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Archiv "Zukunft der Medizinischen Hochschulen: Es gibt Grund zu jammern und – sich zu verändern" (28.07.2006)

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F

orschung schafft Innovationen, und Innovationen schaffen Arbeitsplätze – dieser Formel widerspricht hierzu- lande keiner. Die bundesdeutsche For- schungslandschaft gilt allerdings als ein sehr durchwachsenes Gebilde aus echten Schönheiten, mittelmäßigen Flecken, hässlichen Ecken und Gebieten, die ver- wahrlosen. So sehen viele Fachleute die deutsche Hochschulmedizin vor Proble- me gestellt, die ihre wünschenswerte Weiterentwicklung gefährden: chroni- sche Unterfinanzierung,Druck durch das Fallpauschalensystem, weitere Investi- tionskürzungen als Folge

der beschlossenen Föde- ralismusreform, veraltete Strukturen, Abwanderung junger Wissenschaftler ins Ausland.Darüber und über Auswege aus der Krise dis- kutierten kürzlich Fachleu- te beim 67. Ordentlichen Medizinischen Fakultäten- tag (siehe auch DÄ, Heft 25/2006) und beim II. Inno- vationskongress der deut- schen Hochschulmedizin.

„Wir müssen jammern, weil es momentan weh- tut“, befand Prof. Dr. med.

Karl Einhäupl, ehemals Vorsitzender des Wissen- schaftsrats. Als Folge der

Föderalismusreform werde in den nächsten Jahren noch weniger Geld für die Hochschulen und die Klinika zur Verfügung stehen (siehe Kasten). Dabei hätten viele Einrichtungen großen In- vestitionsbedarf, weil die Länder seit Jahren zu wenig Geld zur Verfügung ge- stellt haben. Die ärmeren Bundeslän- der würden es ohnehin schwer haben

mitzuhalten: „Statt Wettbewerb zwi- schen den Standorten werden wir einen Wettbewerb zwischen den Ländern ha- ben.“ Einhäupl ist überzeugt, dass Pri- vatisierungen der Hochschulmedizin zunehmen werden: „Die Länder sind dann nicht mehr für den Hochschulbau in der Pflicht und sparen Geld.“

Doch der Berliner Neurologe ver- weist darauf, dass die medizinischen Hochschulen etwas Besonderes sind, das man nicht leichtfertig abstoßen sollte:

Sie sicherten schließlich die Qualität der ärztlichen Ausbildung und garantierten

die Versorgung von Patienten mit an- spruchsvollen Krankheitsbildern. Des- halb müsse es gewisse bundeseinheitli- che Standards für die Medizinischen Hochschulen und die Klinika geben.

Außerdem brauchten sie engagierte Ärztinnen und Ärzte, aber: „Im Kampf um die besten Köpfe sind die Universitä- ten im Nachteil, obwohl sie das Rückgrat

von Ausbildung und Forschung sind“, sagt Einhäupl. Junge Forscher wander- ten nicht nur ins Ausland ab, sondern auch in die Industrie oder zu außeruni- versitären Forschungseinrichtungen.

Wie Einhäupl sind allerdings auch an- dere Fachleute der Meinung, dass die medizinischen Hochschulen sich selbst verändern müssen, indem sie sich stär- ker als bisher dem Wettbwerb stellen und sich beispielsweise durch Schwer- punktsetzungen profilieren. „Sicher sind nicht alle 34 deutschen Universitätsklini- ka zukunftsfähig, so wie sie heute aufge-

stellt sind“, konstatierte Prof. Dr. med.

Rüdiger Siewert, Präsident des Verbands der Universitätsklinika. Fusionen und Privatisierungen seien aber nur Schein- lösungen. Man müsse den Hochschulen mehr Eigenständigkeit einräumen und mehr unternehmerische Freiheit lassen, zum Beispiel zur Ausgründung der Klini- ka als eigenständige Unternehmen. Prof.

