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Wenn Eltern psychisch krank sind…

Folgen für Kinder, Hilfebedarf und Unterstützungsmöglichkeiten Im Jahr 2005 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1.046.365 PatienInnen mit psychischen- und Ver- haltensstörungen (F00-F99) aus ei ner vollstationären Behandlung entlassen.

Allein in Sachsen waren es im gleichen Zeitraum 57.170 Personen, die in Kran- kenhäusern oder Rehabilita tions ein- rich tungen wegen psychischer Stö- rungen stationär behandelt wurden (Statistisches Landesamt Sachsen).

Viele dieser Patienten sind Mutter oder Vater. Mehrere Studien in ver- schiedenen psychiatrischen Kliniken zeigen, dass zwischen 9 Prozent und 30 Prozent der stationär aufgenom- menen Patienten und Patientinnen Eltern minderjähriger Kinder sind und die Mehrheit von ihnen mit den Kin- dern auch zusammenlebt. Da psychi- sche Erkrankungen immer noch mit einem hohen Stigma behaftet sind, sich Betroffene oftmals erst spät in Behandlung begeben und insbeson- dere Eltern aus Angst vor behördli- chen Eingriffen und einer „Weg nah- me“ des Kindes Hilfs- und Behand- lungsangeboten sehr skeptisch ge - gen über stehen ist eine hohe Dunkel - ziffer betroffener Eltern und Kinder äußerst wahrscheinlich, was gesicher- te statistische Angaben über die tat- sächliche Anzahl von Kinder psychisch Erkrankter erschwert. Verschiedene Hochrechnungen und Schätzungen weisen eine Zahl von 240.000 (Wa - genblass, S. 2001) bis 500.000 (Pretis, M.; Dimova, A. 2004) betroffenen Kindern in der BRD aus. Mütter und Väter mit psychischen Erkrankungen und ihre minderjährigen Kinder sind somit längst keine Randgruppe. Trotz- dem blieben die „kleinen Angehöri- gen“ lange Zeit unbeachtet von den psychiatrischen Versorgungssystemen und gerieten erst in später Folge der Etablierung von Angehörigenarbeit in der Psychiatrie in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Kinder sind durch die psychische Krank- heit der Eltern stark mitbelastet, und

dies meist nicht erst ab dem Zeit- punkt der ärztlichen Diagnose. Häu- fig fällt ihr (Mit-)Leiden aber erst auf, wenn sie selbst psychische Störun- gen entwickeln. Kindliche Belastungen durch eine psychische Erkrankung der Mutter oder des Vaters sind da - bei eine Folge der Störung selbst, etwa wenn auf kindliche Bedürfnisse nicht, verzögert oder falsch reagiert wird und Heranwachsende unterver- sorgt, physisch wie auch emotional vernachlässigt, drangsaliert oder in Wahninhalte eingebunden werden.

Ihre Nöte resultieren zugleich auch aus den Folgeproblemen, die eine elterliche Erkrankung mit sich bringt.

Dazu zählen insbesondere belastete Beziehungen innerhalb und außer- halb der Familie, Arbeitslosigkeit und dadurch bedingte finanzielle und ma terielle Schwierigkeiten, schlech- tere Wohnverhältnisse, Betreuungs- defizite bzw. wechselnde Betreuun- gen, soziale Isolation und Stigmati- sierung. Weitere negative Auswirkun-

gen für Kinder ergeben sich durch die Tabuisierung der Erkrankung und auferlegte Kommunikationsverbote, Ängste und Desorientierung, Schuld-, Scham- und Verantwortungsgefühle, Zusatzbelastungen (wenn Heranwach- sende elterliche Aufgaben überneh- men, die krankheitsbedingt nicht ge - leistet werden können), Abwertungs- erlebnisse und Loyalitätskonflikte bei gleichzeitigen Distanzierungsbestre- bungen (vgl. Mattejat, F. 1996:22;

Schone, R.;Wagenblass, S. 2002:16f.).

Jugendliche leiden darüber hinaus häufig unter dem Verlust einer Iden- tifikationsfigur (ebd.). Zudem tragen Kinder psychisch erkrankter Elterntei- le ein höheres Risiko selbst psychisch zu erkranken (Lenz, A. 2005:16) auf- grund spezifischer genetischer Dis- positionen, aber auch widriger und

„verwirrender“ Interaktionen und Le - bensbedingungen in ihren Familien.

Protektive Faktoren, die das Risiko von Kindern psychisch Erkrankter, selbst Gesundheitspolitik

Ärzteblatt Sachsen 2 / 2008 59

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eine Störung zu entwickeln, verringern sind unter anderem:

eine hohe Problemlösekompetenz, –

ein starkes Selbstvertrauen und Selbst wertgefühl,

eine alters- und entwicklungsge- –

mäße Aufklärung und Information über die psychische Erkrankung, ihre Auswirkungen und Behandlung,

eine sichere, kontinuierliche Bin- –

dung an eine Bezugsperson, die kompensierend wirkt,

ein weitgehend stabiles Familien- –

klima, gute Paarbeziehungen der Eltern und ein harmonisches, einan- der zugewandtes Erziehungskli ma mit klaren Verhaltensregeln, Krankheitseinsicht und -akzeptanz –

seitens des betroffenen Elternteils, aktive Bewältigungsformen, präven - tive Maßnahmen zur Rückfallver- hinderung, eine lebenspraktische Organisation des familiären Alltags, einschließlich der Mobilisierung in - formeller Netzwerkhilfen sowie das Vorhandensein tragfähiger per - –

sönlicher Beziehungen im erweiter- ten Familiensystem und familien- extern, die Rückhalt, Sicherheit und soziale Unterstützung im Alltag und in akuten Krisensituationen bieten (zusammenfassend s.a. Lenz, A. 2005:17ff).

