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Reviewed by Thomas Höpel. Published on H-Soz-u-Kult (April, 2014)

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Frank Trommler. Kulturmacht ohne Kompass: Deutsche auswärtige

Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert. Köln: Böhlau Verlag Köln, 2014. 732 S. ISBN 978-3-412-21119-6.

Reviewed by Thomas Höpel

Published on H-Soz-u-Kult (April, 2014)

Frank Trommler legt mit diesem Band die erste umfassende Darstellung der auswärtigen deutschen Kulturpolitik und Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert seit Manfred Abeleins grund‐

legender Arbeit von 1968 vor. Vgl. Manfred Abe‐

lein, Die Kulturpolitik des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland. Ihre verfas‐

sungsgeschichtliche Entwicklung und ihre verfas‐

sungsrechtlichen Probleme, Köln 1968. Abelein widmete der auswärtigen Kulturpolitik ein Drittel seiner Darstellung. Im Zentrum steht dabei die In‐

dienstnahme der Kultur für die Expansion des Deutschen Reiches, also die ästhetische Überhö‐

hung einer nationalistischen deutschen Machtpo‐

litik, die vom Gedanken des Sendungsbewusst‐

seins als deutsche „Kulturmacht“ getragen wurde.

Dieses am Ende des 19. Jahrhunderts sich heraus‐

bildende Paradigma, das die Nationalsozialisten noch weiter radikalisierten, wirkte bis in die frü‐

he Bundesrepublik nach. Auch die DDR knüpfte partiell daran an, indem sie sich durch Kultur als der bessere deutsche Staat zu präsentieren such‐

te. Der genannte Fokus erklärt, dass Trommlers Darstellung bereits 1989 endet und zudem auf die ersten 45 Jahre des 20. Jahrhunderts konzentriert

ist. Für die auswärtige Kulturpolitik der beiden deutschen Staaten nach 1945, die sich nur noch teilweise auf Konzepte und Strukturen der ersten Jahrhunderthälfte bezogen, nimmt sich der Autor weitaus weniger Raum.

Trommler führt die in zahlreichen Einzelstu‐

dien der letzten Jahrzehnte gewonnenen Erkennt‐

nisse mit eigenen Forschungen zu einer überzeu‐

genden Interpretation zusammen. Er betont dabei in stärkerem Maße als frühere Autoren die Konti‐

nuitäten des deutschen Kulturmachtstrebens vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1945. Insbesonde‐

re in Absetzung zu: Kurt Düwell, Zwischen Propa‐

ganda und Friedensarbeit – 100 Jahre Geschichte der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik, in:

Kurt-Jürgen Maaß (Hrsg.), Kultur und Außenpoli‐

tik. Handbuch für Studium und Praxis, 2. Aufl. Ba‐

den-Baden 2009, S. 61–111. Trommlers Interesse richtet sich zugleich auf die Geschichte der jüdi‐

schen Bevölkerungsteile Deutschlands, der natio‐

nalen Minderheiten in Deutschland und auch der im Ausland ansässigen Deutschen.

Systematisierte auswärtige Kulturbeziehun‐

gen und Anfänge einer regelrechten auswärtigen

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Kulturpolitik Deutschlands um 1900 sieht der Ver‐

fasser als Ergebnis der Interaktion der Nationen und des zugespitzten Kampfes um Weltgeltung, um Kolonien und Einfluss auf Absatzmärkte.

Rasch kamen dabei die Auslandsdeutschen in den Blick, die über die Unterstützung deutscher Schu‐

len im Ausland mobilisiert werden sollten. Das führte im Kaiserreich auch zu einer zunehmend ethnisierten Politik im Innern, bei der kulturelle Einflüsse anderer Gruppen – etwa polnischer Volksgruppen und insbesondere der für die Kul‐

turentwicklung Deutschlands so wichtigen jüdi‐

schen Bevölkerungsgruppe – zunehmend stigma‐

tisiert wurden. Die machtpolitisch-repräsentative Seite des sich herausbildenden deutschen auswär‐

tigen Kulturengagements wurde laut Trommler aber ergänzt durch einen bürgerlichen Gegenpol.

Dieser zeigte sich besonders in den Ambitionen des deutschen Kunsthandwerks und Produktdesi‐

gns, das sich seit 1907 im Werkbund ein einfluss‐

reiches Sprachrohr schuf. Allerdings stellt Trommler die Protagonisten des Werkbunds et‐

was zu internationalistisch und kosmopolitisch dar; die im Werkbund ebenfalls starken nationa‐

listischen Töne unterschlägt er. Vgl. Wolfgang Hardtwig, Kunst, liberaler Nationalismus und Weltpolitik. Der Deutsche Werkbund 1907–1914, in: ders., Nationalismus und Bürgerkultur in Deutschland 1500–1914, Göttingen 1994, S. 246–

