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Archiv "Beitragserhöhung in der Rentenversicherung wäre systemgerecht" (23.09.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

deutlich zum Ausdruck, daß die Betrachtungen meiner Stellung- nahme für und nicht gegen die Naturwissenschaften sind.

Die Technokratie darf niemals Staatsform werden. Das wäre die Diktatur der Maschine. Diktatoren haben die Gepflogenheit, schlei- chend und unterstützt von Helfers- helfern an die Macht zu gelangen.

Mit jedem Schleicheschritt vergrö- ßern sie ihren Einfluß. Wie weit werden wir schon heute von Ma- schinen diktiert?

Werner Arber, Nobelpreis für Me- dizin 1978, schreibt in einer Pres- semitteilung: „Die genetische For- schung wird von einer relativ klei- nen Anzahl von Wissenschaftern betrieben. Diese haben gezeigt, daß sie gewillt sind, die ethischen Prinzipien der Menschheit zu be- achten." Die Ethik solcher Mole- kularbiologen kommt in den fol- genden Zitaten zum Ausdruck:

„Jetzt können wir den Menschen definieren. Genotypisch jedenfalls besteht er aus einer 180 Zentime- ter langen bestimmten molekula- ren Folge von Kohlenstoff-, Was- serstoff-, Sauerstoff-, Stickstoff- und Phosphoratomen. Das ist die Länge der Desoxyribonukleinsäu- re, die im Kern des Ursprungseies und im Kern jeder reifen Zelle zu einer dichten Spirale gedreht ist, die fünf Milliarden Nukleotide lang ist." Professor Joshua Lederberg, Nobelpreisträger für Medizin, am Ciba-Symposium in London.

„Ein Gibbon ist dem Leben in ei- nem schwächeren Schwerefeld wie in einem Raumschiff, auf ei- nem Asteroid oder vielleicht sogar auf dem Mond von vornherein of- fenbar besser angepaßt als der Mensch. Noch mehr gilt das für Affenarten mit Greifschwänzen.

Durch Pfropfen von Genen könn- ten solche Eigenschaften auch der menschlichen Rasse angezüchtet werden. Menschen, die ihre Beine durch Unfall oder Mutation verlo- ren haben, wären als Astronauten besonders geeignet, denn die Bei- ne des Menschen und ein großer

Nobelpreise

Teil des Beckens sind in diesem Fall nicht nötig. Wenn man ein Me- dikament entdeckte, ähnlich dem Thalidomid, aber nur auf die Beine und nicht auf die Arme wirkend, könnte man die Mannschaft des ersten Raumschiffs zum Alpha Centauri damit behandeln" (Pro- fessor J. B. S. Haldane, vier hohe wissenschaftliche Auszeichnun- gen, am Ciba-Symposium in Lon- don). Das Thalidomid ist ein Beru- higungsmittel, das — von werden- den Müttern eingenommen — zur Geburt von Kindern ohne Arme und Beine geführt hat.

„Um den auf uns zukommenden Schwierigkeiten gewachsen zu sein, muß sich die Menschheit auf eine neue Wirklichkeit vorberei- ten. In absehbarer Zeit wird es der Wissenschaft gelingen, dank ge- netischer Operationen Menschen in beliebig großen Serien mit ganz bestimmten, erwünschten Eigen- schaften zu erzeugen. Die menschliche Rasse wird sich bald vor die entsetzliche Verantwor- tung gestellt sehen, entscheiden zu müssen, was sie zu werden be- absichtigt" (Professor Salvador Edward Luria, Nobelpreisträger für Medizin, an einem Symposium für Molekularbiologie in New York).

Zum Schluß noch einmal Profes- sor Werner Arber:

„Schließlich stellt sich die Frage, ob der Mensch genetisches Mate- rial sehr verschiedenen Ursprungs nach seinem Belieben miteinan- der verknüpfen darf. Können da- bei nicht vollkommen neue, bisher unbekannte Lebewesen entste- hen? Der Forscher übernähme da- bei die Rolle Gottes in der Schöp- fungsgeschichte."

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. phil. Max Thürkauf Professor für

physikalische Chemie an der Universität Basel Oberer Rheinweg 63 CH-4058 Basel

KURZBERICHT

Beitragserhöhung

in der Rentenversicherung wäre systemgerecht

Gegen die von der Bundesregie- rung beabsichtigte Einbeziehung von Sonderzahlungen in die Bei- tragspflicht zur Sozialversiche- rung — Weihnachtsgeld, Urlaubs- geld, 13. Monatsgehalt u. a. — hat sich Dr. med. Rolf Schlögell, Köln, der Vorsitzende der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung, ausgesprochen.

