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Archiv "Psychosomatische Frauenheilkunde: Aus der Praxis in die Forschung" (11.12.2009)

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A 2504 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 50

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11. Dezember 2009

PSYCHOSOMATISCHE FRAUENHEILKUNDE

Aus der Praxis in die Forschung

Das Konzept der integrierten Psychosomatik scheint nicht mehr gefragt zu sein.

Votum für einen intensiveren Verbund aus Praxis und Forschung

P

sychosomatische Frauenheil- kunde ist sinnvoll und not- wendig – das ist mit Blick auf die große Anzahl von 30 bis 50 Prozent Patientinnen mit komplexen körper- lich-seelischen Beschwerden unum- stritten. Allerdings muss die Psy- chosomatik um ihre Anerkennung auf vielen Ebenen kämpfen. Im wis- senschaftlichen Feld gibt es wenig

„Beweise“ für den Erfolg dieses An- satzes in der Praxis. Und Frauenärz- tinnen und Frauenärzte, die mit ei- ner Zusatzqualifikation doppelglei- sig auf der körperlichen und seeli- schen Schiene arbeiten, ernten da- für zwar Zuspruch von ihren Patien- tinnen und registrieren Erfolge, ver- missen aber die Wertschätzung und und angemessene Honorierung ihrer Arbeit. Viele wollen genauer wissen und beweisen, was sie bewirken.

In der Frauenheilkunde setzte sich schon besonders früh und in- tensiv ein ganzheitliches Denken durch. In den 60er-Jahren entstan- den gynäkologisch-psychosomati- sche Abteilungen, mehrere Lehr- stühle für psychosomatische Gynä- kologie wurden eingerichtet, es gründeten sich in den beiden Teilen

Deutschlands psychosomatische Fachverbände. In der 80er-Jahren folgte eine Konsolidierung mit Ver- ankerung im Gesundheitssystem.

Dies führte zu Ausbildungsrichtlini- en, und seit 1987 ist die „psychoso- matische Grundversorgung“ als de- finierte Leistung im ärztlichen Ge- bührensystem verankert.

Seit einiger Zeit Trendwende zu beobachten

In den 80er- und 90er-Jahren nahm das Interesse gerade von jüngeren Frauenärzt(inn)en an dieser Spezia - lisierung stetig zu, die Verbände wuchsen, die Tagungen waren über- laufen. Die DGPFG (Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe) erreichte, dass seit 1996 die Teilnah- me an einem Curriculum Psychoso- matik verpflichtend zur gynäkolo- gischen Facharztausbildung gehört, wohingegen diese Qualifikation für die anderen Fachgebiete nur eine Option darstellt. Und bei Befragun- gen betonen Patientinnen immer wieder, wie wichtig ihnen das Be- mühen um ganzheitliches Verständ- nis ihrer Beschwerden und Fragen

ist. Es klingt wie eine Erfolgsge- schichte: Die Psychosomatik scheint in der Praxis angekommen zu sein.

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist aber eine Trendwende zu beob- achten. Die Psychosomatik hat an Anziehung und Bedeutung verloren, sie ist längst nicht mehr synonym mit „fortschrittliche Medizin“. Die psychosomatische Frauenheilkunde muss im Gesundheitssystem wieder um Anerkennung kämpfen. Das lässt sich an vielen unterschiedlichen In- dikatoren belegen: Es gibt bundes- weit nur noch eine Professur für

„Gynäkologische Psychosomatik“

und immer weniger Psychosomati- ker in Leitungsfunktionen von gynä- kologischen Hauptabteilungen. Die Mitgliederzahl der DGPFG ist von mehr als 1 000 auf knapp 850 Mit- glieder zurückgegangen, mit weiter sinkender Tendenz. Auf den wis- senschaftlichen Tagungen zum The- ma Brustkrebs gehört das „Quar- tett“ Diagnostik/Operation/Bestrah- lung/Chemotherapie zum üblichen Standard, nicht aber ein Vortrag zur psychoonkologischen Betreuung.

Assistenten in der Weiterbildung berichten, dass sie problemlos frei- gestellt werden für einen Ultra- schall-Doppler-Kurs, aber bei Inter- esse an einer Psychosomatiktagung Erstaunen bis Ablehnung ernten.

