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Archiv "Wohin tendiert die Diabetologie?" (16.04.1982)

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DIABETES-SERIE

Wohin tendiert die Diabetologie?

Teil 1: Ätiologie und Pathogenese

Ernst Friedrich Pfeiffer

Aus der Abteilung Innere Medizin I

(Direktor: Professor Dr. med. Drs. h. c. Ernst Friedrich Pfeiffer) der Universität Ulm

ln den letzten Jahren haben sich unsere Vorstellungen über Ätiologie u'nd Pathogenese des Insulinmangel-Diabetes (Typ I) vornehmlich Jugendlicher gründlich gewandelt. Bei diesen Patienten spricht sehr vieles für eine besondere genetische Disposition, auf deren Boden eine in der Regel totale Zerstörung des insulinproduzierenden Insel- gewebes durch das Zusammenwirken von (spezifischem?) Virusinfekt und Autoimmunreaktion stattgefunden hat. Die Früherkennung gefährdeter Kinder steht ebenso im Mittelpunkt des Interesses wie die Möglichkeit der prophylaktischen Schutzimpfung und der Immunthe- rapie der in der Regel vorhandenen Remissionsphase zu Beginn der Erkrankung. - Bei dem in der Regel nicht absolut insulinbedürftigen (Typ II) Diabetes des Erwachsenen spielen hingegen Störungen der Insulinsekretion und Resistenz der peripheren Gewebe gegenüber der Stoffwechselwirkung des Inselhormons die entscheidende Rolle in der Entstehung des Diabetes. Sie werden heute mit Defekten der Zellrezeptoren einerseits für die Erkennung des Glukosemoleküls durch die Beta-Zelle der Inseln, andererseits für die Fixation und die Wirkung des Insulins auf die periphere Muskel-, Fett- und Leberzelle.

1. Einleitung

Die in diesem Heft beginnende Serie von Arbeiten über die Zuckerkrank- heit orientiert sich an der heute möglichen Klassifikation anhand von Ätiologie und Pathogenese.

Hierauf wird als Basis von Therapie und Prognose noch gesondert ein- gegangen (1, 2, 3)1). Zunächst wol- len wir uns mit dem gegenwärtigen

"Trend" in der Diabetologie be- schäftigen.

Er ist durch eine echte Materialisie- rung des diabetischen Defektes der

insulinproduzierenden ß-Zellen der Langerhanssehen Inseln beim ein- zelnen Kranken, durch die Anerken- nung des Zusammenhangs zwi- schen ungenügender lnsulinversor- gung, Blutzuckerschwankungen und diabetischen Gefäßkomplikatio- nen an Augen und Nieren sowie schließlich durch den Versuch der optimalen Substitutionstherapie mit lnsulinen möglichst "humaner Kon- figuration" mit dem Ziel der kom- pletten Renormalisierung des ge- samten Stoffwechsels auf dem We- ge über die "physiologische" Regu- lation des Blutzuckers gekenn- zeichnet.

2. Die Heterogenität der Defekte

Sicher kommt dieser "Trend" vor- nehmlich dem "jugendlichen" insu- linbedürftigen oder "Typ 1"-(lnsulin- mangei-)Diabetes zugute. Tatsäch- lich hat sich dieser (zugunsten des nichtinsulinbedürftigen "Typ 11"-Dia- betes) lange vernachlässigte Diabe- testyp immer mehr in den Vorder- grund geschoben.

Dies hat seine Gründe. Nach langen Jahrzehnten einer ätiologisch und pathogenetisch unklar anmutenden Szene ist nunmehr auf dreierlei Wei- se ein Ende des Dunkels abzusehen:

..,. Erstens hat der Vererbungsfak- tor, bislang der "Alptraum" der Ge- netiker, eine unerwartete Konkreti- sierung erlebt.

..,. Zweitens hat die Vorstellung ei- ner infektiösen Pathogenese große Wahrscheinlichkeit gewonnen.

..,. Drittens wurden Autoimmunvor- gänge als pathogenetisches Prinzip um ein markantes Beispiel in der klinischen Medizin bereichert.

2.1. Die genetische Basis

Die Vererbungskomponente stützt sich heute einerseits auf Zwillings- untersuchungen, andererseits auf Gewebstypisierungen mittels des HLA- (Human Leucocyte Antigen) Systems. So ließ sich in einer engli- schen Studie von 147 zum Insulin- mangeldiabetes (Typ I) gehörenden eineiigen Zwillingspaaren nur bei 80 Paaren Konkordanz der Diabetes- manifestation beobachten, wobei gewöhnlich bei jüngeren Zwillingen ein höherer diskordanter Anteil vor- lag als bei Paaren, die älter als 40 Jahre waren (4).

ln einer amerikanischen Untersu- chung stimmten nur 11 von 30 Paa- ren überein (5)- überzeugende Hin- weise auf die Bedeutung exogener

1) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis der Sonderdrucke

42 Heft 15 vom 16. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe NB

(2)

Tendenzen der Diabetologie

oder Umgebungsfaktoren bei der Manifestation der Krankheit.

