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ein schaTZBehälTnis für das WorT goTTes

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k a P i t e l 407

Jo ha nn es P om m er an z

Der Codex Aureus Epternacensis

ein schaTZBehälTnis für das WorT goTTes

Das Buch ist ein Wunder. Jedes Zeichen, jedes Wort und jedes Bild in diesem prachtvollen Evangeliar birgt in sich Zeichen der Gnade Gottes, der Aufer- stehung des Herrn und damit der Erlösung des Menschen von dem Bösen.

Das Wort Gottes, dessen Logik und innere Wahrheit findet hier ein wahrhaft herrschaftliches Zuhause. So besiegt nicht nur Jesus Christus den Tod. Auch die in dem Evangelienbuch materialisierte Kunst überwindet die Zeit und wird als Werk selbst zu einem Symbol der Erlösung. Heute zählt das Goldene Evangelienbuch von Echternach zu Recht zu den bekanntesten seiner Art weltweit und besitzt als Meisterwerk ottonisch-salischer Buchkunst innerhalb des umfangreichen Mittelalterbestands des Germanischen Nationalmuseums Alleinstellungscharakter.1

Seinen Namen erhielt das Werk nach der Abtei Echternach, in der es bis zum Jahr 1794 aufbewahrt wurde. Aus der historischen Zeit der Handschrift haben sich keine urkundlichen Belege erhalten, die über die näheren Umstände ihrer Entstehung Aufschluss geben könnten. Gleichwohl haben zahlreiche Wissenschaftler, insbesondere Kunsthistoriker, eine große Menge von häufig

Kat. 3.22 B-Initiale. Codex Aureus Epternacensis, um 1030, fol. 4r, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum 406

Originalveröffentlichung in: Monster: fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik ; Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg vom 7. Mai bis 6. September 2015. Nürnberg 2015, S. 406-409 (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg).

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Der Codex Aureus Epternacensis

ein schaTZBehälTnis für das WorT goTTes

Das Buch ist ein Wunder. Jedes Zeichen, jedes Wort und jedes Bild in diesem prachtvollen Evangeliar birgt in sich Zeichen der Gnade Gottes, der Aufer- stehung des Herrn und damit der Erlösung des Menschen von dem Bösen.

Das Wort Gottes, dessen Logik und innere Wahrheit findet hier ein wahrhaft herrschaftliches Zuhause. So besiegt nicht nur Jesus Christus den Tod. Auch die in dem Evangelienbuch materialisierte Kunst überwindet die Zeit und wird als Werk selbst zu einem Symbol der Erlösung. Heute zählt das Goldene Evangelienbuch von Echternach zu Recht zu den bekanntesten seiner Art weltweit und besitzt als Meisterwerk ottonisch-salischer Buchkunst innerhalb des umfangreichen Mittelalterbestands des Germanischen Nationalmuseums Alleinstellungscharakter.1

Seinen Namen erhielt das Werk nach der Abtei Echternach, in der es bis zum Jahr 1794 aufbewahrt wurde. Aus der historischen Zeit der Handschrift haben sich keine urkundlichen Belege erhalten, die über die näheren Umstände ihrer Entstehung Aufschluss geben könnten. Gleichwohl haben zahlreiche Wissenschaftler, insbesondere Kunsthistoriker, eine große Menge von häufig

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überzeugenden Indizienbeweisen aufgeführt:2 Den in Treibarbeit als Goldreliefs ausgeführten Personendarstellungen zufolge entstand der Prunkeinband zwischen 983 und 991 im Auftrag Kaiserin Theophanus (um 960–991) und ihres Sohnes Ottos III. (980–1002) als Geschenk an die Reichsabtei Echter- nach. Vor allem der feine Emaildekor lässt eine Trierer Arbeit vermuten. Seit den Untersuchungen Carl Nordenfalks ist bekannt, dass Einband und Hand- schrift aus unterschiedlichen Zeiten stammen.3 Die Datierungsvorschläge für die Handschrift schwanken zwischen Ende der 1020er und Mitte der 1050er Jahre. Alle Interpreten sind sich allerdings darüber einig, dass die Entstehung des Manuskripts in Zusammenhang mit drei großen illustrierten Kodizes zu sehen ist, die im Echternacher Skriptorium für Kaiser Heinrich III. (1017–1056) zwischen 1039 und 1056 geschaffen wurden. Da der Codex Aureus weder Herrscherbilder noch Dedikationsverse aufweist, wurde er offenbar weder von einem geistlichen Fürsten noch einem weltlichen Herrscher in Auftrag gege- ben, sondern von den Mönchen selbst genutzt. Die Bild- und Zierseiten sind Schöpfungen eines Künstlerkollektivs. Eine exakte Händescheidung erlauben die zahlreichen Übermalungen nicht.4 Soweit die Indizien.

