:

◆ Diskussion in Gruppen: Was bedeutet die Aussage:

Unterhaltungsmusik »wird kriegswichtig« (M 13)?

Welche Rolle spielt die Musik heute in der Poli- tik? Wie behandelten die Nazis die Gruppe der Homosexuellen insgesamt? (M 14) Inwieweit wer- den Homosexuelle auch heutzutage noch diskrimi- niert oder verfolgt?

◆ Aussprache im Plenum.

VERLAUFSPLANUNG 3

Klasse: 9–10

hema: Rechtsextreme Musik Zeit: 5–6 Unterrichtsstunden

Materialien

Zitate von Ian Stewart Donaldson (Sänger einer rechtsextremen Rockband) und Georg Brunner (Musikpädagoge)

M 15 Eine Strophe aus dem Lied »Unsere Ant- wort«

Methoden/Aufgaben

Unterrichtsgespräch, Internetrecherche Rechtsextreme Musik: Texte untersuchen Relektieren über Wirkung

Diskussion im Plenum Fiktiver Brief

Partnerstreitgespräch Motorinspektion

Perspektivenwechsel (Lied umschreiben, hören, besprechen, ggf. überarbeiten, vertonen, auführen)

Rollenspiel

Erster Schritt:

◆ Einstieg: UG über zwei Zitate. Ian Stewart Donald- son, Sänger der mittlerweile aufgelösten neonazis- tischen Rockband »Skrewdriver«: »Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen. Besser als dies in politischen Ver- anstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden.« Der Musikpäda- goge Georg Brunner erklärt: »Nicht nur im Osten der BRD, sondern auch im Westen hat sich die rechte Musikszene breit gemacht. In Nordrhein-Westfalen zählt man mehr rechte Bands als etwa in Sachsen«

(Brunner 2015, S. 48).

◆ Einige S. recherchieren im Internet, inwieweit sich die Einschätzung von Brunner belegen lässt.

◆ Relexion von rechtsextremen Liedtexten, die Ele- mente der nationalsozialistischen Ideologie bewer- ben – z. B. das Lied Unsere Antwort von der Skin- head-Band Weisse Wölfe. Analyse einer Strophe aus diesem Lied (M 15), die nicht verteilt, sondern proji- ziert wird. Mögliche Fragestellungen einer Plenums- diskussion: Inwieweit gibt es Übereinstimmungen zwischen dem Liedtext und der nationalsozialis- tischen Ideologie? Welche Bedeutung haben be- stimmte musikalische Elemente als Träger der ver-

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M 2 Militante Kameradschaften

Neben der Parteienlandschat versucht sich die Neo- nazi-Szene lokal in zahlreichen Kameradschaten zu organisieren, die gewalttätig gegen Minderheiten und politisch Andersdenkende vorgehen. Deshalb ist die Bezeichnung »Militante Kameradschaten« richtig, obwohl diese es vorziehen, von »Freien Kamerad- schaten« oder »Freien Nationalisten« oder »Auto- nomen Nationalisten« zu sprechen.

In Wahlkämpfen arbeiten militante Kameradschaf- ten vielerorts als Plakatiertrupps für die NPD – manch- mal ohne, manchmal mit Bezahlung. Zum Teil sind rechtsextreme Kameradschaten äußerst gewaltorien- tiert. 2002 übernahm der Neonazi Wiese die etwa fünf- zig Kopf starke Kameradschat Süd in München: Wehr- sportübungen mit militärischem Drill, Schießübungen

und das Horten von Sprengstof und Wafen gehörten zu ihren Aufgaben. Am 1. Mai 2009 grifen beispielsweise mehr als 200 Autonome Nationalisten in Dort- mund Teilnehmer einer Gewerkschats- demonstration und Polizisten mit Holz- latten, Steinen und Flaschen an.

Drei Formen von Kameradschaten sind zu unterscheiden: Einerseits gibt es einige gut vernetzte, aktionistische und straf organisierte Gruppen, die bundes- weite Kontakte plegen. Zweitens exis- tieren zahlreiche Kameradschaten, die nur auf lokaler Ebene von Bedeutung sind. Drittens nennen sich auch manche Gruppen Kameradschat, in denen ledig- lich einige (meist männliche) Jugendli- che zusammenkommen, um Rechtsrock zu hören und Alkohol zu trinken. Dazu zählt z. B. die Gruppe »Garage Hakenkreuz«.

