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Jahrgang 27 / Nr. 3 Innsbruck September 2012

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Neue orale Antikoagulantien beim Vorhofflimmern – ein Update

Ansgar Weltermann (Krankenhaus der Elisabethinen, Linz) Basierend auf dem CHA2DS2VASc-Score (siehe Eur. Soc.

Card 2012) benötigen mehr als 98 % der PatientInnen mit nicht valvulärem Vorhofflimmern eine Schlaganfallprävention mit Antikoagulantien (1). Neben den bewährten Vitamin-K-An- tagonisten (VKA) wurden 2011 von der European Medicines Agency (EMA) zwei neue Medikamente in dieser Indikation zugelassen, Dabigatran (Pradaxa) und Rivaroxaban (Xarelto).

Zu Dabigatran wurde bereits im September 2011 berichtet (Pharmainfo XXVI/3/2011). Für eine dritte Substanz, Apixaban (Eliquis), wurde aufgrund rezent publizierter Daten ebenfalls eine Zulassung beantragt. Gegenstand der folgenden Analy- se ist ein Update der Datenlage zu den drei Substanzen inklu- sive einer ersten behördlichen Stellungnahme zu Dabigatran seit Marktzulassung.

Thrombininhibitor Dabigatran

Über die pharmakologischen und -kinetischen Eigenschaften des oralen Thrombininhibitors Dabigatran sowie die klinischen Studienergebnisse der Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulation Therapy-Studie (RE-LY-Studie) wurde be- reits berichtet (Pharmainfo XXVI/3/2011 sowie XXIV/2/2009).

Im August 2011 erfolgte eine Zulassung zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Thromboembolien bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflim- mern und mindestens einem zusätzlichen Risikofaktor.

Basierend auf den Studiendaten wird in der Fachinformation die zweimal täglich einzunehmende Dosierung von 150 mg Dabigatranetexilat als Standardtherapie empfohlen (gegen- über VKA zeigte sich eine absolute Risikoreduktion eines hämorrhagischen oder ischämischen Insultes oder einer systemischen Thromboembolie von 0,6 % pro Jahr bei ver- gleichbarem Blutungsrisiko). Der Benefit war unabhängig von der Art des Vorhofflimmerns (paroxysmal, permanent, persis- tierend) gegeben (2). Wegen eines erhöhten Blutungsrisi- kos unter Dabigatran sollten folgende PatientInnengruppen a priori mit einer niedrigeren Dosierung von zweimal täglich 110 mg Dabigatranetexilat behandelt werden: PatientInnen ab dem 80. Lebensjahr; PatientInnen mit Gastritis, Ösophagitis, oder gastro-ösophagealem Reflux; PatientInnen mit höherem Blutungsrisiko sowie PatientInnen, die gleichzeitig eine Thera- pie mit Verapamil erhalten.

Bereits im November 2011 gab die EMA ein Update zur Sicherheit von Dabigatran heraus, nachdem es in Japan zu mehreren fatalen Blutungen gekommen war (3). Einige dieser Blutungen waren nachweislich bei PatientInnen auf- getreten, die per se eine Kontraindikation für die Substanz aufwiesen (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min). Insgesamt gab es 256 Berichte über fatale Blutungen unter Dabigatranthe- rapie in der EudraVigilance Datenbank, von diesen waren 21 in der EU aufgetreten. Die EMA merkt an, dass derzeit die Zahl der Ereignisse im Zusammenhang mit der weltweit

rasch zunehmenden Verordnung von Dabigatran und der hohen Aufmerksamkeit gegenüber potentiellen Nebenwir- kungen bei Zulassung einer neuen Substanz zu sehen ist.

Die Ergänzung der Fachinformation zu Dabigatran sieht nun eine Nierenfunktionskontrolle bei allen PatientInnen vor Therapiebeginn vor. Darüber hinaus soll bei PatientInnen ab dem 75. Lebensjahr eine jährliche Nierenfunktionskontrolle durchgeführt werden sowie in Situationen getestet werden, in denen eine potentielle Verschlechterung zu vermuten ist (Dehydratation, etc.). Bemerkenswert ist in diesem Zusam- menhang auch eine Subanalyse der RE-LY-Studie, die ein grenzwertig signifikant höheres extrakranielles Blutungsrisiko unter Dabigatran bei PatientInnen ab dem 75. Lebensjahr ge- zeigt hatte (5.10 % versus 4.37 %; p = 0.07; Number needed to harm (NNH) pro Jahr 137: 4). Jedoch bleibt der Vorteil von Dabigatran in Bezug auf eine niedrigere Rate an intrakraniel- len Blutungen unabhängig vom Alter erhalten (5). Beachtens- wert ist, dass – trotz Fehlen eines Antidots für Dabigatran – die Mortalitätsrate intrazerebraler Blutungen bei PatientInnen unter Warfarin nicht niedriger war.

Anfang dieses Jahres wurde in die Fachinformation auch die Information aufgenommen, dass Dabigatran bei Pati- entInnen nach vorausgegangenem Myokardinfarkt, bei Pati- entInnen ab dem 65. Lebensjahr mit Diabetes oder koronarer Herzerkrankung, bei PatientInnen mit einer linksventrikulären Auswurffraktion < 40 % sowie bei PatientInnen mit mäßig be- einträchtigter Nierenfunktion mit Vorsicht angewendet wer- den soll: unter Dabigatran war unabhängig von der Dosierung eine höhere Myokardinfarktrate zu verzeichnen (Anstieg 0,2–

0,27 % pro Jahr; NNH pro Jahr > 370: 3,6). Das erhöhte Risiko war auch bei PatientInnen zu beobachten, die gleichzeitig Acetylsalicylsäure und Clopidogrel oder Clopidogrel allein einnahmen, so dass in dieser PatientInnengruppe der Vorteil von Dabigatran bzgl. Schlaganfallprävention teilweise durch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufgehoben wird.

Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban

Auch über die pharmakologischen und -kinetischen Eigen- schaften des direkten Faktor-Xa-Inhibitors Rivaroxaban wur- de bereits berichtet (Pharmainfo XXIV/2/2009). Im September 2011 erfolgte die Zulassung von Rivaroxaban zur Antikoagu- lation bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor für einen Schlaganfall bzw. eine systemische Thromboem- bolie. Grundlage des Antrags waren die Daten der ROCKET- AF-Studie (7). In diese prospektive Phase-III-Studie wurden 14.264 PatientInnen aus 45 Ländern zu Rivaroxaban 20 mg

Jahrgang 27 / Nr. 3 Innsbruck September 2012

Inhalt : Neue orale Antikoagulantien Prucaloprid (Resolor)

Karzinom und Acetylsalicylsäure Alzheimer – Therapielänge

Azithromycin – kardiovsaculärer Tod Fampridin (Fampyra)

BEGRÜNDET VON DER ÄRZTEKAMMER FÜR TIROL IM JAHRE 1986 unter Präsident OMR Dr. J. M. Kapferer. Herausgeber, Verleger, Medieninhaber: Verlagshaus der Ärzte GmbH, 1010 Wien, Nibelungengasse 13. Redaktion: Gerhard Bauer (Neurologie), Andrea Laslop (Pharmakologie), Christian Marth (Frauenheilkunde), Chris tian Prior (Innere Me- dizin), lrene Virgolini (Nuklearmedizin), Günter Weiss (Innere Medizin), Christian Wiedermann (Innere Medizin) und Hans Winkler (Pharmakologie): Medizinische Universität Inns- bruck; Jörg Striessnig (Pharmakologie): Universität Innsbruck; Markus Müller (Klinische Pharmakologie) und Wolfgang Schütz (Pharma kologie): Medizinische Universität Wien;

Ekkehard Beubler (Pharmakologie): Medizinische Universität Graz. Für den Inhalt verantwortlich und Korrespondenz adresse: Hans Winkler, Institut für Pharmakologie, Peter- Mayr- Straße 1a, A-6020 Innsbruck. Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn. Erscheint viertel jährlich (März, Juni, September, Dezember). Auflage: 37.000.

Internet: http://www2.i-med.ac.at/pharmakologie/pharmainfo.html

UNABHÄNGIGE INFORMATION FÜR ÄRZTE/INNEN

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einmal täglich oder VKA (INR-Zielbereich 2–3) randomisiert.

