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Archiv "Sportmedizin: Aufgaben, Geschichte, Forschung und Praxis" (17.01.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DIE ÜBERSICHT

Sportmedizin

Schwerpunkte der heutigen Sportmedizin sind die präventive Medizin, die Bewegungstherapie, die Rehabilitation, die ärztliche Untersuchung und Beratung des Sporttreibenden sowie die klinische und außerklini- sche Leistungsdiagnostik. Deutschland gilt als das Mutterland der Sportmedizin In organisierter Form geht sie hier auf das Jahr 1912 zu- rück. Einzelheiten werden ebenso dargestellt wie die Aufgaben der Sportmedizin, differenziert nach Interessen des Sportes an der Medizin sowie umgekehrt Interessen der Medizin am Sport. Ergebnisse sport- medizinischer Forschung werden aus der Sicht anderer medizinischer Fächer aufgeführt. Die Darstellung endet mit einer Beschreibung der praktischen sportärztlichen Tätigkeit.

Aufgaben, Geschichte,

Forschung und Praxis

gegidgMlir-

Wildor Hollmann und Richard Rost

I

n Deutschland, Europa und in zahlreichen außereuropäi- schen Staaten hat sich die Sportmedizin zum Teil seit vie- len Jahrzehnten zu einem selbständi- gen medizinischen Fachgebiet ent- wickelt. In manchen Ländern zählt sie zum Pflicht-Prüfungskatalog im medizinischen Staatsexamen.

24 Millionen Bundesbürger sind Mitglieder des Deutschen Sportbun- des, und mehrere Millionen Men- schen treiben Sport außerhalb einer Vereinszugehörigkeit. Hunderttau- sende besuchen teure Kurse in Fit- nesstudios. Nach Meinungsumfragen in den letzten Jahren stehen „Ge- sundheit" und „körperliche und gei- stige Leistungsfähigkeit" an der Spit- ze der Wunschskala der Bundesbür- ger. Die Medizin, welche sich mit Bewegung, Training, Sport und mit Bewegungsmangel in den gesund- heitlichen Auswirkungen befaßt, wird traditionellerweise Sportmedi- zin genannt. Tatsächlich greift sie besonders in der Forschung weit über den Begriff „Sport" hinaus. Ihr Metier stellen alle Formen körperli- cher Belastung im Bereich von Dia- gnostik, Therapie, Rehabilitation und insbesondere in der Prävention dar.

Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin (Leiter und Lehrstuhl für Kardiologie und Spoitniedizin:

Univ.-Professor Dr. med. Richard Rost), Deutsche Sporthochschule Köln

Aufgaben

der Sportmedizin

BMW

Die Interessen des Sportes an der Medizin bestehen in folgenden Punkten:

1. ärztliche Untersuchung vor Aufnahme eines Sports zwecks Aus- schluß von Krankheiten oder Schä- den, die durch den Sport verschlim- mert werden könnten;

2. Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit, insbesondere von Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwech- sel und Skelettmuskulatur;

3. sportartspezifische Leistungs- diagnostik, um unter anderem die Effekte unterschiedlicher Trainings- methoden und -programme beurtei- len zu können;

4. ärztliche Mitarbeit bei der Entwicklung optimaler Trainingsme- thoden, welche mit einem Minimum an Zeitaufwand ein Maximum an Leistungseffekt erbringen;

5. Entwicklung von naturwissen- schaftlich fundierten Feldtests zur Leistungsbeurteilung in sportartspe- zifischer Weise außerhalb des Labors;

6. ärztliche Beratung des Sport- lers für eine gesunde und leistungs- dienliche Lebensgestaltung (Ernäh- rung, Regeneration, Schlaf, Akkli- matisation an Hitze, Kälte, Höhe, Zeitverschiebung);

7. ärztliche Betreuung des Sportlers im Wettkampf sowie bei Verletzungen und Erkrankungen.