2008 wurde die Zahl der militanten Kameradschaf- ten auf rund 200 geschätzt. Die Szene besteht seit Jah- ren überwiegend aus sehr lose strukturierten Gruppie- rungen, um so einem möglichen staatlichen Verbot zu entgehen. Die Kameradschaten sind für Jugendliche und junge Erwachsene attraktiver als die Strukturen einer Partei, denn in ihnen sind militante Neonazis, aggressive Rechtsrocker und rechts orientierte Jugend- liche vereint, die Aufmärsche, Konzerte, Fußballtur- niere, Auslüge und Partys ausrichten.

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M 3 »Garage Hakenkreuz« – eine lokale militante Kameradschaft schlägt zu

Die Darstellung beruht auf Presseberichten und dem Urteil des Landgerichts Hannover vom 17.03.2016–39 Ks 6524 Js 76932/15 (20/15).

In dem kleinen Ort Salzhemmendorf wohnen im Au- gust 2015 in einem Haus 31 Flüchtlinge und neun Deutsche. In einer Wohnung lebt eine Frau aus Sim- babwe mit ihren drei Kindern im Alter von 11, 8 und 4 Jahren. Als ihr Mann als Regimegegner in Simbab- we auf ofener Straße ermordet wird, lüchtet sie mit ihren Kindern nach Deutschland.

Am 28. August 2015 liegt in der Nacht ein Molo- towcocktail in das Zimmer, in dem normalerweise ihr 11-jähriger Sohn Alwin schlät. Es entsteht ein Brand.

Verletzt wird niemand, da Alwin in dieser Nacht aus- nahmsweise im Zimmer seiner Mutter schlät. Die Mutter leidet seit dem Anschlag unter Angststörun- gen und Panikattacken.

Zwei Männer und eine Frau werden wegen Brand- stitung und versuchten Mordes vor dem Landgericht in Hannover angeklagt:

Dieter L., 31 Jahre alt, Hauptschulabschluss, mehr- fach vorbestrat wegen gefährlicher Körperverletzung, arbeitete zum Zeitpunkt der Tat als Produktionsmit- arbeiter.

Jens G., sein Freund, 25 Jahre alt, musste die vier- te und sechste Klasse wiederholen, verließ nach der siebten Klasse die Hauptschule ohne Abschluss. Er erwarb zwei Jahre später den Hauptschulabschluss.

Jens lebte mehrere Jahre mit seiner Freundin zusam- men. In dieser Beziehung ist er auch Vater eines Soh- nes geworden, der zum Zeitpunkt des Prozesses zwei Jahre alt war. Seine Freundin verließ ihn wegen seines Alkoholproblems im Mai 2014. In dieser Zeit trank Jens täglich eine Dreiviertelliterlasche Wodka und fünf Biere. Er ist vorbestrat, achtmal wegen Sachbe- schädigung und einmal wegen gefährlicher Körper- verletzung. Jens war seit Mai 2015 bis zum Zeitpunkt der Tat arbeitslos, lebte von staatlichen Zuwendungen.

Sandra B., 24 Jahre alt, Realschulabschluss, hat kei- nen Beruf erlernt, ist Mutter von zwei kleinen Kindern im Alter von fünf und zwei Jahren. Die Beziehung zum Vater des ersten Kindes scheiterte nach einigen Jah- ren an seinem Alkoholkonsum und seinem aggressi-

ven Verhalten. Der Vater des zweiten Kindes trennte sich noch vor der Geburt von ihr. Beide Väter zahlen keinen Unterhalt. Sandra lebte mit ihren Kindern in einer Wohnung, deren Zwangsräumung bereits vor der Tat angekündigt war. Sie nahm für sich und ihre Kinder staatliche Leistungen in Anspruch. Sandra ist nicht vorbestrat. Sie durte häuig den Wagen von Jens nutzen.

Die Angeklagten gehörten zu einer lokalen Gruppe von Gleichgesinnten, die als WhatsApp-Gruppe unter dem Namen »Garage Hakenkreuz« autrat. Die Na- mensgebung geht auf eine Garage zurück, in der sich diese Gruppe in wechselnden Zusammensetzungen regelmäßig traf.

Der Prozess zeichnet von dem Geschehen in der Tatnacht folgendes Bild:

Die drei Angeklagten saßen, wie so ot, in der Ga- rage von Dieter zusammen, hörten Rechtsrock – z. B.

Lieder der Gruppen »Sturmwehr«, »Brigade 66«,

»Nordfront« –, die Männer tranken Alkohol, in erster Linie Weinbrand mit Cola, es ielen Sprüche über Aus- länder und Flüchtlinge. Einige Zeit später entschieden die Männer, mithilfe einer leeren Weinbrandlasche einen Brandsatz zu bauen. Sandra, die nichts getrun- ken hatte, fuhr die Männer mit dem Jens gehörenden Auto zu der 5 km entfernten Flüchtlingsunterkunt.