Damit könnten die finanziellen Probleme der Rentenversicherung nicht langfristig gelöst werden, weil diese Zusatzbeiträge auch neue Ansprüche in einer Zeit be- gründen würden, in der die Ren- tenversicherung bereits aus heuti- ger Sicht steigende Beitragssätze benötigen wird. Die Maßnahme sei zudem ungerecht, meint Schlö- gell, weil von ihr nur ein Teil der Versicherten betroffen werde.

Bei Einkommen, die monatlich die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (1983: 5000 DM) übersteigen, habe die Neure- gelung keine Wirkung. Schon bis- her seien bei Einkommen von mo- natlich bis zur halben Beitragsbe- messungsgrenze und einer ent- sprechenden Sonderzahlung auch diese voll beitragspflichtig. Betrof- fen seien also nur die Versicher- ten, deren Einkommen zwischen den genannten Gruppen liegen.

Sie hätten unter den derzeit gel- tenden Bedingungen mit einer er- heblichen zusätzlichen Belastung von bis zu 777 DM jährlich zu rech- nen. Überdies sei die Beitrags- pflicht für die Betriebe mit einem erheblichen Mehraufwand an Ver- waltungskosten verbunden.

Systemgerecht wäre es, den Bei- tragssatz zur gesetzlichen Renten- versicherung ab 1. Januar 1984 auf 19 Prozent zu erhöhen, kom- mentiert Dr. Schlögell in einer von der versicherungswissenschaftli- chen Gesellschaft in Köln heraus- gegebenen Pressemitteilung. EB Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 38 vom 23. September 1983 63

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BLICK ÜBER DIE GRENZEN

Blick über den Zaun

In Abstimmung mit der American Medical Association (AMA) waren fünf Anbieterfirmen für Praxis- rechner ausgesucht worden, die zahlreiche Installationen nachwei- sen können. Nach Grundsatzge- sprächen mit Vertretern der AMA in Chicago führte die achttägige Studienreise quer durch die Verei- nigten Staaten. Die Reisegruppe bestand aus einem niedergelasse- nen Internisten, der selbst Praxis- rechner einsetzt, einem Mitarbei- ter das Zentralinstituts für die kas- senärztliche Versorgung (ZI), Köln, das seit Jahren eigene EDV- Projekte auf diesem Sektor durch- führt, einem Dezernenten der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, der u. a. über die Modalitäten der EDV-Abrechnung mit den Kassen- verbänden verhandelt, und dem Leiter des Bereichs Informatik/

EDV der KBV in Köln, der auch die ZI-Beratungsstelle „EDV in der Arztpraxis" betreut.

Die Organisation des amerikani- schen Gesundheitswesens — ins- besondere die direkte Abrech-

nung der ärztlichen Leistung mit den Kostenträgern — ließ sehr früh privatwirtschaftlich organisierte Verrechnungsstellen als Service- betriebe entstehen. Mit der Ver- fügbarkeit preisgünstiger Rechner wurde vor etwa fünf Jahren der EDV-Einsatz für Gruppenpraxen interessant, in denen 88 000 von insgesamt 288 000 nordamerikani- schen Ärzten die ambulante Ver- sorgung durchführen. Erst der Mi- cro-Computer versetzte auch die Einzelpraxis in die Lage, Rechner- systeme in eigener Regie wirt- schaftlich zu nutzen — allerdings mit mehrjährigem Erfahrungshin- tergrund aus den ärztlichen Ge- meinschaftseinrichtungen. Folg- lich verwenden gegenwärtig über 30 Prozent der niedergelassenen Ärzte in den USA ein EDV-System.

Dieser relativ hohe Verbreitungs- grad darf jedoch nicht über das extrem schmale Spektrum der Sy- stemnutzung hinwegtäuschen, das sich nahezu ausschließlich in Praxisverwaltung und Rechnungs- wesen erschöpft. Keines der inter- viewten Systemhäuser bietet Pro- gramme zur medizinischen Doku-

mentation an, und keiner der be- suchten Ärzte hielt ein Bildschirm- terminal in seinem Besprechungs- zimmer für sinnvoll. Sogar die in den USA übliche Terminvergabe für Patienten wird trotz Verwal- tungscomputer in den Praxen meist noch per Kladde vorgenom- men, weil es effektiver ist.