Umgekehrt konzentrieren sich die Interesen der Medizin am Sport auf folgende Hauptpunkte:

Anwendung praktischer sportlicher Erfahrungen im Bereich von Übung und Training für die prä- ventive, kurative und rehabilitative Medizin. Die Technisierung in unse- rem dienstlichen und privaten All- tagslebens hat die körperlich-musku- lären Beanspruchungen in wenigen Jahrzehnten auf ein Minimum redu- ziert. Unverändert aber unterliegen wir der biologischen Grundregel:

Struktur und Leistungsfähigkeit ei- nes Organs und Organismus werden bestimmt vom Erbgut sowie von der Qualität und Quantität seiner Bean- spruchung. Die zwangsläufig auftre- tende muskuläre Unterbelastung ist durch zahlreiche gesundheitsnegati- ve Aspekte zum Beispiel im Bereiche der Inneren Medizin und der Ortho- pädie charakterisiert. Gäbe es heute noch keinen Sport, müßte man ihn gewissermaßen aus gesundheitlichen Gründen erfinden, um ein Minimum an biologisch notwendiger Belastung wiederzugewinnen.

O

Die Untersuchung des Hoch- leistungssportlers in qualitativ unter- schiedlichen Beanspruchungsformen ergibt Einblicke in maximale bioche- mische und biophysikalische Adap- tationsmöglichkeiten des gesunden menschlichen Organismus. Auf- grund der größeren Differenzen in regulatorisch wirksamen Faktoren im Vergleich zur Durchschnittsper- Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992 (55) A1-117

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son können Steuerungsmechanismen des Organismus besser erkannt und verstanden werden.

Die Mitarbeit besonders des akademisch geschulten Sportlehrers ist wünschenswert bei den prakti- schen ärztlichen Maßnahmen des Trainings zur Prävention und Re- habilitation verschiedenster Krank- heitsbilder.

Zur Geschichte der Sportmedizin in Deutschland

In internationalen Kreisen wird Deutschland als das Mutterland der heutigen Sportmedizin bezeichnet.

Diese Auffassung stützt sich auf eine Reihe von Entwicklungen und Bege- benheiten mit internationaler Aus- strahlung. 1883 entwickelte der hes- sische Arzt Dr. Speck das erste Ergo- meter, ein Drehkurbelergometer.

1889 konstruierten der Berliner Phy- siologe Zuntz und sein Mitarbeiter Lehmann das erste Laufband der Welt. 1891 begann der in Berlin täti- ge englische Arzt A. Smith mit syste- matisch durchgeführten Sportlerun- tersuchungen. 1906 — während der Athener Zwischenolympiade — zähl- ten zu seinem Untersuchungsgut na- hezu 1000 Athleten. 1910 gab der Berliner Professor Weissbein ein Lehrbuch der Sportmedizin heraus, dessen Thematik auch heutigen An- sprüchen noch genügen würde. 1911 fand in Dresden eine erste interna- tionale Hygieneausstellung statt mit einem nach damaligen Gesichts- punkten hervorragend ausgestatte- ten sportärztlichen Laboratorium.

Aufgrund der großen nationalen und internationalen ärztlichen Resonanz entschloß man sich 1912 zur Durch- führung des ersten offiziellen Sport- ärztekongresses der Geschichte. Er fand in Oberhof (Thüringen) statt, wo sich in Verbindung mit dieser Veranstaltung der erste Sportärzte- bund der Welt gründete unter der Bezeichnung „Deutsches Reichsko- mitee für die wissenschaftliche Er- forschung des Sportes und der Lei- besübungen". Im selben Jahr ent- stand ein sportmedizinisches For- schungsinstitut auf dem Spielplatz der Stadt Charlottenburg. 1913 wur-

de im Grunewaldstadion in Berlin ein hauptamtlicher Arzt eingestellt mit der Bezeichnung „Sportarzt".

Nach Ende des ersten Weltkrie- ges konnte am 15. Mai 1920 in Berlin die erste Sporthochschule gegründet werden, die „Deutsche Hochschule für Leibesübungen". Zur Eröffnung war neben dem Reichspräsidenten Ebert fast geschlossen die medizini- sche Fakultät der Universität Berlin anwesend. Erster Rektor wurde Ge- heimrat Prof. Dr. med. August Bier, Direktor der Chirurgischen Universi- tätsklinik. Zwölf Jahre später folgte als zweiter Rektor ein ebenfalls welt- bekannter Chirurg, Prof. Dr. Ferdi- nand Sauerbruch.

Der zweite Deutsche Sportärz- tekongreß fand im Jahre 1924 statt.

