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Muss ein Arzt für die Fehler seines Urlaubsvertreters haften?

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100 Bayerisches Ärzteblatt 2/2002

Rechtsfragen

In den Münchner Ärztlichen Anzeigenvom 27. Oktober 2001, Seite 17, wurde ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts refe- riert, demzufolge ein Arzt für die Fehler seines Urlaubsvertreters haften muss. Ein Kollege hat seiner Empörung über dieses Urteil in einem Le- serbrief Ausdruck gegeben. Auch mir war das Urteil, zumindest so wie es berichtet wurde, un- verständlich, weshalb ich mir die Urteilsbegrün- dung durchgelesen habe. Doch die Sache lag et- was anders, als aus dem Referat entnommen werden konnte.

Zwar trifft es zu, dass das Gericht von einer Rechtsfigur ausgeht, deren Anwendung auf das Verhältnis zwischen einem ärztlichen Ur- laubsverteter und dem vertretenen Arzt im Lichte des ärztlichen Berufsrechts Unver- ständnis auslösen kann. Denn nach dem Be- rufsrecht ist jeder zur selbstständigen Nieder- lassung befähigte Arzt weisungsunabhängig und haftbar, soweit er Verantwortung für Pa- tienten übernimmt.

Erfüllungsgehilfe

Besagte Rechtsfigur heißt „Erfüllungsgehil- fe“. Der Vertreter gilt dem Gericht als Erfül- lungsgehilfe. Der Begriff hat nichts Herab- setzendes. Er beschreibt nur die Natur der Vertragsbeziehungen zwischen Praxisinhaber und Urlaubsvertreter, wenn Letzterer die Ver- tretung in den Praxisräumen des Inhabers wahrnimmt. Das Gericht hat einen allgemei- nen zivilrechtlichen Grundsatz angewandt:

Wer sich eines Erfüllungsgehilfen bedient, haftet für dessen Fehler. Der Haftpflichtige seinerseits ist dann allerdings berechtigt, an den Erfüllungsgehilfen Haftungsansprüche zu stellen und gerichtlich zu verfolgen. Das Oberlandesgericht hat sich hier übrigens auf ein höchstrichterliches Urteil gestützt. Und dieses wiederum stützt sich darauf, dass der ärztliche Vertreter, wenn er in der Praxis des Inhabers tätig wird, keinen eigenen Behand- lungsvertrag mit dem Patienten schließt. Die Diskrepanz zum Berufsrecht, das ebenfalls öffentliches Recht ist, besteht nur scheinbar.

Der Grundsatz der persönlichen Verantwor- tung des Arztes kommt nur einen Zug später zum Tragen. Dann nämlich, wenn der Praxis- inhaber Haftpflichtansprüche an seinen Ver- treter stellt, falls er zur Haftung herangezo- gen wird.

Bei der Auswahl von Erfüllungsgehilfen hat der Arzt nur die Pflicht, deren Eignung zu prüfen und gegebenenfalls ihre Tätigkeit zu überwachen.

Im vorliegenden Fall war der Vertreter un- zweifelhaft geeignet. Seine Tätigkeit zu über- prüfen, kann man sinnvollerweise nicht for- dern, wenn der Praxisinhaber ihn engagiert, um in Urlaub fahren zu können.

Grober Fehler

Im vorliegenden Fall kam aber etwas Weite- res hinzu. Der vertretene Arzt hatte in seiner Krankenakte einen falschen Geburtstermin berechnet. Nach übereinstimmender Auffas- sung der Gutachter stellte dies einen groben Fehler dar, „der einem Facharzt nicht passie- ren darf“. Der Vertreter hatte diese Fehlbe- rechnung übernommen und nicht korrigiert.

Diese Wertung hat eine gravierende Folge.

Sie führt nämlich zur Beweislastumkehr. Das heißt, der auf Haftung verklagte Arzt muss nun beweisen, dass sein Fehler für die Schä- digungsfolgen (in diesem Fall schwerste Hirnschädigungen) nicht ursächlich war. Das bloße Dartun einer solchen Möglichkeit ge- nügt für den, der die Beweislast trägt, nicht.

Solange der Geschädigte die Beweislast trägt (also in der Regel der klagende Patient), kann auch er sich nicht auf eine bloße Möglichkeit stützen. Das schützt den Arzt. Im Fall der Beweislastumkehr verliert der behandelnde Arzt diesen Schutz. Wer beweispflichtig ist, dem nutzt das Vorbringen von Möglichkeiten nichts.

Das Gericht hat nun aber die vorzeitige Ein- leitung der Geburt in diesem Falle, gestützt auf die Gutachen der Sachverständigen, als groben Fehler gewertet und den Praxisinha- ber dafür haftbar gemacht, weil er selbst ei- nen groben Fehler begangen hat. Ob und in- wieweit er sich durch Rückgriff auf die Haftungspflicht seines Vertreters schadlos halten kann, darüber war nicht zu entschei- den. Hierin liegt die Tücke der Beweislast- umkehr bei grobem Fehler. Ein nicht grober Fehler, zum Beispiel eine einfache Fehldiag- nose, hätte diese Folge nicht gehabt. Das Ge- richt weist ausdrücklich darauf hin, dass die Sache anders läge, wenn es sich nicht um ei- nen laufenden Behandlungsfall, sondern um einen völlig neuen Erkrankungsfall gehandelt hätte oder wenn dem Praxisinhaber kein gro- ber Fehler unterlaufen wäre.

Es ist also keinesfalls so, dass ein Praxisinha- ber befürchten muss, für schlechtweg jeden Fehler seines Vertreters zunächst einstehen und dann eine Klage gegen seinen Vertreter anstrengen zu müssen.

Haftpflichtprozess

Dennoch mag dieses Urteil in Erinnerung ru- fen, wie riskant es ist, einen Vertreter ohne ausreichende Information zumindest über die Problemfälle zu lassen und wie fatal es wer- den kann, wenn die Krankenakte fehlerhafte Informationen enthält.

Es ist nicht bekannt, wie der ja wohl geführte Haftpflichtprozess gegen den Vertreter aus- gegangen ist. Hier müsste nämlich die Frage behandelt werden, wieweit sich ein Arzt auf die Vorarbeit eines anderen Arztes verlassen darf. Diese Frage hätte weit über den konkre- ten Fall hinaus Bedeutung, zum Beispiel beim Thema Doppeluntersuchungen oder Über- nahme von Diagnosen eines anderen Fach- gebietes. Besonders bedeutsam könnte sie für die dem Hausarzt zugewiesene Überwa- chungs- und Koordinationsfunktion wer- den.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Hans Hege,

St.-Egidi-Straße 33, 82205 Gilching

Muss ein Arzt für die Fehler seines

Urlaubsvertreters haften?

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