PatientInnen mit einer Kreatinin-Clearance unter 30–49 ml/

min erhielten eine reduzierte Dosis (15 mg Rivaroxaban ein- mal täglich). Die Studie war primär als Nicht-Unterlegenheits- studie angelegt. Im Gegensatz zur RE-LY-Studie wurde die Studie doppelblind und in double-dummy Technik durchge- führt. Weiters wurden nur PatientInnen mit nicht valvulärem Vorhofflimmern in die Studie inkludiert, die mindestens zwei (maximal 10 % der Studienpopulation) bzw. drei CHADS2-Ri- sikofaktoren für einen Schlaganfall oder bereits einen Schlag- anfall/TIA in der Anamnese aufwiesen. Im Vergleich zur RE- LY-Studie lag daher der mittlere CHADS2-Score der Patien- tInnen in der ROCKET-Studie deutlich höher (3,5 versus 2,1) und ein deutlich höherer Anteil der PatientInnen hatte bereits einen vorangegangenen Schlaganfall/TIA oder systemische Embolie erlitten (55 % versus 20 % in der RE-LY Studie). Das mittlere Alter der PatientInnen in der ROCKET-Studie lag bei 73 Jahren, die mittlere Beobachtungszeit betrug annähernd zwei Jahre.

Primär zeigte sich eine Nichtunterlegenheit für Rivaroxa- ban: das Risiko eines hämorrhagischen oder ischämischen Insultes oder systemischer Thromboembolie betrug 2,2 % pro Jahr unter VKA und 1,7 % pro Jahr unter Rivaroxa- ban (Hazard Ratio 0,8; p < 0,001 für Nicht-Unterlegenheit). In der vordefinierten Überlegenheitsanalyse (intention-to-treat analysis; ITT) zeigte sich jedoch kein signifikanter Vorteil für Rivaroxaban (2,1 % pro Jahr versus 2,4 % pro Jahr für VKA, p = 0,12). Berücksichtigt man nur die PatientInnen, die zum Zeitpunkt des Ereignisses eines primären Endpunktes tatsächlich eines der beiden Studienmedikamente erhalten haben (on-treatment analysis), so war der Unterschied signifi- kant: Rivaroxaban (1,7 % pro Jahr) und VKA (2,2 % pro Jahr, p = 0,02; NNT pro Jahr 200). Auch der kombinierte sekun- däre Endpunkt bestehend aus dem primären Endpunkt und Tod durch ein vaskuläres Ereignis zeigt einen Vorteil zuguns- ten von Rivaroxaban (3,1 % pro Jahr) im Vergleich mit VKA (3,6 % pro Jahr, p = 0,03; NNT pro Jahr 200). Der Unterschied zwischen den Ergebnissen der ITT-Population und der On- Treatment Analyse ist Gegenstand anhaltender Diskussion:

Ursache ist eine hohe Zahl an vaskulären Ereignissen zwei bis 30 Tage nach Beendigung der Studienmedikation (31 im Rivaroxaban-Arm versus 12 Ereignisse im VKA-Arm). Gleich- zeitig waren in dieser Phase auch die Myokardinfarkte und Anzahl der PatientInnen, die verstarben, höher. Eine Ursache ist, dass nur wenige PatientInnen beim Wechsel von Rivar- oxaban auf eine konventionelle VKA-Therapie eine überlap- pende Therapie mit niedermolekularem Heparin erhielten und dass 30 Tage nach Beendigung der Rivaroxaban-Therapie nur die Hälfte der PatientInnen eine INR im therapeutischen Bereich aufwies (8).

Diskutiert wird auch die Qualität der VKA-Therapie, die in der ROCKET-Studie schlechter war als in der RE-LY-Studie (Dabigatran): im Mittel lagen 55 % der gemessenen Werte im therapeutischen INR-Zielbereich von 2–3 (Time in Therapeu- tic Range, TTR), in der RE-LY-Studie waren es 64 % gewesen.

Eine bessere Einstellungsqualität hätte eventuell zu einem geringer ausgeprägten positiven Ergebnis von Rivaroxaban gegenüber VKA geführt (8). Analog zur RE-LY-Studie wurde jedoch gezeigt, dass sich die Ergebnisse nicht durch eine un- terschiedliche Qualität der INR-Einstellung an den einzelnen Zentren erklären lassen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Population in der ROCKET-AF-Studie aus PatientInnen mit höherem Risiko bestand und aufgrund der Komorbiditäten schwerer einzustellen war. Per se war die Einstellung nicht schlechter, als sie in Ländern mit guter INR Einstellung erzielt wird.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die einmal tägliche Applikationsform. Steady-State-Konzentrationsmessungen haben gezeigt, dass durch die einmal tägliche Gabe bei einer

Halbwertszeit von etwa 10 Stunden ein fünffacher Konzen- trationsunterschied zwischen dem maximalen Wirkspiegel (3 Stunden nach Einnahme) und dem minimalen Spiegel (vor der nächsten Einnahme) besteht (8).

Das Risiko einer schweren Blutung (primärer Sicher- heitsendpunkt) war zwischen Rivaroxaban (3,6 % pro Jahr) und VKA (3,5 % pro Jahr) nicht unterschiedlich. An- zumerken ist jedoch, dass unter Rivaroxaban kritische Or- ganblutungen und intrakranielle Blutungen signifikant seltener auftraten als unter einer VKA-Therapie. Analog zu Dabiga- tran fanden sich auch für Rivaroxaban signifikant we- niger intrazerebrale Blutungen: 0,5 % versus 0,7 % pro Jahr (p = 0,02; NNT pro Jahr 500: 7). Dagegen war die Rate an gastrointestinalen Blutungen unter Rivaroxaban mit 3,2 % höher als unter VKA (2,2 %, p < 0,001; NNH pro Jahr 100). Die Rate schwerer unerwünschter Nebenwirkungen, die zur Be- endigung der Antikoagulation führte, war in beiden Studien- armen gleich (15 %). Auch in Bezug auf andere mögliche Nebenwirkungen zeigten sich keine Unterschiede zwischen Rivaroxaban und VKA.

Jede/r fünfte Studienteilnehmer/in wies eine moderate Einschränkung der Nierenfunktion auf (Kreatinin-Clearance

< 30–49 ml/min) und erhielt daher protokollgemäß eine redu- zierte Dosis von 15 mg Rivaroxaban einmal täglich (9). Analog zur Gesamtkohorte war der primäre Studienendpunkt (Risiko eines hämorrhagischen oder ischämischen Insultes oder sys- temische Thromboembolie) in dieser Rivaroxabansubgruppe (2,3 %/Jahr) niedriger als unter Warfarin (2,8 %/Jahr), wobei das Ergebnis nicht signifikant war. Die Rate schwerwiegen- der Blutungen sowie die Rate intrazerebraler Blutungen wa- ren nicht unterschiedlich, jedoch traten unter Rivaroxaban signifikant weniger fatale Blutungen auf als unter Warfarin (0,28 vs. 0,74 % pro 100 PatientInnenjahre; p = 0,047; NNT pro Jahr 217). Eine weitere Auswertung der ROCKET-Studie zeigte, dass das Studienergebnis nicht abhängig davon war, ob PatientInnen Rivaroxaban als Primärprophylaxe (48 % der PatientInnen) oder nach einem thromboembolischen Ereignis (Sekundärprophylaxe) eingenommen hatten (10).

Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban

Apixaban (Eliquis) ist ein neuer, direkter Faktor-Xa-Inhibitor, der seit Mai 2011 in der Indikation Venöse Thromboembo- lieprophylaxe nach elektivem Knie- und Hüftgelenkser- satz zugelassen ist. Die Absorption nach oraler Einnahme erfolgt nahrungsunabhängig (Bioverfügbarkeit 52 %), zwei bis drei Stunden nach oraler Gabe ist der maximale Wirk- spiegel erreicht. Die Plasmaeiweißbindung liegt über 90 %, die Halbwertszeit beträgt 13 Stunden (11, 12). Die Elimination der Substanz erfolgt über verschiedene Metaboliten, biliäre und renale Ausscheidung und vermutlich sogar über direkte intestinale Sekretion (12). Da nur 25 % der aktiven Substanz über die Niere ausgeschieden werden (11), besteht eine ge- ringe Akkumulationsgefahr bei PatientInnen mit reduzierter Nierenfunktion. Wie bei Rivaroxaban besteht die Gefahr einer Konzentrationssteigerung bzw. -minderung bei gleichzeitiger Anwendung von Medikamenten, die CYP3A4/5 bzw. den Effluxtransporter P-Glykoprotein hemmen bzw. induzieren.

Azol-Antimykotika (wie Ketoconazol, Itraconazol und Voricon- azol) sowie HIV-Protease-Inhibitoren können zu einem zwei- fachen Konzentrationsanstieg führen; Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin oder Johanniskraut können die Apixaban- Konzentration um die Hälfte reduzieren.

Neben Studien mit orthopädischer Indikation wurden zwei Phase-III-Studien bei erwachsenen PatientInnen mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem Risiko- faktor für einen Schlaganfall bzw. eine systemische Embolie durchgeführt.