Im DMP Brustkrebs ist zwar zu Recht eine psychoonkologische Be- treuung vom Zeitpunkt der Diagno- se an festgeschrieben. Die Patien - tinnen erfahren davon aber meist wenig, da sich in vielen Brustkrebs- zentren die Onkologen primär auf die Wahl der richtigen Operation beziehungsweise Chemotherapie konzentrieren. Die Sorge um mögli- che psychische Probleme der Pa- tientinnen wird an die Psychologen delegiert und damit einer Spaltung von Körper und Seele Vorschub ge- leistet. Das Problem setzt sich fort in der ambulanten Krebsnachsorge, Eine integrierte

psychosomati- sche Begleitung

ist lebenswichtig für die Betroffenen, um parallel zur kör- perlichen Regene- ration wieder ein Gefühl von innerer Sicherheit und Autonomie zu ge-

winnen.

Foto: mauritius images

T H E M E N D E R Z E I T

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Deutsches Ärzteblatt

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11. Dezember 2009 A 2505 in der es zu oft nur darum geht, die

Untersuchungen laut Nachsorge- pass „abzuhaken“ – Problemfälle gehen zum Psychiater. Dabei gerät in den Hintergrund, wie lebens- wichtig für die Betroffenen eine integrierte psychosomatische Be- gleitung ist, um parallel zur körper- lichen Regeneration wieder ein Gefühl von innerer Sicherheit und Autonomie zu gewinnen. Zudem wird den Ärzten dieser zeitaufwen- dige Einsatz nicht angemessen ho- noriert und erfährt auch in der eige- nen Zunft eher wenig Anerkennung.

Großes Manko: Mangel an harten Beweisen

Eine auf den ersten Blick paradoxe Situation: Auf der einen Seite sind viele frühere Forderungen erfüllt, Psychosomatik gehört zum offiziel- len Standard in Ausbildung und Therapie – auf der anderen Seite gilt psychosomatische Medizin eher weniger als vor drei Jahrzehn- ten. Zwei Aspekte sind zur Erklä- rung wesentlich. Zum einen gilt Psychosomatik anscheinend auch unter Ärzten (wieder) weniger als Wissenschaft denn als „normale“

ärztliche Eigenschaft, über die man als Arzt einfach verfügt, ohne sie speziell lernen, geschweige denn trainieren zu müssen. Wer aller- dings das Ausbildungscurriculum für die psychosomatische Grund- versorgung kennt, oder wer je mit

„schwierigen Patienten“ zu tun hat und in Balintgruppen etwas über Beziehung erfährt, wird schnell ei- nes Besseren belehrt.

Ein großes Manko bedeutet vor allem der Mangel an harten „Bewei- sen“ für die Wirkung von Psychoso- matik. Denn in der Zeit der evidenz- basierten Medizin (EbM) gelten randomisierte doppelblinde Studien als Goldstandard des Wissens. So richtig der EbM-Ansatz ohne Zwei- fel ist – für die psychosomatische Medizin birgt er große Probleme, da beispielsweise die langfristige Wir- kung der bewusst gestalteten Arzt- Patientin-Beziehung oder einer ge- zielten Gesprächsführung nicht so einfach oder mit denselben Metho- den zu beweisen ist wie die eines Medikaments oder einer neuen Operationstechnik. So überwiegt

die Ansicht, dass eine psychosoma- tische Haltung zwar angenehm für die Patientinnen, aber letztlich für die Gesundung nicht so wesentlich sei. Deshalb erstaunt es wenig, dass junge Ärztinnen und Ärzte sich im- mer seltener für diese komplizierte Ausbildungserweiterung interessie- ren, sondern sie vielfach als „Pflicht- programm“ absolvieren. Psychoso- matik als ganzheitlicher Zugang zu Menschen und ihren Krankheiten, der eine stete Wechselwirkung von Körper und Seele bei Erkrankung und Gesundung unterstellt, droht zu verschwinden.

