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Archiv "Unordnung statt Neuordnung" (14.07.1977)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Utopische Forderungen der Arzneimittelkommission Seitens der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wurden die am Zustandekommen des neuen Arzneimittelgesetzes Beteiligten in scharfer Form angegriffen. Diesbe- zügliche Kommentare wurden vom Vorsitzenden der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Aschenbrenner (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 25/1976, 1655), und vom Vorstandsmitglied der Bundes- ärztekammer, Prof. Kreienberg (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 32/

1976, 2049), veröffentlicht. Dabei wurde der Eindruck erweckt, als seien die Änderungen am Gesetz- entwurf das Ergebnis unsachlicher Pressionen.

Als wissenschaftliche Sachverstän- dige des Unterausschusses „Arznei- mittelrecht" fühlen wir uns ver- pflichtet, zu diesen Vorwürfen vom wissenschaftlichen Standpunkt aus Stellung zu nehmen.

Am 10. Oktober 1973 wurde auf dem 76. Deutschen Ärztetag eine Ent- schließung zum neuen Arzneimittel- gesetz gefaßt. Es sollten u. a. folgen- de Maßnahmen verwirklicht werden:

„1. Der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und Unschädlichkeit ist für alle neu auf den Markt kommenden wie auch für alle bereits registrierten oder schon zuvor im Handel befindlichen Arz- neimittel durch Vorlage einwandfreier pharmakologisch-toxologischer und kli- nischer Untersuchungsbefunde zu er- bringen, unter besonderer Berücksichti- gung der biologischen Verfügbarkeit.

Soweit Arzneimittel nur bekannte Arznei- stoffe enthalten, sollte für die Registrie-

FORUM

rung der zusätzliche Nachweis erbracht werden, daß sie hinsichtlich therapeuti- scher Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sowie Preiswürdigkeit Präparaten, die sich bereits im Handel befinden, überle- gen sind."

Da die angeführten Kommentare ei- ner diskussionsfähigen wissen- schaftlichen Argumentation entbeh- ren, müssen wir diese Entschließung als den eigentlichen Kern der Kon- troverse behandeln.

Pharmakologisch-toxikologischer Nachweis der

Wirksamkeit und Unbedenklichkeit Die „Arzneimittelkommission" for- dert, daß die Wirksamkeit und Unbe- denklichkeit sowohl bei neuen als auch bei altbekannten Arzneimitteln pharmakologisch-toxikologisch, d.

h. durch den Tierversuch nachge- wiesen wird. Dieser Forderung steht die Tatsache entgegen, daß der Tier- versuch keine wissenschaftlich be- gründete Vorhersage von Wirksam- keit und Unbedenklichkeit erlaubt, wie dies auch die „Gesellschaft für medizinische Dokumentation und Statistik" zu Beginn der Gesetzes- beratungen dargelegt hat.

In der Weltliteratur sind nur zwei vergleichende Studien über Arznei- mittelnebenwirkungen an Mensch und Tier bekannt (1, 2), die im Er- gebnis zeigen, wie unbestimmt und

(1) Litchfield, J. T.: Forecasting drug effects in man from studies in laboratory animals. JAMA 177 (1961) 104-108

(2) Schein, P. S., et al.: The evaluation of anti- cancer drugs in dogs and monkeys for the prediction of qualitative toxicities in man. Clin.

Pharmacol. Ther. 11 (1970) 3-40

Arzt und Gesellschaft

Abgesehen von vielen anderen Ge- sichtspunkten, die für diese Ände- rung sprechen und auf die hier im einzelnen nicht eingegangen wer- den kann, sei nur darauf hingewie- sen, daß es an eine Verletzung der Berufsfreiheit grenzt, wenn man jun- gen Menschen, die zwar nicht den Numerus clausus bonus (aus sehr vielen und unterschiedlichen Grün- den) geschafft haben, aber eine in- nere Berufung und Hingabe zum medizinischen Beruf verspüren, den Weg hierzu versperrt. Hierbei erhebt sich die Frage, ob eine Nation, die der Gesundheit einen so hohen Rang und Stellenwert einräumt wie die unsrige, auf längere Sicht eine derartige Entwicklung hinnehmen kann.