273.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs brachte sich Deutschland auch als Kulturmacht in Stellung. Die nationalistische Solidarisierung breiter Teile der deutschen Geisteswelt, die nicht nur im feindli‐

chen Ausland als Verrat an den Grundsätzen von Kunst und Wissenschaft sowie als Symbiose von Militär und Kultur wahrgenommen wurde, hatte desaströse Folgen für Deutschlands Ansehen und auch für die deutschstämmigen Bevölkerungs‐

gruppen in der Welt. Sie führte die deutsche Wis‐

senschaft in eine internationale Isolation. Das Fehlen einer kohärenten auswärtigen Kulturpoli‐

tik, die auf Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Auslandes reagiert hätte, machte sich schmerzlich

bemerkbar. Das Personal des diplomatischen Dienstes zeichnete sich vielerorts durch eine er‐

schreckende Ignoranz gegenüber den kulturellen Gegebenheiten am Einsatzort aus. Brutales und unsensibles Vorgehen der deutschen Militärma‐

schinerie in West und Ost taten ihr Übriges, um durchaus vorhandene Sympathien für deutsche Sprache, Kultur und Wissenschaft zu ersticken.

Dass Kultur und Kulturpolitik nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an Bedeutung gewannen, führt Trommler generell auf die durch den Ver‐

sailler Vertrag veränderte europäische Landkarte zurück, die neue Nationalstaaten und zahlreiche nationale Minderheiten hervorbrachte. Das mün‐

dete in Konflikte zwischen den Protagonisten na‐

tionalkultureller Integration und minderheitli‐

cher kultureller Autonomie. In Deutschland wur‐

de auf die vermeintlichen Versäumnisse und Missgeschicke während des Ersten Weltkriegs re‐

agiert und im Auswärtigen Amt 1920 eine Kultur‐

abteilung eingerichtet. Allerdings standen nicht die Erleichterung kultureller Begegnungen und der Abbau von Spannungen durch gleichberech‐

tigten Kulturaustausch im Vordergrund der offizi‐

ellen auswärtigen Kulturpolitik. Sie wurde vor al‐

lem als Vehikel der Revisionspolitik gegen den Versailler Vertrag konzipiert. Zusammen mit der Indifferenz für Kulturfragen im Auswärtigen Amt, insbesondere beim Personal in den Botschaften und Konsulaten, führte dies dazu, dass andere Ak‐

teure in der Weimarer Republik eine wichtigere Rolle erhielten. Daran änderte auch die von Au‐

ßenminister Stresemann nach Locarno eingeleite‐

te „zweite Phase auswärtiger Kulturpolitik“ erst allmählich etwas. Die maßgeblichen Akteure aus‐

wärtiger Kulturbeziehungen in der Weimarer Zeit waren das preußische Kultusministerium, der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Deutsche Akademie. Trommler widmet sich aus‐

führlich der Breite der durch die Republik voran‐

getriebenen Kulturbeziehungen, die aber seit Ende der 1920er-Jahre in einen Gegensatz zur zu‐

nehmend essentialistischen, ethnisierten Kultur‐

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vorstellung im Innern gerieten, die von den Natio‐

nalsozialisten dann rassistisch zugespitzt wurde.

Trommler betont insbesondere den Einfluss, den die kulturelle Mobilisierung des Ersten Welt‐

kriegs für die nationalsozialistische Kulturpolitik hatte – ein Einfluss, der bislang kaum berücksich‐

tigt wurde. Diese Politik habe auf die Schaffung ei‐

ner ideologisch-kämpferischen „Volksgemein‐

schaft“ gezielt, die am behaupteten Gemeinschaft‐

serlebnis von 1914 sowie dem Bündnis von Mili‐

tär und Kultur orientiert war. Der Autor erkennt diesen Einfluss zudem an der zwanghaften Fein‐

dorientierung der NS-Kulturpolitik, die sich zwar nicht vorrangig gegen Engländer und Franzosen richtete, aber gegen Juden ein unvorstellbares Ausmaß annahm. Schließlich griffen die National‐

sozialisten systematisch auf Propagandametho‐

den des Kultureinsatzes im Ersten Weltkrieg zu‐

rück.

Seit 1933 diente auswärtige Kulturpolitik erst einmal der Beruhigung des Auslands. Später wur‐

de sie zunehmend zur Anbahnung außenpoliti‐

scher Kontakte und seit 1940 schließlich zur Absi‐

cherung des eroberten Raumes genutzt, indem Kollaboration besonders im Norden und Westen organisiert werden sollte, während im Osten sla‐

wische Kultur brutal unterdrückt wurde. Die un‐

terschiedlichen Zuständigkeiten des Auswärtigen Amts, des Erziehungs- und Propagandaministeri‐

ums, des Amts Rosenberg und des Reichsführers SS machten verschiedene Vorgehensweisen mög‐

lich. Trommler unterstreicht aber Im Gegensatz zu Düwell, Zwischen Propaganda und Friedensar‐

beit, S. 79ff. , dass die scheinbar unideologische Arbeit des Auswärtigen Amts in den ersten Jahren nach 1933 sehr wohl im Interesse und im Sinne des NS-Regimes erfolgte. Auch die später vom Auswärtigen Amt organisierte werbende NS-Kul‐

turpolitik in den okkupierten west- und nordeuro‐

päischen Staaten diente nur als Vorwand, um de‐

ren Ausplünderung länger ungestört betreiben zu können. Trommler stellt zudem die Aktivitäten der emigrierten deutschen Kultur- und Geistes‐

schaffenden dar, die sich gegen die nationalsozia‐

listische Vereinnahmung deutscher Kultur auf‐

lehnten und damit die im Ausland vorhandene Vorstellung von den „zwei Deutschlands“ stützten.

