W
enn die Redaktion des Deut- schen Ärzteblattes kurz vor Mitternacht auf dem Ärzte- tag in Cottbus aus aktuellem Anlass entscheidet, die bereits fertig produ- zierte Titelseite der nächsten Ausgabe auszutauschen, dann liegen rund 700 Kilometer weiter westlich, in Geldern am Niederrhein, die Nerven blank. In der Druckerei L.N. Schaffrath herrscht jetzt Ausnahmezustand. Die engen Druckpläne drohen zu kippen. Wenige Stunden später soll die Auslieferung beginnen: rund 350 000 Ärzteblätter müssen zu den Lesern.Die „Cottbusser Aktion“ liegt inzwi- schen zwei Jahre zurück – und sie ging glatt. Am folgenden Tag hielten die De- legierten des 102. Deutschen Ärztetages das neue Heft in der Hand – druckfrisch und bereits mit der Berichterstattung über die Eröffnung des Ärztetages.
Dass derart kurzfristige Reaktionen auf aktuelle Ereignisse überhaupt mög- lich sind, liegt an der modernen Tech- nik, hauptsächlich aber an einer profes- sionellen Partnerschaft, die seit einem halben Jahrhundert währt. Das Deut- sche Ärzteblatt wird seit 50 Jahren bei Schaffrath in Geldern gedruckt. Das
Unternehmen ist mit dem Ärzteblatt gemeinsam gewachsen und zählt heute zu den 20 größten Druckhäusern in der deutschen Presselandschaft. Anfangs im Bleisatz, später im Fotosatz und heu- te in digitaler Computertechnik produ- ziert, spiegelt die Herstellung des Deut- schen Ärzteblattes die technische Re- volution einer ganzen Branche wider.
Während früher mitunter Wochen zwi- schen einem Ereignis und der Bericht- erstattung darüber lagen, steht heutzu- tage am Mittwoch im Ärzteblatt, was am Montag zuvor passiert ist.
Der deutliche Zuwachs an Aktualität hat Gründe: Redaktion und Druckerei haben kontinuierlich „aufgerüstet“ und mit den neuesten Entwicklungen Schritt gehalten. In Köln, dem Sitz der Redakti- on, entstehen die Beiträge im so genann- ten Ganzseitenumbruch. Das heißt: Die Texte werden am Computer in vorgefer- tigte Musterseiten eingegeben und von der technischen Redaktion in Verbin- dung mit Fotos, Abbildungen und Tabel- len abschließend gestaltet. Die „Daten“
fließen täglich von Köln nach Geldern (und zur Kontrolle zurück), denn das Ärzteblatt entsteht in mehreren Etap- pen: die Politik, die Medizin, der Varia- T H E M E N D E R Z E I T
50 Jahre Partnerschaft
Deutsches Ärzteblatt und Druckhaus L.N. Schaffrath
Dreh- und Angelpunkt: Hersteller Karl- Heinz Kremers behält den Überblick.
Layout: Feinschliff an den Seiten
A
A1668 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001
Woche für Woche er- scheint eine neue Ausgabe
des Deutschen Ärzteblat- tes – gedruckt in Geldern am Niederrhein. Seit ei- nem halben Jahrhundert arbeiten Verlag, Redaktion
und Druckerei zusammen.
Fotos. Eberhard Hahne (10); L.N. Schaffrath
Portal der Druckerei LNS in Geldern
teil, die Bekanntgaben und die Anzeigen sind Teile eines Puzzles, das am Ende der Produktionswoche bei Schaffrath zum ganzen Heft zusammengefügt wird.
Karl-Heinz Kremers und Theo van de Wal sehen Anfang und Ende der Produktionskette. Die beiden Herstel- ler betreuen als Team und im Wechsel das Ärzteblatt bereits seit vielen Jah- ren. Sie sind Dreh- und Angelpunkt in Geldern und tägliche Ansprechpartner der Redaktion in Köln. Über ihren Schreibtisch laufen alle Seiten, sie koor- dinieren die einzelnen Arbeitsschritte und behalten (wie auch immer) den Überblick.
Allwöchentlich dienstags tagt in Köln die Redaktionskonferenz. Sie legt die Themen und deren Reihenfolge im Heft fest. Unterdessen hat die Anzeigenab- teilung die Inserate platziert – zwei von- einander völlig unabhängige Vorgänge.
Redaktionsseiten und Anzeigen werden in Geldern zusammengefügt.
