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Archiv "Legionelleninfektionen in Warstein: Größter Ausbruch in Deutschland" (20.09.2013)

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A 1736 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 38

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20. September 2013

LEGIONELLENINFEKTIONEN IN WARSTEIN

Größter Ausbruch in Deutschland

Mehr als 160 Legionellen-Pneumonien mit teilweise schweren Verläufen:

Die Ursachen für den Ausbruch sind bislang noch nicht geklärt.

E

s ist dem raschen Informati- onsaustausch über Infektions- krankheiten auch über Ländergren- zen hinweg zu verdanken, dass ein Arzt in Schweden seine an Pneu- monie erkrankte Patientin auf Le- gionellen testen ließ. Der Befund war positiv, die Patientin konnte zeitnah mit einem bei Legionellen wirksamen Antibiotikum behandelt werden. Kurz zuvor hatte sie War- stein besucht.

Die Stadt liegt am Nordrand des Sauerlands und hat circa 25 000 Einwohner. Warstein an der Wäster ist Ausgangspunkt des bislang größ- ten in Deutschland bekanntgewor- denen Legionellenausbruchs. Auch fünf Wochen nach Beginn war nicht klar, ob der Ausbruch komplett ge- stoppt ist.

Seit dem 9. August hatten sich in Warstein Fälle von Pneumonie gehäuft (Grafik). Bis Redaktions- schluss (13. September) hat es 165 Erkrankungen gegeben, davon zwölf intensivpflichtige. Zwei männli-

che Patienten, 47 und 53 Jahre alt, starben zu Beginn des Ausbruchs, ein weiterer Todesfall könnte mit dem Ausbruch in Zusammenhang stehen. Ursache sind Infektionen mit Legionella pneumophila der Serogruppe 1.

Frühe Therapie senkt Letalität Es ist der drittgrößte in Europa be- kanntgewordene Ausbruch. 1999 er- krankten auf einer Gartenschau bei Hoorn in den Niederlanden 188 Per- sonen an Legionelleninfektionen. Im spanischen Murcia traten im Som- mer 2001 vermutlich mehr als 800 Erkrankungen auf, 449 waren la - bordiagnostisch gesichert (1). Ende 2003/Anfang 2004 gab es im franzö- sischen Departement Pas-de-Calais mindestens 86 Fälle von Legionel- len-Pneumonie, 18 Patienten star- ben. 2009/2010 kam es in der Regi- on um Ulm zu einem Ausbruch mit 64 gesicherten Legionellen-Pneu- monien, fünf Patienten starben. Die Mortalität von 7,8 Prozent lag im üb-

lichen Bereich in Deutschland und Europa: sieben bis 15 Prozent (2).

Während Einzelinfektionen oft auf Hausinstallationen für Belüftung oder Warmwasserversorgung zu- rückgehen, waren bei größeren Aus- brüchen Whirlpools (Niederlande) und Rückkühlwerke auf Gebäude- dächern (bei den übrigen) Infekti- onsquellen: Über die Abluft verbrei- ten sich kontaminierte Aerosole je nach Windverhältnissen auch über mehrere Kilometer. In Warstein war die Rückkühlanlage eines Rohrher- stellers offenbar ebenfalls Teil des Ge- schehens. Dort wurden erhöhte Le- gionellenkonzentrationen (>100 000 Kolonien-bildende Einheiten [KBE]/

100 ml) festgestellt und der domi- nierende Stamm vom Konsiliarlabor für Legionellen an der TU Dresden feintypisiert. Sie waren identisch mit Isolaten von Patienten, teilte der Kreis Soest mit. Woher aber die ho- he Keimbelastung?

Bei der Spurensuche hat das Ge- sundheitsamt des Kreises Soest das

GRAFIK

Entwicklung der Legionellen- Pneumonien in

Warstein: Am 6. September trat die letzte Neuer- krankung auf.

Ein Großteil der Fälle (n = 94 am 13. September) ist labordiagnostisch bestätigt.