Gleichzeitig konstituierte sich der

„Deutsche Ärztebund zur Förderung der Leibesübungen". Die erste sport- medizinische Zeitschrift der Welt wurde herausgegeben. Jährlich fan- den nun Sportärztekongresse statt.

Vornehmlich auf Betreiben der deutschen Seite erfolgte 1928 die Gründung der Internationalen Ge- sellschaft für Sportmedizin, später FIMS genannt. Ebenfall 1928 richte- ten die Universitäten Hamburg und Leipzig erstmals hauptamtliche Do- zenturen für Sportmedizin ein. 1933 gehörten mehr als 3000 Sportärzte der Gesellschaft an. Nach 1933 er- folgte die Gleichschaltung und der praktische Untergang im NS-Ärzte- bund.

In der Bundesrepublik Deutsch- land erfolgte die Wiedergründung des Deutschen Sportärztebundes 1950. Im universitären Bereich ent- stand 1956 erstmals ein Extraordi- nariat für Arbeitsphysiologie und Sportmedizin. 1965 folgten zwei or- dentliche Lehrstühle für Sportmedi- zin. Heute existieren etwa 40 C-4- und C-3-Professuren. Jede Univer- sität besitzt irgendeine Form von sportmedizinischen Einrichtungen, vom klassischen ordentlichen Lehr- stuhl mit Institut oder Abteilung bis zum Lehrbeauftragten.

1970 wurde vom Deutschen Ärz- tetag die vom Deutschen Sportärzte- bund empfohlene „Zusatzbezeich- nung Sportmedizin" akzeptiert und die Anerkennungsdurchführung den Landesärztekammern übertragen.

Jeder approbierte Arzt kann durch die Teilnahme an momentan noch 240 inhaltlich vorgeschriebenen Aus- bildungsstunden diese Zusatzbe- zeichnung erwerben.

In der DDR entstand 1953 zu- nächst eine „Arbeitsgemeinschaft der Sportärzte", die 1956 in eine

„Gesellschaft für Sportmedizin" um- bezeichnet wurde. 1963 wurde der Facharzt für Sportmedizin einge- führt. Etwa 850 Arzte tragen diese Facharztbezeichnung. Gleichzeitig richtete man den sogenannten

„Sportmedizinischen Dienst" ein.

Flächendeckend über etwa 20 Statio- nen verteilt, wurden hier auf regio- naler Ebene Sportler betreut. Etwa 1800 Personen waren hierfür einge- setzt. Nach einer notwendigen perso- nellen Reduzierung wäre der Erhalt dieser Zentren zum Nutzen der ge- samten Bevölkerung als ein Stück Präventivmedizin wünschenswert ge- wesen, zum Beispiel durch die Ein- gliederung in Gesundheitsämter. — Am 16. Februar 1991 erfolgte die Wiedervereinigung der beiden Deut- schen Sportarztverbände. Etwa 11 000 Arzte sind heute Mitglied im Deutschen Sportärztebund (Deut- sche Gesellschaft für Sportmedizin).

Dem Weltverband für Sportme- dizin (FIMS) gehören zur Zeit 90 Nationen an.

Forschung

in der Sportmedizin

1958 erfolgte anläßlich der Gründung des Instituts für Kreis- laufforschung und Sportmedizin in Köln die erste Definition für das Fach Sportmedizin. Sie lautete:

Sportmedizin beinhaltet diejenige theoretische und praktische Medi- zin, welche den Einfluß von Bewe- gung, Training und Sport sowie den von Bewegungsmangel auf den ge- sunden und kranken Menschen jeder Altersstufe untersucht, um die Be- funde der Prävention, Therapie und Rehabilitation sowie dem Sportler dienlich zu machen. Diese Definiti- on wurde 1977 offiziell vom Weltver- band für Sportmedizin übernom- men. Demgemäß stehen im Vorder- grund der Forschung die präventive Medizin und die Rehabilitation. Um A1-118 (56) Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992

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präventiv und rehabilitativ im gesam- ten Bereich der Gesundheit tätig werden zu können, bedarf es einer entsprechenden Leistungsdiagnostik Sie ist maßgeblich von der Sportme- dizin entwickelt worden und wird heute routinemäßig von manchen anderen medizinischen Disziplinen benutzt.

