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Archiv "Literaturhinweise: Beobachtung und Mitgefühl" (02.11.2007)

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A2998 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 44⏐⏐2. November 2007

T H E M E N D E R Z E I T

deswegen unmoralisch und somit verwerflich ist. Wie so viele andere deutsche Erfindungen, genannt sei- en das Faxgerät und das Plexiglas, würde auch das wahre Potenzial der Comics erst im Ausland entdeckt und entwickelt werden.

Komplexe Themen

Ein kurzer Blick in die letzten Jahre des Genres macht klar, welches Po- tenzial dem Unwissenden entgeht.

Der Comic „Maus“ von Art Spiegel- man setzte sich in hochkomplexer Form mit der Judenvernichtung im

„Dritten Reich“ sowie dem Umgang folgender Generationen mit diesem Thema auseinander. „Maus“ war zwar unterhaltend, konnte dabei aber der Komplexität des Themas in weitaus höherem Maß gerecht wer- den als beispielsweise der viel ge- lobte Film „Schindlers Liste“. In

„Persepolis“ beschreibt Marjane Sartrapi die jüngste Geschichte Per- siens und des Irans aus der Perspek- tive einer jungen Frau, vermittelt da- bei enorm viele Fakten und Hinter- gründe, ohne dass der Comic jedoch dadurch zu einem Sachbuch wird.

Das Genre vermag ganz offen- sichtlich, das Wechselspiel von Text

und Bild gekonnt einzusetzen. Bei den künstlerisch unerheblichen Pro- duktionen findet man in der Regel eine absolute Einheit von Bild und Text. Nicht nur, dass die Bilder stets dieselbe Größe haben, auch zwi- schen dem Geschriebenen und dem Gezeichneten besteht Übereinstim- mung. Man könnte auf eines der Medien verzichten, ohne wesent- liche Inhalte der Narration zu ver- passen. So eignen sich diese Comics besonders für Menschen, die nicht oder noch nicht lesen können. Auch das trägt wohl zum schlechten Ruf der Kunstform hierzulande bei. Ein flüchtiger Blick in einige schlecht gemachte Comics sollte nicht zu Ver- allgemeinerungen genutzt werden.

Schließlich gibt es auch unendlich viele schlechte Bücher und Filme, ohne dass jemand ernsthaft diese Kunstformen per se infrage stellen würde.

Doch in guten Comics ergibt sich häufig ein Kontrast zwischen Text und Bild. Schon Max und Moritz lächelten uns treubrav an, und ohne den Text hätten wir niemals geahnt, dass es sich bei den beiden um zwei ausgemachte Schwerenöter handeln könnte. In Comics wie „Maus“ oder

„Persepolis“ übernimmt der Text die Erzählung des Faktischen, während die Emotionen, das Meta- physische nahezu ausschließlich über die Sprache der Bilder trans- portiert werden. In „Krebs ist eine Erfahrung, auf die ich lieber ver- zichtet hätte“ von Miriam Engel- berg hingegen kontrastieren die freundlichen Zeichnungen mit den im Text erzählten Ängsten und Emotionen der Autorin.

Comics und Medizin

Aus einem solchen Wechselspiel von Bildern und Text lassen sich ge- rade medizinische Themen beson- ders gut erzählen. Vor einiger Zeit konnte an dieser Stelle „Eugen und der kleine Wicht“ besprochen wer- den (Deutsches Ärzteblatt, Heft 16/2004), ein Bilderbuch über die Tumorerkrankung eines Kindes.

Aber die Verbindung ist nicht nur für Kinder ansprechend. Denn was ist schließlich der Grund für den großen Erfolg der Zeichnungen von Frank Netter? Einerseits werden hier medizinische Fakten wissen- schaftlich präzise und nüchtern dar- geboten, andererseits zeigt sich in den Bildern die Dramatik und das Leiden der Patienten. Verknüpft mit so lebhaften Emotionen fällt es un- gleich leichter, sich die kognitiven Inhalte des Textes zu merken.

Als weiteres Beispiel für die Dar- stellung medizinischer Sachverhalte im Comic können mit Sicherheit

„Die Simpsons“, immerhin die er- folgreichste Fernsehserie aller Zei- ten, dienen. Die scheinbar harm- losen gelben Strichfiguren sezieren wie kaum eine andere Sendung die Zustände des US-amerikanischen Gesundheitswesens, die auch deut- schen Medizinern zunehmend be- kannt vorkommen werden. Da geht es um unzureichend ausgebildete Ärzte, falsch verschriebene Medi- kamente, das moralische Dilemma unzureichend versicherter Kranker, die schwierige Doppelrolle des Arz- tes als Heiler und Kaufmann sowie viele andere Probleme des Gesund- heitswesens. Natürlich könnte man einwenden, dass all diese Themen viel seriöser und umfassender in zahlreichen Büchern, Publikationen und einigen Dokumentarfilmen ab- So, wie Pierre-François Beauchard als „David B.“

in Bild und Text schildert, wie die Epilepsieerkran- kung seines Bruders dessen Biografie und das Le- ben seiner Familie bestimmt, haben auch weitere Comicautoren Krankheit und Tod thematisiert, vielfach aus eigenem Erleben. Die Verbindung aus sorgfältiger Beobachtung, Mitgefühl und künstleri- scher Kraft lässt den Leser/Betrachter die Ge- schichten intensiv miterleben. Fünf Beispiele aus jüngerer Zeit:

Frederik Peeters beschreibt in „Blaue Pillen“

(Verlag Reprodukt, Berlin, 2006, 192 Seiten, 20 Euro), wie der Autor und seine Freundin mit einer HIV-Infektion umgehen.

Zwei Comics, die sich mit Krebserkrankungen auseinandersetzen: Brian Fies: „Mutter hat Krebs“

(Verlag Von dem Knesebeck, München, 2006, 128 Seiten, 14,95 Euro), sowie Miriam Engelberg:

„Krebs ist eine Erfahrung, auf die ich lieber ver- zichtet hätte“ (Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main, 2007, 144 Seiten, 12,90 Euro).

Christophe Badoux erzählt märchenhaft in dem für Kinder bestimmten (aber auch Erwachsene berührenden) Comic „Fatmas fantastische Reise“, wie vier Kinder mit dem Moya-Moya-Syndrom „fer- tig“ werden (Edition Moderne, Zürich, 2006, 48 Seiten, 20 Euro).

Der im Artikel von Jakob Hein et al. erwähnte Comic „Eugen und der freche Wicht“ von Anna Sommer und Michael Grotzer ist bereits 2003, gleichfalls bei der Edition Moderne, Zürich, er- schienen, hat 72 Seiten und kostet 19,80 Euro.

Zu den Seitenzahlen und Preisen sei bemerkt, dass die Comics durchweg aufwendig gestaltet sind und auch Sammleransprüchen genügen.

Schließlich sei an zwei frühere Projekte des Deut- schen Ärzteblattes erinnert. Elke Steiner hat sich in den Jahren 2001 bis 2003 in ihrer Comicserie

„Doc & Doctrix“ (www. aerzteblatt.de/docdoctrix) dem Krankenhausalltag gewidmet sowie 2003 bis 2004 die Biografien von Herbert Lewin und Käte

Frankenthal veranschaulicht. NJ

LITERATURHINWEISE

Beobachtung und Mitgefühl

Referenzen

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