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hen Grades. Es gelingt ihm, alle handelnden Personen seiner Erzählung so zu skiz- zieren, daß der Leser mit ih- nen empfinden kann und muß. Die psychologische Ausleuchtung der Beteiligten ist überzeugend. In bewun- dernswerter Weise kompo- niert er die Schilderung äuße- rer Handlungsabläufe mit dem jeweiligen „Ich" der Handlungsträger zu einem in
Literarischer Reißer
Richard Lourie: Verräter leben länger, Roman, Paul Zsolnay Verlag, Wien/Ham- burg, 1987, 320 Seiten, Neu- leinen, 35 DM
Das Szenario verspricht einen Polit-Thriller mit man- chen Momenten, die an der Grenze von „Science-Fic- tion" angesiedelt sind: Ein sowjetischer Wissenschaftler entdeckt die Möglichkeit, das menschliche Lebensalter um 30 bis 40 Jahre zu verlängern, womit die Machtverhältnisse bei einseitiger Nutzung für sein Land ganz neu und un- korrigierbar entschieden wä- ren; in seiner Abscheu gegen- über dem ihn regierenden Sy- stem will er seine For- schungsergebnisse nicht etwa nur vor Ort vernichten, son- dern sie in die „andere Welt" bringen, nämlich in die Vereinigten Staaten. — Ei- ne exklusive sowjetische Be- hörde hat ihren „Gegen- spion" perfekt präpariert, in- dem sie einen literarischen
„Dissidenten" in das nur all- zu begierige Ausland „aus- weist", wo er — der unreflek- tierten antikommunistischen Emotionen gewiß — seine Rolle als „Wolf im Schafs- pelz" spielen kann.
Danach aber nehmen die Dinge ihren eigenen Verlauf.
Nichts ist nämlich so ganz ge- nau planbar, und Menschen sind keine Schachfiguren, de- ren Positionen der Großmei- ster oder auch die kleineren Mitspieler über beliebig viele Züge hinaus vorbestimmen können. Und so bleibt die Handlung des Romans atem- beraubend spannend und doch logisch-zwangsläufig bis zum Schluß.
Soweit wären die Anfor- derungen an einen „Thril- ler" bereits erfüllt. Mit die- sem Prädikat allein würde man aber dem Buch bei wei- tem nicht gerecht werden.
R. Lourie erweist sich nämlich im Gewande eines tatsächlich nur äußerlichen
„Reißers" als ein Literat ho-
Zwielichtige Atmosphäre
Leo Perutz: Wohin rollst du, Äpfekhen?, Mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller, Paul Zsolnay Verlag, Wien/Hamburg, 1987, 272 Seiten, Neuleinen, 32 DM
Dieser Roman ist zuerst 1928 in der „Berliner Illu-
strierten" erschienen und wurde ein großer Erfolg. Der verspielt anmutende Titel- Text eines russischen Liedes läßt nicht erwarten, daß die schwere Psychose eines ehe- maligen Kriegsgefangenen (so das Urteil eines Leidens- gefährten) Angelpunkt des berichteten Geschehens ist.
Fünf Heimkehrer haben sich das Ehrenwort gegeben, mit dem Kommandanten des La-
gern Tschernawjensk, Stabs- kapitän Seljukow, wegen De- mütigung und des Todes ei- nes Kameraden abzurech- nen. Zu Hause in Wien wird die eingegangene Verpflich- tung bedeutungslos. Nur Leutnant Georg Vittorin be- harrt — getrieben von einem pathologischen Haß — auf dem geplanten Rachefeldzug und führt ihn konsequent durch. Mit Bravour erzählt der Autor die Odyssee seines Negativhelden: Hakenschla- gend führt die Verfolgungs- jagd durch Europa. Mehr- mals glaubt sich Vittorin am Ziel. Doch entweder trifft er den Falschen oder der Ge- suchte hat Ort und Land ge- wechselt. Endlich, nach 2 Jahren blutiger Abenteuer die letzte; die richtige Spur:
Sie führt zu Seljukow und zur frappierenden Lösung.
Hans-Erich Meyer, Nürnberg
Traum
und Alptraum
Julio Cortäzar: Geschich- ten, die ich mir erzähle, Aus dem Spanischen von Rudolf Wittkopf, Suhrkamp Verlag, Frankfurt, 171 Seiten, 26 DM Geschichten, die er sich selber erzählt. Abends vor dem Einschlafen, statt Schäf- chenzählen, und diese seine Geschichten, die er sich sel- ber erzählt: Die von Carlo Gesualdo, der seine Frau in den Armen des Liebhabers überraschte und beide er- dolchte, ein Renaissance- mord, der, modern transkri- biert, sich in eben der Madri- galgruppe wiederholt, die in Buenos Aires Gesualdo sin- gen soll. Geschichten, die er sich selber erzählt, weil man sie schlecht andern erzählen kann: Geschichten von der Gewalt, der Brutalität, der Folter hinter den Masken von law, love and order. Ge- schichten aus dem lateiname- rikanischen Alltag, wo Traum und Alptraum unver- sehens Realität werden kön- nen und umgekehrt.
Peter Gundel, Lörrach jeder Hinsicht packenden
Ganzen, das den Leser auch dann fesselt, wenn er weit über reine „action" hinaus auch höhere Ansprüche stellt, zum Beispiel an außer- gewöhnliche Erzählkunst; an inhaltliche Konsequenz; an Verständnismöglichkeit zwi- schen ihm und den handeln- den Personen.
Rudolf Clade , Bad Neuenahr
Dt. Ärztebl. 84, Heft 20, 14. Mai 1987 (91) A-1431