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Wasserlebewesen kämpfen ums Überleben | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Die Volkswirtschaft  6 / 2019 25 FOKUS

Während Jahrhunderten stellte das Abwasser aus Siedlungen eine der grössten Bedrohungen für den Menschen dar. Weil die Notdurft auf der Strasse verrichtet wurde und dort zudem Schweine und Hühner frei herumliefen, leb- te die Stadtbevölkerung in ständigem Schmutz.

Dies führte immer wieder zur Verseuchung von Trinkwasserbrunnen. Verheerende Typhus- und Choleraepidemien waren die Folge. Erst im 19. Jahrhundert forderten Ärzte und Städtepla- ner im Zuge der sogenannten Kloakenreform eine kontrollierte Abfuhr des Abwassers aus den Siedlungen heraus.

Weil es um die eigene Gesundheit ging, han- delten die Menschen rasch: Sobald die Bedeu- tung der Siedlungshygiene erkannt war, wurden Kanalisationen zur Ableitung des Schmutzwas- sers gebaut. Damit verdoppelte sich die Lebens- erwartung in den Städten von 40 auf 80 Jahre.

Die Siedlungshygiene gilt denn auch – weit vor der Entdeckung von Antibiotika – als wichtigste medizinische Errungenschaft.

Der massive Gewinn an Lebensqualität ging mit einer deutlichen Zunahme der Gewässer- verschmutzung einher. Die aus den Siedlungen abgeleiteten Abwässer gelangten nun ungerei- nigt in Bäche, Flüsse und Seen und führten dort zu Fischsterben, Schaumteppichen und ausge- dehnten Algenblüten. Für viele Gewässer ver- fügten die Behörden ab den 1950er- Jahren Ba- deverbote. Wer sich trotzdem traute, in einen Fluss zu springen, musste damit rechnen, neben mitschwimmenden Fäkalien wieder auf- zutauchen.

Wieder war unsere Gesundheit beeinträch- tigt, und wieder handelte man rasch: Heute wird das Abwasser von über 98 Prozent der Schweizer Bevölkerung in Kläranlagen gerei- nigt. Damit gehören verschmutzte Gewässer und durch mangelnde Siedlungshygiene ver- ursachte Krankheiten längst der Vergangen- heit an.

Trotz Kläranlagen wenig Fische

Optisch sind unsere Gewässer nun zwar sauber  – trotzdem leiden die darin lebenden Tiere und Pflanzen: 60 Prozent der Fisch- und 70 Prozent der Amphibienarten sowie 60 Pro- zent der Wasserpflanzen sind bedroht. Grün- de dafür sind einerseits Kanalisierungen, mit denen die ursprünglichen Lebensräume wie Auen, Moore und Quellen zerstört wurden. An- dererseits tragen zu hohe Nährstoff- und Pesti- zidbelastungen zum Rückgang der Biodiversität bei. Weil viele Lebewesen dadurch geschwächt sind, stellt die Klimaerwärmung eine zusätzli- che Herausforderung dar.

Der «Aktionsplan Strategie Biodiversität»

stellt fest, dass in der Schweiz der Anteil in- takter, naturnaher Flächen auf einem bedenk- lich tiefen Niveau angelangt ist. Der dadurch verursachte Artenschwund wird ohne massive zusätzliche Anstrengungen weiter fortschrei- ten und führt mittel- bis langfristig zu hohen gesellschaftlichen Kosten. Der Bundesrat sieht daher einen grossen und dringenden Hand- lungsbedarf.

STANDPUNKT VON STEFAN HASLER

Über 60 Prozent der heimischen Wassertiere und -pflanzen sind bedroht.

Um ihr Überleben zu sichern, müssen die Gewässer naturnaher gestaltet und sowohl die Pestizid- als auch die Nährstoffbelastung reduziert werden.