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 3028. Juli 2006 AA2007

Jahrelang war der Ausbau und Neubau von Hoch- schulen einschließlich der Hochschulkliniken als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern im Grundgesetz fixiert. Auch ihr Zusammenwirken bei der Bildungsplanung und der Förderung wissen- schaftlicher Forschung war Gesetz. Als Folge der Föderalismusreform ist damit nun weitgehend Schluss. Noch bis 2013 wird der Bund zwar jährlich rund 700 Millionen Euro für den Hochschulbau an die Länder überweisen. Doch diese werden umge- hend aus der Pflicht entlassen, ihrerseits Geld dafür aufzubringen. Von 2013 bis 2019 wird der Bund ebenfalls noch Geld bereitstellen. Doch die Zweckbindung entfällt dann; statt in Hochschulen kann damit auch in andere Vorhaben investiert

werden. Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung des Bundestags gaben sich Vertreter von SPD und Union zuver- sichtlich: Man erwarte, dass die Länder ihren Bei- trag für den Hochschulbau bis 2010 auf 1,5 Milliar- den Euro erhöhten und sich in ihren neuen Kompe- tenzen „kraftvoll betätigen“ würden.

Die Opposition ist skeptisch. Die FDP hatte in ei- nem eigenen Antrag gefordert, die Bundesmittel für den Aus- und Neubau von Hochschulen nach den Studierendenzahlen zu bemessen. Bündnis 90/Die Grünen hatten ebenfalls vorgeschlagen, die Studierendennachfrage einfließen zu lassen und Bundesmittel zudem auch nach 2013 mit ei- ner Zweckbindung zu versehen. Es sei nicht hin- nehmbar, dass ein Land damit „Kaimauern oder den Straßenbau finanziert“. hib/Rie

Nachteile für ärmere Bundesländer

Zukunft der Medizinischen Hochschulen

Es gibt Grund zu jammern und – sich zu verändern

Um weiter Spitzenleistungen zu erbringen, braucht

die Hochschulmedizin Geld und das Engagement von Politik und

Wirtschaft. Aber sie muss sich auch selbst dem Wettbewerb stellen.

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Dr. med. Martin Paul, Dekan der Medi- zinischen Fakultät Charité Universitäts- medizin Berlin, gab zu bedenken, dass hinter Fusionen eine sinnvolle Idee stecken müsse. Als reine Sparmodelle seien sie „zum Scheitern verurteilt“.

Dr. h. c. Ludwig Georg Braun, Vor- standsvorsitzender des gleichnamigen Medizintechnikkonzerns, vertrat die Auffassung, für eine erfolgreiche inno- vative Forschung sei es erforderlich, dass sich Industrie und Hochschulen besser verkoppelten. Es müssten mehr Netzwerke und mehr Centers of Excel- lence innerhalb der Universitäten ent- stehen, am besten europaweit, um der Industrie eine professionelle Struktur für Studien und Forschungsprojekte zu bieten. Einzelne freundschaftliche Kon- takte und einige wenige Kooperations- verträge wie bisher reichten nicht aus.

Mehr Mut zu investieren

Wie stark der Druck auf alle in der For- schung Tätigen längst ist, verdeutlichte Dr. Heinrich von Pierer, Aufsichtsrats- vorsitzender der Siemens AG. „Spitzen- löhne kann nur zahlen, wer technolo- gisch an der Spitze steht“, stellte er klar.

Deutschland müsse sich auf seine Stär- ken besinnen und beispielsweise in der Medizintechnologie seine Kraft zur In- novation immer wieder unter Beweis stellen, um am Markt mitzuhalten. Des- halb sei es unumgänglich, das Interesse junger Menschen für naturwissen- schaftliche Fächer zu wecken. Zur At- traktivität von Berufsbildern gehörten aber auch überzeugende Arbeits- und Einkommensbedingungen – dies solle man bei der Diskussion um angemesse- ne Einkommen für Ärzte bedenken.

Bei der Ausstattung von Kranken- häusern wünsche er sich „etwas mehr Mut“ vonseiten des Staates, sagte von Pierer. Statt wie häufig die Verteuerung der medizinischen Versorgung durch Großgeräte zu thematisieren, solle man stärker ihr Fortschrittspotenzial erken- nen und die Einsparungen, die dadurch möglich seien. Als Beispiel führte er ei- nen neuartigen Computertomographen seines Unternehmens an, der zwar teu- er sei, es aber erlaube, rascher und strahlungsärmer als bisher Aufnahmen zu erstellen. Sabine Rieser

P O L I T I K

A

A2008 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 3028. Juli 2006

Nationaler Ethikrat

Expertenstreit um Sterbehilfe

Ratsmitglieder wollen ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung berufsrechtlich zulassen.

