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Krankheit im Wohlstand

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Academic year: 2022

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Früher galt Gicht als Leiden der Reichen. Heutzutage entwickelt

sich die Störung zur Zivilisationskrankheit. Ursachen hierfür sind vor allem Überernährung, Alkoholkonsum und ein hoher Fleischverzehr.

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ie Stoffwechsel-

erkrankung geht mit einer erhöh- ten Harnsäure- konzentration im Blut einher.

Mit der Nahrung aufgenom- mene Purine werden im Orga- nismus zu Harnsäure umgewan- delt. Sie kommen auch als kör- pereigene Bestandteile in Coen- zymen und als Bausteine in der DNS vor. Die Harnsäure wird als Endprodukt des Purinstoff- wechsels im Dünndarm und in der Leber gebildet. Hauptsäch- lich wird sie über die Nieren ausgeschieden, nur ein kleiner Teil über den Darm. Ist das Gleichgewicht zwischen Produk- tion und Ausscheidung im Kör- per gestört, kann sich eine Hyperurikämie einstellen. Zu- nächst verursachen die erhöh- ten Blutwerte keine Beschwer- den. Ob eine Gicht ausbricht, hängt von der Dauer und Art der Hyperurikämie ab.

Zwei Formen und vier Pha- sen Bei der primären Gicht handelt es sich um einen erblich bedingten Stoffwechseldefekt.

In den meisten Fällen ist die re- nale Harnsäureausscheidung hierbei beeinträchtigt. Selten liegt die Ursache dann in einer erhöhten Harnsäureproduktion.

Die sekundäre Form ist häufi- ger. Sie tritt als Folge einer

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Krankheit

im Wohlstand

PRAXIS GICHT

© rdnzl / fotolia.com

74 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2012 | www.pta-aktuell.de

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starken Übersäuerung des Körpers oder begleitend zu an- deren Krankheiten auf. Auch die Einnahme bestimmter Me- dikamente kann dazu beitragen.

Patienten können sich in ver- schiedenen Phasen der Erkran- kung befinden:

k Stadium 1: Die Harnsäure- werte der Patienten sind erhöht. Symptome treten noch nicht auf.

k Stadium 2: In dieser Phase kommt es zu akuten Gichtanfällen.

k Stadium 3: Diese Periode bezeichnet den Zeitraum zwischen zwei Gicht- attacken.

k Stadium 4: Die Gicht liegt nun chronisch vor. Es kommt zu Nieren- und Gelenkveränderungen.

Plötzliche Schmerzattacken an Fingern und Zehen Äu- ßere Faktoren wie purinreiche Nahrungsmittel oder alkoholi- sche Getränke lösen einen An- fall aus. Bei Harnsäurewerten über 6,5 mg/dl Blut können Uratkristalle ausfallen. Es folgt eine Kaskade an Entzündungs- reaktionen. Tückischerweise bricht die Attacke ohne Vorwar- nung über scheinbar gesunde

Menschen ein. Der erste Aus- bruch betrifft häufig nur ein Ge- lenk, meist das der großen Zehe.

Ferner können die heftigen Schmerzen in Knie-, Finger-, Sprung- oder Handgelenk auf- treten. Die Gelenke sind rot und geschwollen. Begleitsymptome sind möglicherweise Erbrechen, Fieber oder Kopfschmerzen.

Behandlungsmöglichkeiten Ziel der Therapie ist die Sen- kung der Harnsäurekonzentra- tion, sodass die Kristallbildung

ausbleibt. Im akuten Gichtschub sollen vorrangig die starken Schmerzen der Betroffenen ge- lindert werden. Daher unter- scheidet man zwischen einer prophylaktischen Therapie und der Behandlung akuter Fälle.

Bei letzterer werden nicht-ste- roidale Antirheumatika, COX- 2-Hemmer, Colchicin oder Glu- kokortikoide eingesetzt. Die NSAR stillen die Schmerzen

und die Patienten profitieren von der entzündungshemmen- den Wirkung. Gut geeignete Wirkstoffe sind Ibuprofen, Na- proxen oder Diclofenac. Diese Wirkstoffe sollten gegenüber denen ohne entzündungshem- mende Wirkung (z. B. Paraceta- mol) bevorzugt werden. Der Wirkstoff Acetylsalicylsäure ist jedoch kontraindiziert, da er in hohen Dosierungen die Aus- scheidung der Harnsäure dros- selt und einen Gichtanfall her- vorrufen kann. Aus der Gruppe

der COX-2-Hemmer ist Etori- coxib zugelassen. Colchicin, ein Alkaloid aus den Samen der Herbstzeitlosen, muss aufgrund seiner geringen therapeutischen Breite sehr genau dosiert wer- den, denn zwischen der schäd- lichen und wirksamen Dosis liegt nur ein geringer Spielraum.

Häufig gehen mit dessen An- wendung heftige Magen-Darm- Beschwerden einher, daher wird

es nur in Ausnahmefällen einge- setzt. Für Patienten mit Leber- und Niereninsuffizienzen ist Colchicin tabu. Erzielen die ge- nannten Medikamente nicht den erwünschten Effekt, helfen systemisch verabreichte Gluko- kortikoide.

Prophylaxe Zwei Wirkprinzi- pien stehen zur Senkung der Harnsäurewerte zur Verfügung:

Urikostatika vermindern die Harnsäurebildung, Urikosurika fördern die Ausscheidung.