Die Zäsur 1945 stellte für die Idee deutscher

„Kulturmacht“ einen Endpunkt dar, war aber für die kulturellen Beziehungen zum Ausland weder in Ost noch West eine Stunde Null. Auf unter‐

schiedliche Art – personell und konzeptuell – wirkten zahlreiche Kontinuitäten fort. Im kultur‐

politischen Kampf mit der DDR setzte die frühe Bundesrepublik auf eine Mischung aus Vertretern der „inneren Emigration“ und zu „Mitläufern“ er‐

klärten NS-Tätern. Die ins Exil gegangenen Vertre‐

ter deutschen Geisteslebens wurden, im Gegen‐

satz zur DDR, kaum einbezogen. Die Selbstbe‐

scheidung in Ost und West und der aufkommende Kalte Krieg führten zudem dazu, dass die aus den ost- und südosteuropäischen Gebieten vertriebe‐

nen deutschen Minderheiten, die zuvor als Ban‐

nerträger deutscher Kultur im Osten hofiert wor‐

den waren, nun zwar integriert, ihr Bezug auf na‐

tionale deutsche Kultur und ihre östlichen Wur‐

zeln aber eher als irritierend wahrgenommen wurden.

Breit skizziert Trommler die unmittelbare Nachkriegszeit: die Kulturpolitik der Besatzungs‐

mächte, die defensive Kulturpolitik der frühen Bundesrepublik sowie die wenigen Momente, in denen sich einzelne Vertreter der Bundesrepublik wie Theodor Heuss mit kulturellen Mitteln zu ih‐

rer Verantwortung für die Greuel der NS-Zeit be‐

kannten. Die auswärtige Kulturpolitik der DDR wurde demgegenüber von sowjetischen Struktu‐

ren geprägt, was jedoch nicht zu einer wirklichen kulturellen Durchdringung der Gesellschaft führ‐

te. Das DDR-Regime wollte durch auswärtige Kul‐

turarbeit vor allem die völkerrechtliche Anerken‐

nung befördern. Insbesondere mit der Entwick‐

lungshilfe gegenüber arabischen und afrikani‐

schen Ländern schuf die DDR aber auch eine ei‐

genständige erfolgreiche Außenkulturpolitik, die von der Bundesrepublik bald wahrgenommen

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und als Anreiz für eigene Aktivitäten gesehen wurde.

Während die DDR in Kontinuität zum Deut‐

schen Reich durch die Mobilisierung von Kultur Identität und Ausstrahlung zu gewinnen versuch‐

te, setzte die Bundesrepublik dem seit Mitte der 1960er-Jahre eine partnerschaftliche Kulturpolitik entgegen, die in den 1970er-Jahren intensiviert wurde. Das knüpfte an innergesellschaftliche und auch internationale Entwicklungen an; es münde‐

te in ein neues Konzept auswärtiger Kulturpolitik, das sich vom Gedanken der deutschen „Kultur‐

macht“ abwandte. Begleitet wurde dies vom offi‐

ziellen Bekenntnis zur Verantwortung Deutsch‐

lands für die NS-Verbrechen – ein Bekenntnis, das seit den 1970er- und 1980er-Jahren in zunehmen‐

dem Maße von der breiten deutschen Öffentlich‐

keit mitgetragen bzw. von ihr erst forciert wurde.

So gelang es der Bundesrepublik, wieder zum in‐

ternational anerkannten und respektierten Part‐

ner zu werden.

Der Band beseitigt verschiedene Defizite der bisherigen Forschung. Er bietet eine umfassende Gesamtdarstellung auswärtiger Kulturpolitik und Kulturbeziehungen sowie der kulturpolitischen Initiativen anderer gesellschaftlicher Akteure vom Kaiserreich bis zu den beiden deutschen Staaten. Er stellt deren Zusammenwirken ebenso dar wie gegeneinander laufende Aktionen.

Schließlich behandelt er auch die Reaktionen des Auslands auf die deutschen Initiativen. Damit kontrastiert Frank Trommler das Selbstbild Deut‐

schlands mit der Wahrnehmung des Auslands.

Auf diese Weise gelingt ihm eine überzeugende Verbindung von Politik-, Kultur-, Diplomatie- und Institutionengeschichte.

If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/

Citation: Thomas Höpel. Review of Trommler, Frank. Kulturmacht ohne Kompass: Deutsche auswärtige Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. April, 2014.

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URL: https://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=41599

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