Wie Goldmann (1) ausführen wird, läßt sich mit großer Regelmäßigkeit die aus der Transplantations-Immu- nologie resultierende Gewebs- und Zelltypisierung auch für die geneti- sche Zuordnung des Typ-l-Diabetes verwenden. Die auf dem 6. Chromo- som beim Menschen lokalisierten Histokompatibilitätsantigene DR 3/

DR4 erhöhen als Kombination das Risiko, an einem Insulinmangeldia- betes des Typs I zu erkranken, um das 20- bis 40fache. Andere HLA- Typisierungen scheinen zu protegie- ren. Ohne näher auf die praktisch mit jedem Treffen der Nomenklatu r- kommission der Welt-Gesundheits- Organisation wechselnden Bezeich- nungen näher einzugehen, läßt sich heute übersehen: Bestimmte Men- schen einer erkennbar besonderen Gewebekonstitution neigen zu Dia- betes Typ I, während beim Diabetes Typ II, in der Regel dem Diabetes der älteren Menschen, keinerlei Präfe- renz für bestimmte HLA-Allele er- kennbar wird.

2.2. Die Virusätiologie

Die Möglichkeit einer infektiösen Ätiologie des Diabetes des Jugend-

lichen wurde von den Pädiatern schon seit Jahrzehnten auf dem Bo- den von Zufalls- und Einzelbeobach- tungen erwogen — ohne größeres Echo hervorzurufen (2).

Die Annahme eines gezielten Zyto- tropismus für die insulinproduzie- rende ß-Zelle war nur schwer akzep- tabel, obwohl ähnliche Mechanis- men bei anderen Krankheiten seit langem erwogeh wurden (vergleiche die Post-Streptokokken-Glomerulo- nephritis nach Infektionen mit (3-hä- molytischen Streptokokken der Un- tergruppeneinteilung von Rebecca Lancefield). Im wesentlichen han- delt es sich um Enzephalomyokardi- tis- und Coxsackie-B-Viren, neben den schon bekannten Mumpserre- gern. Auf Übersichten aus der jüng- sten Zeit auch allgemeinverständli- cher Art sei verwiesen (6, 7). Eine Zusammenfassung der beim Men-

EDITORIAL

Volkskrankheit Diabetes

In der Bundesrepublik Deutschland leiden nach ver- schiedenen Schätzungen et- wa 2 Prozent der Bevölkerung an einer diabetischen Stoff- wechselstörung. Die Zahl der nicht oder noch nicht erkann- ten Fälle dürfte etwa in der gleichen Größenordnung lie- gen. Diabetes ist damit eine der häufigsten „Volkskrank- heiten". Das Ziel ist, die zahl- reichen Organkomplikationen in Zukunft durch bessere Ein- stellung (Arzt) und strengere Lebensführung (Patient) weit mehr als bisher zu beherr- schen oder sogar zu verhüten.

Insofern berühren sich beim Diabetes mellitus Therapie und Prävention. Die Möglich- keiten einer Verhinderung oder wenigstens Verzögerung der gefürchteten Gefäßkom- plikationen haben durch neuere Erkenntnisse der Dia- betologie einen wesentlichen Auftrieb erfahren.

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT wird sich deshalb in einer gan- zen Serie von Artikeln mit den

schen und beim Versuchstier erziel- ten Daten gibt Tabelle 1. Der ein- drucksvolle Fall einer tödlich verlau- fenden Coxsackie-B-4-Virus-Infek- tion bei einem Kind mit ß-Zellnekro- sen, Zuckerkrankheit, Übertragbar- keit der Erkrankung auf Versuchs- tier und Gewebekultur sowie schließlich sogar die ersten Ansätze einer Antikörperbildung gegen die Viren (8) sind in Tabelle 2 zusam- mengefaßt.

Die Kochschen Postulate zur Annah- me einer infektiösen Ätiologie sind erfüllt: Der Nachweis des Erregers ist gelungen, desgleichen die Dar- stellung in der Kultur und schließlich

Ursachen, mit der Pathophy- siologie, mit den diätetischen und medikamentösen Maß- nahmen sowie mit den ver- schiedenen Organkomplika- tionen befassen. Diabetes war auch ein Hauptthema des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für In- nere Medizin. Wir sind Profes- sor Dr. Dr. Pfeiffer aus Ulm besonders dankbar, daß er einige der namhaftesten deut- schen Diabetologen für diese Serie gewinnen konnte. Er gibt in diesem und im folgen- den Heft eine einleitende Übersicht über moderne Er- kenntnisse und aktuelle Trends in der Diabetologie.

Jeder Arzt wird in absehbarer Zeit von den drei Grundmög- lichkeiten der Einstellung des Diabetes ausgehen müssen:

Diät, orale Antidiabetika, hochgereinigte Insuline. Er sollte aber auch wissen, wel- che Möglichkeiten der vorpro- grammierten oder selbstge- steuerten Insulinzufuhr heute schon gegeben sind. Sie wer- den in absehbarer Zeit das Ex- perimentalstadium verlassen und zumindest für Problemfäl- le verfügbar sein. R. Gross

die Übertragbarkeit mit nachfolgen- der neuerlicher Erkrankung des Empfängers.