Auf der Fahrt zum Tatort gegen zwei Uhr in der Nacht sagte Dieter: »Wenn ein Neger stirbt, dann feiere ich richtig.« Jens wies Dieter noch darauf hin, dass das linke Fenster zu einem Bad gehöre, aber hinter dem rechten Fenster sei ein Schlafraum. Dieter warf den Molotowcocktail in das rechte Zimmer. Es entzün- dete sich ein Feuer und es bildete sich Rauchgas. Die drei lüchteten mit ihrem Wagen, den wieder Sandra fuhr. Das Feuer erlosch kurze Zeit später von selbst.

Ein Nachbar, Herr Paul, hatte das Tatgeschehen be- obachtet und Dieter erkannt. Er alarmierte Feuer- wehr und Polizei.

Die Täter versuchen den Brandanschlag, den sie zugeben, vor Gericht mit ihrem Alkoholkonsum zu erklären. Eine ausländerfeindliche Gesinnung bestrei- ten sie. Aber das Landgericht in Hannover hat keinen Zweifel an der rechtsextremistischen Gesinnung der Angeklagten. Im Prozess wird belegt:

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◆ Dieter ist tätowiert mit Symbolen der SS aus der Nazi-Zeit. Er iel schon vor vielen Jahren in der Nachbarschat mit dem Ausruf »Heil Hitler« auf.

Er versandte die WhatsApp-Nachricht: »Ich bin der neue Adolf! Nix Zyklon B. Erhängt wird das Pack.« Es folgen sechs Hakenkreuzsymbole. Ein Zeuge erklärt, Dieter fände »Hitler ganz gut«, bei gemeinsamen Autofahrten habe Dieter rechtsradi- kale Musik abgespielt.

◆ Ein Zeuge sagt aus, er habe schon früher mit Jens Hakenkreuze geschmiert und »Sieg Heil« gerufen.

Auf Jens’ Handy werden zahlreiche Rechtsrock- Lieder gefunden.

◆ Sandra wird vorgeworfen, dass sie ihrem 2-jähri- gen Sohn die Worte »Sieg Heil!« beigebracht habe.

Auch habe sie gegenüber ihrer Mutter den in die Flüchtlingsunterkunt geworfenen Brandsatz mit den Worten »Schad ja nix« kommentiert.

Der Richter Rosenbusch verkündet am 17.3.2016 das Urteil: Dieter wird zu acht, Jens zu sieben Jahren Hat

wegen Mordversuchs und Brandstitung verurteilt.

Nach einer Hatdauer von einem Jahr und sechs Mo- naten soll Jens ca. zwei Jahre in einer Entziehungsan- stalt untergebracht werden, da bei Weiterbestehen sei- ner Alkoholsucht seine Neigung zu Gewalttaten weiter bestehen würde. Die weibliche Mittäterin wird zu vier Jahren und sechs Monaten Hat verurteilt.

In der mündlichen Urteilsverkündung heißt es:

»Sie handelten aus niederen Beweggründen, heim- tückisch und mit einer gemeingefährlichen Wafe.«

Der gemeinsame Fremdenhass und die nationalsozia- listische Gesinnung hätten zu dieser Tat geführt. Der Anschlag sei mit den Taten der SA-Trupps vergleich- bar, die 1938 zahlreiche jüdische Geschäte in Brand gesetzt und dabei Tote und Verletzte billigend in Kauf genommen hätten.

Bernd Janssen

M 4 Bildungsstätte Waldmünchen

Der Jugendreferent Ulli Ballhausen schrieb am 3.3.1984 in der Frankfurter Rundschau:

»In der Bildungsstätte Waldmünchen trefen sich Ju- gendliche mit politischen Positionen von ganz rechts bis ganz links, um gemeinsam über ihre Lebensziele, ihre politischen Einstellungen oder etwa über per- sönliche Alltagsprobleme ins Gespräch zu kommen.

Besonders intensiv haben wir uns seitdem mit per- sönlichen Lebensgeschichten und Erfahrungen be- schätigt, die rechtsextremes Gedankengut wachsen lassen. Dabei wurde deutlich, dass Angst ein ganz zen- trales Motiv für die Hinwendung zum Rechtsextremis-

mus darstellt: Angst vor der Ohnmacht, dem Versa- gen, der Bedeutungslosigkeit, dem sozialen Abstieg, der Isolation oder etwa der gähnenden Langeweile. Im gemeinsamen Gespräch und in gemeinsamen Aktio- nen konnte den Jugendlichen aber vermittelt werden, dass es noch ganz andere Möglichkeiten gibt, auf die- se Alltagserfahrungen zu reagieren, als sich rechten Ideologien zu verschreiben […]. Die Lernziele dieses Dialogs klingen einfach und lassen sich doch nicht so leicht vermitteln: Vertrauen gewinnen, Verantwor- tung übernehmen, mitbestimmen können, ernst ge- nommen werden, zuhören lernen, das Gefühl haben, viel wert zu sein.«

Aufgabe:

Stellt euch vor, Jens und Sandra wären im Alter von 15 Jahren für ca. zwei Wochen in der Bildungsstätte Wald- münchen gewesen. Was hätten sie dort erleben und welche Chancen hätten sich für ihr weiteres Leben er- geben können?