Die Rolle der

Standesorganisation

Angesichts des riesigen US-Mark- tes mit über 250 Systemanbietern und einem ständigen Wandel der Technologie sieht die American Medical Association keine Chan- ce, den EDV-Einsatz in Arztpraxen detailliert zu bearbeiten. Vielmehr konzentriert sich das „Department for Information Systems" mit 200 Beschäftigten auf die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen.

Hierzu gehört auch die Abstim- mung standardisierter Leistungs- und Diagnosencodes sowie for- matierter Abrechnungsdatensät- ze. Auf diesem Sektor sind Ab- rechnungsformulare für Endlos- druck mit allen Kostenträgern ab- gesprochen. In einigen Bereichen wird zwischen Praxis und Kran- kenversicherung schon papierlos per Datenfernübertragung abge- rechnet.

Darüber hinaus hat die AMA für die Ärzteschaft mit einem Entwick- lungsaufwand von 7,5 Millionen US-$ das „Telenet Medical Infor- mation Network", ein umfassen- des Informations- und Kommuni- kationssystem, bereitgestellt, des- sen flächendeckende Einführung und Vervollständigung noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Über satellitengestützte Nachrichten- netze des Kooperationspartners GTE stehen jedem Mediziner die von Wissenschaftlern betreuten Datenbanken zur Verfügung. Ne- ben der Investition einfacher Ab- fragegeräte muß der Benutzer re- lativ geringe Abfragegebühren von 26 US-$ pro Stunde und die Telefonkosten zum Ortstarif tra- gen.

Ein Beispiel für uns?

Praxiscomputer in den USA

Bericht über eine Studienreise

Erhard Geiss

Nach wie vor gelten die Vereinigten Staaten von Nordamerika als das Mekka der elektronischen Datenverarbeitung (EDV). Nicht nur die Computerchips und die Programmiersprachen, sondern auch die Anwendungslösungen für die praktischen Nutzeffekte stam- men meist aus USA. Mit Verzögerungen erfolgt regelmäßig die Einführung in Europa. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Köln, prüfte die Frage, ob diese Feststellungen auch für den EDV-Einsatz in der ambulanten Medizin gelten und ob durch entsprechende Information notwendige Umstellungen frühzeitig eingeleitet werden müssen.

64 Heft 38 vom 23. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Praxiscomputer in den USA

Nutzbar sind zur Zeit Teile der Me- dikamentendatenbank und des Diagnosenauskunftsystems sowie die elektronische Post „MED/

MAIL", die medizinische Lei- stungsdatei und der „Document Order Service".

Der Anbietermarkt

Auffällig ist, daß bei der Diskus- sion über EDV in der Arztpraxis ausschließlich die Nutzeffekte be- leuchtet werden. Technische Da- ten oder gar Gerätefabrikate spie- len nahezu keine Rolle. Häufig tra- gen die Rechner und Bildschirme lediglich das Etikett des System- hauses. Dieses konfiguriert aus- fallsichere und auf örtlicher Ebene zu wartende Systeme, deren Kapa- zität anhand einer kurzen Praxis- analyse festgelegt wurde.

Die Anwendungsprogramme kon- zentrieren sich auf die Arbeitseng- pässe. Der Computer muß gezielt Kosten senken oder zur Leistungs- steigerung beitragen. Aus Richt- werten von Praxiskostenanalysen werden betriebswirtschaftliche Vergleiche konventioneller und EDV-gestützter Organisation auf- gestellt. Der Arzt kennt daher bei Vertragsabschluß den finanziellen Gesamteffekt und kann später den Erfolg des Rechnereinsatzes auf Heller und Pfennig kontrollieren.

Daß bei dieser Einstellung auf Komfortaspekte wie Typenrand- druck, Bildschirmergonomie oder Arbeitsplatzgestaltung kein Wert gelegt wird, liegt auf der Hand.

Die Systempreise sind angesichts starken Konkurrenzdrucks scharf kalkuliert. Deshalb halten sich die Besuche von Systemspezialisten zur Information oder Schulung in Arztpraxen in sehr engen Gren- zen. Nach der Installation findet die Betreuung — auch die Pro- grammpflege — ausschließlich per Telefon statt. Für die Einspeiche- rung der Stammdaten — Kostenträ- ger, GO-Nummern, Diagnosen- schlüssel und Patientendaten — sind die Praxen verantwortlich.