Aus in der Regel jeweils 16 Heftseiten entsteht ein Druckbogen, der auf Film belichtet und auf eine Druckplatte ge- prägt wird. Die Platte ist dann das Mate- rial, aus dem hochmoderne Rollen- offset-Maschinen endlos lang scheinen- de Papierbahnen bedrucken – in einer Geschwindigkeit von rund neun Meter pro Sekunde. Die Druckvorgänge wie auch die verschiedenen Vorstufen ver- langen höchste Präzision und jene jahre- lange Erfahrung, die man nicht messen, aber am fertigen Produkt ablesen kann.
Die „Schaffrather“ verfügen über diese Erfahrung. Wenn in Geldern die Maschinen laufen, greift ein Rädchen ins andere. Papierrollen von giganti- schem Ausmaß (pro Rolle rund 1,2 Tonnen Gewicht und 20 000 Meter Papierlänge) werden eingespannt, die Druckstraße muss eingerichtet werden.
Drucker kontrollieren Farbe und Druckbild und sehen zu, dass keine Störung den Hochgeschwindigkeitspro- zess zum Erliegen bringt. Zeit ist knapp, Zeit entscheidet über die pünkt- liche Zustellung der Hefte.
Ein durchschnittliches Ärzteblatt be- steht mit seinen drei Ausgaben (für nie- dergelassene Ärzte, Krankenhausärzte und sonstige Ärzte) aus rund 15 Druck- bogen plus 80 Seiten Kleinanzeigen, die bei 350 000 Exemplaren rund neunzig Tonnen Papier benötigen. Der Druck
dieser Auflage dauert etwa drei Tage.
Würde man das Ärzteblatt von heute mit der Technik von 1951 drucken, gin- ge mehr als ein Jahr ins Land, bis eine einzige Ausgabe fertig gestellt wäre.
Bevor allwöchentlich in der Nacht von Montag auf Dienstag die LKW mit den ersten Heften vom Hof rollen, ist die Buchbinderei gefordert. Dort wer- den die Ärzteblätter gebunden und auf Paletten gestapelt. Die Fahrt geht nach Köln – zur Versandabteilung des Deut- schen Ärzte-Verlages. Etwa um sechs Uhr früh treffen die Hefte ein, um schließlich die Reise zum Leser anzu- treten.
L.N. Schaffrath druckt nicht nur das Ärzteblatt. Das Unternehmen produ- ziert rund 130 Titel – unter anderen die Pharmazeutische Zeitung, Die Deut- sche Polizei und Emma. Das Ärzteblatt war und ist aber das mit Abstand größ- te Objekt. Von den 400 Mitarbeitern bei Schaffrath sind rund 50 unmittelbar und ausschließlich mit dem DÄ befasst.
Dass zwei Unternehmen seit einem halben Jahrhundert zusammenarbei- ten, mag sich in der heutigen „Wirt- schaftskultur“ etwas exotisch ausneh- men. Verlag und Redaktion des Deut- schen Ärzteblattes sehen das uneinge- schränkt positiv: Verlässlichkeit, Pro- fessionalität und Flexibilität in der ge- meinsamen Arbeit sind Eigenschaften, ohne die eine erfolgreiche Entwicklung über Jahrzehnte hinweg nicht denkbar wäre. Unser Partner am Niederrhein bringt diese Eigenschaften mit. Wir, die Redaktion, vor allem aber die Leserin- nen und Leser des Deutschen Ärzte- blattes profitieren davon. Josef Maus Druckbogen: 16 Seiten pro Einheit
Film: passgenau auf den Millimeter
Die Druckplatte wird kopiert.
Plattenstraße: Entwicklung
Rollenoffset: Neun Meter pro Sekunde
Farbmischung ist Druckerkunst.
Kollege Roboter stapelt endlos Hefte.
Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001 AA1669
90 Tonnen Papier je Ausgabe
Das einzelne Heft liegt leicht in der Hand, die gesamte Ausgabe hin- gegen „wiegt“ schwer.
Hochmoderne Offset- Maschinen ziehen die Papierbahnen in einem unglaublichen Tempo
durch. Die Rollen wiegen rund 1,2 Tonnen und sta- peln sich in Geldern zu riesigen Türmen. Die rei- bungslose Produktion einer Zeitschrift in Massen- auflage ist nicht nur eine Frage der technischen Ausstattung, sondern auch eine logistische Her- ausforderung an das Druckhaus und den Verlag.
350 000 Ärzteblätter „gehen ins Papier“.