ASTHMA BRONCHIALE IM KINDES- UND JUGENDALTER
Priv.-Doz. Dr. Andreas Pfleger
Klinische Abteilung für Pädiatrische
Pulmonologie und Allergologie und CF- Zentrum Universitätsklinik für Kinder- und
Jugendheilkunde Graz
ASTHMA BRONCHIALE IM KINDES- UND JUGENDALTER
Kein Interessenskonflikt für diesen Vortrag
Asthma bronchiale
Heterogene, multifaktorielle Erkrankung
Chronisch entzündliche Atemwegserkrankung (meist eosinophile Bronchitis, seltener neutrophile Inflammation),
Symptomatik ist variabel (Husten, Pfeifen, Giemen, Thoraxenge, Atemnot) und korreliert mit exspiratorischer Atemflusslimitierung
Variable Atemwegseinengung mit spontaner oder unter
Bronchienerweiternder Medikation ausgelöster Reversibilität
Meist eine bronchiale Hyperreagibilität bestehend
Oft mit Allergien assoziiert bzw. Sensibilisierungen auf
Inhalationsallergene (Hausstaubmilbe, Pollen, Tierhaare), Nahrungsmittelsensibilisierungen
Atopisches Ekzem zu 40% mit Asthma assoziiert, gleichzeitiges Auftreten von allergischer Rhinoconjunctivitis und allergischem saisonalem Asthma bronchiale
Typisch in der Spirometrie ≥12 % FEV1 – Verbesserung
Spirometrie vor und nach 400µg Salbutamol
Asthma bronchiale / Kindes-Jugendalter Prävalenz in verschiedenen Ländern (ISAAC), 6-7 jähriger
Österreich 4,4 % auf 5,1 % Asher et al Lancet 2006
Asthma bronchiale / Kindes-Jugendalter Prävalenz in verschiedenen Ländern (ISAAC), 13-14 jähriger
Österreich 5,4 % auf 7,1 % Asher et al Lancet 2006
Pathophysiologie
Nuozyten = ILC2
„type 2 innate lymphoid cells“
Unter Einfluss von IL-25 (Hausstaubm.) IL-33 (Viren,Altern- aria, Diesel)
TSLP (thymic stromal Lymphopoietin)
Mod. Nach A.
Durham 2017
Pathophysiologie
,IL-9
Pathophysiologie und Biomarker
Gans M, Gavrolova T. Paed Resp Rev 2020
Stein et al. 2016 N Eng J Med. Innate immunity and asthma risk in Amish and Hutterite farm children
21 % vs 5% Asthma als Schulkind
33% vs 7,2% allerg. Sensibilisierungen
Hygienehypothese bzw. „Biodiversitätshypothese“
Exposure to farming in early life and development of asthma and
allergy: a cross-sectional survey Riedler et al. Lancet 2001
Findings: Exposure of children younger than 1 year, compared with those aged 1–5 years, to stables and consumption of farm milk was associated with lower
frequencies of asthma (1% [3/218] vs 11% [15/138]), hay fever (3% [7] vs 13% [18]), and atopic sensitisation (12%
[27] vs 29% [40]). Protection against development of asthma was independent from effect on atopic
sensitisation. Continual long-term exposure to stables until age 5 years was associated with the lowest frequencies of asthma (0·8% [1/122]), hay fever (0·8% [1]), and atopic sensitisation (8·2% [10]).
Genetik
Mit Asthma assoziert:
ADAM33 (involved with „airway remodelling“,independent of inflammation)
PHF11 (wichtig für die Aufrechterhaltung der epithelialen Integrität)
DPP10 (Biomarker für AERD = „Aspirin associated respiratory disease“, welches mit Nasenpolypen assoziiert ist)
GPRA (noch nicht näher bekannte Rolle in Epithelzellen der Luftwege)
SPINK5 (Polymorphismen assoziiert mit sowohl Asthma als auch Atopischem Ekzem)
Asthma / Genetik
Genome-wide association studies
involviert in Kommunikation des Epithels und der Th2 -
Produktion
Asthmaeinteilung nach Phänotypen und Endotypen
Klinische Charakteristika machen einen Phänotyp aus
Endotypen beschreiben den zugrundeliegenden immunologischen Mechanismus
Phänotyp- und Endotyp- einteilung überschneiden sich
Diagnose und Management / Asthma-Stellungnahme zu den GINA-Richtlinien WIKLIWO 2016
Horak, Doberer, Eber, et al.