Auch wenn dies Ereignis gewisser- maßen eine einsame Beobachtung darstellt, so ist die Beweiskraft für die Annahme einer direkten 13-Zen- schädigung durch entsprechende Viren überzeugend.

2.3. Die Autoimmun-Komponente Wie Kolb und Gries (2) später ausfüh- ren werden, bedarf die Theorie der Virus-Ätiologie noch einer Ergän- zung: Es handelt sich um die eben- Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 15 vom 16. April 1982 43

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Virusisolation aus dem Pan- kreas eines im Coma diabeti- cum verstorbenen Kindes, Yoon, J.-W., et al, N. Engl. J.

Med. 300,1173-1179 (1979)

Pathologische Anatomie: In- su litis

Isolation von Coxsackie-B-4- Virus durch Inokulation tieri- scher und menschlicher Beta- zellkulturen

Anstieg neutralisierender An- tikörper gegen Coxsackie B4 im Krankheitsverlauf

Übertragung des Virus auf die Maus: diabetesähnliches Syn- drom

Immunfluoreszenzoptischer Nachweis von Virusantigen im Hirnstamm des Patienten Indirekte Hinweise für die Vi- ruspathogenese des Diabetes vom Typ 1

O Saisonale Häufung der Diabetesmanifestation:

Herbst, Winter

e Erhöhte Antikörpertiter gegen Coxsackie-B4-Virus bei frisch entdeckten Diabetikern

• Kasuistik: Diabetes nach Virusinfektion: Mumps (J.

Stangq X864), Coxsackie B4 (D. Gamble, 1969), Röteln (J.

Forrest, 1967), Enzephalo- myokarditis-Virus (M-Varian- te) (J.-W. Yoon, 1977)

• Virusinduzierter Diabetes im Tiermodell

• Virusreplikation in huma- nen Betazellkulturen

Tabelle 1: Kratzsch/Pfeiffer (1981)

Tabelle 2: Virusinduzierter Diabetes mel- litus, entnommen aus: Kratzsch/Pfeiffer, 1981

falls mit Macht zum Durchbruch gekommene Autoimmun-Hypothese.

Vornehmlich englische Autoren hat- ten seit Jahren auf das Vorkommen von Inselzell-Antikörpern („Islet Cell Cytoplasma Antibodies" oder „ICA") bei Diabetikerfamilien hingewiesen, die gleichzeitig auch andere endo- krine Mangelzustände aufwiesen, zum Beispiel Hypothyreosen oder Nebennierenrindeninsuffizienzen — polyendokrine Autoimmunität (9, 10). Zuordnungen zu bestimmten HLA-Klassen wurden im Sinne einer besonderen Neigung zur Autoanti- körperbildung gegen das endokrine und damit auch das eigene Inselge- webe gedeutet.

Erst die letzten Jahre mit der stei- genden Zahl von Hinweisen auf eine infektiöse Primärätiologie des ju- gendlichen Insulinmangeldiabetes haben eine weniger esoterische Be- schäftigung mit dem Problem der Autoimmunität beim Diabetes ge- bracht. Jetzt wurden von zahlrei- chen Autoren mit verschiedenen Techniken humorale Antikörper ge- gen Inselgewebe auch bei Insulin- mangeldiabetikern ohne begleiten- de Polyendokrinopathie gefunden, mit Immunfluoreszenztechniken an der Oberfläche der Inseln sichtbar gemacht („Islet Cell Surface Antibo- dy" oder „ISCA"), oder mittels soge- nannter Leukozyten-Migrations-In- hibitions-Tests der zelluläre Anteil gezeigt, sowie schließlich Titer- schwankungen in Relation zum kli- nischen Verlauf gesetzt. Zwar sind die Witebskyschen Postulate zur An- erkennung eines Autoimmunge- schehens noch nicht vollständig er- füllt. Vor allem das Übertragungsex- periment ist noch umstritten, auch wenn kürzlich zum Beispiel toxische Effekte der Lymphozyten von Diabe- tikern auf Inselzellen von Insulom- kulturen gezeigt worden sind (11).

Damit stehen wir zum Teil am Be- ginn, zum Teil mitten in der Diskus- sion einerseits um die pathogeneti- sche Bedeutung der Immunphäno- mene beim Typ-l-Diabetes im allge- meinen, und die Bedeutung jeder einzelnen dieser Immunreaktionen im speziellen, zum Beispiel: Was ist

die Rolle der humoralen, gegen die Oberfläche (ICSA) oder das Cyto- plasma (ICA) der Insel- und der ß- Zellen gerichteten, mit oder ohne Komplement (CF-ICA) funktionieren- den Antikörper, was die Rolle der zellulären Antikörper? Direkte Schä- digung? Sind sie verantwortlich für das Fortschreiten des Prozesses?

Haben sie keine Bedeutung für das Krankheitsgeschehen an sich, son- dern nur Indikatorfunktion? Sind sie hilfreich bei der Klassifizierung und/

oder bei der Prognose? (vgl. [2]).