Monster begegnen uns im Epternacensis vor allem in Form von Drachen.

Die Rankenverschlingungen der großen B-Initiale (Kat. 3.22) zu Beginn der Vorrede des heiligen Hieronymus (fol. 4r) und der Initiale „L(iber)“ zum Matthäus-Evangelium (fol. 22r) münden in Feuer oder Blattwerk speiende Drachenköpfe: ein Motiv nordischen Ursprungs, das sich in angelsächsisch beeinflussten Darstellungen wiederholt. Ferner schmückt ein Drache eine kleine Zierversalie aus dem Johannes-Evangelium (fol. 120v). Die Radikali- tät des Todes und die Konsequenzen der Sünde symbolisieren Monster in

Teufelsgestalt, die wir auch schon an anderer Stelle gesehen haben (fol. 78r).

Selbst die Figurenmuster der Teppichseiten zum Markus-Evangelium (fol.

51v/52r), die in unendlichem Rapport in parallelen Reihen Greifen mit anderen Tieren wechselnd zeigen, kennen wir ähnlich von byzantinischen Seidenstoffen.

Über die Gestalt des Wilden Mannes auf dem Deckel, der als auffallend groß gebauter Einzelgänger mit einer langen Lanze Vögeln nachstellt, ist man dage- gen einigermaßen erstaunt. Die ganze Szenerie spielt vor einem Wald prospekt, dessen üppiges Blattwerk, eine antike Tradition aufgreifend, von einem vogel- artigen Fabelwesen am linken Bildrand belebt wird. Im Zusammenhang mit den Heiligen und der Kreuzigungsszene, die den Prunkdeckel dominieren, wirkt er wie ein Fremdkörper.5 Klar ist, dass das silbergegossene Metallrelief ein ver- lorengegangenes Edelsteinfeld am rechten unteren Deckelrand ersetzt. Unklar ist dagegen, ob das um 1400 entstandene Relief für den Deckel gefertigt worden ist. Wilde Leute galten im Spätmittelalter noch weitgehend als laster- haft und gottesfern.6 Gleichwohl lässt sich bereits im Verlauf des 15. Jahrhun- derts, und zwar zunächst an Bildwerken, ein grundlegender Bedeutungswandel hinsichtlich der Wilden Leute festmachen. Der Echternacher Codex scheint dafür ein frühes Beispiel zu liefern.

1 Zu Provenienz und Erwerbung durch das Germanische Nationalmuseum vgl. v.a. Rücker 1982, S. 13–16, Kahsnitz 1982, S. 94–97 und Grebe 2007, S. 16–23.

2 Die ältere Literatur bei Kahsnitz 1982, S. 94–120; zu den Miniaturen siehe Grebe 2007; der technologische Befund bei Oltrogge/Fuchs 2009.

3 Vgl. Nordenfalk 1932, S. 153–157. Wohl entstand der Einband erst 992/993; vgl. Pommeranz 2015 4 Vgl. Grebe 2007, S. 108–117 und Oltrogge/Fuchs 2009, bes. S. 12–50.