In der zuerst publizierten Phase-III-Studie namens AVER- ROES wurde zweimal täglich 5 mg Apixaban mit Acetylsali-

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cylsäure (ASS, 81–324 mg täglich) verglichen (13). Die Studie war als Überlegenheitsstudie geplant, der primäre Endpunkt war ein Schlaganfall bzw. eine systemische Thromboembolie.

In diese Studie wurden PatientInnen inkludiert, bei denen ei- ne Therapie mit VKA ungeeignet erschien. Der Begriff „unge- eignet“ war vordefiniert, in der Vollpublikation waren folgende Gründe und Häufigkeiten als Einschlussgrund (Mehrfachnen- nung möglich) angeführt: (a) INR-Einstellung nicht optimal (17 %); (b) Abstände für notwendige INR Kontrollen sind nicht einzuhalten (43 %); (c) fehlende Möglichkeit einer Kontaktauf- nahme im Falle notwendiger Dosiskorrekturen (11 %); (d) Ver- ständnisproblem, die richtigen Dosierungsanweisungen zu befolgen (16 %); (e) CHADS2-Score von 1 und ärztliche Emp- fehlung gegen eine VKA Therapie (11 %); (f) PatientIn möchte keine VKA-Therapie als alleiniger Grund (15 %). Insgesamt wurden 5.599 PatientInnen in die Studie inkludiert, von denen 40 % der PatientInnen vor Studienbeginn eine VKA-Therapie erhielten. Der mittlere CHADS2-Score betrug 2,1 (vergleich- bar mit RE-LY-Studie).

Die Studie wurde aufgrund der Überlegenheit von Apixaban gegenüber ASS vorzeitig geschlossen: Der pri- märe Endpunkt war unter Aspirin in 3,7 % der PatientInnen pro Jahr aufgetreten, bei PatientInnen mit Apixaban in 1,6 % pro Jahr (HR 0,45; 95 % Konfidenzintervall 0,32–0,62; p < 0,001;

NNT pro Jahr 48). Dieser positive Effekt war über wichtige Subgruppen hinweg konstant nachweisbar. Bemerkenswert ist, dass dieser günstige Effekt in der Intention-to-treat-Ana- lyse nicht mit einem höheren Risiko schwerer Blutungen (pri- märer Sicherheitsendpunkt) erkauft wurde: 1,4 % pro Jahr im Apixabanarm und 1,2 % pro Jahr in der ASS-Gruppe.

Dabei ist anzumerken, dass über 95 % der PatientInnen eine ASS-Dosierung von 162 mg oder weniger erhielten. Der tat- sächliche Unterschied im Blutungsrisiko war jedoch größer, wenn man nur die PatientInnen inkludierte, die zum Zeitpunkt der Blutung tatsächlich noch eines der beiden Studienpräpa- rate erhielten (On-Treatment): 1,4 % pro Jahr im Apixabanarm und 0,9 % pro Jahr in der ASS-Gruppe (p = 0,07). Die Rate unerwünschter Nebenwirkungen, die zur Beendigung der Prophylaxe führten, war für Apixaban und ASS gleich hoch. Auch in Bezug auf andere mögliche Nebenwirkungen wie zum Beispiel Anstieg der Transaminasen zeigten sich kei- ne Unterschiede zwischen beiden Studienarmen.

Die zweite Studie (ARISTOTLE-Studie) wurde analog zur RE-LY und ROCKET-Studie mit VKA als Referenzsubstanz durchgeführt (14). In diese prospektive Phase-III-Studie wur- den 18.201 PatientInnen mit Vorhofflimmern und mindestens einem Risikofaktor zu entweder oraler Antikoagulation (War- farin, INR 2,0–3,0) oder Apixaban (2×5 mg pro Tag) randomi- siert. Eine niedrigere Dosierung (2×2,5 mg pro Tag) erhielten PatientInnen, bei denen mindestens zwei der drei folgenden Kriterien vorlagen: Alter ≥ 80 Jahre, Körpergewicht ≤ 60 kg, Kreatinin ≥ 1,5 mg/dL. Die Studie wurde doppelblind und in double-dummy Technik durchgeführt. Die Studie war als Nicht-Unterlegenheitsstudie angelegt, bei Nachweis war ei- ne Überlegenheitsanalyse vordefiniert. Das mediane Alter der PatientInnen betrug 70 Jahre, die Gruppen waren in Bezug auf Basisparameter sowie den mittleren CHADS2-Score (2,1) homogen verteilt. Die Qualität der INR Kontrolle (TTR) war im Warfarinstudienarm mit 66 % (Mittelwert) besser als in der ROCKET-Studie (55 %) und vergleichbar gut zur RE-LY-Stu- die (64 %).

Unter VKA Therapie betrug das Risiko für den primären Endpunkt (hämorrhagischer oder ischämischer Insult, sys- temische Thromboembolie) 1,7 % pro Jahr. Zweimal täg- lich 5 mg Apixaban führte zu einer signifikanten Risiko- reduktion (1,3 % pro Jahr, p<0,001 für Nichtunterle- genheit, p = 0,01 für Überlegenheit; NNT pro Jahr 250).

Der Vorteil war in den verschiedenen Subgruppen konstant gegeben (Alter, Geschlecht, Nierenfunktion, Art des Vorhof-

flimmerns, gleichzeitige Aspiringabe). Analog zu den beiden anderen neuen Antikoagulantien war die Rate hämorrha- gischer Insulte deutlich vermindert (0,24 % vs. 0,47 % pro Jahr, p < 0,001; NNT pro Jahr 435).

Gleichzeitig war die Inzidenz schwerer Blutungen bei Pati- entInnen unter Apixaban um 30 % niedriger: 2,1 % vs. 3,1 %, p < 0,001; NNT pro Jahr 100). Anders als in der RE-LY-Studie und in der ROCKET-Studie konnte in dieser Studie erstmals ein signifikanter Überlebensvorteil eines neuen Antiko- agulans gegenüber Vitamin-K-Antagonisten gezeigt wer- den: die Sterblichkeit (unabhängig von der Todesursache) betrug 3,5 % bzw. 3,9 % pro Jahr für PatientInnen mit Apixa- ban bzw. Warfarin (NNT pro Jahr 250). Die Rate schwerwie- gender Nebenwirkungen war mit Vitamin-K-Antagonisten vergleichbar. Vor allem im Vergleich zu Dabigatran fällt positiv auf, dass die Anzahl der PatientInnen, die die Therapie vorzei- tig beendeten, unter Apixaban signifikant niedriger als unter Warfarin war.

Bewertung

Die Ergebnisse der Phase-III-Studien belegen, dass in der Indikation „Prävention eines Schlaganfalls oder einer syste- mischen Thromboembolie bei Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und mindestens einem zusätzlichen Risiko- faktor“ Dabigatran, Rivaroxaban wie auch Apixaban nicht schlechter sind als VKA (INR-Zielbereich 2–3). Die bei den Studien vordefinierte Überlegenheits-Analyse zeigte für Da- bigatran und Apixaban einen Vorteil in der Intention-To-Treat- Analyse, der bei Rivaroxaban nur in der On-Treatment-Analy- se gegeben war. Apixaban ist die einzige Substanz, die einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber VKA gezeigt hat (HR 0,89; 95 % CI 0,80–0,998), wobei für beide anderen Sub- stanzen ähnlich günstige Effektgrößen nachweisbar waren (Dabigatran: 0,88; 95 % CI 0,77–1,00; Rivaroxaban: 0,85; 95 % CI 0,70–1,02). Ein wesentlicher Vorteil für alle drei neuen Substanzen besteht in einer signifikant niedrigeren Inzi- denz intrazerebraler Blutungen, während die Gesamtrate schwerer Blutungen nur unter Apixaban vermindert war.

In einer rezenten Metaanalyse wurden die neuen Substan- zen erstmals gemeinsam gegenüber VKA bewertet (15). Ei- ne Überlegenheit für eine der drei Substanzen lässt sich derzeit aus den drei Studien nicht ableiten, da die geteste- ten Studienkohorten unter anderem in Bezug auf das zugrun- deliegende Schlaganfallrisiko nicht miteinander vergleichbar waren. Die fehlende Notwendigkeit regelmäßiger Labor- kontrollen und ein niedrigeres Risiko intrazerebraler Blu- tungen sind für PatientInnen und ÄrztInnen vermutlich die ausschlaggebenden Vorteile der neuen Substanzen gegenüber VKA. Die Nachteile gegenüber VKA sind für alle Substanzen gleich: (a) es fehlen Routine-Gerinnungs- tests, mit denen die Wirkung der Substanzen erfasst werden kann; (b) es fehlen spezifische Antidots, um die antikoagula- torische Wirkung bei Bedarf aufzuheben, und (c) es liegen keine Daten zu Langzeitnebenwirkungen vor. Die fehlende Notwendigkeit von Laborkontrollen kann möglicherweise ei- nen langfristig negativen Effekt auf die Medikamentenad- härenz haben. Es ist leicht kalkulierbar, dass der Benefit für die neuen Substanzen schwindet, wenn die Compliance niedriger ist als unter Vitamin-K-Antagonisten. Zieht man die Ergebnisse der Metaanalyse als Berechnungsgrundlage her- an (VKA 3,48 % pro Jahr; neue Antikoagulantien 2,76 % pro Jahr: 15), ist bei einer Compliance von 70 % unter Vitamin- K-Antagonisten und 50 % unter den neuen Antikoagulantien der Vorteil in Bezug auf die Rate systemischer Embolien bzw.