Innere Medizin/Kardiologie:

Im Bereich der Inneren Medi- zin, insbesondere der Kardiologie, befaßte sich die sportmedizinische Forschung nach dem zweiten Welt- krieg mit der Entwicklung von geeig- neten Apparaturen und Parametern zur Erfassung des körperlichen Leistungsverhaltens (verschiedene Ergometertypen, halbautomatische Blutdruckmeßapparaturen, EKG- Registrierung während Fahrradergo- meterarbeit, Parameterermittlung während Ergometerarbeit im arte- riellen und venösen Blut mit Druck- messungen, Entdeckung einer aerob- anaeroben Schwelle mit Benutzungs- möglichkeit für die Leistungsdiagno- stik, Bestimmung der Blutverteilung bei dosierter Arbeit in den verschie- densten Organen mittels Isotopen, Fortschritte in der Nadelbiopsie der Skelettmuskulatur mit histochemi- schen Bestimmungen, telemetrische Entwicklungen und anderes).

Da degenerativ verursachte kar- diovaskuläre Erkrankungen das ge- sundheitliche Problem Nummer 1 darstellen, interessierte sich die sportmedizinische Forschung beson- ders für biochemische und biophysi- kalische Adaptationen bei dosierter körperlicher Arbeit und bei qualita- tiv und quantitativ unterschiedlichen Trainingsmaßnahmen im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die überzeugenden Befunde für die Gesundheits- und Leistungserhal- tung des Menschen resultierten in Empfehlungen zur praktischen An- wendung, die in Form von State- ments sowohl von der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) und von der Europäischen Gemeinschaft (EG) (1), vom Weltverband für Sportmedizin (FIMS) und von der American Heart Association (2) ver- öffentlicht wurden. Das jüngste Sta- tement erschien im Juni 1989 und stammt von der Amerikanischen Ge-

sellschaft für Herz-Kreislauf-For- schung. Nach summarischer Auffüh- rung der physiologischen, psycholo- gischen und sonstigen Vorteile eines dosierten körperlichen Trainings wird festgestellt: „Persons of all ages should be encouraged to develop a physically active lifestyle as part of a comprehensive program for disease prevention and health promotion.

They should be encouraged to seek opportunities to increase their habi- tual physical activity to a level appro- priate to their capacity, needs, and interest."

Ambulante Herzinfarkt-Trai- ningsgruppen, heute Herzgruppen genannt, gehen in ihrer wissenschaft- lichen Rechtfertigung auf sportmedi- zinische Forschungen zurück und wurden von sportmedizinischer Seite in den 60er Jahren inauguriert. Heu- te existieren in Deutschland über 3000 ambulante Herztrainingsgrup- pen. Hinzugetreten sind ambulante Trainingsgruppen auch für Diabeti- ker, Hypertoniker, Hypotoniker, Pa- tienten im Zustand nach Herzopera- tionen, Patienten mit Rheuma, Mi- gräne, Osteoporose, Bronchialer- krankungen, Krebs.

Im pädiatrischen Bereich erarbei- tete die Sportmedizin Normdaten für das Leistungsverhalten und die Belastbarkeit im Kindes- und Ju- gendalter. Der akzelerierte Jugendli- che wurde von der falschen Meinung befreit, weniger belastbar und lei- stungsschwächer zu sein als der nor- malentwickelte oder gar der retar- dierte. Die Gerontologie profitierte durch die Erstellung von Normwer- ten über die Verhaltensweise des kardiopulmonalen Systems, des Me- tabolismus, des Hormonverhaltens und der Skelettmuskulatur im Zu- ge von Alterungsvorgängen. Eine biochemische und biophysikalische Adaptationsfähigkeit konnte selbst bei jahrzehntelang untrainiert gewe- senen gesunden Personen noch jen- seits des 70. Lebensjahres bei Aus- dauertraining wie auch bei Krafttrai- ning festgestellt werden.