Phänotypen
Aufgrund der Heterogenität der Erkrankung können verschiedene Phänotypen beschrieben werden, deren Abgrenzung insbesonders bei schweren Verlaufsformen Therapie-relevant sein können:
allergisches Asthma bronchiale
nicht-allergisches Asthma bronchiale
Kleinkindasthma/rekurrierende obstruktive Bronchitis
late-onset Asthma bronchiale
Asthma bronchiale mit fixierter Atemwegsobstruktion
Asthma bronchiale bei Adipositas
berufsbedingtes Asthma
Asthma bei alten Menschen
Schweres Asthma
Obwohl 50% aller Kinder in den ersten 6 Lebensjahren
gelegentlich oder häufiger giemen, bei >20% bis zum Schulalter verschwunden,
Rund ½ der übrigen 30% mit rekurr. Obstr.Bronchitiden Asthma bis ins Erwachsenenalter
Major:
Asthma bei den Eltern
Atopisches Ekzem (ärztl. Diagnose)
Allergische Sensibilisierung gegen mehr als ein Aeroallergen
Minor
Allergische Sensibilisierung gegen Milch, Ei, und Erdnuss
Giemen unabhängig von Erkältungen
Bluteosinophilie ≥ 4%
m API (= modifizierter Asthma Prädiktivindex) =
mehr als 4 Episoden mit Giemen, mindestens eine davon Ärztin/Arzt- diagnostiziert,
zusätzlich mindestens 1 Major- oder 2 Minor-kriterien
Chang TS et al J Allergy Clin Immunol Pract 2013;1(2):152-6
Kleinkind 1-5 Jahre:
„episodic viral wheeze“ vs. „multiple-trigger wheeze“
getriggert durch Virusinfekte aber auch durch Allergene, bei
körperlicher Aktivität, Lachen etc.
Im Intervall zwischen Infekten auch Symptome mit Giemen
Obstruktive Bronchitis
ausschließlich bei Virusinfekten
Im Intervall zwischen Infekten 6-8 Wochen keine Beschwerden oder Symptome von Giemen
Allerdings Wechsel des individuellen Patienten vom Phänotyp
„virusinduziert“ zu Giemen auch ohne Infekt wird beobachtet.
Schwere und häufige Exazerbationen, sowie gutes Ansprechen auf
Bronchodilatatoren sind von gewissem prädiktivem Wert, Biomarker wie Serum- Eosinophilie >300/µl und Aeroallergensensibilisierung lassen eher ein Ansprechen auf eine inhalierte / oder systemische
Steroidtherapie erwarten.
„Red flags“ für Vorschulkinder mit rekurrierendem Giemen, wo aus der Anamnese an andere Diagnosen zu denken ist (nach Andrew Bush)
Täglicher produktiver Husten >4-8 Wochen (Bronchiektasen oder prortrahierte bakterielle Bronchitis).
Neonatales Respiratory Distress Syndrom eines reifen Neugeborenen = immer an Primäre ziliäre Dyskinesie (PCD) denken!
Langdauernder (persistierender) Schnupfen und wiederholte komplizierte Otitiden (auch an PCD denken).
Plötzlicher Symptombeginn mit oder ohne einen Erstickungsanfall (Fremdkörperanamnese?).
Husten beim Füttern, erschwertes Schlucken, leichtes Erbrechen (Aspiration bei z.B. unkoordiniertem Schluckvorgang, gastro-
ösophagealem Reflux, oder sog. Ösohagotrachealer H-Fistel)
Fehlende Gewichtszunahme und fehlendes Wachstum, voluminöse,
„Red flags“ aus der Statuserhebung heraus
Fingerclubbing, Schwere Thoraxdeformität (Fassthorax, z.B. CF).
Echte Nasenpolypen (nicht zu verwechseln mit den Rachendachtonsillen!) = immer auf CF verdächtig!
Übelriechende Sekrete aus Nase und Ohren, Mittelohrerguss und Situs inversus = Verdacht auf PCD!
Monophones fix bestehendes Giemen (aspirierter Fremdkörper, lokalisierte Bronchialobstruktion?).
Diskontinuierliche Auskultation immer wieder hörbar (bei einem an sich nicht immer krank wirkenden Kind = auch an Bronchiektasen oder TBC denken).
Zeichen für eine kardiale oder systemische Erkrankung, inklusive Lymphadenopathie und Mundsoor?
Tabelle 1 - Häufige Differentialdiagnosen bei Asthma bronchiale WiKLiWo Doberer, Horak, Eber et al 2016
≤5 J. 6-11 J. 12-39 J. 40+ J.
Wiederholte virale Infekte X
Gastroösophagaler Reflux X
Angeborene Malformationen (Tracheomalazie, Vascular ring etc.) X
Tuberkulose X
Immundefekt X
PCD X X
BPD X X
Fremdkörperaspiration X X X
Angeborene Herzfehler X X X
Zystische Fibrose X X X
Chron. Husten (obere Atemwege) X X
Bronchiektasien X X X
VCD X X
Hyperventilation X X
Alpha1-Antitrypsin-Mangel X X
COPD X
Linksherzinsuffizienz X
Medikamenten-assoziierter Husten X
Fragen bei Verdacht auf Asthma
Verwandte ersten Grades und Asthma oder andere allergische Erkrankungen?