Insulte nicht mehr gegeben (Annahme: Embolierate 5,3 % pro Jahr ohne Antikoagulation). Wichtig ist daher, dass neben einem Augenmerk auf eine anhaltend gute Compliance der PatientInnen weitere prospektive Studien, insbeson- dere in Phase IV, erfolgen.

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Literatur

(1) European Heart Journal 31, 2369, 2010 (2) J Am Coll Cardiology 59, 855, 2012

(3) http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Press_re- lease/ 2011/11/WC500117818.pdf

(4) Circulation 123, 2363, 2011 (5) Stroke 43, 1511, 2012 (6) Arch Intern Med 172, 397, 2012 (7) N Engl J Med 365, 883, 2011

(8) http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/

CommitteesMeeting Materials/Drugs/

CardiovascularandRenalDrugsAdvisoryCommittee/UCM270796.pdf (9) European Heart Journal 32, 2387, 2011

(10) Lancet Neurol 11, 315, 2012

(11) Drug Metabolism and Disposition 37, 74, 2009 (12) EPAR (Eliquis), EMA London

(13) N Engl J Med 364, 806, 2011 (14) N Engl J Med 365, 981, 2011 (15) Am J Cardiol 110, 453, 2012

Prucaloprid (Resolor) und Laxantien Update

Wir haben 1997 (Pharmainfo XII/3) Laxantien besprochen, wobei es in der Zwischenzeit kaum zu wesentlichen Verände- rungen oder gar zu Durchbrüchen gekommen ist.

Nach wie vor gilt: eine chronische Obstipation sollte vor allem durch eine Änderung der Essgewohnheiten (Bal- laststoffe wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und Flüssig- keit) und durch vermehrte physische Aktivität verbessert werden. Eine Dauergabe von Laxantien wird auch heute nicht empfohlen, nicht so sehr, weil ein Risiko schwerer Neben- wirkungen gegeben ist, sondern um PatientInnen von einer chronischen Fixierung auf eine Krankheit, die einer medika- mentösen Therapie bedarf, abzubringen.

In der Zwischenzeit sind mehrere obsolete (z. B. Phenol- phthalein) bzw. Präparate mit unzuverlässiger Wirkung (z. B.

Stuhlweichmacher: Dokusatnatrium: 2–4) in Österreich nicht mehr registriert.

Quellmittel: Diese Mittel schwellen im Darm durch Wasser- aufnahme und erhöhen dadurch das Volumen des Darmin- haltes und damit die Peristaltik. Sie wirken daher ähnlich wie Ballaststoffe bzw. auch osmotische Laxantien. Im Vergleich zu Ballaststoffen, von denen man nicht unbegrenzt essen kann, können sie in effektiveren Mengen zugeführt werden.

Sie sind aber nicht so wirksam (daher sind auch die Studien- ergebnisse inkonsistent: 1–3) wie osmotische Laxantien.

Am besten untersucht erscheinen Flohsamenpräparate (Plantago ovata: 1,4), die jetzt auch die einzigen registrierten Medikamente (Agiocur, Plantaben, Pascomucil) darstellen.

Antiresorptiva/Stimulantien: Diese Substanzen wirken sowohl antiresorptiv als auch sekretorisch (auch dadurch Vo- lumen vermehrend) und direkt muskelstimulierend. Ihr Haupt- wirkort ist das Colon, sodass die Wirkung nach 6–8 Stun- den eintritt. In diesem Sinne wirksame Anthrachinone sind in mehreren Pflanzen enthalten, bei registrierten Medikamenten stehen Senna-Präparate (Bekunis, Colonorm, Darmol und einige Tees) im Vordergrund.

Weiters stehen noch Diphenylmethanderivate (Natrium- picosulfat: Agaffin, Guttalax, Laxasan, Bisacodyl: Dulco- lax, Laxbene) zur Verfügung. Während für die Anthrachinone nur ältere Studien vorliegen, wurden für die letzteren Prä- parate zwei rezente Studien (5, 6) zum Wirkungsnachweis durchgeführt.

Das für Sennaglykoside diskutierte Karzinomrisiko bei Dauer gebrauch (siehe Pharmainfo XII/3/1997) dürfte nicht be- stehen (7).

Osmotische Laxantien: Diese Stoffe werden im Darm schlecht resorbiert und halten durch ihren osmotischen Druck Wasser im Darm zurück. Neben den früher viel verwendeten Magnesiumsalzen (insbesondere Sulphate) stehen heute vor allem Laktulose (Bifiteral, Duphalac, Lactulose Generika, Laevolac), Lactitol (Importal) und Polyäthylenglycolpräpa-

rate (PEG, Macrogol 3350: Molaxole, Movicol, Osmolax;

Macrogol 4000: Forlax) im Vordergrund.

Sowohl für Laktulose als auch insbesondere für den Spät- kommer PEG belegen mehrere gute Studien die vergleich- bare Wirksamkeit (1–4), dies gilt auch für Kinder (8). Für PEG liegt auch eine Langzeitstudie vor (über 6 Monate), die neben der Wirkung auch eine gute Verträglichkeit belegt (9).

Da die Dosis dieser Laxantien letztlich linear das Volumen des Darminhalts bestimmt, sind diese Mittel gut geeignet die laxative Wirkung zu titrieren (bis hin zur Darmreinigung vor Coloskopie).

Nebenwirkungen von Laxantien

Besonders bei Überdosierung können Bauchschmerzen und Flatulenz, zusätzlich auch Diarrhoe auftreten. Elektrolytstö- rung (insbesondere Hypokaliämie) ist nur nach längerem Ge- brauch, bzw. wohl eher Missbrauch, zu befürchten.

Serotoninagonisten

Serotonin (5-Hydroxytryptamin: 5-HT) findet sich in hoher Konzentration im Darm und ist u. a. für die Darmmotilität von Bedeutung. Aktivierung des 5-HT-Rezeptors führt zur Stei- gerung der Peristaltik. Agonisten dieses Rezeptors, und zwar Cisaprid (früher Prepulsid) und Tegaserod reagierten aber auch mit dem hERG-Kaliumkanal im Herzen und konnten so zu QT-Verlängerung und Arrhythmien führen. Cisaprid wurde wegen kardialer Todesfälle im Jahr 2000 vom Markt genom- men, Tegaserod wurde in Europa nie registriert und in den USA nach der Zulassung wieder zurückgezogen (siehe 1, 2).

Prucaloprid (Resolor): Diese Substanz ist ein Agonist des 5-HT4 Rezeptors, hat aber eine deutlich höhere Selektivität als die oben genannten Substanzen (1, 2). Es erhielt eine eu- ropäische Zulassung (siehe EPAR, EMA) für die Behandlung der schweren chronischen Verstopfung bei Frauen, bei denen Abführmittel keine ausreichende Wirkung gezeigt ha- ben. Es fördert die Magenentleerung und die „transit time“ in Dünndarm und Dickdarm.

In den drei Zulassungsstudien (siehe EPAR und z. B. 10) wurden nahezu 2.000 PatientInnen (mehr als 85 % Frauen) doppelblind mit 2 und 4 mg Prucaloprid über zwölf Wochen behandelt. PatientInnen wurden in die Studie aufgenommen, wenn sie an chronischer Obstipation (> 6 Monate) mit weniger als zwei Darmentleerungen pro Woche, hartem Stuhl und starkem Pressen beim Stuhlgang litten. Eine (10) der drei Stu- dien mit ähnlichen Resultaten sei besprochen. Mehr als 80 % (siehe 10) der PatientInnen dieser Studie betrachteten die vorausgehende Behandlung als nicht adäquat, es wird aber nicht angeführt, ob eine intensive und überwachte Laxantien- therapie durchgeführt wurde. Der Primärparameter, i. e. mehr als drei spontane Entleerungen pro Woche, wurde für die Dosis von 2 mg (ähnlich 4 mg) von 30,9 % (in den anderen bei- den Studien 11,12: 19,5 % und 24 %) der PatientInnen erreicht, ein signifikant höherer Wert als für Placebo (12,6 %; in den anderen beiden Studien: 9,6 % und 12 %). Auch die anderen Symptome der Obstipation besserten sich. In der subjektiven Bewertung fanden 33,3 % versus 17 % der PatientInnen die Behandlung „quite effective or extremely effective“.