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M 8 Konstantin Wecker: Sage Nein!

Der Text der ersten Strophe des Liedes in der Fassung von 2001 lautet:

Wenn sie jetzt ganz unverhohlen Wieder Nazi-Lieder johlen, Über Juden Witze machen, Über Menschenrechte lachen, Wenn sie dann in lauten Tönen Saufend ihrer Dummheit frönen, Denn am Deutschen hinterm Tresen Muss nun mal die Welt genesen, Dann steh auf und misch dich ein:

Sage Nein!

© 1992 by Edition Wecker. Chrysalis Music Holdings GmbH, Berlin

M 9 Gesichtspunkte für ein gutes Lernklima

1. Jede/r soll sich in dieser Klasse wohlfühlen.

2. Wir akzeptieren Außenseiter*innen.

3. Alle nehmen beim Lernen Rücksicht aufeinander und helfen sich gegenseitig. Jeder hilt seinem Nachbarn, so gut er kann.

4. Wir erinnern uns gegenseitig daran, gemeinsam vereinbarte Regeln einzuhalten.

5. Jede/r hat das Recht, ihre/seine eigene Meinung frei zu äußern.

6. Streitfälle werden ausdiskutiert.

7. Wir sind gegen Mobbing und für Toleranz.

8. Wir lachen gern im Unterricht.

9. Die Lehrer*innen sind freundlich und gerecht im Umgang mit uns.

10. … Bernd Janssen Aufgabe:

Diskutiert in vier Gruppen darüber, ob ihr die Liste um weitere Punkte ergänzen möchtet und diskutiert dann, welche Punkte für euch die drei wichtigsten sind.

Wenn ihr euch nicht einigen könnt, muss eine Abstimmung entscheiden, was ihr als Gruppenmeinung der Klasse vortragen wollt.

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M 11 Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage: Der Weg zum Titel

Interessierte Schüler*innen gründen eine Initiativ- gruppe, z. B. im Rahmen der SV.

Die Initiativgruppe wirbt für das Projekt: mit einen Infostand in der Pause, Artikeln in der Schulzeitung, über eine Präsentation in der Gesamtkonferenz … Die Gruppe sucht Verbündete im Kreis der Lehrer*in- nen, der Schulleitung, des Schulelternrats, der Sozial- arbeiter*innen.

Unterschriten sammeln: Mindestens 70 % von al- len, die an einer Schule lernen, lehren und in anderer Form arbeiten, müssen die folgende Selbstverplich- tungserklärung unterschreiben.

Wenn genügend Personen diese Erklärung unter- schrieben haben, werden die Listen mit den Unter- schriten an die Bundeskoordination geschickt, die nach der Prüfung der Unterlagen die Anerkennung der Schule bestätigt.

Parallel wird vor Ort nach einer öfentlich bekann- ten Person gesucht, die als Pate bzw. Patin über den Termin der Titelverleihung hinaus ansprechbar bleibt.

Das Schild Schule ohne Rassismus – Schule mit Cou- rage wird im Rahmen eines Festakts der Schule über- geben.

Jede dieser Schulen ist gefordert, mindestens ein- mal pro Jahr mit einer Veranstaltung oder einem Pro- jekt die Zielsetzung dieser Initiative weiter zu ver- folgen.

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1. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe meiner Schule wird, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivi- täten und Initiativen zu entwickeln, um Dis- kriminierungen, insbesondere Rassismus, zu überwinden.

2. Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminie- rende Äußerungen oder Handlungen ausge- übt werden, wende ich mich dagegen und set- ze mich dafür ein, dass wir in einer ofenen Auseinandersetzung mit diesem Problem ge- meinsam Wege inden, uns zuküntig einan- der zu achten.