Auf der anderen Seite ist die Entste- hung der Autoimmunphänomene unklar:

C) Müssen die Autoantikörper, wel- chen Typs auch immer, als Folge einer viralen Schädigung der ß-Zel- len angesehen werden, zum Beispiel entstanden durch Umwandlung der Bestandteile der ß-Zelle in ein Auto- antigen?

C) Oder wurde die Immunreaktion des Organismus gegen Inselzellen — und auch andere endokrine Organe im Sinne der Polyendokrinopathie — durch die Virusinfektion primär via entsprechender Codierung des im- munkompetenten Systems ausge- löst?

C) Oder handelt es sich schließlich um gekoppelte oder vollständig von- einander unabhängige Vorgänge, die wiederum die Heterogenität auch des Typ-I-Insulinmangeldiabe- tes vornehmlich jugendlicher Men- schen beleuchten?

Die Diskussion der Diabetologen be- wegt sich zwischen diesen Polen.

Der praktizierende Arzt und Kliniker wird nach dem Sinn derartiger An- strengungen fragen. Einige heute bereits übersehbare Fixpunkte sol- len genannt werden: Eine auf dem 6.

Chromosom lokalisierbare geneti- sche Konstellation (en) disponiert zur Empfänglichkeit für bestimmte ß-zytotrope Virusinfektionen und ge- websimmunologische Reaktionen.

Der Untergang des [3-zellulären Inselapparates ist charakterisiert durch eine mit starker Zellinfiltration 44 Heft 15 vom 16. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(4)

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Darstellung 1: Drei Typen der Insulininfusion (-sekretion) zur Regulation des Blutzuk- kers. Entnommen aus (21)

„Statische", proportionale oder „späte" Phase (oder) Typ der Insulininfusion (-se- kretion)

II „Dynamische", disproportionale oder „schnelle" Phase (oder Typ) der Insulininfu- sion (-sekretion)

III Kombination von I und II zur „Renormalisierung" des Blutzuckers beim Diabetiker

Tendenzen der Diabetologie

ausgezeichnete Insulitis. Trotzdem kommt es bei der Mehrzahl der meist jugendlichen Patienten nach Beginn der mehr oder minder inten- siven Behandlung mit exogenem In- sulin („Honeymoon-period") zu ei- ner Remissionsphase von wechseln- der Dauer (Wochen, Monate bis Jah- re). Der Insulinbedarf geht dabei zu- rück, mitunter benötigen die Patien- ten überhaupt kein Insulin mehr.

Während dieser Frühphase lassen sich Autoantikörper verschiedener Art gegen menschliches (homolo- ges) und tierisches (heterologes) In- selgewebe nachweisen. Ihre Persi- stenz und Aktivität sind möglicher- weise der Dauer der Remission — und dem bisher praktisch noch un- aufhaltbaren Fortschreiten der Er- krankung in die totale Insel-(ß-Zell)- Insuffizienz — korreliert. Eingriffe in das Immunsystem zum Zwecke der Bewahrung der Inselfunktion sind theoretisch denkbar. So soll die Prednison-Behandlung von diabeti- schen Kindern innerhalb der ersten 12 Monate nach Stellung der Dia- gnose die Funktion der ß-Zellen (be- urteilt anhand von C-Peptidaus- scheidung im Urin) geschützt haben (12).

2.4. Die Störung der Insulinsekretion

Unsere Kenntnisse über die Insulin- sekretion und ihre Störungen haben in den letzten Jahren wesentliche Erweiterungen erfahren, so durch Entwicklung von Techniken zur Messung von Insulin und seinen Vorstufen im Blut, durch Arbeiten mit isolierten Pankreata von Ver- suchstieren und durch die Entwick- lung des „Künstlichen Endokrinen Pankreas". Den Anfang machte die Erkenntnis, daß sich bei den nicht- insulinbedürftigen Altersdiabetikern (Typ II) in der Regel noch normale oder sogar hoch normale Insulinak- tivitäten oder -konzentrationen im Blut finden, daß jedoch nach i. v. oder oraler Glukosebelastung ebenso wie nach kohlenhydrathalti- ger Nahrung der reaktive Insulinan- stieg fehlt (13, 14, 15). Da bei der gleichen Gruppe auf Sulfonylharn-

stoffe prompt ein Insulinausstoß mit Blutzuckerabfall zu erzielen war — die Voraussetzung des Therapieef- fektes — konnte weder eine Störung der Insulinproduktion noch ein ab- solut refraktäres Verhalten gegen- über Insulinstimulierung angenom- men werden. Es muß sich um eine

„Sekretionsstarre" allein gegenüber dem physiologischen Stimulus des Blutzuckeranstieges handeln.