Als „rescue“-Medikation war Bisacodyl erlaubt, unter Pla- cebo blieb die Tablettenanzahl während der Studie bei ca.

2/Woche, während unter Prucaloprid nur 1 eingenommen wurde. Eine Studie an älteren PatientInnen (über 63 Jahre) erbrachte ähnliche Resultate (siehe EPAR), allerdings zeigte schon eine Dosis von 1 mg eine vergleichbare Wirkung wie 2 mg.

PatientInnen der drei Zulassungsstudien wurden in einer open label phase bis zu 18 Monate weiterbehandelt, wobei laut einer subjektiven Bewertung durch die PatientInnen die Zufriedenheit mit der Behandlung über diesen Zeitraum er-

halten blieb.

(5)

An Nebenwirkungen standen Übelkeit, Kopfschmer- zen, Bauchschmerzen und Durchfälle im Vordergrund, wo- bei diese Symptome nach einigen Tagen meist abnahmen.

Herzklopfen (Palpitationen) traten in den ersten Tagen etwas häufiger auf (1,0 versus 0,7 % in der Placebogruppe). Für kar- diovaskuläre Probleme (Ischämie, QT-Verlängerung) konnten keine Signale gefunden werden (siehe auch 13). All diese drei Faktoren sollen aber im Pharmakovigilanzplan nach der Zu- lassung überwacht werden.

Da es in den klinischen Studien zu Spontanaborten bei Schwangeren kam (Zusammenhang mit Medikation unklar), ist Prucaloprid während der Schwangerschaft nicht empfoh- len, und Frauen sollten dieses Präparat nur unter Antikonzep- tion erhalten.

Zusammenfassend: Prucaloprid ist bei chronischer Ob- stipation wirksam, auch wenn nur ca. 30 % der PatientInnen (gegenüber 12 % mit Placebo) eine gute Wirkung (mehr als drei Stuhlentleerungen pro Woche) erzielten. Nicht unter- sucht ist, ob andere Laxantien vergleichbar oder auch besser wirken. Höhere Erfolgsraten für die Erreichung von mehr als drei Darmentleerungen pro Woche wurden z. B. für Macrogol (9: 52 %) und Picosulphat (5: 51,1 %) erhalten. Das Präparat ist nur für Frauen (aber nicht in der Schwangerschaft, An- tikonzeption notwendig) zugelassen und zwar nur für dieje- nigen, bei denen andere Laxantien nicht ausreichend wirken.

Es wurde allerdings nicht untersucht, ob eine intensive und überwachte Laxantientherapie mit anderen möglicherweise besser wirksamen Präparaten nur wenige PatientInnen für die Behandlung mit Prucaloprid in Frage kommen lässt.

Zusammenfassung

Wenn bei chronischer Obstipation veränderte Ernährungsge- wohnheiten (mehr Ballaststoffe) und erhöhte physische Akti- vität nicht ausreichen, können Quellmittel als Verstärker der Ballaststoffe eingesetzt werden. Bei den Laxantien sind die bestuntersuchten Laktulose und Macrogole. Als Mittel weiterer Wahl können Diphenylmethane herangezogen wer- den. Für das noch wenig bewährte und keine spezifischen Vorteile bietende Prucaloprid (Resolor) ist derzeit nur eine Reserveposition zu sehen.

Literatur

(1) Neurogastroenterol Motil 23, 697, 2011 (2) Ther Adv Gastroenterol 4, 37, 2011 (3) Am J Gastroent 100, 51, 2011 (4) Am J Gastroent 100, 936, 2005 (5) Am J Gastroent 105, 897, 2010 (6) Gastroent 138 (Suppl1), S228, 2010 (7) J Tox 2009, 287247, 2009 (8) J Ped Gastroent Nutr 41, 625, 2005 (9) Am J Gastroent 102, 1436, 2007 (10) N Engl J Med 358, 2344, 2008 (11) Gut 58, 357, 2009

(12) Aliment Pharm Ther 29, 315, 2009 (13) BJ Clin Pharm 73, 203, 2011

Primärprävention von kardiovaskulären Ereignissen und Karzinomen

mit Acetylsalicylsäure (ASS)

Wir haben berichtet (Pharmainfo XXV/2/2010), dass laut einer Metaanalyse (1) eine Primärprävention kardiovaskulärer Er- eignisse bei Gesunden mit ASS keine positive Bilanz ergibt.

Ca. 280 PatientInnen (NNT: number needed to treat) müssen für 6 Jahre behandelt werden, um einen kardiovaskulären Event zu verhindern, dem steht eine NNH (number needed to harm) von 170–550 gegenüber (schwere Blutungen). Eine neue große Metaanalyse von neun Studien mit über 100.000 PatientInnen (2: Cochrane Library) fand nun relativ gesehen ähnliche Werte: und zwar eine NNT von 120 (für 6 Jahre, vor allem Reduktion nicht-tödlicher Herzinfarkte, aber keine Änderung der kardiovaskulären Mortalität), dafür aber einen

Anstieg von signifikanten Blutungen (NNH: 73). Eine weitere Metaanalyse fand für 7 Jahre eine NNT von 253 und eine NNH von 261 (3).

Inwieweit eine medikamentöse Gastroprotektion die NNH reduziert, wurde in diesen Metaanalysen nicht untersucht.

Diese wird für RisikopatientInnen empfohlen (4). Tatsächlich nehmen, zumindest laut einer spanischen Studie (5), mehr als 75 % der PatientInnen (einschließlich no-risk-PatientInnen) gastroprotektive Medikamente (vor allem Protonenpumpen- blocker) zusammen mit ASS ein. Auch wenn die NNH dann absinkt, ändert dies nichts am relativ geringem Nutzen, da 120–280 PatientInnen für 6 bis 7 Jahre behandelt werden müssen, um einen Fall (vor allem nicht-tödliche Herzinfarkte) zu verhindern.

Eine generelle Primärprophylaxe kardiovaskulärer Er- krankungen bei Gesunden wurde in der Vergangenheit zwar diskutiert und auch, vor allem in den USA, von vielen durchgeführt. Tatsächlich haben aber Guidelines eine Pri- märprophylaxe nur bei vorhandenem Risiko empfohlen. Die American Heart Association sah eine Indikation nur, wenn ein kardiovaskuläres Risiko, bewertet mit dem Framingham risk score (siehe 6), von mehr als 10 % für die folgenden zehn Jahre gegeben war (7). Für Frauen wurde dann ein Update (8) publiziert, in dem Frauen über 65 Jahren „at risk“ (definiert durch das Vorliegen zumindest von zwei Risikofaktoren wie Rauchen, Hochdruck, Metabolisches Syndrom, hohes Cho- lesterin) eine ASS-Prophylaxe empfohlen wurde.

Eine andere Guideline (US preventive service task force: 9) differenzierte zwischen Alter, Geschlecht und Risikofaktoren (ASS für Männer mit 45–59 Jahren, mit einem Framingham risk score von mehr als 4 % für Herzinfarkte, 60–69 Jahre ab 9 %, 70–79 Jahre ab 12 %; bei Frauen: 55–59 Jahre ab 3 % risk score für Schlaganfall, 60–69 Jahre ab 8 %, ab 79 Jahren ab 11 %).

Für die Karzinommortalität wurde in der oben zitierten Metaanalyse (2) nur eine numerische Senkung von 7 % gese- hen. Rezente Studien haben aber die Frage der Krebspräven- tion durch ASS neu fokussiert. Die Follow-up-Daten von fünf randomisierten Studien zur Primär- und Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse wurden in einer Metaanalyse be- züglich Colonkarzinomen untersucht (10).

Wenn die PatientInnen für mehr als fünf Jahre ASS erhiel- ten, begann in den folgenden Jahren die Inzidenz und Morta- lität für Colonkarzinome (insbesondere im proximalen Teil) zu sinken und erreichte nach 20 Jahren eine HR (Hazard ratio) von 0,62 bzw. 0,48 und damit eine absolute Risikoreduk- tion von 1,55 % bzw. 1,76 % (NNT 65 bzw. 57). Dieser Ef- fekt war unabhängig von einer Dosis zwischen 75–300 mg, hingegen waren 30 mg weniger effektiv. Da die PatientInnen in der Follow-up Periode (nach im Mittel sechs Jahren in der eigentlichen Studie) nicht mehr als ASS-Gruppe versus Pla- cebo geführt wurden, könnte der präventive Effekt bei einer konsequent durchgeführten ASS-Gabe über 20 Jahre noch größer sein.