Für die Gynäkologie interessant waren sportmedizinische Untersu- chungsergebnisse über den Einfluß von Arbeit und Training auf weibli- che Hormone und den Menstruati- onszyklus. Neuerdings wurde als ein

gesundheitlich negativer Aspekt von übertriebenen Ausdauerbelastungen junger Mädchen und junger Frauen die Entwicklung einer Osteoporose unterhalb des 30. Lebensjahres be- obachtet und der hormonelle Zu- sammenhang beschrieben. In der Schwangerschaft liegt durch die Ver- größerung des Blutvolumens und des Herzvolumens eine absolut höhere kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei Fahrradergometerarbeit vor.

Im neurologischen Bereich konn- ten Synapsenhypertrophien durch intensive Ubungen ebenso beobach- tet werden wie trainingsbedingte Veränderungen der motorischen Nervenendplatten und Zunahmen von Dendritenverästelungen. Sport- medizinische Untersuchungen er- brachten neue Erkenntnisse über das Verhalten und die Bedeutung verschiedener Neurotransmitter bei körperlicher Belastung unter Einbe- ziehung von Endorphinen und regio- naler Hirndurchblutung.

Aus der Sicht der klinischen Pharmakologie wurden Proteinasen-

inhibitoren in ihrer metabolischen Bedeutung für das Leistungsverhal- ten ebenso untersucht wie der Ein- fluß von Digitalis, Strophanthin, Be- ta-Blockern, Kalziumantagonisten, Anti-Hypertonika und Anti-Hypoto- nika in ihrer Bedeutung für die Hä- modynamik und den Metabolismus während körperlicher Arbeit. Sie führten zu neuen Einblicken in die Regulationsmechanismen des menschlichen Körpers.

In der Umweltmedizin waren sportmedizinische Untersuchungen über den Einfluß von Arbeit und Training unter Bedingungen unter- schiedlicher Höhe wie auch unter Atmung von reinem Sauerstoff von besonderem Interesse. Gleiches gilt für Experimente zum Leistungsver- halten unter Hitze- und Kältebedin- gungen wie über den Einfluß von Schadstoffen in der Luft auf den Menschen während sportlicher Betä- tigung.

Orthopädie:

Neben der Inneren Medizin hat sich besonders die Orthopädie um die Durchführung von sportmedizi- nischen Forschungen bemüht. Or- thopädie und Sporttraumatologie A 1 -120 (58) Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992

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sind neben der Inneren Medizin und der zugehörigen Leistungsphysiolo- gie die zwei Hauptsäulen der Sport- medizin. Schon Anfang der 20er Jah- re wurde von Orthopäden die Be- deutung von dosierter Arbeit und von Training für den Halte- und Be- wegungsapparat des Menschen er- kannt und klinisch angewandt. Ein zusätzliches Element stellt die Bio- mechanik in Verbindung zwischen klinischer Orthopädie und sportme- dizinischen Interessen dar. Das gilt besonders im Bereich der Trainings- lehre. — Gerade der Sportler ist nach Verletzungen bemüht, möglichst schnell das Training wieder aufneh- men zu können, um keine zu großen Trainingsrückstände zu erleiden.

Dieser Zwang zur Beschleunigung des Heilungsprozesses hat sich für viele Behandlungsmethoden im or- thopädisch-traumatologischen Be- reich befruchtend ausgewirkt. Hier konnte vor allem die physikalische Therapie profitieren.

Im leistungsphysiologischen Be- reich konnten zahlreich biochemi- sche und biophysikalische Details des menschlichen Leistungsverhal- tens bei Normalpersonen bis zum Hochleistungssportler verschieden- ster Sportarten erarbeitet werden.

Sie dienen heute zur Mithilfe bei der Gestaltung eines wissenschaftlich fundierten Trainings sowohl im Lei- stungs- und Hochleistungssport als auch bei der Trainingsdurchführung in der präventiven und rehabilitati- ven Medizin.

Die Kehrseite der Medaille der gesundheitlichen Vorteile durch ein Training sind die Sportverletzungen und -unfälle. Man denke hier nur an die lawinenartig vonstattengegange- ne Ausbreitung des Skisports und seinen damit verbundenen Zunah- men an Skisportunfällen. Hier muß jede Möglichkeit zur Prävention von sportbedingten Unfällen genutzt werden.