Bemerkenswerterweise konnte auch noch eine Reihe von anderen Sub- stanzen bei diesen Typ-Il-Diabeti-

kern Insulinsekretion bewirken. Es handelte sich einerseits um Pankre- ashormone wie Glukagon oder inte- stinale Hormone wie Sekretin und CCK-Pankreozymin, die bei der Nah- rungsaufnahme eine Rolle spielen können, andererseits um Aminosäu- ren (16, 17, 18, 19, 20). Erst in einer späteren Phase des Typ-II-Diabetes genügen dann diese Nicht-Glukose- stimulatoren der Insulinsekretion al- lein nicht mehr, um Insulinsekretion zu bewerkstelligen. Es bedarf der

„potenzierenden" Wirkung der Glu- kose, oder umgekehrt eines zweiten Ausgabe KB DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 15 vom 16. April 1982 45

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Verminderung:

..,.. Fettsucht

..,.. Dünner, hyperinsulinämi- scher Diabetes

..,.. Wachstumshormon-Über- schuß

.... Urämie ..,.. lnsulom

..,.. Insulinresistenz und Acan- thosis nigricans- Typ A Vermehrung:

..,.. Insulinmangeldiabetes ..,.. Hypophysektomie mit Wachstumshormonmangel Tabelle 3: Erkrankungen mit Verände- rungen der Konzentration der Insulinre- zeptoren

Verminderung:

..,.. Azidose und Koma ..,.. Überproduktion von Glu- kokortikoiden

..,.. Insulinresistenz mit Anti- körpern gegen Rezeptoren

t> Insulinresistenz und Acan-

thosis nigricans- Typ B

t> Ataxia teleangiectatica

..,.. Lipoatrophischer Diabetes Vermehrung:

..,.. Mangel an Glukokortiko- iden (Nebennierenrindenin- suffizienz)

..,.. Isolierter Wachstumshor- monmangel

Tabelle 4: Erkrankungen mit Verände- rungen der Affinität der lnsulinrezepto- ren, entnommen aus: Kahn (1980)

oder dritten Stimulators der Insulin- sekretion. Hierauf beruht der beson- dere Effekt von potenten Sulfonyl- harnstoffen wie dem Chlorpropamid oder Glibenclamid.

Während beim Altersdiabetiker des Typs II die starre Insulinsekretion als Zeichen der in kompletten Inselinsuf- fizienz über Jahre und Jahrzehnte bestehen bleiben kann, kommt es beim Insulinmangeldiabetiker des Typs I, wie gesagt, bald zur komplet- ten Inselinsuffizienz mit absoluter Insulinbedürftigkeit Hier ist dann das insulinproduzierende Inselge- webe durch die gegen die ß-Zellen gerichteten Viren und/oder Antikör- per total zerstört worden.

Zu diesen seit langem bekannten Zusammenhängen sind in den letz- ten Jahren neue Erkenntnisse getre- ten. Sie resultierten aus der Be- schäftigung mit der feineren Dyna- mik der Insulinausschüttung aus den ß-Zellen zum Zwecke ihrer Ko- pie mit dem "Künstlichen Endokri- nen Pankreas" (95). So konnte eine vollständige Renormalisierung der gestörten Glukosetoleranz des Insu- linmangeldiabetes vom Typ I mit der automatisierten Insulininfusion nur dann erzielt werden, wenn unmittel- bar auf den Anstieg der Glukose im Blut eine schnelle "dynamische"

Freisatzung mobilisierbaren Insulins erfolgte, die dann erst von einer län- ger anhaltenden "statischen" Phase gefolgt wurde (Darstellung 1) (21).

Während die zweite "statische" Pha- se in Parallele zum Blutzuckerspie- gel abläuft, muß die erste Phase oh- ne direkte Proportionalität als "dy- namische" Reaktion auf die Verän- derung der Blutzuckerkonzentration an sich nach Nahrungsaufnahme angesehen werden. Wurde mit dem künstlichen Pankreas nur die stati- sche Komponente der Insulinzufuhr gewählt, so resultierte die Blutzuk~

karbelastungskurve des Altersdiabe- tikers. Wurde die Insulinsekretion nur als dynamische Phase prakti- ziert, so ergab sich nach kurzem Blutzuckerabfall wieder die reaktive Hyperglykämie.

Hieraus ergibt sich einerseits, daß es mit der konventionellen lnsulinbe-

handlung überhaupt nicht möglich ist, eine echte Renormalisierung des Blutzuckerhaushaltes zu erzielen.

Das s. c. gegebene Insulin, auch wenn es sich um Alt-Insulin handelt, kommt einfach zu spät, um die Koh- lenhydratbestandteile der Nahrung zu utilisieren. Verhindert werden können lediglich die Entgleisung in die Ketoazidose und bei knappster abgemessener Nahrungszufuhr und dosierter körperlicher Arbeit die mehr oder minder stark ausgeprägte Hyperglykämie.