In Übereinstimmung mit diesen Daten haben frühere Stu- dien (siehe 10) gezeigt, dass ASS die Inzidenz von Colon- adenomen, also mögliche Karzinomvorstufen, reduzieren kann. Andererseits haben zwei große Studien (Women’s Health Study und Physician Health Study: 22.000 Teilneh- merInnen: 11, 12) mit einer Beobachtungsdauer von zehn bzw. fünf Jahren keinen Effekt von ASS auf Colon- bzw. Ge- samtkarzinome ergeben. Da in diesen Studien ASS (100 mg bzw. 325 mg) nur jeden zweiten Tag gegeben wurde, könn- te dies die Ursache einer mangelnden Karzinomprävention sein. Follow-up-Daten dieser Studien werden jetzt analysiert.

Unterstützung für einen Präventionseffekt kommt von einer prospektiven Studie mit PatientInnen mit hereditären Colon- karzinomen (Lynch Syndrom), die 600 mg ASS erhielten (13).

Auch hier zeigte sich schon nach drei bis vier Jahren eine

(6)

Prävention für Colonkarzinome. Nach fünf Jahren war eine Senkung der bei diesem Syndrom hohen Inzidenz von 6,9 % auf 4,4 % gegeben. Allerdings brauchen auch diese Daten eine Bestätigung, da es sich um eine Subgruppenanalyse handelt.

In einer weiteren Metaanalyse (14) wurde von der obigen (siehe 10) Forschergruppe der Einfluss von ASS auf mehrere Karzinome untersucht. Es wurden acht Studien ausgewer- tet und zwar für Ereignisse während der Studiendauer bis zu zehn Jahren (25.570 PatientInnen, 674 Karzinomtote) und während der nachfolgenden (follow-up) Jahre (drei Studien:

12.139 PatientInnen, 1.634 Karzinomtodesfälle), wobei in die- sen follow-up-Perioden ASS zum Teil von den PatientInnen abgesetzt bzw. von der Placebogruppe neu eingenommen wurde. Während der ersten fünf Jahre der Versuchsperiode sank die Krebsmortalität für einzelne Tumore (z. B. colorektal) in der ASS-Gruppe etwas ab, aber nicht signifikant (HR: 0,88).

Innerhalb von 10 Jahren war aber die Krebsmortalität signifikant um 38 % gesunken (HR: 0,62), vor allem bedingt durch die Reduktion von Adenokarzinomen im Bereich des Magen-Darm-Traktes (Colon, Oesophagus), aber auch in der Lunge und Prostata. Todesfälle aufgrund hämatologischer Tumore blieben unverändert. Da relativ wenige Frauen in die- ser Studie waren, sind Daten für diese bzw. frauenspezifische Tumore nicht zu etablieren. Auch nach 20 Jahren war die Re- duktion der Karzinom Todesfälle gegeben (HR: 0,78), wobei die absolute Risikoreduktion 3,49 % betrug (NNT: 28).

Diese war entsprechend des im Alter steigenden Tumor- risikos deutlich altersabhängig: 1,41 % für 55 Jahre, 4,53 % für 55–64 Jahre und 7,08 % (NNT: 14) über 65 Jahre.

Die selbe Forschergruppe hat dann 2012 noch zwei wei- tere wesentliche Arbeiten publiziert (15,16). In einer Analyse von 51 Studien (47.549 PatientInnen) wurde die Inzidenz von Karzinomen und Gesamttodesfällen, insbesondere auch in Studien zur Primärprävention mit ASS analysiert. In Bestäti- gung der obigen Analyse wurden Karzinomtodesfälle nach fünf Jahren um 37 % (relative Risikoreduktion) reduziert, dem- entsprechend wurde auch die Krebsinzidenz schon ab drei Jahren reduziert, und zwar bei Männern um 23 % und bei Frauen um 25 %, wobei es zu einer signifikanten Redukti- on von frauenspezifischen Tumoren kam. Besonders inter- essant sind die Analysen der Studien zur Primärprävention.

Die Krebsinzidenz wurde in den ersten drei Jahren nicht, aber bereits nach drei bis fünf Jahren reduziert (Absolute Risiko-Reduktion ARR für ein Jahr 0,22 %, NNT pro Jahr 454) und nach fünf Jahren noch stärker (ARR: 0,48 %, NNT: 208).

Schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse waren bereits in den ersten drei Jahren (ARR: 0,2 %, NNT pro Jahr 500) gesenkt, in den folgenden Jahren nicht mehr. Starke extra- kraniale Blutungen waren in den ersten drei Jahren signifikant erhöht (NNH pro Jahr 770). Das Gleichgewicht zwischen der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und der erhöhten Blu- tungsrate entspricht den eingangs zitierten Werten bei Pri- märprophylaxe. Es überrascht aber, dass nach drei Jahren diese beiden Parameter sich nicht mehr von der Placebo- gruppe unterscheiden. Mögliche Erklärungen sind ein früh- zeitiges Ausscheiden von PatientInnen mit Magenbeschwer- den unter ASS, die sonst später gastrointestinale Blutungen gehabt hätten, bzw. die Gabe von ASS für PatientInnen aus der Placebogruppe, die geringfügige kardiovaskuläre Prob- leme hatten. In einer weiteren Metaanalyse (16) wurde der Effekt von ASS auf die Metastasierung von Tumoren in fünf Studien (17.285) PatientInnen untersucht. Während der Stu- diendauer von 6,5 Jahren reduzierte ASS Tumore mit Fern- metastasen (insbesondere Adenokarzinome) um 36 %. Dies könnte zumindest einen Teil der oben berichteten reduzierten Karzinommortalität erklären, die Reduktion der Inzidenz von Karzinomen spricht aber auch für einen direkten Effekt von ASS auf die Karzinombildung.

Die rezenteste Studie (August 2012: 16a), eine „observati- onal cohort study“ aus den USA (n = 100.139), fand ebenfalls eine Reduktion der Krebsmortalität (insbesondere Colonkar- zinom), allerdings je nach Berechnung nur um 8 %, bzw. 16 % und unabhängig davon, ob ASS für weniger oder mehr als fünf Jahre verwendet wurde.

Schlussfolgerungen: Rezente Metaanalysen machen wahrscheinlich, dass ASS mit der Mindestdosis von 75 mg die Inzidenz und Mortalität von mehreren Karzinomen, insbe- sondere Adenokarzinomen, senken kann, vermutlich sowohl über eine Hemmung der Karzinogenese als auch der Metas- tasierung. Hingegen konnten zwei frühere große Studien (11, 12), allerdings mit ASS nur alle zwei Tage gegeben, diesen

Effekt nicht zeigen, sodass derzeit keine endgültige Klarheit herrscht (siehe auch Kommentare: 17–21).

Können wir derzeit trotzdem einige Schlüsse ziehen?

Für die essentielle Sekundärprophylaxe nach Infarkten und Schlaganfällen mit ASS dürften diese neuen Daten zur Kar- zinomprophylaxe einen zusätzlichen Nutzen belegen. Dies gilt auch für die Prophylaxe bei PatientInnen mit einem klaren kardiovaskulären Risiko (Angina pectoris, Vorhofflimmern, pe- ripheren Durchblutungsstörungen). Für letztere Erkrankungen hat eine Studie für Clopidogrel (Plavix, Clopidogrel Generi- ka) einen etwas besseren Nutzen gefunden (siehe Pharmainfo XXV/3/2010). Die neuen Daten zur Krebsprävention sprechen doch dafür, auch bei peripheren Durchblutungsstörungen ASS vorzuziehen.

Für eine generelle Primärprophylaxe von kardiovaskulä- ren Komplikationen ist in der letzten Zeit ein Gleichgewicht zwischen Nutzen und Schaden betont worden. Guidelines haben auch schon bisher eine Primärprophylaxe nur bei er- höhtem kardiovaskulären Risiko empfohlen. Die neuen Daten zur Krebsprävention könnten nun dafür sprechen, zumindest schon bei geringerem kardiovaskulären Risiko ASS einzuset- zen. Solche PatientInnen sind in der Altersgruppe über 55 Jahre häufiger, wobei im Alter von 55–64 Jahren der Nutzen der Krebsprävention nach 20 Jahren schon eine absolute Risikoreduktion von 4,53 % erreicht (NNT: 22), über 65 Jahre dann 7,08 % (NNT: 14). Laut der obigen Metaanalyse waren hingegen erhöhte Blutungsraten nur in den ersten drei Jahren gegeben (NNH: 257 für drei Jahre).

