• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ärzteblatt-Workshop zur Arzneimittelforschung: Wie Industrie und Universitäten von Kooperationen profitieren" (02.11.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ärzteblatt-Workshop zur Arzneimittelforschung: Wie Industrie und Universitäten von Kooperationen profitieren" (02.11.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 2190 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 44

|

2. November 2012

ÄRZTEBLATT-WORKSHOP ZUR ARZNEIMITTELFORSCHUNG

Wie Industrie und Universitäten von Kooperationen profitieren

Die Entwicklung von neuen Medikamenten wird zunehmend aufwendiger und teurer.

Für die Pharmaindustrie bedeutet dies, dass sie neue Lösungen für die Forschung finden muss – sowohl methodisch als auch bei der Finanzierung.

W

ill man ein neues Arzneimit- tel entwickeln, braucht man einen langen Atem: Zwischen 15 und 20 Jahre dauert es, um von der Idee für ein Medikament bis zum Abschluss der Phase-III-Studien und damit zur Markteinführung zu kom- men. Die langen Entwicklungszei- ten, mehr Auflagen und strengere Regularien machen die Pharmafor- schung teurer und aufwendiger.

„Die Industrie investiert heute dreimal so viel wie vor zehn Jahren, um weniger als halb so viele neue Medikamente zu entwickeln“, er- klärte Prof. Jeffrey D. Rothstein, Direktor des Hirnforschungsinsti- tuts an der Johns-Hopkins-Universi- tät in Baltimore, USA, auf dem diesjährigen World Health Summit.

Mit Kollegen aus Forschung und Industrie diskutierte er im Rahmen eines Symposiums, das gemeinsam vom Deutschen Ärzteblatt, der Johns

Hopkins School of Public Health und der M8-Alliance veranstaltet wurde, die Frage „Woher kommen neue Arzneimittel?“.

Prof. Yik-Ying Teo vom Institut für Biostatistik an der Nationalen Universität Singapur beschrieb, wie mit Hilfe bioinformatischer Analy- sen die Entwicklungszeit um meh- rere Jahre verkürzt werden könnte.

Dabei macht man sich vor allem be- kannte genetische und biologische Erkenntnisse zunutze. „Hat sich ein Hersteller dafür entschieden, ein Medikament gegen eine bestimmte Erkrankung zu entwickeln, ist es über bioinformatische Analysen möglich, potenzielle Angriffspunk- te für Arzneimittel zu finden“, er- klärte Teo in Berlin.

Das heißt: Ist der Mechanismus einer Krankheit bekannt, können über bioinformatische Algorithmen Erbinformationen und der struktu-

relle Aufbau der beteiligten Mole- küle analysiert werden. So lassen sich mögliche Zielorte für Wirk- stoffe ermitteln. Auch die benötig- ten chemischen und biologischen Eigenschaften eines passgenauen Wirkstoffs lassen sich auf diesem Weg vorhersagen oder eingrenzen.

„Diese Analysen verkürzen die Zeit, bis man einen geeigneten Wirkstoff gefunden hat, deutlich“, betonte Teo.

Mehr Zeit lässt sich jedoch bei den klinischen Studien einsparen.

„Wir wissen, dass Patienten auf- grund von genetischen Variationen unterschiedlich gut auf Medika- mente ansprechen“, erklärte der Bioinformatiker. Diese Variationen seien zwischen Mitgliedern einer Bevölkerungsgruppe meist nicht gravierend, aber zwischen verschie- denen Völkern könnten die Unter- schiede erheblich sein. Beispiels- weise benötigten Inder im Ver- gleich zu Chinesen eine um 70 Pro- zent höhere Dosis des Wirkstoffs Warfarin – einem Antikoagulanz, bei dem die Dosierung essenziell ist –, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

Entwicklungszeit von 18 Jahren auf neun verkürzen

Über genetische Analysen könne man so zum Teil im Vorfeld einer klinischen Studie Bevölkerungs- gruppen identifizieren, die beson- ders gut auf das neue Medikament ansprächen, sagte Teo. „Das kann den Entwicklungsprozess deutlich beschleunigen.“

Seiner Einschätzung nach ist es durch die methodische Umstellung auf bioinformatische Analysen möglich, die Zeit für die Entwick- lung eines neuen Arzneimittels von durchschnittlich 18 Jahren auf acht In angeregter Dis-

kussion mit dem Publikum (von links) Eu Leong Yong (Na- tional University of Singapore), Phillip H.