Auf der anderen Seite erlaubt die Sichtbarmachung dieses Zwei-Pha- sen-Mechanismus der Insulinsekre- tion die Extrapolation auf die Ver- hältnisse bei dem noch nicht durch komplette Inselinsuffizienz ausge- zeichneten Zuckerkranken, mit an- deren Worten, beim Typ-I-Diabetes in der Anfangs-, beim Typ-li-Diabe- tes in der Dauerphase. So spricht die Schnelligkeit dersofortigen oder dy- namischen Insulinabgabe während der ersten Phase nach Stimulierung gegen die Notwendigkeit einer Me- tabolisierung des Zuckers durch die insulinproduzierende ß-Zelle. Hier nimmt das Konzept des sogenann- ten Glukoserezeptors oder "Giuco- Receptors" einen aus Glykoprotei- nen aufgebauten und in der Mem- bran der ß-Zelle lokalisierten Rezep- tor an, der Dextrose und eine Reihe anderer Zucker spezifisch binden, seine Konformation ändern und das Signal für den Insulinausstoß in das Zellinnere weitergeben kann (22, 23, 24, 25, 26, 27, 28). Falls der "Giuco- Rezeptor" tatsächlich die dynami- sche Phase der Insulinabgabe re- gelt, dann läßt sich verstehen, daß die leichteren Formen mit niedrige- ren Nüchternblutzuckerwerten und einer fast normalen Reaktion auf Nicht-Glukose-Stimulatoren der ln- sulinsekretion, zum Beispiel auf den ß-Rezeptoren-Stimulator lsoprotere- nol (24) oder Pankreozymin .(29) u. a., noch eine praktisch normale, wenn auch verzögerte, zweite Phase der Insulinabgabe aufweisen. Die bereits stärker inselinsuffizienten Patienten mit der stärkeren Störung des Kohlenhydratstoffwechsels und Blutzuckernüchternwerten über 300 46 Heft 15 vom 16. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe NB

(6)

Tendenzen der Diabetologie

mg% weisen dagegen auch eine be- einträchtigte, verzögerte Insulinab- gabe auf (30).

Auf der anderen Seite läßt sich wäh- rend der Remission des jugendli- chen Insulinmangeldiabetes vom Typ I zwar oft noch eine renormali- sierte Sekretion von C-Peptid beob- achten (31). Es fehlt jedoch die Re- normalisierung der dynamischen Phase der primären Insulinabgabe gegenüber Glukose (32).

Ob Probanden mit frühzeitig gestör- ter Insulinsekretion auf intensive Glukoseinfusion bereits vor Mani- festation der Zuckerkrankheit, die als Hinweis auf die Disposition die- ser Probanden zur späteren Diabe- tesmanifestation („low responders") angesehen wird (33), ebenfalls eine differenzierte Störung der Insulinse- kretion aufweisen, ist nicht bekannt.

Eine herabgesetzte Insulinsekretion in der Frühphase soll hingegen (34) auf die Manifestation des sogenann- ten Typ-Il-Diabetes auch bei Jugend- lichen (MODY = Maturity Onset Dia- betes of the Young) hinweisen.

Ebenfalls erst in der letzten Zeit wur- de die Bedeutung der Eigenhem- mung der Insulinsekretion durch das bereits sezernierte Insulin wie- derum mit Hilfe der künstlichen Bauchspeicheldrüse evident ge- macht (35). Diesem Feedback-Me- chanismus und seiner eventuellen Störung mag eine Bedeutung für die pathologisch erhöhte Insulinsekre- tion zukommen, die zum Bild des Hyperinsulinismus bei adipösen Nichtdiabetikern gehört. Auch beim Hyperinsulinismus bei Inselzellade- nomen wurde eine derartige Stö- rung der reaktiven Insulineigenhem- mung gesehen (36). Hier zeichnen sich weitere Regulationsmechanis- men ab, deren Störung für eine Rei- he von Phänomenen und ihre thera- peutische Beseitigung von Bedeu- tung sein können.

2.5. Die Insulinresistenz

Mit der herabgesetzten Eigenhem- mung der Insulinsekretion der (3-Zel- le durch zirkulierendes Insulin beim

Adipösen und Typ-Il-Diabetes vor- nehmlich des Erwachsenen hatten wir eine Erklärung für den Hyperin- sulinismus bei diesen Krankheitsbil- dern angeführt. Die andere wird durch den Nachweis einer Insulinre- sistenz der peripheren Gewebe ge- liefert.

Den überzeugendsten Beweis für ih- re Existenz liefert der erhöhte Insu- linanstieg nach i. v. oder oraler Glu- kosebelastung bei praktisch norma- lem Blutzuckerverlauf beim Adipö- sen (37). Ein Teil des vermehrt sezer- nierten Insulins mußte entweder auf dem Wege von der Bauchspeichel- drüse zum peripheren Gewebe neu- tralisiert werden (zum Beispiel durch Insulin-Antikörper), oder es mußte sich um biologisch teilweise inertes Insulin handeln. Beim nicht- diabetischen Adipösen, der niemals tierisches Insulin erhalten hatte, scheidet die erste Möglichkeit aus.

Die zweite der Bildung eines zumin- dest partiell abnormen Insulins wur- de bisher erst einmal bei einem Fall von leichtem Diabetes und Hyperin- sulinismus trotz normalen Körperge- wichts wahrscheinlich gemacht (38).

