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Predigt am Fest der Auferstehung des Herrn (Ostersonntag) im Linzer Mariendom.

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Tod und Leben duellieren sich

Predigt am Fest der Auferstehung des Herrn Ostersonntag, 21. April 2019, Mariendom Linz

Leben, leben wollen die Leute schon. Ich will doch etwas vom Leben haben, hat mir vor Kurzem einer gesagt, der nie mit seinen Finanzen auskommt. Ich will endlich leben, eine Frau, die es in der Ehe und in der Familie nicht mehr aushält, als Korsett empfindet. Ich möchte einmal richtig leben, mich ausleben. Und doch ist es nicht so einfach, das richtige, das gute Leben zu finden und zu leben. Manche machen sich und andere vor lauter Hunger und Durst nach Leben kaputt. Wie viele Menschen fühlen sich zu kurz gekommen, ungerecht behandelt, zu wenig geliebt?! Zu wenig Geld, zu wenig Schönheit, zu wenig Ansehen, zu wenig Macht … Dahinter steckt oft ein falsches Ideal vom Leben, ein falscher Daseinsentwurf: sei es, dass man durch Genuss, Macht, Erkenntnis, Erlebnisse gottgleich sein will, sei es, dass man die eigenen Grenzen nicht anerkennen will oder kann. Oder das, wovon wir uns Freude, Befriedi- gung, Leben versprechen, greift zu kurz. Und es sind die falschen Mittel: Wer mit Druck und Gewalt Liebe erzwingen will, zerstört sie. Der Mensch „erfährt den Doppelsinn, der in dem lag, was er tat, nämlich sein Leben sich genommen zu haben; es nahm sich das Leben, aber viel- mehr ergriff es damit den Tod.“1 Die Mittel sind nicht in sich schlecht, sie sind zu wenig oder im Übermaß zerstörerisch. „Das Furchtbare ist, dass man sich nie genügend betrinken kann.“2 Die Bejahung, die Anerkennung lässt sich nicht durch Schuften erpressen, nicht produzieren, nicht durch unser eigenes Tun herstellen. – Nicht überall, wo „Leben“ draufsteht, ist „Leben“

drinnen. Das Böse erscheint in der Gestalt der Wohltat.

Wir feiern heute die Auferstehung Jesu. Ist damit der Karfreitag endgültig überwunden? Gibt es ab heute keine Erdbeben mit Toten mehr, keine Anschläge und keine Kriege, keine Lawi- nen, keine Finanzdesaster, keine Arbeitslosigkeit und keine Kurzarbeit, keine Niederlagen und keine Unterdrückung, keine Flucht, keine Not und keine Armut, keine seelischen Krankheiten und keinen Krebs, keine Umweltzerstörung, keinen Missbrauch und keine Gewalt …? Tun sich ab heute die Menschen nicht mehr weh? Ist damit der Tod endgültig vorbei? Oder sind Aufer- stehung und Erlösung ohnehin nur ein Vorgang im ‚geistlichen’ Bereich und im Unsichtbaren, die sich in der Seele jedes Einzelnen abspielt und die eine geheime Verwandlung wirkt, der nichts Äußeres in der Welt entsprechen muss? (Gershom Sholem) Hat unsere Hoffnung nichts mit der Öffentlichkeit zu tun, nichts mit dem Leib, nichts mit den wirklichen Schmerzen, nichts mit der Welt des Sichtbaren? Gaukeln die ChristInnen am Ostersonntag für einen Tag vor, dass sie in einer ganz und gar unerlösten Welt erlöst sind?

Was wir von Jesus her bekennen und was wir in der Liturgie feiern, versteckt sich nicht in einem Geisterreich. Die Leibwerdung ist das Ende der Wege Gottes, das Fleisch wird zum Angelpunkt des Heils (Tertullian: Caro cardo salutis). Jesu Leben und Verkündigung ist konkret leibhaftig. Er schenkt Heilung durch Berührung. Er fordert Leiblichkeit in den Werken (Lk 10, 25–37; Mt 25,31–46). In den Wundern zeigt sich die Leibfreundlichkeit Gottes (Heilungs-, Brot-, Weinwunder). Schließlich gibt er sich in der Eucharistie als leibliche Speise (Mt 26; Lk 22; Mk 14; 1 Kor 11). Die Auferstehung des Leibes Christi wird vollendet sein, wenn alle in Christus auferstehen (1 Kor 15). Der Leib wird in die Auferstehungsherrlichkeit des lebendigen Christus hineingenommen.