D

ürfen Ärzte Sterbenden ihren Wunsch nach Erlösung erfüllen?

Dürfen sie in aussichtsloser Situa- tion lebenserhaltende Geräte abschal- ten, um ein vermeintlich unwürdiges Leben zu beenden? Ein Jahr ist es her, dass der Tod der schwer kranken Ameri- kanerin Terry Schiavo die Welt bewegte und diese Fragen in der Öffentlichkeit aufwarf. Nun entfacht eine Stellung- nahme des Nationalen Ethikrates die Debatte in Deutschland erneut. Wohl auch deshalb, weil sich die 24 Ratsmit- glieder vor klaren Antworten und Hand- lungsempfehlungen drücken.

Nach zwei Jahren intensiver Bera- tungen sind sich die Experten lediglich darüber einig, die irreführenden Begrif- fe „indirekte“, „passive“ und „aktive“

Sterbehilfe zu ersetzen und stattdessen von „Sterbebegleitung“, „Therapie am Lebensende“, „Sterben lassen“, „Bei- hilfe zur Selbsttötung“ und „Tötung auf Verlangen“ zu sprechen. Dies soll hel- fen, die verschiedenen Handlungsop- tionen klar zu definieren.

Fragen zum Suizid und zur Beihilfe zum Suizid konnten die Experten jedoch nicht einheitlich beantworten. So plä- diert eine Mehrheit dafür, dass Ärzte nicht bestraft werden sollen, wenn sie bei einem Suizidversuch nicht einschreiten.

Allerdings muss es eindeutige Anhalts- punkte dafür geben, dass die Absicht, sich selbst töten zu wollen, auf einem ernsthaften Entschluss des Patienten gründet.

Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der Freiburger Moraltheologe Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff und der Schriftsteller Peter Radtke warnen dage- gen in einem Minderheitenvotum davor, den Grundsatz der Selbstbestimmung des Individuums in Fragen zum Suizid überzubetonen: „Unsere Rechtsordnung

und unser spontanes Verhalten gegen- über Suizidwilligen müssen darauf aus- gerichtet bleiben, diese von dem Wunsch, sich töten zu wollen, abzubringen.“

Für Diskussionen sorgt auch die Fra- ge nach der Zulässigkeit ärztlicher Bei- hilfe zum Suizid. Noch im Juni letzten Jahres legte sich der Nationale Ethikrat in einem Forderungskatalog zu Patien- tenverfügungen fest, dass das straf- rechtliche Verbot aktiver Sterbehilfe nicht infrage gestellt wird. Dies gilt zwar noch immer, doch ist mittlerweile umstritten, wie die Beihilfe von Ärzten bei einer Selbsttötung ethisch und be- rufsrechtlich zu bewerten ist. Während sich die meisten Ratsmitglieder gegen eine erlaubte Beihilfe zur Selbsttötung aussprechen, plädiert eine Minderheit dafür, diese berufsrechtlich zuzulassen,

„sofern ein unerträgliches und unheil- bares Leiden des Patienten vorliegt, die Entscheidungsfähigkeit des Patienten gegeben ist und sein Wunsch zu sterben – nach Beratung und ausreichender Be- denkzeit – als endgültig anzusehen ist“.

Kein Recht getötet zu werden

Der Präsident der Bundesärztekam- mer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe, lehnt dies kategorisch ab: „Der Pati- ent hat das Recht auf einen würdigen Tod, nicht darauf, getötet zu werden.“

Wenn man in der Frage der Sterbehilfe nachgebe, gerate die Gesellschaft in ei- ne ethische Schieflage, warnt Hoppe.

Ablehnend äußert sich auch der Stutt- garter Palliativmediziner Prof. Dr. med.

Christoph Student. Er wertet es als Ver- stoß gegen ärztliches Standesrecht, wenn die ärztliche Beihilfe zum Suizid zu- gelassen würde. Diese Position einiger Ratsmitglieder sei „hanebüchen“.

Kritik kam auch von den Kirchen.

„Wir haben immer wieder verdeutlicht, dass eine Mitwirkung von Ärzten bei der Selbsttötung dem ärztlichen Ethos widerspricht“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Kar- dinal Lehmann. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, bezeichnet es als „verhängnisvoll“, dass der Ethikrat mit Blick auf die Beihilfe zum Suizid nicht zu eindeutigen Ergeb- nissen gekommen ist. Samir Rabbata

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