Bei der komplizierten, diffizilen, aber zugleich sehr komplexen Mate- rie sollte es zunächst weniger darum gehen, den anderen von der Richtig- keit der eigenen Meinung zu über- zeugen, als vielmehr zu erfahren, warum der Gesprächspartner ande- rer Auffassung ist. Ohne Voreinge- nommenheit sollten wir wach und geduldig die Argumente des ande- ren auf uns wirken lassen, sie ge- geneinander abwägen und dann in die Waagschale der eigenen Mei- nungsbildung werfen. Denn die so- kratische These: „Niemand von uns besitzt die volle Wahrheit" hat im- mer noch Gültigkeit. Vielleicht wird es dann möglich sein, ausgestattet mit einem bestimmten Wissen, mit Erfahrungen, mit Unvoreingenom- menheit und Aufgeschlossenheit im Gespräch der Wahrheit näherzu- kommen. Hierbei wird nicht das

„Entweder-Oder", sondern das

„Und" als Bindevokabel zu prakti- zieren sein.

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. jur. Georg Wannagat Graf-Bernadotte-Platz 5 3500 Kassel-Wilhelmshöhe

Unordnung statt Neuordnung

Zu dem gleichnamigen Kommentar von Prof. Dr. med. Reinhard Aschenbrenner in Heft 25/1976, Seite 1655 (Untertitel: „Ein unzu- längliches Zulassungsverfahren für Arzneimittel") sowie zu dem Kommentar „Arzneimittelkommission — was sonst?" von Prof. Dr.

med. Walter Kreienberg in Heft 32/1976, Seite 2049

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 14. Juli

1977 1817

(2)

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-SOR (Metoprolol)

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?).S'ezeittelten etle, vectot ■s.

Welchen Hauptvorteil hat Lopresor?

Mehr Sicherheit, denn Lopresor schirmt selektiv das Herz gegen

unerwünschte, adrenergische Stimulation ab, praktisch ohne die Atmung zu beeinflussen.

Was läßt sich bei Angina pectoris erreichen?

Lopresor vermindert Zahl und Schwere der Schmerzattacken und erhöht die Belastbarkeit.

Was läßt sich bei Hypertonie erreichen?

Lopresor senkt den Blutdruck gleichmäßig im Stehen wie im Liegen. Auch bei Langzeitbehandlung hält die Wirkung zuverlässig an.

Zusammensetzung Metoprolol-tartrat

Lacktabletten (mit Bruchrille) mit 100 mg

Indikationen

Angina pectoris, Hypertonie.

Kontraindikationen .

AV-Block II. und III. Grades, nicht kompensierte Herz- insuffizienz.

Obgleich bisher keine nachteiligen Wirkungen beobachtet wurden, sollte LOPRESOR während der Schwangerschaft nicht verordnet werden.

Hypertonie

Initial 2mal täglich 1 Lacktablette LOPRESOR (2mal 100 mg). Diese Dosierung kann auch morgens als Einzelgabe verabreicht werden.

Zur Dauerbehandlung kann 1 Lacktablette LOPRESOR täglich als Erhaltungsdosis in vielen Fällen ausreichend sein.

Bei nicht genügendem blutdrucksenkenden Effekt kann die Dosis von LOPRESOR gesteigert werden; insbe- sondere empfiehlt sich die Kombination mit anderen blutdrucksenkenden Mitteln wie Saluretika oder gefäß- erweiternden Substanzen.

Die individuelle Ansprechbarkeit ist zu berücksichtigen.

und die Anwendung von LOPRESOR an eine besondere ärztliche Überwachung gebunden.

Die Behandlung mit )3-Rezeptorenhemmern kann die Symptome einer Hypoglykämie larvieren. Eine Anpassung der blutzuckersenkenden Behandlung kann daher — besonders bei labilem oder insulinabhängigem Diabetes — nötig sein.