3. Ich setze mich dafür ein, dass an meiner Schu- le einmal pro Jahr ein Projekt zum hema Dis- kriminierungen durchgeführt wird, um lang- fristig gegen jegliche Form von Diskriminie- rung, insbesondere Rassismus, vorzugehen.

http://www.schule-ohne-rassismus.org/courage- schulen/selbstverplichtung

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M 12 Bruno Balz (1902–1988)

Bruno Balz war bereits in der Weimarer Zeit ein er- folgreicher Textdichter, insbesondere zu Filmmusiken und Schlagern, die Michael Jary komponierte. Viele dieser Lieder erreichten bereits in den 1930er-Jahren ein großes Publikum:

Kann denn Liebe Sünde sein? (1937)

Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frauen (1938) Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern (1939) Zarah Leander und Heinz Rühmann wurden durch seine Songs zu Superstars.

Wegen seiner Homosexualität wurde er 1936 das erste Mal von den Nazis verhatet und verbrachte mehrere

Monate im Gefängnis. Da die Nazis seine Begabung als Textdichter für ihre propagandistisch angelegten Unterhaltungsilme brauchten, wurde er unter Auf- lagen freigelassen: Sein Name durte nicht mehr öf- fentlich genannt werden und er wurde zwangsverhei- ratet mit einer linientreuen Bäuerin aus Pommern.

Als seine Ehefrau ihn wegen sexueller Kontakte zu einem Mann denunzierte, verhatete die Berliner Ge- stapo Bruno Balz 1941 erneut und folterte ihn in ihrem Hauptquartier. Anschließend wurde er in ein Konzen- trationslager verlegt. Dort überlebte er nur, weil er auf Befehl innerhalb von 24 Stunden Liedtexte für den Propagandailm Die große Liebe schrieb. Er schrieb um sein Leben. Es entstanden zwei Lieder, die später weltberühmt wurden: Davon geht die Welt nicht unter sowie Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n.

Kurze Zeit später wurde er wieder freigelassen, weil sich Michael Jary erfolgreich für ihn eingesetzt hatte.

Als die Alliierten in Berlin einmarschierten, wurde Bruno Balz wieder verhatet, jetzt mit der Begrün- dung, er habe für den Propaganda-Film Die große Lie- be Liedtexte geschrieben. Aber nach einigen Monaten wurde er von den amerikanischen Alliierten frei ge- sprochen und aus der Hat entlassen.

Nach dem Krieg lebte er sehr zurückgezogen und arbeitete weiter als Schlagertexter. Sein Text für den Heintje-Hit Mama wurde zu seinem letzten großen Erfolg.

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M 17 Das Menschen- und Gesellschafts- bild des Rechtsextremismus

Aus wissenschatlicher Sicht ist es Unsinn, die Menschheit in ver- schiedene Rassen zu untergliedern. Es gibt keine Rassen, aber einen

auf diesem Vorurteil beruhenden vielfältigen Rassismus, der tötet.

Es gibt typische rechtsradikale Denkmuster, die sich bei allen rechtsextremistischen Gruppierungen inden lassen – sowohl bei den militanten Kameradschaten im Bereich der Neonazi-Szene als auch bei den gewalt- bereiten Kameradschaten in der Skinhead-Szene und natürlich auch vielfältig in der rechtsextremen NPD:

◆ Rechtsextremismus beruht auf einer rassistischen Gesinnung. Ziel ist die Wahrung und Durchset- zung einer Volksgemeinschat auf der Basis der Blutsbande. Nur wer von Geburt und Herkunt her Deutsche*r ist, gehört zur Volksgemeinschat. Wer sich so zuordnet, glaubt einen höheren Wert zu ha- ben als alle anderen. Typische Äußerungen lauten:

»Deutschland den Deutschen.« »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.«

◆ In der rechtsextremen Vorstellung führt die Volks- gemeinschat zu einem Staatsverständnis, das auf dem Führerprinzip beruht. Der jeweilige Führer soll nach dem angeblich einheitlichen Willen des deutschen Volkes handeln. 2014 zeigte sich in einer repräsentativen Befragung, dass 9,2 % der Bevölke- rung folgender Meinung zustimmten: Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle al- ler mit starker Hand regiert. Das Staatsverständnis ist folglich demokratiefeindlich, wesentliche Kon- trollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen, z. B. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt durch Wahlen auszuüben, oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer parla- mentarischen Opposition. Diese antidemokrati- sche Grundhaltung führt dazu, dass Politiker*in- nen, Parteien und letztlich die Demokratie selbst verächtlich gemacht werden. Politiker*innen und demokratisch gesinnte Parteien werden als kor- rupt oder elitär verunglimpt oder mit Fake News überzogen.