Zahl der Neuerkrankungen an Legionellen-Pneumonien (Stand 13.09.2013 ) 16

14

12

10

8

6

4

2

0

1. 8. 2. 8. 3. 8. 4. 8. 5. 8. 6. 8. 7. 8. 8. 8. 9. 8. 10. 8. 11. 8. 12. 8. 13. 8. 14. 8. 15. 8. 16. 8. 17. 8. 18. 8. 19. 8. 20. 8. 21. 8. 22. 8. 23. 8. 24. 8. 25. 8. 26. 8. 27. 8. 28. 8. 29. 8. 30. 8. 31. 8. 1. 9. 2. 9. 3. 9. 4. 9. 5. 9. 6. 9. 7. 9. 8. 9. 9. 9. 10. 9.

davon ohne Nachweis davon mit Nachweis

Quelle: Kreis Soest

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Deutsches Ärzteblatt

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20. September 2013 A 1737 Institut für Hygiene und Öffentliche

Gesundheit der Universität Bonn um Unterstützung gebeten. Die kommu- nale Kläranlage war sehr hoch belas- tet: „Aus dem Belebungsbecken ha- ben wir Proben entnommen, die mehr als zwei Millionen Legionellen pro 100 ml enthielten“, sagte Prof.

Dr. med. Martin Exner, Leiter des In- stituts, im Gespräch mit dem Deut- schen Ärzteblatt. Zwar gab es bis- lang für Kläranlagen keine Grenz- werte, weil Trinkwasser separat auf- bereitet wird. Bei Trinkwasser ver- wendenden Einrichtungen sind, je nach Risiko, bei Werten von mehr als 100 oder über 1 000 KBE/100 ml Sa- nierungsmaßnahmen erforderlich, ei- ne Anzahl von > 10 000 KBE gilt als Gefahrenwert.

Das in der Kläranlage gereinigte Wasser wird in die Wäster geleitet.

Aus dem Fluss entnahm der Betrei- ber der Rückkühlanlage Wasser. Am Zulauf für die Anlage fand man eine Legionellenbelastung, die, je nach Probe und untersuchendem Labor, zwischen 20 000 und 100 000 Le- gionellen pro 100 ml betrug. „Es ist das erste Mal, dass Kläranlagen bei einem Legionellenausbruch als mög- liche Belastungsquellen in Erschei- nung treten“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums Nordrhein- Westfalen in Düsseldorf. Die Frage nach der Ursache sei noch nicht ge- klärt. Der Betreiber der Kläranlage hat Sicherheitsmaßnahmen ergrif- fen, die Rückkühlanlage wurde am 21. August außer Betrieb gesetzt, die Entnahme von Wasser aus der Wäster vorerst verboten.

Keime im Brauerei-Abwasser Hatte man Anfang September ge- hofft, den Ausbruch gestoppt zu ha- ben, trat nach Ablauf der maximalen Inkubationszeit von zehn Tagen seit Abschaltung des Rückkühlwerks ei- ne Neuinfektion (06.09.) auf – mit Legionellen vom Ausbruchsstamm.

Nun stellte sich heraus: Drei Aggre- gate der Rückkühlanlage der Groß- brauerei Warsteiner und ein Abwas- servorbehandlungsbecken der Braue- rei waren erheblich mit Legionellen belastet. Die Ergebnisse der Feinty- pisierung der Proben lagen bis Re- daktionsschluss nicht vor. Für Braue- reiprodukte bestehe kein Risiko, sag-

te eine Unternehmenssprecherin. Das Trinkwasser ist nach Expertenmei- nung nicht gefährdet, teilte der Kreis Soest mit. Er verlängerte die Emp- fehlung, von nicht dringenden Rei- sen nach Warstein vorerst abzusehen.

Abdeckungen der Kläranlagen zur Ver hinderung der Aerosolbildung und keimabtötende Maßnahmen wie UV-Bestrahlung an Wasserzu- und -abläufen sollen Keime eindämmen.

Legionellen sind gramnegative, nicht sporenbildende aerobe Bakte- rien. Natürlicher Lebensraum sind Frischwasserbiotope. Wichtigste Er- regerreservoire und Infektionsquel- len für Menschen sind Wasser - rohrsysteme mit Ablagerungen und Biofilmen: Trinkwasserinstallatio- nen, Luftwäscher, Rückkühlwerke, Warmwasser-Whirlpools. Bei 25 bis 45 Grad Celsius vermehren sie sich gut, bei mehr als 60 Grad sterben sie ab. Eine fachgerechte Wartung verhindert stärkere Besiedelungen.

Derzeit sind etwa 57 Legionel- lenarten und circa 79 Serogruppen bekannt, alle gelten als potenziell humanpathogen. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind nicht nach- gewiesen, die Infektionen erfolgen hauptsächlich über Aerosole aus der Umwelt. In der Natur vermehren sich Legionellen intrazellulär in Amöben und anderen Protozoen.