Kampf ums Überleben

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26 Die Volkswirtschaft  6 / 2019 WASSER

Stefan Hasler ist Direktor des Verbandes Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA), Glattbrugg

Auch weltweit wächst die Erkenntnis, dass wir mit der intensiven Raumnutzung durch In- frastrukturen und industrielle Landwirtschaft unsere Lebensgrundlage zerstören. So sind Ge- wässer in landwirtschaftlich genutzten Ein- zugsgebieten stark mit Pestiziden belastet. Die Konzentrationen einzelner Stoffe liegen teilwei- se während mehrerer Monate über dem Grenz- wert, wodurch empfindliche Gewässerorganis- men erheblich beeinträchtigt werden. Nicht nur im Wasser, sondern auch an Land wirkt sich die Intensivlandwirtschaft fatal aus: Seit einigen Jahren stellt man einen starken Rückgang der Insekten- und Vogelbestände fest.

Im Unterschied zum Menschen können sich die gefährdeten Tiere und Pflanzen nicht gegen ihr Aussterben wehren. Wie wir das Arten- sterben zumindest verlangsamen können, ist offensichtlich: Neben global konzertierten An- strengungen für einen effektiven Klimaschutz und der Eindämmung des Landverschleisses braucht es eine Trendwende hin zu einer um- weltschonenden landwirtschaftlichen Produktion.

Die dazu notwen- dige Desintensivie- rung der Landwirt- schaft beinhaltet insbesondere eine drastische Reduktion des Pestizid- und Kunstdüngereinsatzes. Nur so wird die Umweltbelastung auf ein verträgliches Mass reduziert. Nur so sinkt der Nutzungs- druck, wodurch wir der Natur einen Teil des Raums zurückgeben können, der für das Über- leben von sensiblen Tier- und Pflanzenarten unabdingbar ist. Nur so können die Gewässer ihre natürliche Dynamik zurückgewinnen, und nur so können die als «Hotspots der Biodiversi- tät» bekannten Feuchtgebiete wie Auen, Moore und Quelllebensräume reaktiviert werden.

Ist der Mensch selber bedroht, dann handelt er rasch, wie die eingangs erwähnten Epide- mien zeigen. Tiere und Pflanzen sind uns offen-

bar zu wenig wichtig, um einen ähnlich star- ken Willen zur Arterhaltung zu entfalten. Dies ist kurzsichtig, denn die Biodiversität bildet die Lebensgrundlage für uns und alle künftigen Generationen. Jedes Eingreifen in das komple- xe System hat fatale Folgen: Der Artenschwund stellt für unser Überleben eine grössere Bedro- hung dar als jede Epidemie. Ein konsequentes und rasches Handeln ist unerlässlich.

Neben der Politik sind auch wir gefordert

In erster Linie ist die Politik gefordert, welche die Rahmenbedingungen für einen effektiven Klimaschutz, für eine nachhaltige Raumpla- nung und für eine umweltschonende landwirt- schaftliche Produktion setzen muss. Aber auch Sie können durch Ihr tägliches Verhalten zu sauberen Gewässern und zur Verlangsamung des Artenschwundes beitragen, indem Sie:

– Ihren Garten oder Ihre Dachfläche nicht «herausputzen», sondern so gestalten, dass die Flächen möglichst vielen Tier- und Pflanzenarten Unterschlupf bieten;

– im Privatgebrauch keine Pestizide einsetzen;

– chemische Produkte wie Farben, Lösungs- mittel, Medikamentenrückstände etc. korrekt entsorgen und nicht die Toilette runterspülen;

– noch essbare Lebensmittel verwerten und nicht wegwerfen;

– konsequent Bioprodukte einkaufen und weniger Fleisch essen;

– ganz allgemein auf Ihren ökologischen Fussabdruck achten.

Bei all diesen Massnahmen geht es nicht um Verzicht, sondern um einen bewussten Umgang mit unseren Ressourcen. Eine intakte Natur mit sauberen und lebendigen Gewässern und ihrer unersetzlichen Biodiversität ist dies allemal wert.

Ist der Mensch selber

bedroht, dann handelt

er rasch.

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