Phan (Johns Hopkins Carey Business School), Vera Zylka- Menhorn (Deutsches Ärzteblatt), Joseph M. Jasinski (IBM Re- search New York) und Yik-Ying Teo (Na- tional University of Singapore)

W O R L D H E A L T H S U M M I T

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 44

|

2. November 2012 A 2191 Während die Gäste des World Health Summit am

Abend des zweiten Konferenztages zum festlichen Empfang geladen waren, kamen in der nahen Berli- ner „Kalkscheune“ die Kritiker der Veranstaltung zu- sammen. Zum „kritischen Einspruch“ eingeladen hatte die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico international, die vorab einräumte, dass die Organisatoren des Gesundheitsgipfels aus den De- batten der vergangenen Jahre gelernt haben. Den- noch wies Medico international auf grundsätzliche Fragen hin: „Betrachten wir Gesundheit als wirt- schaftliche Wachstumsbranche, die nun auch global in den Wettbewerb tritt und in der die Gewinnmaxi- mierung im Mittelpunkt steht?“ Erneut traf auch die starke Präsenz von Unternehmen und „Philantro - kapitalisten wie Bill Gates“ auf Widerspruch.

Die Konzeption des Gipfels zeige, „was ge- meinhin mit der Krise der Demokratie gemeint ist“, erläuterte Medico-Geschäftsführer Thomas Gebauer. „Hier finden sich die Vertreter von oben zusammen, um über Probleme des Gesundheits- wesens zu diskutieren“, sagte er vor 200 Gästen.

Es stelle sich die Frage, „ob wir eine Welt wollen, die vom Business bestimmt wird oder von Men- schenrechten und Solidarität“. Ähnlich äußerte sich Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritäti- schen Gesamtverbandes. Der „medizinisch-in- dustrielle Komplex“ auf dem Gesundheitsgipfel ziele darauf ab, möglichst das ganze Feld der Ge- sundheit nach der Logik von Tausch und Markt zu gestalten. Präventive und sozialmedizinische An- sätze passten da nicht hinein. hneu

„KRITISCHER EINSPRUCH“ AM RANDE

bis neun zu verkürzen. Schon heute würden deshalb viele Pharmaher- steller verstärkt solche Analysen für die Medikamentenentwicklung ein- setzen.

Rothstein sieht in den For- schungsproblemen der Pharmain- dustrie vor allem eine Chance für Universitäten und Forschungsinsti- tute: „Mitte der 1990er Jahre ka- men in den Vereinigten Staaten we- niger als zehn neue Medikamente aus einer akademischen For- schungseinrichtung. 2012 sind es schon um die 80.“ Partnerschaften zwischen der Industrie und spezia- lisierten Forschungseinrichtungen sind für den Neurologen der Schlüssel, um aus dem Dilemma herauszukommen, dass neue Medi- kamente dringend gebraucht, aber von der Industrie immer weniger entwickelt würden.

Beispiel für eine solche Koope- ration ist das Brain Science Institute (BSI) der Johns-Hopkins-Universi- tät: Das BSI wurde gegründet, um Ergebnisse der Grundlagenfor- schung schneller für die Patienten verfügbar zu machen – also als Mo- dell für translationale Forschung.

2010 startete das Institut eine

„Wirkstoff-Entwicklungs-Initiative“.

Darin arbeiten 20 Wissenschaftler aus der Pharmaindustrie mit mehr als 400 Hirnforschern der Johns- Hopkins-Universität (JHU) zusam- men. Die Forscher der JHU helfen

dabei, neue Ziele für Wirkstoffe zu identifizieren. Das BSI beurteilt dann, welches sich für die weitere Entwicklung eignet und führt ent- sprechende Analysen durch. Das Institut treibt die Entwicklung so weit voran, bis es einen geeigneten Wirkstoff vorliegen hat. Dieser wird dann in klinischen Studien er- probt. Dabei greift das BSI wieder auf die Expertise der JHU-Wissen- schaftler zurück, die mit dem klini- schen Betrieb vertrauter und in der Durchführung von Studien versier- ter sind.