1 Georg F.W. Hegel, Phänomenologie des Geistes WW (Glockner) 2, 282.

2 André Gide, Tagebuch 1889-1939, Bd.I, Stuttgart 1950, 105.

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„Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; der Anführer des Lebens, der starb, herrscht nun lebend. Maria Magdalena, sag uns, was du gesehen. … Das Grab des Herrn sah ich offen und Christus von Gottes Glanz umflossen. Er lebt, der Herr, meine Hoffnung, er geht euch voran nach Galiläa.“ So heißt es in einer Ostersequenz aus dem 11. Jahrhundert. Die Versöhnung des Menschen mit Gott wird dramatisch, als Kampf auf Leben und Tod vorgestellt, aus dem Jesus als Anführer des Lebens hervorgeht: Von einem wirklichen Zweikampf, einem Duell zwischen Tod und Leben, handelt die katholische Osterliturgie. Duelle sind heute nicht mehr möglich. Das heißt sicher nicht, dass es keinen Tod mehr gibt. Das Vorrücken des Todes in unserer Welt geschieht eher leise und vielleicht weniger dramatisch. Ebenso verhallen un- auffällig die Versuche des Widerstandes und des Aufstandes gegen den Tod unserer Zeit.

Vieles ist gleichgültiger geworden. Unter dem Vorzeichen einer scheinbaren Toleranz soll alles seinen Platz haben: Krieg und Frieden, Leben und Tod, Wahrheit und Lüge. Tod und/oder Leben: das ist eher eine Frage der Unterhaltung und der medialen Inszenierung geworden, gerade dann, wenn es sich um Katastrophen, Kriege oder Krankheit und Sterben handelt.

Kommt die Auferstehung zu spät? In den Schlusssätzen des Romans „Der fünfte Sohn“ fragt Elie Wiesel: „Nach der Katastrophe kommt die Erlösung. Aber welche? Ist es nicht so, dass der Messias Gefahr läuft, zu spät zu erscheinen, er wird kommen, wenn es niemand mehr gibt, der noch zu retten ist.“ Ganz ähnlich Franz Kafka: „Der Messias wird erst kommen, wenn er nicht mehr nötig sein wird, er wird erst nach seiner Ankunft kommen, er wird nicht am letzten Tag kommen, sondern am allerletzten.“

Was wäre eigentlich, wenn sich die Auferstehung Jesu nicht ereignet hätte? Wäre dann nur ein Hingerichteter mehr, was in der Statistik keine Rolle spielen würde? Wenn es keine Aufer- stehung geben würde, dann würde die Geschichte Jesu mit dem Karfreitag enden. Er wäre verwest und so ein Gewesener. Dann wäre auch die Liebe nichtig, ein leeres Versprechen. Es gäbe kein Gericht und keine Gerechtigkeit. Wenn es keine Auferstehung geben würde, dann wären Liebe und Hass einerlei, Gut und Böse eine Frage der Konjunktur, Leben oder Tod eine Frage des besseren Durchsetzungsvermögens, Wahrheit oder Lüge eine Frage der Perspek- tive. Man könnte nicht unterscheiden zwischen Mördern und Opfern, zwischen Herren und Knechten, zwischen Starken und Schwachen. Alles wäre in einem Topf. Es würde bedeuten, dass die Gerissenen, die Schlauen, die Gewissenlosen Recht behalten. – „Nimm die Aufer- stehung hinweg, und auf der Stelle zerstörst du das Christentum.“

Diese große Auferstehung, der Himmel, erschließt sich in kleinen Erfahrungen des Lebens und der Auferstehung. Dazu gehört sogar das schöne Wetter, die Sonne, die Wärme, die auf- blühende Natur. Friedrich Spee singt in einem Osterlied: „Die ganze Welt, Herr Jesus Christ, in deiner Urständ fröhlich ist.“ (Gotteslob 219) Der Frühlingsaufbruch preist die Auferstehung Jesu vom Tod. Es gibt tatsächlich Auferstehung, täglich, glückliche Auferstehung aus dem matten Alltag, aus Sorgen, aus festgefahrenen Situationen, aus schlechter Laune, aus Stress und Qual. Auferstehung vor dem Tod erlebt jeder und jede: Es gibt Sternstunden des Lebens, die wir nie vergessen. Da sind Taborstunden, Erfahrungen des Glücks, der Lebensfreude, der intensiven Beziehung, die zu uns gehören. Solche Erinnerungen sind Anker der Hoffnung; sie geben Zuversicht auch in dunklen Stunden und lassen nicht verzweifeln.

Die Auferstehung Jesu wird erschlossen durch kleine Begegnungen: Er spricht beim Namen an (Maria von Magdala). Er findet den Schlüssel zu verschlossenen Menschen (bei allen Jün- gern). Er teilt sich mit im Brotbrechen und im gemeinsamen Mahl (Emmausjünger). Erfahrun- gen der kleinen Auferstehung und der kleinen Freude im Alltag erschließen uns die Auferste- hung Jesu. Er gibt Mut, nach der Vergeblichkeit der Nacht neu zu beginnen (Petrus).

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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