Hieraus ergeben sich zahlreiche An - satzpunkte für präventiv orientierte professionelle Hilfsangebote, die sich an betroffene Kinder und ihre Fami- lien richten. Die Ziele der Angehöri- genarbeit mit minderjährigen Kin- dern liegen im Wesentlichen in der Entlastung der Kinder, ihrer Förde- rung und Stärkung sowie in ihrer Beteiligung an der Verhütung mögli- cher Rückfälle. Entlastung meint da - bei die Reduktion von kindlichen Ängsten, Schuld- und Schamgefüh-

len, die Intervention und Begleitung in akuten Krisen sowie die Aufklärung über die psychische Erkrankung. För- derungsmaßnahmen umfassen ins- be sondere die Stärkung der sozialen Netzwerke, wobei sich vor allem Be - ziehungen zu Heranwachsenden in ähnlicher Lebenssituation als wichti- ge Ressourcen erwiesen haben, die Förderung aktiver Bewältigungsstra- tegien und die Ermutigung individu- eller Abgrenzung. Beteiligung an der Rückfallverhütung bezieht sich auf die Sensibilisierung der Kinder für Frühwarnzeichen eines Erkrankungs- ausbruchs, die Übernahme alters- und entwicklungsgemäßer Verantwortung sowie die Reduzierung emotionaler Spannungen (s. a. Lenz, A. 2005:150).

Ansätze in der präventiven und be glei- tenden Arbeit mit erkrankten Müt - tern oder Vätern richten sich insbe- sondere auf die Stärkung der Eltern- Kind-Beziehung, der elterlichen Er - zie hungskompetenz und der familiä- ren Kommunikation, auch über die Erkrankung. Maßnahmen der Eltern- arbeit umfassen des weiteren den Auf bau eines informellen Unterstüt- zungsnetzes für die betroffenen Per- sonen und ihre Familie, Hilfe bei der Strukturierung des Alltags und die bedarfsgerechte Vermittlung institu- tioneller Hilfen und sozialrechtlicher Leistungen. Strategien, die auf die Stärkung der „selbstreflektiven Funk- tion“ der Eltern (Deneke, C. 2004) zie len, tragen dazu bei, dass diese eigene und kindliche Unterstützungs- bedürfnisse erkennen, signalisieren und informelle sowie professionelle Hilfen eigenständig mobilisieren.

Auch wenn die Wichtigkeit beglei- tender Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern übereinstimmend kon- statiert wird, sind entsprechende

An gebote rar. In Dresden bietet seit kurzem der Psychosoziale Trägerver- ein Sachsen e.V. mit dem von Aktion Mensch finanzierten Kinder- und El ternprojekt „KiElt“ betroffenen Fa - milien Unterstützung im Sinne der oben formulierten Erfordernisse und Hilfemaßnahmen an. Das Angebot um - fasst unter anderem eine von so zial- und heilpädagogischen Fachkräften betreute, wöchentlich stattfindende Eltern-Kind-Gruppe, Freizeit- und Grup- penangebote für Kinder und Jugend- liche sowie eine Beratungssprechstun- de für Eltern, Angehörige und ande re interessierte Personen, die mit be trof - fenen Familien in Berührung kom men wie Nachbarn, Lehrer und Erzieher.

Aufgrund der Stigmatisierung psy- chischer Erkrankungen gibt es des Weiteren die Möglichkeit anonymer telefonischer Beratungen, die häufig in Anspruch genommen werden.

Themen der Beratungen sind oftmals Fragen zur Erziehung, zu Gestaltung familiärer Beziehungen, zum Um gang mit Krisen und zu möglichen ambu- lanten Hilfen. Aus diesem Grund be - stehen intensive Kooperationen zu an deren Einrichtungen gemeindepsy- chiatrischer Versorgung und den „All- gemeinen Sozialen Diensten“ des Ju - gendamtes. Als Modellprojekt wird KiElt durch die Evangelische Fach- hochschule für Soziale Arbeit in Dresden wissenschaftlich begleitet.

Kontakt: PTV Sachsen e.V. / KiElT, Wittenberger Str. 9, 01309 Dresden, Telefon: 0351 44039967,

www.ptv-sachsen.de

Literatur bei der Autorin Anschrift der Autorin:

Dipl.-Päd. Julia Günther Psychosozialer Trägerverein Sachsen e.V.

Wittenberger Str. 9 01309 Dresden

Gesundheitspolitik

60 Ärzteblatt Sachsen 2 / 2008

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