(Eltern, Geschwister)
Besteht/bestand beim Kind eine atopische Dermatitis?
Hat das Kind Episoden mit pfeifenden, keuchenden oder ziehenden Atemgeräuschen?
Nächtlicher oder frühmorgendlicher Husten unabhängig von Erkältungskrankheiten?
Zustände von Atemnot?
Beschwerden während einer gewissen Jahreszeit?
Husten oder pfeifend, keuchendes oder ziehendes Atemgeräusch unter körperlicher Belastung?
Beschwerden nach Kontakt mit Haustieren oder Pollen (Augen, Nase, untere Atemwege ?
Chronischer Schnupfen oder ständig behinderte Nasenatmung?
Erstdiagnose
Lungenfunktion, Reversibilität = >12% in FEV1 bzw mehr als 200ml besser auf 200- 400µg Salbutamol (ab 5. Lebensjahr in der Regel möglich) FEV1<80% Sollw.
Klinischer Verdacht aber unauff. Lungenfunktion = weiterführende bronchiale Provokationsmethode (direkte, pharmakologische, wie Methacholin, oder bei
Kindern bevorzugt indirekte Verfahren, wie isokapnische Kaltlufthyperventilation (=CACh = cold air challenge), Laufbelastung, Inhalation hyperosmolarer Lösungen (Mannitol oder hypertones Nacl)
Abrissgrenzen der CACh bei uns -9% FEV1, -24% MEF 50 und -33% MEF 25
Anstieg der FEV1 nach 4 wöchentlicher inhalativer Steroidtherapie um +12%
Susp. allergischer Trigger = Allergietests
FeNO (Basisbefund >25ppb ohne Infekt, Baustein, Therapieadhärenz bei ICS, Früherkennung einer Verschlechterung)
Nationale Versorgungsleitlinie Deutschland 2020
(Review Hansen G. et al. Monatsschrift Kinderheilkunde 2020)
31.Grazer Fortbildungstage Ärztekammer Steiermark 2021
Nationale Versorgungsleitlinie Deutschland 2020
(Review Hansen G. et al. Monatsschrift Kinderheilkunde 2020)
Dosierungen inhalativer Steroide
niedrige mittel hoch
Schulkinder
Beclometasondipropionat (CFC) 100–200 >200–400 >400 Beclometasondipropionat (HFA) 50-100 >100-200 >200
Budesonid (DPI) 100–200 >200–400 >400
Budesonid (Vernebler) 250–500 >500–1000 >1000
Ciclesonid 80 >80-160 >160
Fluticasonpropionat (DPI) 100–200 >200–400 >400
Fluticasonpropionat (HFA) 100–200 >200–500 >500
Mometasonfuroat 110 ≥220–<440 ≥440
Triamcinolonacetonid 400–800 >800–1200 >1200
Vorschulkinder
Beclometasondipropionat (HFA) 100 Budesonid (DA + Spacer) 200 Budesonid (Vernebler) 500 Fluticasonpropionat (HFA) 100
Ciclesonid 160
CFC: Chlorofluorocarbon als Treibgas; DA: Dosieraerosol; DPI: Trockenpulverinhalator; HFA: Hydrofluoralkan als
Nationale Versorgungsleitlinie Deutschland 2020
(Review Hansen G. et al. Monatsschrift Kinderheilkunde 2020)
Allergenzpezifische Immuntherapie bei Asthma und als Asthmaprävention
Zielen et al 2010
65 Kinder 6 bis 17 Jahre Haustaubmilbensensibilisierung und Asthma
2 Jahre Gruppe mit SCIT weniger Fluticason in 2 Winterperioden(330 auf 151µg/Tag vs 290 auf 206µg/Tag)
Valovirta el al 2018
GAP Studie sublingual Gräserpollen RCA (812 Kinder 5 bis 12 Jahre)
3 Jahre plazebokontrolliert dann noch 2 Jahre weiter untersucht
Asthmasymptom und Medikamentenscore OR 0,66 (0,45- 0,97KI)=p=0,036
Asthmaremission (Spahn et al JACI 2008)
Eine Remission der Asthmasymptome bei Kindern mit frequentem Asthma in der Adoleszenz ist bei 30–40% zu erwarten. Bei einem Teil der Jugendlichen kommt es in der Pubertät zu einer Remission und hernach zu einem „Rückfall“. Die wichtigsten Risikofaktoren für die Persistenz der Asthmaprobleme bis ins Erwachsenenalter sind:
weibliches Geschlecht
nachgewiesene ausgeprägte bronchiale Hyperreagibilität
Schwere des Asthmas und der Lungenfunktionseinschränkung im Schulalter
Familienanamnese für Allergie
allergische Sensibilisierung vor dem 2. Lebensjahr