Bei Überdosierung und starker Bradykardie wird die Gabe folgender Antidots empfohlen : Man gibt 1 mg Atropinsulfat i.v. und, wenn die Pulsfrequenz daraufhin nicht genügend ansteigt, ein f3-stimulierendes Sympathikomimetikum.

Handelsformen und Preise Originalpackung mit 30 Lacktabletten Originalpackung mit 100 Lacktabletten Klinikpackung

Nebenwirkungen

LOPRESOR wird gut vertragen.

Leichte Magen-Darm-Beschwerden und leichte Schlaf- störungen sind gelegentlich beobachtet worden.

Dosierung Angina pectoris

Im allgemeinen 2mal täglich 1 Lacktablette LOPRESOR (2mal 100 mg).

Besondere Hinweise

Infolge seiner Kardioselektivität kann LOPRESOR bei genügender Vorsicht auch Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen (wie z.B. Asthma bronchiale) gegeben werden, wenn gleichzeitig Bronchodilatatoren verabreicht werden; dabei ist deren Dosierung ggf. an- zupassen.

Bei Herzinsuffizienz ist eine ausreichende Digitalisierung (evtl. zusätzlich Gabe eines Saluretikums) erforderlich Lp3

DM 25,20 lt. AT DM 69,85 lt. AT

(3)

Kardioselektiver

[3-Rezeptorenhemmer

zur gezielten Behandlung von Angina pectoris

Hypertonie

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Arzneimittelgesetz

unzuverlässig die Vorhersagen sind.

Durch den Tierversuch können im gegenwärtigen Entwicklungsstand grundsätzlich nur Hypothesen auf- gestellt werden, die durch Beobach- tungen am Menschen bestätigt oder verworfen werden müssen. Irgend- welche für den Menschen relevan- ten Beweise können aufgrund von Tierversuchen nicht geführt werden.

Die Forderungen der „Arzneimittel- kommission" sind also Utopien.

Der Wirksamkeitsnachweis am Menschen

In dem Kommentar von Prof.

Aschenbrenner wird kritisch ver- merkt, daß Fertigarzneimittel, die sich bei Inkrafttreten des Gesetzes im Verkehr befinden, als zugelassen gelten, obwohl bisher nur für einen ganz kleinen Bruchteil dieser Arz- neimittel der Nachweis der Unbe- denklichkeit und Wirksamkeit er- bracht worden sei.

Tatsache ist, daß sich der Gesetzge- ber davon überzeugen mußte, daß es bislang kein Verfahren gibt, das die Unterscheidung zwischen wirk- samen und unwirksamen Arzneimit- teln erlaubt. Dieser Mangel kann auch durch legislative Kraftakte nicht behoben werden. Für die Mehrzahl der unumstrittenen Arz- neimittel wie Antibiotika, Tuberkulo- statika, Antimykotika, Antiepileptika, Spasmolytika, Hustenmittel usw.

gibt es bislang keinen Wirksamkeits- nachweis. Es wird sich in der Bun- desrepublik auch kein Arzt bereit finden, zum Beispiel die Wirksam- keit von Antibiotika bei Pneumonie, Sepsis, Meningitis, Peritonitis usw.

entsprechend den Forderungen von Prof. Aschenbrenner durch den Doppelblindversuch zu beweisen.

Für Antiepileptika fanden wir eine einzige kontrollierte klinische Stu- die, deren Wert mehr als fragwürdig ist. Welcher Nervenarzt würde bei Anfallskranken einen Doppelblind- versuch riskieren, d. h. die Hälfte seiner Patienten unbehandelt las- sen? Hier wie bei den meisten ande- ren Arzneimitteln erfolgt die Beurtei-

lung nur aufgrund „klinischer Ein- drücke", also zum Beispiel der Be- obachtung der Anfallshäufigkeit und des Gesamtbefindens der Patienten.

Diese Tatsachen hat die Arzneimit- telkommission in ihrer öffentlichen Kritik verschwiegen.