Auf der anderen Seite können prak- tisch alle Polypeptidhormone und Katecholamine einen wesentlichen Teil ihrer Wirkung entfalten, ohne in das Zellinnere einzudringen. Die Voraussetzung scheint ihre Bindung an einen aus Glykoproteinen beste- henden „Rezeptor" an der Zellwand zu sein. Radioaktiv markiertes Insu- lin schuf die Möglichkeit zur quanti- tativen Messung der Rezeptoren, zur Beurteilung ihrer Affinität und Akti- vität sowie ihrer biologischen Spezi- fität (39, 40, 41). Mit den heute schon klassischen Vorstellungen einer vor- wiegend über die Zellmembran be- stimmter Gewebe laufenden Wir- kung des Insulins (42) ist die Rezep- torhypothese gut zu vereinbaren.

Dies gilt auch dann, wenn die neue- ren Befunde einer Internalisierung des Insulin-Rezeptor-Komplexes durch Endozytose mit sekundärer Bindung an Lysosome im Zellinne- ren berücksichtigt werden (43, 44).

Hier wird nicht nur ein weiterer „zel- lulärer" Abbauweg des Insulins auf-

gezeigt. Die Fülle der biologischen Insulineffekte kommt ohne eine der- artige intrazelluläre Wirkkomponen- te schwerlich aus. Man spricht bei Störungen auf dieser Ebene von

„Post-Rezeptordefekten", im Ge- gensatz zu „Prä-Rezeptordefekten", wenn die Insulinresistenz zum Bei- spiel durch Antikörper hervorgeru- fen wurde. Störungen der Zahl und/

oder der Affinität der Rezeptoren der Zellmembran werden dagegen als

„Rezeptordefekte" im engeren Sin- ne bezeichnet.

Wieder werden sich Kliniker und praktischer Arzt fragen, was derarti- ge Befunde des Laboratoriums für die Praxis bedeuten. Die Tabellen 3 und 4 mögen zum Verständnis bei- tragen (45). Sie führen einmal Verän- derungen der Zahl der Insulinrezep- toren auf, die bei einer Reihe von Krankheitsbildern mit Verminderun- gen der Bindungsstellen einherge- hen, bei anderen mit Vermehrungen.

Aber auch die Affinität des Rezep- tors für Insulin, das heißt seine Nei- gung und Kapazität zur Insulinbin- dung, ist bei bestimmten Krankheits- bildern herabgesetzt oder erhöht.

Aus den Tabellen 3 und 4 geht her- vor, daß offensichtlich der Insulin- spiegel im Blute Zahl und Bindungs- affinität der Rezeptoren in den insu- linabhängigen Geweben im Sinne der Steigerung („Up-Regulation") oder Verminderung („Down-Regula- tion") beeinflußt. In der Kultur kann dies innerhalb von Stunden der Fall sein. Beim Menschen dauert es in der Regel 1 bis 2 Tage.

Zweifellos ist das am intensivsten studierte Modell der Herabsetzung der Zahl der Insulinrezeptoren die Fettsucht (45). Wird die Hyperinsu- linämie durch Diät, Streptozotocin im Tierexperiment oder Diaxozide beseitigt, dann wird der Rezeptor- Defekt sofort korrigiert, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch Adipositas besteht. Die beim Dicken vorhande- ne Fettsucht findet damit ihre Erklä- rung durch die quantitativ faßbare und sogar dem Auge zugängige Her- absetzung der Insulinbindung im pe- ripheren Gewebe und hier beson- ders markant an den bei der Fett- sucht vergrößerten Fettzellen. Fa- Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 15 vom 16. April 1982 47

(7)

Die Ergebnisse der sogenannten Clofibrat-Studie, die in den letzten zwei Jahren für eine erhebliche Beunruhigung weiter Kreise der Be- völkerung gesorgt haben, sowie die Befunde weiterer epidemiologischer Studien haben zumindest einen Zu- sammenhang zwischen erniedrigten Serumcholesterinspiegeln und einer Erhöhung der nichtkardiovaskulä- ren Morbidität und besonders Mor- talität nahegelegt. Dabei sind die pa- thogenetischen Zusammenhänge zwar vollkommen unklar geblieben, sie sind jedoch um so lebhafter spe- kulativ diskutiert worden. In Anbe- tracht der erheblichen allgemeinme- dizinischen und bevölkerungspoliti- schen Implikationen und der emo- tionalen Belastung dieser Diskus- sion hat sich das NIH entschlossen, im Mai 1981 einen Workshop über Cholesterin und nichtkardiovaskulä- re Mortalität zu organisieren. Dabei wurden die Befunde von 17 interna- tionalen epidemiologischen Studien vorgestellt und diskutiert.

Insgesamt konnte in den 17 Studien keine nachweisbare Beziehung zwi- schen der Cholesterinkonzentration im Plasma und der Mortalität an nichtkardiovaskulären Erkrankun- gen gefunden werden. Dieses Er- gebnis trifft für alle untersuchten Pa- tientengruppen beiderlei Ge- schlechts zu. Die einzige Ausnahme stellt die signifikante Assoziation zwischen niedrigen Plasmacholeste- rinspiegeln und dem Dickdarmkrebs bei Männern dar, die in vier Studien (Framingham, Hawaii, Stockholm und Hiroshima-Nagasaki) gefunden werden konnte. Für andere Lokalisa- tionen fand sich keine entsprechen- de Korrelation, dabei lag der Chole- steringrenzwert in diesen Patienten- gruppen bei jeweils unter 180 mg/dl.