Klassiker Allopurinol Das Urikostatikum ist ein Analogon des Hypoxanthins. Es blockiert das Enzym Xanthinoxidase, das aus Hypoxanthin über Xanthin Harnsäure herstellt. In niedriger Konzentration wirkt Allopuri- nol kompetetiv hemmend, da- gegen blockiert es in höheren Konzentrationen nicht-kompe- tetiv. Im akuten Gichtanfall darf der Wirkstoff nicht eingesetzt werden, weil dadurch gegebenen- falls verstärkt Harnsäurekristalle gebildet werden, was die Attacke verschlimmern würde. Allopu- rinol ist in Dosierungen von 100 bis 800 Milligramm täglich zu- gelassen. In der Regel verordnen Mediziner Tagesdosen von 100 bis 300 Milligramm. Zu den häufigsten Nebenwirkungen ge- hören Erbrechen, Übelkeit und Hautreaktionen wie Juckreiz oder Hautauschlag. Im Bera- tungsgespräch sollten PTA und Apotheker Patienten, die mit einem Rezept über Allopurinol in die Apotheke kommen, auf mögliche Interaktionen mit an- deren Arzneimitteln hinweisen.

Vorsicht ist bei folgenden Subs-

tanzen geboten:

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76 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2012 | www.pta-aktuell.de

»Männer sind häufiger als Frauen von Gicht betroffen.«

DIAGNOSTIK

Der erhöhte Harnsäurespiegel lässt sich durch ein Blutbild nachweisen.

Jedoch sind die Werte von der Nahrungsaufnahme abhängig. Nimmt der Arzt nach einem Anfall Blut ab, kann es sein, dass sich der Harnsäure- spiegel bereits auf dem Normalniveau befindet. Ein einzelner guter Labor- befund reicht also nicht aus, um zu zeigen, dass keine Gicht vorliegt.

Männer sind häufiger von der Erkrankung betroffen als das weibliche Geschlecht. Bei Frauen kommt es vorwiegend nach der Menopause zu Gicht. Insgesamt liegt das Eintrittsalter der Stoffwechselerkrankung meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr.

PRAXIS GICHT

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k ACE-Hemmer Captopril k Amoxicillin

k Cumarine k Ciclosporin k Probenecid k Salicylaten

k Zytostatika, insbesondere Mercaptopurin

k Azathioprin.

Neuere OptionFebuxostat ist ein 2-Aryl-Thiazol-Derivat, das 2010 in Deutschland zur Be- handlung von Gicht eingeführt wurde. Es blockiert ebenfalls die Xanthinoxidase, jedoch selekti- ver und stärker als Allopurinol.

Ein großer Vorteil ist, dass deut- lich weniger Arzneimittelinter- aktionen mit anderen Wirkstof- fen auftreten. Wechselwirkun- gen zeigt Febuxostat mit Azat- hioprin, Theophyllin und Subs- tanzen, welche die Glucuroni- dierung hemmen. Besonders sinnvoll ist die Anwendung des Wirkstoffs bei Patienten, die viele Arzneimittel einnehmen und bei Betroffenen, die zusätz- lich unter einer eingeschränkten Nierenfunktion leiden. Für Per- sonen mit koronarer Herz- krankheit oder Herzinsuffizienz ist Febuxostat nicht geeignet.

Urikosurika Diese sind eine Alternative zum Allopurinol und werden beispielsweise bei Patienten verordnet, die zusätz- lich Azathioprin einnehmen müssen. Dazu gehören die Wirkstoffe Benzbromaron oder Probenecid. Sie blockieren kom- petetiv an der Niere die Rückre- sorption der Harnsäure, sodass diese vermehrt über den Urin ausgeschieden wird. Zu Beginn der Therapie besteht die Gefahr, dass Harnsäureausfällungen die Entstehung von Nierensteinen fördern.

In erster Linie wird Benzbroma- ron eingesetzt. Es muss ein- schleichend dosiert werden.

Vertragen Betroffene Benzbro- maron und Allopurinol nicht,

kann der Arzt Probenecid ver- ordnen. Bei Niereninsuffizienz und -steinen ist es jedoch kon- traindiziert. Weisen Sie Ihre Kun- den darauf hin, dass sie wäh- rend der Therapie mindestens zwei Liter täglich trinken müs- sen. Sportler dürfen Probenecid nicht verwenden, da die Subs- tanz auf der Dopingliste steht.

In Maßen statt in Massen Betroffene sind in der Lage, einen entscheidenden Beitrag zur Therapie zu leisten, indem sie auf eine purinarme Kost ach- ten. Oft kann eine günstige Er- nährung die notwendige Dosis ihrer harnsäuresenkenden Arz- neimittel vermindern. Positiver Begleiteffekt ist, dass Erkran- kungen wie Hyperlipidämie oder Adipositas ebenfalls ver- bessert werden. Gichtpatienten sollten täglich höchstens 100 Gramm Fleisch, Wurst oder Fisch verzehren. Sie sollten be- stimmte Fischsorten wie Hering oder Sardellen, Innereien und fettreiche Lebensmittel meiden.

Es empfiehlt sich, einen Fettan- teil in der Nahrung von 70 Gramm pro Tag nicht zu über- schreiten. Auch der Alkohol- konsum muss bei Gicht einge- schränkt werden. Etwa ein Glas Bier oder Wein täglich liegt im akzeptablen Bereich. Zu einer gesunden Ernährung gehört immer auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Mit Kaffee, Tee, Mineralwasser und Frucht- säften lässt sich der Bedarf ab- wechslungsreich gestalten. Statt einer kompromisslosen Ernäh- rungsumstellung raten Experten zum kontinuierlichen, kontrol- lierten Wechsel der Essgewohn- heiten. Ungünstig wirken sich sowohl Radikaldiäten als auch ein exzessiver Konsum von fett- reichen Speisen oder Alkohol aus.

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Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

DIE PTA IN DER APOTHEKE | Oktober 2012 | www.pta-aktuell.de 79

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