Mittlerweile gibt es vier Projekte am BSI, die sich mit der Entwick- lung konkreter Wirkstoffe beschäf- tigen. Diese finanzieren sich aus un- terschiedlichsten Quellen: Stiftun- gen, Kooperationen mit der Industrie und öffentlichen Gelder. Ein Bei- spiel ist die Zusammenarbeit mit dem Pharmahersteller Eisai bei der Entwicklung eines Glutamat-Kar- boxypeptidase-II(GCPII)-Inhibitors, der bei peripherer Neuropathie, Alzheimer und weiteren neurodege- nerativen Erkrankungen zum Ein- satz kommen soll. Eisai stellt dem BSI ein Verfahren für die Herstel- lung von GCPII-Inhibitoren zur Verfügung. Im Gegenzug erhält der Pharmakonzern die Option, als ers- ter den Wirkstoff zu lizenzieren.

Die akademische Forschungs- umgebung hat für Rothstein einige Vorteile. Die Wissenschaftler sind

sehr viel tiefer mit der Materie und den Details der zu behandelnden Krankheit vertraut, als es die Ent- wicklungsabteilung eines Pharma- konzerns sein könnte. Die Zusam- menarbeit mit den Kliniken ist bes- ser, und die Forscher stehen unter deutlich geringerem Zeitdruck, als es in der Industrie üblich ist. „Dafür fällt es ihnen schwerer, Finanzmit- tel aufzutreiben“, erklärte Rothstein beim Workshop.

Heikel: Veröffentlichung von patentierbaren Ergebnissen

Forscher sind abhängig von öffent- lichen Geldern oder Stiftungen.

Auch spielt die Entwicklung eines in der Praxis verwendbaren Arznei- mittels oder einer Therapie in der Wissenschaft nur eine untergeord- nete Rolle. Entscheidend sind hier eher Veröffentlichungen von For- schungsergebnissen in möglichst renommierten Zeitschriften – was gerade, wenn es sich um patentier- bare Ergebnisse handelt, zu Proble- men führen kann. „Hier können akademische Forschung und Indus- trie voneinander profitieren“, sagte der Neurologe.

Dass solche Kooperationen nicht mehr nur Einzelfälle sind, zeigt sich an der zunehmenden Anzahl akade- mischer Institute, die sich auf die Arzneimittelforschung spezialisiert haben. „In den Vereinigten Staaten hat sich die Zahl dieser Institute in den letzten zehn Jahren fast ver- fünffacht“, stellte Rothstein fest.

Dr. rer. nat. Marc Meißner Jeffrey Rothstein,

Direktor des Johns Hopkins University School of Medicine Brain Science Insti- tute, Baltimore

Fotos: Steffen Kugler

W O R L D H E A L T H S U M M I T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Müller (36), Facharzt für Orthopädie, seit Oktober 2003 Leitender Oberarzt an der Orthopädischen Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maxi- milians-Universität München, ist auf

Während die Us-amerikanischen studieren- den forschungsaufenthalte an unterschiedli- chen instituten der TU Graz und Uni Graz (über NaWi Graz) absolvieren, können TU Graz- und

Gebhard von Jagow, ehemali- ger ordentlicher Professor für Biochemie an der Ludwig- Maximilians-Universität Mün- chen und ab 1988 Inhaber einer C-4-Professur für the-

Da Radios, die nur über einen Sender verfügen, keine großen Gebiete be- strahlen können, würden sich die Universitäten als Stand- orte bestens eignen.. So er- hielten alle

Von 1978 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1989 war er Direktor der Medi- zinischen Klinik Bergmanns- heil Bochum und Ordinarius für Innere Medizin an der Ruhr-Universität Bochum..

Sieg- fried Borelli (79), ehemaliger Direktor der Klinik und Poli- klinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München, emeritierter

Chri- stoph Andree, leitender Ober- arzt der Abteilung für Plasti- sche und Handchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg, hat sich an der Medizini- schen Fakultät der

Norbert Graf, Direktor der Abteilung für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Universitäts- klinikums des Saarlandes, Homburg/Saar, wurde in das Editorial Board der