Wenn also Bedarf an psychoso- matischer Versorgung da ist, wenn es (noch) psychosomatisch ausge- richtete Praxen gibt, muss der Blick sich dahin richten: Was machen die Psychosomatiker anders, vor allem was erreichen sie? Gibt es benenn- bare Erfolge? Im Curriculum der Bundesärztekammer heißt es dazu lapidar: „Zur Ergebnisqualität der psychosomatischen Grundversor- gung in Deutschland liegen noch wenig gesicherte Erkenntnisse vor.“

Das gilt auch für die psychosomati- sche Frauenheilkunde. Forschungs- projekte gehen überwiegend von Universitäten aus oder konzentrie- ren sich auf den stationären Be- reich. So kommen von den circa 50 Abstracts, die jedes Jahr bei der DGPFG für Kurzvorträge einge- reicht werden, maximal zwei bis drei aus der Praxis – obwohl das Hauptfeld der gynäkologischen Psychosomatik ohne Zweifel in der

ambulanten Betreuung liegt. Das große Gebiet der „Versorgungsfor- schung“, also die Frage der Trans- mission des Wissens in die Praxis, ist auch im Bereich Psychosomatik noch wenig bearbeitet.

Notwendig ist Verzahnung von Forschung und Praxis

Es gibt eine Reihe von Gründen, warum das Erfahrungswissen aus der Praxis bislang wenig systema- tisch beforscht wurde. Zunächst sind es diejenigen, die ambulant arbei- ten, nicht gewohnt, ihre Arbeit und deren Ergebnisse wissenschaftlich zu hinterfragen, sie sind darüber hinaus ausgelastet mit dem täglichen Tun. Und diejenigen, die professio- nell forschen, haben kaum Zugang zur Praxis und dem, was da täglich abläuft. Universitäre Forschungs- projekte, die auf Daten aus der Pra- xis angewiesen sind, haben oft Pro- bleme, Kooperationspartner zu fin- den, um Fragebogen zu verteilen oder um Interviewpartner zu gewin- nen. Dazu kommt das Problem der Finanzierung – wen interessiert die Wirkung von Psychosomatik so, dass ein Projekt finanziert wird?

Ungeklärt sind auch methodische Fragen: Wie etwa lässt sich die Wir- kung von Psychosomatik erfassen, welcher Ansatz hätte eine ähnliche Beweiskraft wie der RCT (randomi- sierte kontrollierte Studie), die für Psychosomatik so nicht vorstellbar ist? Und was wären die (messbaren) Erfolgskriterien für Psychosomatik?

Offen ist, wie es gelingen kann, Praxis und Forschung dauerhaft zu einem fruchtbaren Austausch zu bringen. Es scheint notwendig, ein innovatives Verbundkonzept zu ent- wickeln, um die psychosomatische Frauenheilkunde in der Praxis in ih- rem Ausmaß und ihrer Wirksamkeit zu untersuchen. Der Bedarf an psy- chosomatischer Versorgung in der Praxis ist unzweifelhaft da. Aber wenn es nicht zur angemessenen Wertschätzung der Arbeit kommt, droht die Versorgungsform der „inte- grierten Psychosomatik“, das heißt das Berufsbild der Frauenärztin/des Frauenarztes mit psychosomatischem Schwerpunkt zu verschwinden. ■ Dr. med. Claudia Schumann Frauenärztin/Psychotherapie Ein neuer Forschungsverbund

Es bewegt sich etwas aus der Praxis heraus, ein Anfang ist getan. Seit 2007 gibt es in der DGPFG eine For- schungsgruppe aus niedergelassenen Frauenärztinnen, die mithilfe von wissenschaftlicher Beratung ein Projekt zum Thema „Empathie in der Arzt-Patientin-Beziehung“

durchgeführt hat. Befragt wurden mehr als 2 200 Frauen bundesweit in mehr als 20 gynäkologisch-psychosomati- schen Praxen. Es hat sich gezeigt, dass die Niedergelas- senen interessiert sind an Forschung und bereit sind, sich in die Karten schauen zu lassen, und dass Kooperation möglich ist. Erkennbar wurde aber auch, dass „Forschung von unten“ schnell an ihre Grenzen stößt, an die Hürden von Zeit und wissenschaftlichem Know-how.

PERSPEKTIVE

T H E M E N D E R Z E I T

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