Es gibt gegenwärtig kein statisti- sches Verfahren, um die Wirksam- keit von Arzneimitteln unabhängig von der ärztlichen Beurteilung „ob- jektiv und allgemeingültig" bewei- sen zu können. Die der Methoden- lehre der klinischen Statistik ange- messenen Verfahren können in der Praxis bei behandlungsbedürftigen Erkrankungen nie korrekt durchge- führt werden. Zahlreiche Schwierig- keiten, die durch die konkreten klini- schen Verhältnisse bedingt sind, be- einflussen die Wahrscheinlichkeits- aussage so nachhaltig, daß die ein- zelnen Testergebnisse nur „Hinwei- se" ergeben, die aus dem Gesamt- zusammenhang beurteilt und be- wertet werden müssen.

Wir konnten nicht einen einzigen methodisch und ethisch einwand- freien kontrollierten klinischen Ver- such zum Nachweis der Wirksamkeit bei behandlungsbedürftigen Erkran- kungen finden. Weder das Bundes- ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit noch das Bundesge- sundheitsamt, noch die Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzte- schaft, noch die Medizinisch-phar- mazeutische Studiengesellschaft, noch die von uns befragten Herstel- lerfirmen und Wissenschaftler konn- ten nachprüfbare Unterlagen zur Verfügung stellen. Diese im Bundes- tagsausschuß viel diskutierte Sach- lage hat die Arzneimittelkommission ebenfalls verschwiegen.

Aufgrund der Tatsache, daß mit sta- tistischen Mitteln immer nur Ergeb- nisse mit sehr beschränkter Aussage erzielt werden können, mußten meh- rere Sachverständige— bis heute un- widersprochen — darlegen, daß Arz- neimittel nur aufgrund von Ent- scheidungsverfahren im Sinne der Entscheidungstheorie beurteilt wer- den können. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in der Erläuterung ausdrücklich betont, daß der Wirk-

samkeitsnachweis entscheidungs- theoretisch zu erbringen sei.

Diese Aussage entspricht exakt dem Selbstverständnis der mathemati- schen Statistik. Neyman — der maß- gebliche Mitbegründer der heutigen Testtheorie — verstand die Statistik nicht als Erkenntnisinstrument, son- dern als Entscheidungsverfahren, das den Erkenntnisvorgang besten- falls durch Ordnung und Strukturie- rung von Fakten vorbereiten kann.

Es ist schlicht eine Mystifikation, zu behaupten, mit Hilfe statistischer Verfahren (wie z. B. durch den con- trolled clinical trial) ließe sich die

„Wirksamkeit von Arzneimitteln"

nachweisen, gar noch objektiv und allgemeingültig. Mit Hilfe statisti- scher Verfahren allein können we- der Erkenntnisse gewonnen noch Beweise geführt werden. Diese Ver- fahren sind Instrumente der ärztli- chen Urteilsbildung, aber nicht Techniken zur Produktion von Wahrheiten.

Wenn aber die Annahme oder Ab- lehnung von Arzneimitteln auf der Grundlage vielfältiger ärztlicher und wissenschaftlicher Überlegungen erfolgt, müssen diese Entscheidun- gen von Ärzten getroffen werden, die dazu legitimiert sind. Da diese Legitimation weder für das Bundes- gesundheitsamt noch für die Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gegeben ist, hat der Ge- setzgeber Zulassungskommissionen vorgesehen, die durch Nominierung aus den ärztlichen Fachgesellschaf- ten gebildet werden und dadurch ihre Legitimation erhalten. Damit ist die Entscheidung über Arzneimittel entsprechend dem Verfassungsauf- trag in die Selbstverwaltung der Ärz- teschaft gegeben.

Prof. Dr. Herbert Hensel Institut für Physiologie

der Universität Marburg (Lahn) Deutschhausstraße 2

3550 Marburg

Privatdozent Dr. Gerhard Kienle GaW Institut für klinische Pharmakologie

Gemeinnütziges

Gemeinschaftskrankenhaus 5804 Herdecke

1820 Heft 28 vom 14. Juli 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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