Eine kausale Beziehung zwischen dem erhöhten Dickdarmkrebsrisiko und den niedrigen Plasmacholeste- rinspiegeln konnte von den Exper- ten aus diesen Befunden naturge- mäß nicht abgeleitet werden. Am er-

sten ist daran zu denken, daß diese Beziehungen entweder eine geneti- sche Belastung repräsentieren oder auf lange bestehenden präkanzerö- sen Zustand hindeuten. Weiterhin wurde über die Beziehung zwischen dem diätetisch aufgenommenen Cholesterin, den Plasmacholesterin- spiegeln sowie dem Gallensäure- metabolismus mit besonderer Be- rücksichtigung der intraluminal, im Dickdarm nachweisbaren Gallen- säuren diskutiert. Es wurde darauf hingewiesen, daß eine signifikante Erniedrigung des Serumcholesterin- spiegels zu einer Verarmung der Zellmembranen an Cholesterin füh- ren könnte, die wiederum eine Tu- morinduktion begünstigen könnte.

Als letzter möglicher Ansatzpunkt ergibt sich eine Beziehung zwischen dem Plasmacholesterin, den Gallen- säuren sowie der Absorption des diätetisch aufgenommenen Vitamin A (Retinol), eine Substanz, von der viele Autoren eine gewisse Schutz- wirkung in bezug auf maligne Tu- moren erwarten.

Grundsätzlich konnte das Experten- gremium, das sich aus Epidemiolo- gen, Statistikern, Onkologen, Lipid- forschern, Pathologen und Ernäh- rungswissenschaftlern zusammen- setzte, sich auf die Feststellung eini- gen, daß die bisher vorgelegten Be- funde nur inkonsistente Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko bei sehr niedrigen Cho- lesterinplasmaspiegeln (unter 180 mg/dl) beim Mann darstellen, wobei die Größe des Risikos, falls über- haupt, als gering anzusetzen ist.

Daraus ergibt sich als Empfehlung, daß bei Personengruppen mit einem erhöhten koronaren Risiko weiter- hin eine Senkung der erhöhten Blut- cholesterinspiegel mit diätetischen und evtl. pharmakologischen Maß- nahmen indiziert ist. Mde

Cholesterol and Noncardiovascular Mortality, JAMA 246 (1981) 731

sten führt bei Verkleinerung der Fettzellen zur Zunahme der Rezep- toren und zur Rückkehr der Insulin- empfindlichkeit. Von der Peripherie her erfolgt die Beseitigung der Hy- perinsulinämie.

Ein ähnliches Bild liegt beim nicht- insulinbedürftigen Typ-Il-Diabetes des adipösen Erwachsenen vor.

Auch hier kann die reduzierte Zahl der Rezeptoren dem Ausmaß der In- sulinresistenz und der Unempfind- lichkeit gegenüber Insulin korreliert werden. Es resultiert die mehr oder minder stark ausgeprägte Hyper- glykämie. Allerdings muß beim nichtadipösen Typ-Il-Diabetes die auch hier vorhandene Insulinresi- stenz zumindest zum Teil auch auf

„Post-Rezeptordefekte", zurückge- führt werden. Sulfonylharnstoffe lö- sen ebenfalls Normalisierungen der Rezeptorzahl aus (46).

Ebenso wie in der gesamten Endo- krinologie spielt das Rezeptorkon- zept auch in der Diabetologie somit eine bedeutende Rolle. Auch ange- borene Defekte scheinen vorzukom- men. Hier war es besonders die mit Virilisierung und Acanthosis nigri- cans vornehmlich bei Farbigen be- obachtete Form der Insulinresistenz, bei der zuerst eine markante Herab- setzung der Rezeptorzahl imponier- te (vgl. 45).

(Wird fortgesetzt)

Literatur

Notkins, A. L.: The causes of diabetes, Sci. Am.

241 (1979) 56 — Cahill, G. F., Mc Dewitt H. 0.:

Insulin-Dependent Diabetes mellitus: The In- itial Lesion, The New Engl. J. of Med. 304 (1981) 1454— Irvine, W. J. (Ed.): Immunology of Diabetes, Edinburgh Teviot Scientific Publica- tions (1980) Kahn, C. R.: The rote of insulin receptors in states of altered insulin secretion, in: Waldhäusl, W. K. (ed.) Diabetes (1979), Ex- cerpta Medica Int. Congr. Ser. No. 500, Ex- ce rpta Med ica, Amsterdam (1980) 81 — Pfeiffer, E. F. (Herausgeber): Handbuch des Diabetes mellitus, Pathophysiologie und Klinik, Bd. I und Bd. II, Lehmanns, München (1969, 1971)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dr. h. c.

Ernst Friedrich Pfeiffer Direktor der Abteilung Innere Medizin I der Universität Ulm Steinhövelstraße 9 7900 Ulm

Hypocholesterinämie

und nichtkardiovaskuläre Morbidität

48 Heft 15 vom 16. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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