Der Verwaltungscomputer ist aus der Praxis des amerikanischen Arztes nicht mehr wegzudenken

Die Anwendungsprogramme kön- nen meist von den Ärzten nicht modifiziert werden, weil die Sprachübersetzer nicht zum Lie- ferumfang gehören und eigen- mächtige Änderungen jeglichen Garantieanspruch verwirken. In- teressanterweise sind Daten- schutz und Datensicherung für die US-Ärzte kein Thema: Karteien und Buchungsjournale seien viel unsicherer, wird betont.

Trotzdem ist erstaunlich, welche Mengen Papier um den Praxis- rechner herum produziert werden.

Die Patientenlaufzettel dienen als Eingabebelege, mit denen eine Hilfskraft meist nachmittags die Leistungsdatei auf den neuesten Stand bringt. Medizinische Doku- mentation wird konventionell per Faltkartei durchgeführt. Zur Pra- xisverwaltung, für die in Gruppen- praxen ein „office manager" an- gestellt ist, werden unterschied- lichste Listen für die kaufmänni- schen Belange erstellt. Hier späte- stens weiß der deutsche Besucher seine Kassenärztliche Vereinigung zu schätzen. Der US-Arzt muß nicht nur die seit 30, 60 oder 90 Tagen überfälligen Außenstände eintreiben, sondern häufig äußerst scharf die Leistungserbringung kalkulieren, wenn er selbst mit dem örtlichen Kostenträger die Honorare aushandeln will.

Ohne Zweifel nutzen die diversen Kostenträger in den USA die im

Leistungsrecht vergleichsweise schwache Position der Arztpraxis, um mit EDV-Unterstützung indivi- duelle Transparenz und hohe Ver- gleichsmöglichkeiten zu erzielen.

Daher zeigen die Versicherungen, Arbeitgeber und sozialen Dienste eine absolut positive Grundein- stellung zum Praxiscomputer. Es gibt weder Richtlinien noch Quali- tätsstandards für Arztrechner — was sowohl Ärzte als auch Anbie- ter nach hohen Fehlinvestitionen dringend wünschten. Dennoch gibt es Normen: Sie werden von den Marktführern gesetzt, und ih- nen müssen sich die Konkurrenz und der Praxisinhaber mehr oder minder unterwerfen.

Wer beim Stichwort Marktführer allerdings bekannte Computer- konzerne erwartet, wird von einem weiteren typisch amerikanischen Phänomen überrascht: Kein Rech- nerproduzent verkauft an Endver- braucher — weil die Anwendungs- programme fehlen. Diese stellt ein unabhängiges Software-Haus nach Kundenwunsch bereit, liefert und garantiert das schlüsselferti- ge System. Die amerikanischen Ärzte können sich gar nicht vor- stellen, daß ein Computerherstel- ler gute Praxislösungen anbieten kann, da er ja primär an den Ver- kauf seiner Hardware denken muß und beispielsweise keine Misch- konfiguration zusammenstellen könnte.

Der Trend —

ein Beispiel für uns?

Die freie US-Marktwirtschaft for- dert auch bei den Praxisrechnern ihren Preis. Das ständige Kommen und Gehen der Anbieter bekam auch die Reisegruppe zu spüren, als ein fest zugesagter Termin platzte, weil sich die Firma inner- halb von 14 Tagen aufgelöst hatte.

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß alle während der Studienreise besuchten Firmen mit dem Ver- trieb von EDV-Systemen für Ärzte Gewinne erwirtschaften. In zwei Fällen erfolgt dies ohne aktive Ak- quisition nur durch Empfehlung DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 38 vom 23. September 1983 67 Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Praxiscomputer in den USA

der niedergelassenen Kollegen untereinander. Dies setzt jedoch eine gewisse Marktverbreitung mit dem für die „kritische Vertriebs- masse" notwendigen Bekannt- heitsgrad voraus.

Veröffentlichungen über den Ent- wicklungsstand der EDV in der Medizin erfolgen in den USA re- gelmäßig und aktuell. Die AMA be- richtet in ihrer Verbandszeitschrift und zahlreichen Sonderveröffent- lichungen.

Neben den einzelnen Firmendien- sten ist insbesondere das monat- lich erscheinende Heft „Compu- ters in Health Care" erwähnens- wert. Eine Reihe von Ärzten, die

„Hobby"-Computer einsetzen, ha- ben sich in unterschiedlichen Be- nutzervereinigungen zusammen- geschlossen, um Programme aus- zutauschen und Hardware-Börsen zu betreiben.