◆ Die rassistische Grundlage des Rechtsextremismus zeigt sich in verschiedenen Ausprägungen: dazu zählen Ausländerfeindlichkeit, Hass auf Flüchtlin- ge, die Verachtung von Menschen anderer Haut- farbe und in den letzten Jahren zunehmend auch Islamfeindlichkeit. Eng verknüpt ist die rassisti- sche Grundhaltung mit Antisemitismus. 2014 er- klärten z. B. 10 % der Bevölkerung ihre Zustim- mung zu folgender Einschätzung: Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns. Menschen so- genannter Fremdgruppen zu hassen und zu verfol- gen, gilt unter Rechtsradikalen als legitim. Folglich wird die gewaltsame Vertreibung aller »Fremd- gruppen« vom deutschen Staatsgebiet aus Sicht der extremen Rechten als Akt der Befreiung an- gesehen. »Ausländer raus« ist eine typische Paro- le der rechtsradikalen Szene. In einer Studie des Jahres 1987 bekundeten 37,4 % der deutschen Ju- gendlichen ihre Zustimmung zu der Aufassung

»Kanaken raus«.

◆ Die Begrife »Volksgemeinschat« und »Führer- prinzip« verweisen bereits auf die Weltanschauung der Nationalsozialisten, auch im Antisemitismus zeigt sich die Ähnlichkeit des Denkens. Es kann in- sofern nicht überraschen, dass eine verherrlichende oder zumindest verharmlosende Darstellung des Nationalsozialismus für den deutschen Rechtsext- remismus typisch ist. Darunter fällt beispielsweise die Leugnung des Holocausts und der deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg. (Die millionen fache Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden zu leugnen, gilt im deutschen Recht als Stratatbe- stand.)

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M 26 Die Zwerge (1958) – Wolfdietrich Schnurre

Ihr Verbrechen: Sie waren zu klein. Nun marschieren sie auf des Ältestenrates Geheiß aneinander gekettet durch die Straßen der Stadt. Vorweg geht der Büttel*:

Er schellt ihr Vergehen aus und verliest die Begrün- dung, weshalb sie verbrannt werden sollen. Jedoch niemand achtet auf ihn. Die sich über die Winzigkeit der Zwerge im Rate beschwerten, erkennen die Fol- gen ihrer Verleumdung nicht an, und die nicht wissen, dass die Zwerge angezeigt wurden, haben Angst, ihr Mitleid zu zeigen, und gehen gesenkten Kopfes vor- über. Die Zwerge sehen verstört aus; es ist schwer für sie zu begreifen, dass man größer sein muss, um un- angetastet leben zu dürfen; sie glaubten, gerade ihre Unscheinbarkeit biete ihnen Gewähr, auf ewig unbe- achtet zu bleiben. Nun ist das Gegenteil eingetreten.

Einige schluchzen, und in den Staub ihrer Gesichter haben sich Tränenbäche gegraben; andere blicken er- geben auf ihre einwärts gedrehten Füße; und einer liegt bleich und den Bart zum Himmel gereckt auf einer Bahre, die vier andere tragen. Sie haben lange, schwarze Mäntel an, gefettete Locken stehen ihnen unter ihren hohen, mit lila Bändern geschmückten Hüten hervor. Jetzt zerrt sie der Büttel die Rathaus- treppen hinauf und verliest noch einmal ihr Vergehen:

Zu klein, zu zierlich, zu link; es ist immer dasselbe.

Aber nicht einmal hier hört jemand ihm zu. Dem Büt- tel macht das nichts aus, er tut nur seine Plicht. Also

faltet er die Vergehensliste wieder zusammen, und der Zug schleppt sich weiter. Er schleppt sich an den Märk- ten vorbei und an Kinos, an Kirchen, Kasernen, und überall läutet der Büttel, setzt sich das leere Brillenge- stell auf die Nase und verliest die Anklagepunkte und die Höhe der Strafe. Nein, niemand möchte ihn hören, niemand ihn sehen, niemand Mitleid empinden. Am Abend dann meldet sich der Büttel beim Ältestenrate zurück, und der Rat übergibt ihm die Liste der Bürger, die das Holz stiten müssen. Und der Büttel geht zu den Bürgern, und die Bürger stiten das Holz. Dann übergibt der Rat dem Büttel die Liste der Bürger, die das Reisig stiten müssen. Und der Büttel geht zu den Bürgern, und die Bürger stiten das Reisig. Dann über- gibt der Rat dem Büttel die Liste der Bürger, die das Öl stiten müssen. Und der Büttel geht zu den Bürgern, und die Bürger stiten das Öl. Als der Scheiterhaufen errichtet und das Öl ausgegossen worden ist, schickt der Büttel die Zwerge im Autrag des Rates hinauf und erhält dann von diesem das Zeichen. Umständlich rückt er sich das glaslose Brillengestell auf der Nase zurecht, dann reißt er den Span an, und gierig rast die Flamme die Zwerge entlang, wird größer und greller und heller und schneller und lockt aus dem Dunkel die Fenster der Bürger heraus; die Fenster der Bürger, die das Holz spendeten, die Fenster der Bürger, die das Reisig spendeten, die Fenster der Bürger, die das Öl spendeten: Starräugig, vom Feuer gebannt, das den Zwergen jetzt an den lila bebänderten Hüten emporzüngelt, stehen sie hinter den Gardinen und kühlen sich an den Scheiben die Stirn.

