A 2166 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 44|
2. November 2012MEDIZINSTUDIUM
Fakultät in Oldenburg eröffnet
Erstmals seit fast 20 Jahren ist in Deutschland wieder eine medizinische
Fakultät gegründet worden. Die Ausbildung findet in einer grenzüberschreitenden Kooperation mit dem niederländischen Groningen statt.
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oritz Knemeyer (22) ist ein- fach nur froh. Endlich hat er einen Medizinstudienplatz. Mit ei- ner Abiturnote von 2,1 ist das kei- neswegs eine Selbstverständlich- keit. Er gehört zu den ersten Studie- renden, die sich im Oktober an der neu gegründeten medizinischen Fa- kultät im niedersächsischen Olden- burg eingeschrieben haben. Damit ist erstmals seit fast 20 Jahren in Deutschland wieder eine medizini- sche Fakultät eröffnet worden. Eine weitere Besonderheit: Der Unter- richt findet im Rahmen der neuen„European Medical School“ statt.
Diese länderübergreifende Struktur sei „einzigartig in Europa“, sagte Prof. Dr. med. Babette Simon, Prä- sidentin der Universität, bei der Er- öffnungsfeier am 23. Oktober.
Der europäische Ansatz hat Mo- ritz Knemeyer überzeugt, genau wie das gesamte Curriculum. In dem Modellstudiengang findet ab dem ersten Semester Unterricht an Patienten statt. Früh sollen die Stu- denten in Hausarztpraxen Erfahrun- gen sammeln. So hatte Knemeyer
ganz bewusst Oldenburg als erste Präferenz bei seiner Bewerbung an- gegeben. Reingerutscht ist er nun über das Auswahlverfahren der Hochschule, nach der die Oldenbur- ger Fakultät 60 Prozent der Studie- renden auswählt. Wert gelegt wird dabei auf Kommunikationsfähig- keiten, nicht nur auf die Abiturnote.
„Ich hatte hier die besten Chancen“, sagt Knemeyer. Nach der Schule hat er eine Ausbildung zum Ret- tungsassistenten absolviert. Auch das wirkte sich positiv aus.
In Oldenburg will man in der Ausbildung neue Wege gehen. Al- lerdings mussten die Initiatoren – darunter Prof. Dr. med. Hans-Ru- dolf Raab, Klinikum Oldenburg, und Gründungsdekan Prof. Dr. med.
Eckhart G. Hahn – Überzeugungs- arbeit leisten. Gegen das Projekt gab es Vorurteile. Kritiker fürchteten, mit der Kooperation könne durch die Hintertür ein Bachelor-/Master- abschluss eingeführt werden. Nun steht fest: Die Oldenburger Studie- renden erwerben das deutsche Staatsexamen. Sie können zusätz-
lich den niederländischen Mas ter absolvieren. Ein kleiner Teil hat die Möglichkeit, den niederländischen Bachelor zu machen. Der ist aber nicht berufsqualifizierend für Ärzte.
Die Erwartungen an die neue Fa- kultät sind hoch. Das Land Nieder- sachsen stellt bis 2015 etwa 58 Mil- lionen Euro zur Verfügung. Die Hoffnung: Der in Oldenburg ausge- bildete ärztliche Nachwuchs soll im Nordwesten bleiben. Allein mit der Gründung einer Fakultät ist es aber nicht getan. Darauf wies Prof. Dr.
med. Dieter Bitter-Suermann, Me- dizinische Hochschule Hannover, hin. Wichtig sei, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen familien- freundlich seien. „Sonst werden die Studenten wieder abwandern, wie aus anderen Regionen auch“, mahnte er. Dr. med. Martina Wen- ker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, zeigte sich überzeugt, dass das Oldenbur- ger Konzept die Studierenden zu ei- ner ärztlichen Tätigkeit motiviert.
Mit dem frühen Praxisbezug könn- ten sie „im ärztlichen Alltag erle- ben, wie schön unser Beruf ist“.
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Dr. med. Birgit Hibbeler
Die Universität Oldenburg hat eine Fakultät für Medizin und Gesundheitswissenschaften gegründet. Zum Winter- semester 2012/13 haben sich 40 Studierende für Human - medizin eingeschrieben. Die Ausbildung findet an der ebenfalls neuen „European Medical School“ statt – einer Kooperation mit der Universität Groningen, Niederlande.
Die Studierenden in Oldenburg erwerben das deutsche Staatsexamen. Die Zulassung läuft über die ZVS-Nach- folgeorganisation Stiftung Hochschulstart. Es handelt sich um einen Modellstudiengang. Forschungsschwerpunkte werden die Neurosensorik und die Versorgungsforschung sein. www.uni-oldenburg.de/medizin.
EUROPEAN MEDICAL SCHOOL
40 Erstsemester studieren seit Anfang Oktober im nieder- sächsischen Olden- burg Medizin.
Foto: Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG/Torsten von Reeken