Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000 AA2657
S E I T E E I N S
B
undesgesundheitsministerin An- drea Fischer hat Meldungen be- stätigt, wonach Kassenpatienten künftig eine Quittung über die ärzt- liche Behandlung und die abge- rechneten Leistungen in einer „für Laien verständlichen Form“ erhal- ten sollen. Mit einer Änderung von§ 305 SGBV will die Ministerin die Transparenz verbessern und das Kostenbewusstsein der Versicher- ten und Leistungserbringer stärken.
„Die Patienten sollen wissen, was bei ihnen gemacht wurde. Ein will- kommener Nebeneffekt ist, dass Ab- rechnungsbetrug erschwert wird“, erklärte Fischer. Auf den Behand- lungsprotokollen sollen aber keine Preise oder Punktwerte ausgewiesen werden. Das Arztrechnungsdoppel würde sich insofern erheblich bei- spielsweise von der Handwerker- rechnung unterscheiden.
Dass dieses Unterfangen verwal- tungstechnisch und rechtlich schwie-
rig ist, ist der Fischer-Administration bewusst. Der zuständige Abteilungs- leiter, Ministerialdirektor Dr. med.
Hermann Schulte-Sasse, bestätigte gegenüber dem Deutschen Ärzte- blatt, dass in erster Linie Nutzen-Ko- sten-Effekte berücksichtigt werden müssten. Deshalb werde eine mög- lichst einfache, verwaltungstechnisch machbare Version präferiert. In Ge- sprächen mit dem Spitzen der Ärzte- schaft solle über eine freiwillige Lö- sung nachgedacht werden, ehe eine gesetzlich festgeschriebene Lösung erwogen werde. Schulte-Sasse, der von den Absichten seiner Ministerin erst aus einer ministeriumsinternen Presseschau erfahren haben will, lässt zurzeit zwei Modelle prüfen:
Der Versicherte erhält ein Protokoll, das alle erbrachten Leistungen in verständlicher Sprache auflistet; der Arzt darf erst dann abrechnen, wenn der Patient quittiert hat. Oder: Die Krankenkassen schicken den Patien-
ten regelmäßig eine Kostenaufstel- lung über die Leistungen zu.
Die Kontrollvorschrift soll im
„Gesetz zur Verbesserung der Da- tentransparenz im Gesundheitswe- sen“ angehängt werden, aber neu ist die Fischer-Idee nicht. Bereits Ex- Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte auf Drängen der FDP vorgeschlagen, den Kassenpatienten regelmäßig Rechnungsauszüge zu- kommen zu lassen. Im Gesetz hieß es dann „auf Verlangen des Versicher- ten“. Dieses verspüren offenbar nur wenige, wie ein Modellversuch der KV Hessen belegte: Weniger als 0,01 Prozent der Kassenpatienten machten davon Gebrauch. Der frühere KBV-Vorsitzende Siegfried Häußler hatte schon in den 60er- Jahren nachgewiesen: Transparenz mit Rechnungen ohne gekoppelte Selbstbeteiligung nutzt wenig, son- dern bringt nur Verwaltungsauf- wand. Dr. rer. pol. Harald Clade
Krankenversicherung
Kontroll-Bürokratie
D
iese Entscheidung des Europäi- schen Gerichtshofs (EuGH) hat es in sich: „Der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte des Teams zur medizini- schen Grundversorgung in Form per- sönlicher Anwesenheit in der Ge- sundheitseinrichtung leisten, ist insge- samt als Arbeitszeit . . . anzusehen.“Der Bereitschaftsdienst weise die cha- rakteristischen Merkmale des Begriffs von Arbeitszeit auf. Der von der spa- nischen Gewerkschaft der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen er- strittene Richterspruch wird Auswir- kungen auf die Arbeitszeitregelung für Ärzte in deutschen Krankenhäu- sern haben. Eine Nacht Bereitschafts- dienst in der Klinik im Anschluss an einen zehnstündigen Arbeitstag kann zukünftig nicht mehr wie bisher als
Ruhezeit gerechnet werden. Dies könnte teuer werden für die Kran- kenhäuser. Durch zusätzlichen Per- sonalbedarf sieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft bereits ei- ne „Kostenlawine von rund einer Milliarde Mark auf die deutschen Krankenhäuser zurollen“. Ange- sichts dieser zusätzlichen Belastung sei die Beitragssatzstabilität in der Gesetzlichen Krankenversicherung ernsthaft bedroht.
Dagegen begrüßte Bundesärzte- kammer-Präsident Prof. Dr. med.
Jörg-Dietrich Hoppe die Entschei- dung des EuGH. Mit seinem Urteil habe das Gericht Ärzten und Pati- enten einen Dienst erwiesen. Er be- tonte, dass sich die Einhaltung ge- regelter Arbeitszeiten nur positiv
auf die medizinische Versorgung der Patienten auswirken könne.
„Dauereinsätze von 25 und 30 Stun- den, die in deutschen Krankenhäu- sern keine Seltenheit sind, werden künftig nicht mehr möglich sein.“
Ein wenig Skepsis, was die Umset- zung des Urteils in deutschen Kran- kenhäusern anbelangt, ist allerdings angebracht. Schon lange ist offen- kundig, dass die Arbeitszeiten der Krankenhausärzte gegen das gel- tende Arbeitszeitgesetz verstoßen.
Doch geschehen ist in diesem Zu- sammenhang in den vergangenen Jahren viel zu wenig. Vielleicht trägt das EuGH-Urteil dazu bei, dass neue Dienstmodelle entwickelt wer- den, die den Interessen aller Betei- ligten Rechnung tragen. Thomas Gerst