Im Menschen wechseln sie in Ma- krophagen, vor allem der Lunge.

Sie hemmen die Phagozytosefunk-

tion und lysieren die Zellen. Zur Therapie eignen sich nur Antibioti- ka mit guter intrazellulärer Aufnah- me: Levofloxacin, maximal dosiert, ist Mittel der Wahl, Rifampicin ad- ditiv wird nicht mehr empfohlen.

Resistenzen gab es bisher nicht.

Legionellosen unterschätzt

„Das Geschehen in Warstein ist ex- trem komplex und in vielen Aspek- ten bislang einzigartig“, sagt Exner.

Unabhängig davon habe man Legio- nellosen lange „weggeredet“. Erst das Kompetenznetzwerk für ambu- lant erworbene Pneumonien Cap- netz (www.capnetz.de) habe deut- lich gemacht, dass die 630 bis 650 der jährlich im Rahmen der gesetz- lichen Meldepflicht registrierten Fälle nur die Spitze des Eisbergs seien. Circa vier Prozent und damit 15 000 bis 30 000 der jährlich am- bulant erworbenen Pneumonien gin- gen auf Legionellen zurück.

Das European Center for Disease Prevention and Control in Stock- holm koordiniert das europäische Überwachungssystem für Legionel- len. Seit 2005 stellt es einen Trend zunehmender Infektionen fest (3).

Deutschland gehöre zu den sechs von 29 Ländern, die am meisten da-

zu beitragen.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit3813 Die Inkubationszeit für Legionellen beträgt zwei

bis zehn Tage. Nach unspezifischen Prodromi wie Kopf- und Muskelschmerzen sowie allge- meinem Krankheitsgefühl entwickeln sich Fieber, Husten und Thoraxschmerzen. Bei schweren Ver- läufen kommt es zu respiratorischer Insuffizienz und Organversagen. Für die Sicherung des klini- schen Befundes eignet sich der Röntgenthorax.

Die Untersuchungen lassen jedoch keine Rück- schlüsse auf den ursächlichen Erreger zu, dazu ist eine spezifische Erregerdiagnostik notwendig.

Die Spezies Legionella pneumophila ist für cir- ca 90 Prozent der Legionellen-Pneumonien ver- antwortlich. Für die Schnelldiagnostik wird der Nachweis von Legionella-Antigenen im Urin (ab 24 h nach Infektion) durch ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) angewandt. ELISA haben

eine sehr hohe Spezifität (> 99 Prozent). Viele Pa- tientenproben aus Warstein waren allerdings im Urin-Antigen-Test negativ und erst nach weiteren Untersuchungen positiv. Die Tests weisen in der Regel nur Legionella pneumophila Serogruppe 1 nach. Außerdem gibt es serologische Tests und Nachweismöglichkeiten der Legionellen-DNA mit- tels Polymerase-Kettenreaktion aus bronchoal- veolärer Lavage, Trachealsekret oder Sputum.

Goldstandard ist der Erregernachweis nach Anzucht der Bakterien auf Spezialagar. Er nimmt einige Tage in Anspruch. Der Kulturnachweis er- laubt eine umfassende Charakterisierung des Er- regers. Er ermöglicht den molekularbiologischen Vergleich klinischer Isolate mit denen aus der Umwelt und ist für die eindeutige Identifikation der Infektionsquelle unabdingbar.

KLINIK UND DIAGNOSTIK

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20. September 2013

LITERATURVERZEICHNISS HEFT38/2013, ZU:

LEGIONELLENINFEKTIONEN IN WARSTEIN

Größter Ausbruch in Deutschland

Mehr als 160 Legionellen-Pneumonien mit teilweise schweren Verläufen:

Die Ursachen für den Ausbruch sind bislang noch nicht geklärt.

LITERATUR

1. Exner M, Suchenwirth R, Pleischl S, Kramer A et. al.: Memorandum zu dem Legionel- len-Ausbruch in Ulm 2010 aus Sicht von Hygiene und öffentlicher Gesundheit. Um- weltmed Forsch Prax 2010; 15: 43-57 2. Legionärskrankheit im Jahr 2011. Epide-

miologisches Bulletin 2012; 50: 499-507 3. Beauté J, Zucs P, de Bong B: Legionnaires’

disease in Europe, 2009-2010. Euro Sur- veillance, European Centre for Disease pre- vention and Control (ECDC), 2013; 18 (10):pii=20417

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Referenzen

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