Deren Schuldgefühle sind um so größer, je persönlicher sie sich für die Störung selbst verantwortlich machen können. In dieser Hinsicht haben jene Publikationen viel Un- heil angerichtet, die die Ursache des frühkindlichen Autismus in der
„emotionalen Kühle der Mütter"
sahen, wofür auch der schöne Aus- druck „emotionale Frigidität" be- müht wurde. Tatsache ist aber, daß sich Eltern autistischer Kinder (Vä- ter wie Mütter) in keinerlei Hinsicht von Eltern oligophrener Kinder oder Eltern von Kindern mit ande- ren Behinderungen unterscheiden.
3. Selbstverständlich ist die Be- zeichnung „angeboren" nicht iden- tisch mit „erbbedingt" oder „orga- nisch". Ohne die Ergebnisse der pränatalen Psychologie schmälern zu wollen, muß ich aber auch hier darauf hinweisen, daß voreilige ätio- logische Ableitungen verfrüht sind.
Zu der Ätiologie des frühkindlichen Autismus haben diese Untersuchun- gen bislang noch wenig Erhellendes beitragen können, aber wir sollten für neue Ergebnisse dieser For- schungsrichtung offen sein. Warnen möchte ich jedoch auch davor, be- reits jetzt von einer „pränatalen oder perinatalen Psychosomatik" zu reden, zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Reihe von Konzepten der Psy- chosomatik im Licht empirischer Er- gebnisse außerordentlich kritisch diskutiert wird.
Das von Herrn Hau skizzierte pathogenetische Modell ist nicht un- plausibel. Es bedarf aber noch wei- terer Untersuchungen zu seiner Verifizierung.
Der Tenor dieser Ausführungen trifft auch auf die Zuschrift von Herrn Rainer Dietz zu. Selbstver- ständlich wird sich jeder erfahrene Arzt, insbesondere, wenn er sich auf dem Gebiet der Psychiatrie oder Psychosomatik betätigt, vor extre- men Einstellungen hüten. Gerade der Erfahrene aber weiß, daß insbe- sondere beim frühkindlichen Autis- mus mit der Psychogenese Schuldzu- weisungen verbunden waren. Hierzu gibt es eine reiche Literatur, die dies belegt. Man sollte aber auch nicht Organogenese und Psychogenese vermischen und letztlich zu dem Standpunkt kommen, daß man bei-
des überhaupt nicht trennen kann.
Dann wäre die Forschung verloren.
Sie muß sich darum bemühen, die verschiedenen Ursachenmöglich- keiten zu objektivieren und natür- lich auch ihre Wechselwirkung. Ge- rade dies ist in den letzten Jahren beim frühkindlichen Autismus er- folgreich versucht worden.
Kliniker und Wissenschaftler aus dem psychiatrischen und psycho- somatischen Bereich sollten sich da- her in besonderer Weise bemühen, eine klare Sprache zu sprechen und ein verkürztes Begriffsinventar zu vermeiden. Ich stimme Herrn Dietz daher sehr zu, wenn er Begriffe wie
„anorektogene" und „schizophre- nogene Mutter" kritisiert. Ich muß aber auch seinen Ausführungen dort
Fragen
Besteht für das medizinische Personal eine AIDS-Übertragungs- gefahr bei Manipulation von Blut und potentiellbluthaltigen biologi- schem Material (Liquor, Urin, Stuhl, Sputum usw.)?
Da die Kontamination der Hän- de auch bei sorgfältiger Blutentnah- me unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel in der Gynäkologie, Pädiatrie, Intensivmedizin, Ambu- lanz usw.) oft unvermeidlich ist, wä- re nicht das Tragen von Handschu- hen bei Blutmanipulation als Schutz- pflichtmaßnahme indiziert?
Dr. med. I. Zimmermann Städtische Kinderklinik Westerholter Straße 142 4650 Gelsenkirchen
Schlußwort
Auf die Frage des Kollegen Zimmermann, Gelsenkirchen, zu unserem AIDS-Editorial kann ich wie folgt antworten:
Die Übertragungsgefahr für das medizinische Personal beim Um- gang mit Blut und anderen Körper-
mit Skepsis begegnen, wo er von der
„Bewußtmachung innerer Bilder und von Triebschicksalen" spricht.
Gerade der frühkindliche Autis- mus ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Vorurteile, vorzeitige Verallgemeinerungen und ungesi- cherte theoriebeladene Annahmen über die Ätiologie ganze Generatio- nen von Familien mit solchen Kin- dern in extrem kritische Situationen gebracht haben.
Professor Dr. med.
Dr. phil. Helmut Remschmidt Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Marburg Hans-Sachs-Straße 6 3550 Marburg
flüssigkeiten ist insgesamt sehr ge- ring. Bislang sind weltweit nur fünf eindeutige Berufsinfektionen beim medizinischen Personal beschrie- ben. In mehreren Studien wurden große Zahlen von Personen kontrol- liert, die sich akzidentell (zum Bei- spiel an einer Injektionsnadel) in- okuliert haben. In keinem Fall kam es zu einer Infektion. Das generelle Tragen von Handschuhen bei der Blutentnahme, das bereits wegen der Hepatitis von der Berufsgenos- senschaft vorgeschrieben ist, sollte also auch wegen AIDS strikt einge- halten werden. Es sollte eine Selbst- verständlichkeit sein, daß die mor- gendliche Blutentnahmerunde des Stationsarztes immer nur mit Hand- schuhen erfolgt. In Situationen, wo sich dieses Prinzip nicht durchsetzen läßt, sollte eine Injektions- bezie- hungsweise Blutentnahmetechnik befolgt werden, bei der eine Konta- mination mit Blut wenn irgend mög- lich vermieden wird.
Professor Dr. med. Wolfgang Stille Klinikum der Universität Frankfurt Zentrum der Inneren Medizin Theodor-Stern-Kai 7
6000 Frankfurt am Main 70
AIDS: Die derzeitige Bedrohung
Zu dem Editorial von Professor Dr. med. Wolfgang Stille und Professor Dr. med. Eilke B. Helm in Heft 6/1987
A-2056 (52) Dt. Ärztebl. 84, Heft 30, 23. Juli 1987