*Büttel: Ordnungshüter, Gerichtsbote

Schnurre, W. (1958): Die Zwerge. In: K. Wagenbach (Hrsg.): Lesebuch. Deutsche Literatur zwischen 1945 und 1959. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, S. 182 5

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M 27 Joy Denalane: Wem gehört die Welt

Bobby hat inseriert

junger Chirurg sucht ’ne Wohnung 900,– warm

die Dame am Telefon sagt seh’n Sie sich’s mal an

er stand vor ihr’m Haus Punkt vier links im Hinterhof komm’ Sie bitte hoch ach sie sind Herr Miles

er sollt’ sie nicht falsch versteh’n sie dachte, er wär’ weiß

Vielleicht habt ihr uns früher diskriminiert vielleicht habt ihr meine Brüder nicht im Visier vielleicht seid ihr heute obenauf

denkt, die Zeit nimmt so ihren Lauf

doch morgen hol’n wir uns, was uns gebührt Refrain:

Wem gehört die Welt – die Welt ist mein wem gehört die Welt – die Welt ist dein nichts was heute ist, muss für immer sein wem gehört die Welt – die Welt ist rund wem gehört die Welt – und muss sich dreh’n was unten war, wird oben steh’n

Ella hat absolviert

nach nur acht Semestern Jahrgangsbeste sie braucht den Job

ihr Prof. hatte prophezeit die nehmen sie sofort

der Boss schien erst interessiert

nur wenn’s nichts wird Fräulein, nicht enttäuscht sein man riefe an

sie saß vor ihr’m Telefon den Job bekam ein Mann

Vielleicht habt ihr uns gestern diskriminiert vielleicht habt ihr meine Schwestern nicht im Visier vielleicht seid ihr heute obenauf

denkt, die Zeit nimmt so ihren Lauf doch morgen hol’n wir unser’n Respekt Refrain: …

Joy Denalane, Mamani (2002);

Text: Joy Denalane & Max Herre

© Vrijon Music/© Universal/MCA Music Publishing GmbH, Berlin

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M 28 Abraham

Etwas hat diesen Mann gefasst und aus der Mitte, in der er bisher lebte, an den Rand gedrängt. Da steht er nun. Seine Augen sind voller Angst. Alle Geborgen- heit ist verloren gegangen. Die eine Hand hält den Stab. Der ist groß. Aber sehr fest packt er nicht zu.

Dieser Stock wird keine wirkliche Hilfe sein. Die an- dere Hand ist geöfnet, nicht um etwas zu empfangen oder zu betteln, sondern eher wehrlos: Was soll ich schon machen?

Er muss weitergehen, aber wie? Ein ganz klein we- nig wendet er den Kopf zurück in Richtung Vergan- genheit, dorthin, wo er herkam, wo er in der Mitte stand. Aber dorthin gibt es kein Zurück. Hell ist es in der Mitte. Dort, wo er jetzt hingedrängt wird, ist es dunkel. Er geht ins Ungewisse.

Der Mann heißt Abraham. Er lebte lange mit seiner Familie zusammen. Es waren wohlhabende Leute. Bei ihnen hatte er Vaterland, Heimat, Freunde, ein Vater- haus. Da wusste er, wo er hingehörte. Da stand er in der Mitte, geborgen. Hier ist er allein. Keiner kennt ihn. Keiner steht ihm bei. Er ist fremd.

Was hat ihn so aus seinem bisherigen Leben her- ausgerissen? Aus der Bibel lernen wir, dass Gott ihn rief: »Gehe aus deinem Vaterhaus in ein Land, das ich dir zeigen werde, und ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.« (Genesis 12,1 und 2) Ein Se-

gen auch für die Menschen, bei denen er in Zukunt wohnen wird.