Fragen nach medizinischer Ent- scheidungshilfe durch den Praxis- computer werden von amerikani- schen Ärzten mit verständnislo- sem Kopfschütteln quittiert. Es entspricht vielmehr einem gesun- den Pragmatismus, nicht der Vi- sion einer per EDV optimierten Medizin nachzuhängen, sondern die verfügbaren Ressourcen zur vordinglichen Rationalisierung der leidigen Verwaltungsroutine professionell einzusetzen. Dabei verlieren eigenprogrammierte Hobbycomputerlösungen zugun- sten bewährter Konfektionsware aus dem Systemhaus sehr stark an Bedeutung. Denn amerikanische Ärzte haben gelernt, daß individu- elle Wünsche — auch in der EDV — besonders teuer sind.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Erhard Geiss Leiter des Bereichs lnformatik/EDV der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Ottostraße 1

5000 Köln 40 (Lövenich)

Der Mensch in Not auf dem Wege zu sich selbst und damit zu seinem Heil ist im Sinne von Paracelsus das Motiv für die Hilfe zur Selbst- hilfe. Sofort drängt sich die Frage auf, ob das Heil, oder auch nur die Heilung, im Kollektiv liegt. Diese Frage ist in unserem Zusammen- hang aktueller denn je. Dabei ist zu bedenken, daß das Kollektiv im- mer aus den vielen einzelnen be- steht. Gruppenbildung ist auch immer die Suche nach einer Kraft, die größer ist als die des einzel- nen. Es gibt eine Urangst, oder die Angst vor dem Verlust der Herde und damit das Urbedürfnis zur Ge- meinschaft. Historisch kann man Zünfte, Gilden oder Missionsorga- nisationen im weiteren Sinne als Selbsthilfegruppen ansehen. Für Selbsthilfegruppen in engerem Sinn als Methode zur Erhaltung oder Rehabilitation seelischer Ge- sundheit könnte man schon C. G.

Jung mit seiner Psychotherapie und Frank Buchmann, den Be- gründer der „Moral Rearmement", mit seiner früheren Oxford-Grup- pe nennen. Beide verweisen auf das Grundphänomen menschli- chen Daseins, des Angewiesen-

seins auf den anderen. Dieses An- gewiesensein zeigt sich heute in vielen Formen von Selbsthilfe- gruppen. Grundmuster aller sol- cher Gruppen sind die Anonymen Alkoholiker mit einer therapeuti- schen Bewährung seit fast 60 Jah- ren. Daneben entwickelten sich Selbsthilfegruppen mit unter- schiedlichen Inhalten .und Zielen — Informationsgruppen, psychothe- rapeutische Gruppen zur Annah- me der Krankheit, arbeitsorientier- te Gruppen für Arbeitslose zum Schutz vor Persönlichkeitsentwer- tung, Ausbildungs- und Examens- gruppen, politisch motivierte neue Lebens- und Wohngemeinschaf- ten (alternativ!) sowie Emanzipa- tionsgruppen. Zu den therapeuti- schen Gruppen zählen die großen Bürgerinitiativen wie Rheuma-Li- ga, Diabetes-Liga, Multiple-Skle- rose-Gesellschaft und Krebshilfe.

Allen Gruppen kann man eine ern- ste Motivierung, wenn auch mit variablem Tiefgang, konzedieren.

Es geht ihnen um „Leben lernen"

unter erschwerten Bedingungen eines Lebensstatus mit psychoso- matischen Störungen, die allein und oft auch nicht in ärztlicher TAGUNGSBERICHT

Selbsthilfegruppen

Hilfe für den Kranken oder Konkurrenz zur Medizin?

XXXVI. Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands

Hannes Sauter-Servaes

Der Wechsel des Krankheitspanoramas in den jüngsten Jahrzehn- ten zur chronischen Krankheit und die Lücken im System der Versorgung chronisch Kranker provozieren förmlich die Bildung von Selbsthilfegruppen zur Vermittlung therapeutischer Rat- schläge oder Hilfe bei psychischen Belastungen jeglicher Her- kunft. Deshalb hat sich die 36. Jahrestagung der Katholischen Ärztearbeit Deutschlands vom 1. bis 5. Juni 1983 in Augsburg der Problematik dieser Entwicklung gewidmet. Das Tagungsthema:

„Hilfe zur Selbsthilfe — Selbsthilfegruppen, Hilfe für den Kranken oder Konkurrenz zur Medizin?"

68 Heft 38 vom 23. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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