Sportmedizinische Praxis

Sie kann differenziert werden in:

1. sportärztliche Tätigkeit als Haus- arzt; 2. sportärztliche Tätigkeit im Verein; 3. sportärztliche Tätigkeit in sportmedizinischen Instituten und

Abteilungen an Kliniken; 4. sport- ärztliche Tätigkeit im Hochleistungs- sport.

Die sportärtzliche Untersuchung dient vor allem dem Ausschluß von Schäden oder Krankheiten, die durch den Sport verschlimmert wer- den könnten. Sie stellt daher ein Stück Präventivmedizin dar. Die an- schließende sportärztliche Beratung umfaßt Hinweise zur gesundheitli- chen Situation, zu empfehlenden Trainings- oder Sportarten, Taug- lichkeit für eine gewünschte Sport- art, Trainingsgestaltung (Beanspru- chungsart, -intensität, -umfang. Zahl der Wiederholungen pro Woche), Vorbeugung von Verletzungen und Schäden, Kleidung, Kontraindikatio- nen gegenüber Trainingsdurchfüh- rung, Ernährung und Genußmittel, Berücksichtigung von Risikofakto- ren.

Die sportärztliche Tätigkeit im Verein betrifft dieselben Gesichts- punkte sowie gegebenenfalls die Be- ratung des Vereins im Hinblick auf gesundheitliche Aspekte von Trai- nings- und Wettkampfanlagen oder -neubauten.

Die sportärztliche praktische Tätigkeit in sportmedizinischen In- stituten und Abteilungen kann unter anderem durch Kader-Untersuchun- gen gekennzeichnet sein (D-Kader

= Landeskader, A-, B-, C-Kader = Bundeskader-Untersuchungen). Sie treten zu den vorgenannten Aufga- ben hinzu.

Die sportärztliche praktische Tätigkeit im Hochleistungssport um- faßt eine zusätzliche Mitarbeit in der Trainingsgestaltung und Wettkampf- planung der betreuten Hochlei- stungssportler. Hierzu zählt auch die Anwendung der früher genannten spezifischen Labor- und Feldtestun- tersuchungen zur Beurteilung der sportarztspezifischen Leistunsfähig- keit und ihrer Beeinflussung durch verschiedene Trainingsprogramme.

Besonderen Wert sollte der sportmedizinisch erfahrene Hausarzt auf die Empfehlung von Trainings- programmen zur Vorbeugung von al- ternsbedingten Leistungseinbußen legen. Bereits heute ist jeder fünfte Bundesbürger älter als 60 Jahre.

Körperliches Training stellt die ein- zige der Medizin bekannte Maßnah-

me dar, welche in naturwissenschaft- lich gesicherter Weise in der Lage ist, alternsbedingten Leistungsverlu- sten sowohl des kardiopulmonalen Systems als auch der Skelettmusku- latur entgegenzuwirken. Eine den Altersansprüchen genügende kör- perliche und geistige Leistungsfähig- keit aber stellt die Voraussetzung dar, hinzugewonnene Lebensjahre lebenswert gestalten zu können.

Sportmedizin schlägt eine Brük- ke zwischen Funktion und Struktur, zwischen Geist und Körper. Sie be- trachtet den „ganzen" Menschen in seinem sozialen Dasein und in seiner Umwelt als ein Stück psycho-soma- tisch-sozialer Medizin. Im Falle des praktisch tätigen Sportarztes ist sie bevorzugt geeignet, den Patienten in seiner ganzen Lebensführung zu be- einflussen. Das macht sportmedizini- sche Tätigkeit zu einem Stück der heute gerade so wünschenswerten Präventivmedizin.

Literatur

1. European Communities and World Health Organization (EG and WHO): Physical acti- vity in primary prevention of ischaemic heart disease. ECSC-EEC-EAEC, Brüssel-Luxem- burg 1978

2. McHenry, P. L. et al.: Statement on exercise.

A position statement for health professionals by the committee on exercise and cardiac re- habilitation of the council of clinical cardiolo- gy. American Heart Association, Circulation Vol. 81, No. 1 (1989) 396

Anschrift für die Verfassen

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Wildor Hollmann

em. Ordinarius für

Kardiologie und

Sportmedizin

Deutsche Sporthochschule Carl-Diem-Weg 6

W-5000 Köln 41

Dt. Ärztebl. 89, Heft 3, 17. Januar 1992 (61) A1-121

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