Daran wird er sich halten, mehr als an den küm- merlichen Stab: dass Gott bei ihm ist. Tag für Tag wird er diesen Glauben bewahren, und das wird schwer ge- nug sein. Wir kennen die Berichte von seinen Fragen und seinen Zweifeln. Er weiß von Gott und seinem Ruf. Und doch ist es schwer, daran festzuhalten, dass keine blinde Macht sein Leben bestimmt, sondern Gott in der Mitte steht und ihn führt und hält. Wie viel schwerer ist es für die, die keinen solchen klaren Ruf erhielten, keine besondere Verheißung zu glau- ben, dass auch ihr Leben gehalten ist von Gott. Er wird in ein Land kommen, wo Menschen nichts von ihm wissen. Er kommt zu Menschen, die nur ihre eigene überschaubare Welt kennen und ihn als den Fremden empinden, der nicht zu ihnen gehört. Sie fühlen, dass sie in der Mitte stehen, als Herren des Landes. Wie werden sie mit dem Fremden umgehen? […]

Was aber, wenn die Menschen feindselig wären?

Wenn sie ihm keinen Raum gewähren würden? Wie würde er damit fertig werden? Es ist leicht, ihn noch weiter an den Rand zu drängen, ihm klar zu machen, dass er Randsiedler ist.

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M 29 Christen sind das neue leichte Ziel des »Islamischen Staats«

Christen werden in 50 Ländern verfolgt oder sehr ver- folgt oder sehr stark verfolgt – insbesondere in Nord- korea, in afrikanischen Ländern (z. B. Sudan und Soma- lia) und in arabischen Ländern (z. B. Jemen und Iran).

Das Beispiel Syrien

Vor sechs Jahren lebten in Syrien 1,5 Millionen Chris- ten – heute sind es noch 50000. Nicht nur die Gefah- ren des Bürgerkrieges vertreiben sie, sondern auch die massive Gewalt, der Christen in den von islamisti- schen Kämpfern gehaltenen Gebieten ausgesetzt sind.

Das Beispiel Irak

Christen leben seit zwei Jahrtausenden auf dem Ge- biet des heutigen Iraks – jetzt stehen sie am Rande der Auslöschung. 1,2 Millionen waren es im Jahr 2003–

250000 sind es heute. Hunderttausende wurden vom IS vertrieben, ermordet, vergewaltigt. Ihre Dörfer und Kirchen sind zerstört.

Das Beispiel Ägypten

10 Prozent der Bevölkerung sind koptische Christen.

Aber religiös motivierte Attacken gehören fast schon zum Alltag. Christen werden von der Gesellschat unter Druck gesetzt, teilweise auch vom Staat. Die Terrormiliz »Islamischer Staat« ernannte sie jüngst zur »bevorzugten Beute« in Ägypten.

Seit dem Militärputsch gegen den gewählten isla- mistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 wer- den Christen mit nie da gewesener Härte verfolgt.

»Muslimbruderschat und Salaisten halten uns vor, wir hätten das Militär unterstützt«, sagt der Kairoer Priester Yakub M. Die Folge: »85 Kirchen, christliche

Schulen, Buchläden und Klöster sind seit 2013 geplün- dert, ausgeraubt oder angezündet worden.«

Am grausamsten aber wütet der IS-Terror im Nord- sinai, der kleinen ägyptischen Halbinsel an der Gren- ze zu Israel. Mitte Februar begann die neue Mordse- rie gegen Christen. Die koptischen Christen sind ein leichtes Spiel. Ein junger Mann beginnt zu erzählen:

Von Dr. Bahgat, dem christlichen Tierarzt zum Bei- spiel, den vermummte Männer in seiner Praxis auf- gesucht und niedergeschossen haben. Oder von Ga- mal, dem Lehrer, dessen Namen sie im Basar gerufen haben. Als er sich umdrehte, haben sie ihn hingerich- tet. Oder von Midhat und dessen Vater, eine ärmliche Familie. Sie klopten an ihre Tür, erschossen den Va- ter, als dieser aufmachte, und den jungen Midhat im Haus. Das zündeten sie anschließend an.

Der Gemüsehändler Adel erzählt: Zunächst habe man ihm ein Stück Land geraubt, später sein Motor- rad und dann wurde ihm gedroht, seine Tochter zu entführen. Immer wieder sei seine Familie als »un- gläubig« beschimpt worden. Dann kursierten die ers- ten Todeslisten mit christlichen Namen. Adel loh mit seiner Familie aus dem Nordsinai auf die andere Seite des Suez-Kanals, nach Ismailia. Dort leben viele Mus- lime, die den Flüchtlingen helfen und Christen als ihre Freunde ansehen.

Adel ist wütend, nicht nur über seine Vertreibung, auch über die Regierung. »Wo sind die Sicherheits- kräte, wo ist die Provinzverwaltung, wo ist die Re- gierung in Kairo? Ägyptens Kopten sind auf sich al- lein gestellt.

Nach: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 15.04.2017 5

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