5 Abgebildet und besprochen bei Kahsnitz 1982, S. 152, Abb. 118 und S. 153.

6 Vgl. Mohrland 2013, S. 218, 219 sowie den Beitrag von G. Ulrich Großmann in diesem Band.

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überzeugenden Indizienbeweisen aufgeführt:2 Den in Treibarbeit als Goldreliefs ausgeführten Personendarstellungen zufolge entstand der Prunkeinband zwischen 983 und 991 im Auftrag Kaiserin Theophanus (um 960–991) und ihres Sohnes Ottos III. (980–1002) als Geschenk an die Reichsabtei Echter- nach. Vor allem der feine Emaildekor lässt eine Trierer Arbeit vermuten. Seit den Untersuchungen Carl Nordenfalks ist bekannt, dass Einband und Hand- schrift aus unterschiedlichen Zeiten stammen.3 Die Datierungsvorschläge für die Handschrift schwanken zwischen Ende der 1020er und Mitte der 1050er Jahre. Alle Interpreten sind sich allerdings darüber einig, dass die Entstehung des Manuskripts in Zusammenhang mit drei großen illustrierten Kodizes zu sehen ist, die im Echternacher Skriptorium für Kaiser Heinrich III. (1017–1056) zwischen 1039 und 1056 geschaffen wurden. Da der Codex Aureus weder Herrscherbilder noch Dedikationsverse aufweist, wurde er offenbar weder von einem geistlichen Fürsten noch einem weltlichen Herrscher in Auftrag gege- ben, sondern von den Mönchen selbst genutzt. Die Bild- und Zierseiten sind Schöpfungen eines Künstlerkollektivs. Eine exakte Händescheidung erlauben die zahlreichen Übermalungen nicht.4 Soweit die Indizien.

Monster begegnen uns im Epternacensis vor allem in Form von Drachen.

Die Rankenverschlingungen der großen B-Initiale (Kat. 3.22) zu Beginn der Vorrede des heiligen Hieronymus (fol. 4r) und der Initiale „L(iber)“ zum Matthäus-Evangelium (fol. 22r) münden in Feuer oder Blattwerk speiende Drachenköpfe: ein Motiv nordischen Ursprungs, das sich in angelsächsisch beeinflussten Darstellungen wiederholt. Ferner schmückt ein Drache eine kleine Zierversalie aus dem Johannes-Evangelium (fol. 120v). Die Radikali- tät des Todes und die Konsequenzen der Sünde symbolisieren Monster in

Teufelsgestalt, die wir auch schon an anderer Stelle gesehen haben (fol. 78r).

Selbst die Figurenmuster der Teppichseiten zum Markus-Evangelium (fol.

51v/52r), die in unendlichem Rapport in parallelen Reihen Greifen mit anderen Tieren wechselnd zeigen, kennen wir ähnlich von byzantinischen Seidenstoffen.

Über die Gestalt des Wilden Mannes auf dem Deckel, der als auffallend groß gebauter Einzelgänger mit einer langen Lanze Vögeln nachstellt, ist man dage- gen einigermaßen erstaunt. Die ganze Szenerie spielt vor einem Wald prospekt, dessen üppiges Blattwerk, eine antike Tradition aufgreifend, von einem vogel- artigen Fabelwesen am linken Bildrand belebt wird. Im Zusammenhang mit den Heiligen und der Kreuzigungsszene, die den Prunkdeckel dominieren, wirkt er wie ein Fremdkörper.5 Klar ist, dass das silbergegossene Metallrelief ein ver- lorengegangenes Edelsteinfeld am rechten unteren Deckelrand ersetzt. Unklar ist dagegen, ob das um 1400 entstandene Relief für den Deckel gefertigt worden ist. Wilde Leute galten im Spätmittelalter noch weitgehend als laster- haft und gottesfern.6 Gleichwohl lässt sich bereits im Verlauf des 15. Jahrhun- derts, und zwar zunächst an Bildwerken, ein grundlegender Bedeutungswandel hinsichtlich der Wilden Leute festmachen. Der Echternacher Codex scheint dafür ein frühes Beispiel zu liefern.

1 Zu Provenienz und Erwerbung durch das Germanische Nationalmuseum vgl. v.a. Rücker 1982, S. 13–16, Kahsnitz 1982, S. 94–97 und Grebe 2007, S. 16–23.

2 Die ältere Literatur bei Kahsnitz 1982, S. 94–120; zu den Miniaturen siehe Grebe 2007; der technologische Befund bei Oltrogge/Fuchs 2009.

3 Vgl. Nordenfalk 1932, S. 153–157. Wohl entstand der Einband erst 992/993; vgl. Pommeranz 2015 4 Vgl. Grebe 2007, S. 108–117 und Oltrogge/Fuchs 2009, bes. S. 12–50.

5 Abgebildet und besprochen bei Kahsnitz 1982, S. 152, Abb. 118 und S. 153.

6 Vgl. Mohrland 2013, S. 218, 219 sowie den Beitrag von G. Ulrich Großmann in diesem Band.

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