Auf jeden Fall sind weitere Studien notwendig. Laufen- de Studien (z. B. AspECT: Kombination von ASS und Proto- nenpumpenblockern, ASPREE: Nutzen und Risiko von ASS über 70 Jahren: siehe 20) sind dafür relevant. Eine rezente Guideline (American College of Chest Physicians) hat bereits in Kenntnis der ersten Publikation (4, 8) zur Karzinompräventi- on eine ASS-Gabe für alle über 50 Jahren empfohlen (6). Die Diskussion hat aber erst begonnen (z. B. 21–23); auf jeden Fall ist folgendes abzusehen: Nachdem rezente Metaanaly- sen ein positives Nutzen/Risikoverhältnis bei der primären kardiovaskulären Prävention in Frage gestellt haben, könnte ASS als wirksame Krebsprävention das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen lassen.

Literatur

(1) Lancet 373, 1849, 2009 (2) Arch Int Med 172, 209, 2012 (3) Am Heart J 162, 115, 2011 (4) Gastroenterol Hepatol 35, 1, 2012 (5) J Amer Coll Cardiol 52, 1502, 2008 (6) Chest 141, (Suppl), e6375, 2012 (7) Circulation 106, 388, 2002 (8) Circulation 123, 1243, 2011 (9) Ann Int Med 150, 396, 2009 (10) Lancet 376, 1741, 2010 (11) JAMA 294, 47, 2005 (12) Ann Int Med 128, 713, 1998 (13) Lancet, 378, 2081, 2011 (14) Lancet, 377, 31, 2011 (15) Lancet 379, 1602, 2012 (16) Lancet 379, 1591, 2012 (16a) J Nat Canc Inst 104, 1208, 2012 (17) Arch Int Med 172, 217, 2012 (18) Lancet 376, 1713, 2010 (19) Lancet 378, 2051, 2011

(7)

(20) J Nat Canc Inst 104, 172, 2012 (21) Lancet online 21. März, 2012 – Chan (22) BMJ 344, e2480, 2012

(23) Nature Rev 9,259,2012

Alzheimer – Wie lange soll man eine Therapie fortsetzen?

Wir haben dazu im Einvernehmen mit einer deutschen Leitli- nie festgestellt (siehe Pharmainfo XXV/2/2010), dass bei der Behandlung mit Cholinesterasehemmern (Donepezil: Aricept, Rivastigmin: Exelon, Galantamin: Reminyl, Galantamin Generika und Memantin: Axura, Ebixa) Absetzversuche zweckmäßig sein können, wenn Zweifel an einem günsti- gen Nutzen/Nebenwirkungs-Verhältnis auftreten.

Wie eine rezente Befragung von kanadischen ExpertInnen zeigt (1), ist dies aber eine kontroverse Problematik, da zwar Einigkeit darüber herrscht, dass bei Vorliegen belastender Nebenwirkungen die Therapie eher zu unterbrechen ist. In- wieweit aber der Wirkungserfolg oder Misserfolg zu bewerten sei, verblieb ohne Konsens.

Zu dieser wichtigen Frage ist nun eine neue Arbeit (2) er- schienen (siehe auch Editorial: 2a und 3). Bei 295 PatientInnen mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung, die mindestens drei Monate (im Durchschnitt zwei bis drei Jahre: siehe 2a) Donepezil erhalten hatten, wurde diese Therapie unterbro- chen und in vier Studienarmen (Placebo, Donepezil, Meman- tin und beide Medikamente) für ein Jahr fortgesetzt. Unter- sucht wurden der SMMSE Parameter (Standard Mini-Mental State Examination) für kognitive Fähigkeiten und der BALD (Bristol Activities of Daily Living Scale). In allen vierGruppen verschlechterten sich diese Parameter. In der Donepezil- Gruppe war der Abfall im Vergleich zu Placebo für SMMSE um 1,9 Punkte geringer (auf einer Zehn-Punkte-Skala: ein Unterschied von 1,5 wird als klinisch relevant angesehen), für BALDS um drei Punkte verbessert (auf einer 60 Punkte Skala:

3,5 klinisch relevant), für Memantin waren die entsprechen- den Werte 1,2 bzw. 1,5. Für Donepezil entsprach dieser verlangsamte Abfall der kognitiven Fähigkeiten einem zeitlichen Gewinn gegenüber der Placebogruppe um vier Monate (3). Die Kombination der beiden Substanzen erbrachte keinen Vorteil gegenüber den Einzelsubstanzen.

Was belegt diese Studie?

(i) Wie bereits in früheren Studien gezeigt (siehe Pharmainfo XXV/2/2010), kann die Wirkung der Cholinesterasehemmer gerade noch als klinisch relevant angesehen werden, für Memantin in dieser Studie nicht mehr. Für Memantin hat ein Cochrane Review (4) einen „small beneficial effect“

für moderaten bis schweren Alzheimer gesehen, für leich- tere Alzheimer-Formen war nur mehr ein marginaler positi- ver Effekt auf kognitive Fähigkeiten, aber nicht auf andere Parameter wie „daily living“ zu sehen.

(ii) Für die Kombination Memantin mit Donepezil haben wir (Pharmainfo XXV/2/2010) in Übereinstimmung mit der deutschen Guideline positive Belege (siehe 5) gesehen, die englische Bewertungsagentur NICE hat hingegen diese Kombination „because of lack of evidence of additional cli- nical efficacy“ nicht empfohlen (siehe NICE Guideline, März 2012, für Alzheimer). Diese Empfehlung wird durch die vor- liegende Studie bestätigt. Sollte diese Therapie trotzdem eingesetzt werden, ist sie besonders kritisch nach den in Punkt (iii) angeführten Kriterien zu hinterfragen (siehe auch 2a).

(iii) Zu unserer im Titel gestellten Frage lässt diese Studie konkretere Antworten zu: Eine längere Fortsetzung der Therapie mit Donepezil ist für einzelne PatientInnen zweckmäßig, wenn diese bei vertretbaren Nebenwir- kungen unter der Therapie eine Verbesserung oder kei- ne Verschlechterung erfahren. Die grundsätzliche Ent-

scheidung bezüglich Wirkung muss aber gegenüber dem Grad der Nebenwirkungen, die Übelkeit, Durchfälle, Brady- kardie, Muskelkrämpfe und Harninkontinenz einschließen, abgewogen werden. Auch Synkopen (verbunden mit kur- zem Bewusstseinsverlust und Sturzgefahr) wurden beob- achtet (siehe 6: 31,5 versus 18,6 pro 1.000 Personenjahren bei Demenzkranken mit oder ohne Cholinesterasetherapie;

Oberschenkelfrakturen: 22,4 versus 19,8).

Letztlich ist zu überlegen, inwieweit eine Verschiebung des Abfalls der kognitiven Fähigkeiten um 4 Monate nicht durch belastende Nebenwirkungen neutralisiert oder ins Negative verkehrt wird. Hierzu gibt auch diese Studie nur Eckpunkte, am Ende verbleibt die individuelle ärztliche Entscheidung im Einvernehmen mit den Angehörigen und wenn möglich mit den PatientInnen, ob die Nutzen/Nebenwirkungsabwägung positiv ist.

Literatur

(1) Int Psychoger 23, 539, 2011 (2) N Engl J Med 366, 893, 2012 (2a) N Engl J Med 366, 957, 2012 (3) BMJ 344, e1718, 2012 (4) Cochrane Library 2009: issue 1 (5) JAMA 291, 317, 2004 (6) Arch Int Med 169, 867, 2009

Azithromycin und kardiovaskulärer Tod

Bereits im Jahre 2004 wurde eine Assoziation von Makrolid- Therapie und plötzlichem kardiovaskulären Tod publiziert (1).

Damals wurde gezeigt, dass die Einnahme von Erythro- mycin (Erythrocin und Generika) zu einer Verdoppelung plötzlicher kardiovaskulärer Todesfälle führte, während die Einnahme eines Betalaktam-Antibiotikums (Amoxicillin) keinen Einfluss auf das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko hatte.

