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Archiv "Multivitaminpräparate Ein Sakrileg?" (27.04.2001)

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P O L I T I K

A

A1100 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 17½½27. April 2001

D

as allgemeine Bewusstsein über die Gefährlichkeit der Athero- sklerose steht in keinem Verhält- nis zu ihren tatsächlichen Auswirkun- gen. Bis zu jener Phase der letzten Le- bensjahre, in der nach hektischer Fast- attac-Strategie (PTCA/Stents, Bypass- OP, Stroke-Unit) versucht wird, Schä- den zu kompensieren, die zur Entste- hung Jahrzehnte benötigen. Kurzzeit- effekte sind hier zweifellos vorhanden, jedoch selten lebensverlängernd. War- um ist es dann fast ein Sakrileg, mit der Einnahme von Mikronährstoffsupple- ments eine „entschlossene“ Maßnah- me zur Suppression der Atheroskle- rose in Betracht zu ziehen, die den Herz-Kreislauf-Erkrankungen in ihrer Bedeutung als Mortalitätsfak- tor (USA: vier Prozent) Rech- nung trägt?

Jene kybernetische Be- trachtungsweise – wir erfor- schen die Möglichkeit, Senes- zenzprozesse durch Variierung der endogenen Konzentratio- nen von Mikronährstoffen, Amino-säuren, Hormonen und se- kundären Pflanzeninhaltsstoffen zu verzögern – wird bislang kaum vertre- ten. Wie in einer unsichtbaren Kon- vention vereinbart, hat das Nachden- ken über die optimalen Proportionen dieser Verbindungen im Stoffwechsel hier Halt gemacht: „Wir verhüten den Mangel, ein Mehr ist ungesund oder zumindest nutzlos!“

Wer als Kritiker (1, 2) nicht be- rücksichtigt, dass moderne high-po- tency Supplements neben den Vit- aminen A, C, E zusätzlich hohe Dosen Folat, Vitamin B2, B6, B12, Lysin und viele weitere Nutraceuticals enthal- ten, deren regelmäßige Einnahme un- ter anderem zur Suppression des Plas- ma-Homocysteins in „sichere“ Berei- che führt, greift zu kurz. Hyperhomo- cysteinämie und niedrige Vitamin-B6- Spiegel gelten als Risikofaktoren für gefäßokklusive Prozesse (3–9).

Vitamin C „toxische Nebenwirkun- gen“ zuzuschreiben (1) und verein- samt dafür einen umstrittenen Re- search Letter aus Nature (10) über indi-

rekte Marker für DNA-Schäden zu zi- tieren ist inakzeptabel. Jene Nature- Autoren veröffentlichten später weite- re Arbeiten, in denen Askorbat sogar DNA-reparativ wirkte (11) und vor schädlicher Proteinoxidation schützte (12). Bruce Ames nannte den Nature- Artikel „bad science“. M. Levine vom National Institutes of Health findet:

„Harmful effects have been mistakenly attributed to vitamin C, including hypo- glycemia, rebound scurvy, infertility and muta-genesis. Health professionals should recognize that vitamin C does not produce these effects“ (3) .

Die Aussage, dass „kein Zusam- menhang zwischen dem Vitamin-C- Status und dem Risiko, an KHK zu

sterben“ besteht, eine Arbeit, in der lediglich 14/730 Personen Supple- ments einnahmen, zu zitieren (14) ist unkorrekt (1). Positive Effekte durch zusätzliche Vitamin-C-Gaben, und darum geht es, konnten so gar nicht erfasst werden. In den letzten Jahren erschienen zudem deutlich mehr posi- tive Studien über Effekte von Askor- bat auf Surrogatparameter für Herz- Kreislauf-Erkrankungen (9, 15–44) als neutrale Resultate (45–53) .

Die ausgebliebenen Effekte der Vit- amin-E-Monotherapie in prospekti- ven Studien mit harten Endpunkten sind nicht wegzudiskutieren (54, 55).

Das nutzbare Potenzial eines ausge- wogenen, hoch dosierten Mix an Mi- kronährstoffen rekrutiert sich aus den Synergismen von antioxidativer Wir- kung, Homocystein-Senkung und di- rekten Effekten auf Immunsystem, Endothel, Blutdruck sowie Gerinnung und sollte nicht defätistisch als „Appli- kation nach dem Gießkannenprinzip“

bezeichnet werden (1). Es ist entstel- lend, mit der Re-Iteration der Neben-

wirkungen hoher Vitamin-A-Dosen den Eindruck zu erwecken, diese wären pauschal auf Mikronährstoff- supplements übertragbar (1). Man ver- misst die Kohärenz zwischen der War- nung vor Vitamin-A-Toxizität, Studien über Schwangere, Osteoporose und der Kritik an einer Mikronährstoff- Formula, die kein aktives Vitamin A, sondern lediglich eine relativ niedrige Dosis ␤-Karotin enthält (2).

Da Ergebnisse großer Endpunkt- Studien, die moderne high-potency Supplements testen, nicht existieren, mag es für generelle positive Empfeh- lungen verfrüht sein. In bestimmten Situationen ist dies jedoch anders. Im- merhin verlautet, die Cochrane Foun- dation „Evidence Based Medi- cine ist auch nicht auf rando- misierte, kontrollierte Studien und Metaanalysen begrenzt.

Falls keine kontrollierte Stu- die für die besondere Situation unseres Patienten durchge- führt wurde, müssen wir die nächstbeste externe Evidenz finden und berücksichtigen“ (56).

Ergo, der schwer kranke Koronari- ker mit geringer Lebenserwartung hat nicht mehr die Zeit, große Endpunkt- Studien abzuwarten. Positive Effekte auf „weichere“ KHK-Marker müssen ausreichen und stellen in Überein- stimmung mit dem oben genannten Zitat die derzeit „nächstbeste externe Evidenz“ dar. Der Konsum hoch do- sierter Supplements in den USA und Europa ist hoch und steigt. Es kann bald zu spät sein, um in den Industrie- nationen mit Doppelblindstudien polyvalente Supplements plus „best possible treatment“ gegen „best possi- ble treatment“ alleine zu testen, um sauber herauszuarbeiten, ob wirklich etwas dran ist.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Dr. med. Markus P. Look

Medizinische Klinik I der Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn E-Mail: look@uni-bonn.de

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Multivitaminpräparate

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