Das Mortalitätsrisiko unter Erythromycintherapie wurde gar auf das 5,4-fache gesteigert, wenn die PatientInnen gleich- zeitig Medikamente einnahmen, die Cytochrom-P450 3A (CYP3A) – ein Erythromycin-abbauendes Enzym der Leber (2) – blockierten oder mit diesem interagierten, wobei ein- schränkend vermerkt werden muß, dass diese Analyse mit nur 194 PatientInnen durchgeführt wurde (1). Demgegenüber war bei gleichzeitiger Einnahme von CYP3A-Inhibitoren und Amoxicillin (Ospamox und Generika) das Risiko für plötzli- chen Herztod nicht erhöht (1). Die am häufigsten verwendeten CYP3A-nhibitoren in dieser Studie waren Verapamil (Isop tin und Generika) und Diltiazem (Dilzem und Generika). Der zur erhöhten Mortalität führende Mechanismus bleibt unklar, es wurde jedoch diskutiert, dass Calciumantagonisten den Abbau von Erythromycin blockieren und über Steigerung der Erythromycinspiegel zu einer QT-Verlängerung führten (3), umgekehrt kann aber auch Erythromycin den Abbau der Calciumantagonisten hemmen und deren Serumkonzentrati- onen erhöhen, was mit Bradykardie und Asystolie assoziiert sein kann (1, 4). Rezent publizierte klinische Beobachtungen zeigen nun auch, dass während der Einnahme von Azi- thromycin (Zithromax und Generika) ebenfalls ein erhöh- tes kardiovaskuläres Risiko beobachtet wurde (5). In einer Kohortenstudie wurde das Risiko für kardiovaskulären Tod bei 348.000 PatientInnen, die über fünf Tage Azithromycin genommen haben, im Vergleich zu Personen ohne Antibio- tika-Therapie (ca. 1,4 Millionen), PatientInnen, die Amoxicillin genommen haben (1,4 Millionen) sowie PatientInnen unter Chinolon-Therapie (Ciprofloxacin bzw. Levofloxacin, zusam- men ca. 450.000) analysiert. Dabei fanden die AutorInnen, dass die fünftägige Einnahme von Azithromycin das Risiko für kardiovaskulären Tod um das 2,88-fache und Tod aus anderen Ursachen um das 1,85-fache im Vergleich zu Patien- tInnen erhöhte, die keine Antibiotika einnahmen (5). Demge- genüber hatten PatientInnen, die Amoxicillin einnahmen, kein erhöhtes Sterberisiko. Im Vergleich zu Amoxicillin führte die

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Einnahme von Azithromycin zu 47 zusätzlichen Todesfällen bei 1 Million Verschreibungen bei PatientInnen mit einer weit fortgeschrittenen kardiovaskulären Erkrankung erhöhte sich das Risiko sogar auf 245 zusätzliche Todesfälle pro 1 Milli- on Verschreibungen. Beim Vergleich mit Chinolonen zeigte sich ein signifikant höheres Mortalitätsrisiko von Azithromycin versus Ciprofloxacin (Ciproxin und Generika), während das Risiko für kardiovaskulären Tod zwischen Azithromycin und Levofloxacin (Tavanic und Generika) nicht signifikant unter- schiedlich war (5).

Bei diesen Beobachtungen dürfte es sich um einen Grup- peneffekt von Makroliden handeln, da auch die kurzzei- tige Gabe von Clarithromycin (Klacid und Generika) mit einem signifikant erhöhten Risiko (2,61-fach) für plötz- lichen Herztod assoziiert waren. Interessanterweise trat dieses Ereignis bei gleichzeitiger Einnahme von Statinen nicht auf (6).

Diese Studien betonen einmal mehr die Bedeutung von weiterführender Beobachtung und Dokumentation von un- erwünschten Nebenwirkungen nach Zulassungen von Me- dikamenten, um potentiell lebensbedrohliche Arzneimittelin- teraktionen zu identifizieren, und untermauert die Wichtigkeit von pharmakologischem, aber auch von fachspezifischem Wissen in der Behandlung chronisch Kranker mit Infektionen.

Konsequenzen: Insbesonders ist die Indikation zur Gabe von Makroliden bei PatientInnen mit kardiovaskulären Erkran- kungen und/oder laufender Therapie mit CYP3A Inhibitoren kritisch zu stellen. Das gilt insbesonders auch für die Lang- zeitadministration von Makroliden, z. B. zur Prävention von akuten Exazerbationen einer COPD (7), wo einer Reduktion der Exacerbationsfrequenz die potentielle Erhöhung der kar- diovaskulären Mortalität gegenübersteht.

Literatur

(1) New Engl J Med 351, 1089, 2004 (2) Clin Pharm Therap 72, 524, 2002, (3) Pharmacotherapy 16, 663, 1996, (4) Am J Med 95, 431, 1993, (5) New Engl J Med 366, 1881, 2012, (6) Cardiology, 118, 63, 2011, (7) New Engl J Med, 365, 689, 2011

Fampridin (Fampyra)

Fampridin ist eine neu formulierte retardierte Form des 4-Aminopyridin (4-AP). 4-AP ist ein Blocker von spannungs- abhängigen Kaliumkanälen, 4-AP soll insbesondere auf de- myelinisierte Axone wirken und die Aktionspotentialbildung verbessern.

Fampridin ist zur Verbesserung der Gehfähigkeit von er- wachsenen PatientInnen mit Multipler Sklerose (MS) mit Gehbehinderung (EDSS 4–7) zugelassen (in den USA als Ampyra).

In drei Zulassungsstudien (9–14 Wochen, doppelblind) wurden insgesamt 540 PatientInnen mit MS (Krankheitsdau- er 10,8–12,7 Jahre) auf eine Verbesserung der Gehfähigkeit untersucht (siehe EPAR, EMA): Primärparameter war die An- spruchrate im T25FW Test (Timed 25 Foot Walk Test: Zeit um 7,6 m zu gehen). Ein Responder war gegeben, wenn er

in 3 von 4 Messungen eine höhere Geh-Geschwindigkeit zeigte. Diese lag für Placebo bei 8,3–9,3 %, für Fampridin zwischen 34,8–42,9 %. Ein Responder kann man schon mit sehr kleinen Unterschieden sein, die tatsächliche Geschwin- digkeit zwischen den 2 Gruppen zeigte hingegen nur gerin- ge Unterschiede: 10,5–13,6 Sekunden für Placebo versus 10,2–10,8 für Fampridin. Mit einer anderen Responderrate kann man zumindest zeigen, dass ein Teil der PatientInnen etwas besser reagiert. 31 % in der Fampridingruppe und 13 % in der Placebogruppe zeigten eine zumindest 20 %ige Reduktion in der Zeit.

Die Bewertung dieser Studien durch die europäische Zu- lassungsbehörde (CHMP) war sehr kritisch (siehe EPAR):

„The clinical relevance of the effect observed is highly uncertain“. Es ist z. B. zweifelhaft, ob eine Verbesserung der Geschwindigkeit über ein paar Meter etwas über Gehqualität, Gehfähigkeit und Koordination im Allgemeinen aussagt.

In Sekundenparametern wurde bewertet, ob der/die Un- tersucherIn oder der/die PatientIn selbst (SGI: subject global impression, CGI: clinical global impression) einen Behand- lungserfolg sehen: Es wurde kein Unterschied im klinischen Bild zwischen den zwei Gruppen berichtet.

An Nebenwirkungen wurden Schwindel, Gleichgewichts- störungen, Parästhesien und Tremor beobachtet. Harn- wegsinfekte waren häufiger als in der Placebogruppe. Auch Krämpfe wurden registriert, insbesondere bei Dosen, die knapp (geringe therapeutische Breite) über der empfohlenen Dosis lagen (bei 10mg: 0,4/100 PatientInnenjahren, NNH 250;

bei 15 mg: 1,7/100: NNH 59: Medical Letter 52,73,2010).

Vor allem auf Grund der zweifelhaften Wirkung wurde eine Zulassung vom CHMP abgelehnt. Eine Firma hat aber das Recht, eine Revision zu verlangen, und diese wird mit zwei neuen Rapporteuren im CHMP durchgeführt. Letztlich erfolg- te dann eine positive Mehrheitsentscheidung insbesonde- re im Hinblick darauf, dass zumindest ein Teil der PatientInnen eine bessere (über 20 %) Wirkung zeigt und weil ein „medical need“ (keine andere vergleichbare Therapie) gegeben ist.

Offensichtlich gibt es auch bei wissenschaftlichen Bewer- tungen einen Graubereich, wo Mehrheitsentscheidungen so wie in anderen „menschlichen“ Bereichen variieren können.

Die Unsicherheit bei dieser Entscheidung drückt sich auch durch eine „konditionale“ Zulassung aus: diese ist der Aus- druck einer noch unvollständigen Datenlage (daher Verpflich- tung zu weiteren Studien) und ist jährlich zu erneuern.

In einer rezenten, unveröffentlichten Studie (von der FDA angeordnet, n = 430) zeigte Fampridin in der 5 mg, aber auch der 10 mg Dosis keinen Effekt auf die Gehgeschwindigkeit bei MS PatientInnen (DIA daily, 14. Aug. 2012).

In der Fachinformation wurde vorgeschrieben: Erstver- schreibung auf zwei Wochen begrenzen. Wenn keine Ver- besserung beobachtet wird, bzw. wenn PatientInnen keine positive Wirkung berichten (Gehtest durchführen), Fampridin absetzen. Auch im weiteren Verlauf wiederholte Beurteilung und gegebenenfalls Absetzen.

Bei dieser Datenlage (fragliche Wirkung, Risiko von Krampfanfällen) ist eine Verschreibung dieses Mittels schwer vertretbar.

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