Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 25|
25. Juni 2010 A 1249 TELEMATIKINFRASTRUKTURHeraus aus der Isolation
Verschlankt zwar, aber nicht weniger ungeliebt, trudelt die elektronische Gesund- heitskarte weiterhin einer ungewissen Zukunft entgegen. Weitaus konsensfähiger erscheinen Telemedizin und Telematikinfrastruktur – bei Ärzteschaft und Politik.
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ie Probleme mit der elek - tronischen Gesundheitskarte (eGK) sind ebenso totgeredet wie hochaktuell. Die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern sind nach wie vor verhärtet. Dennoch bewegt sich das Projekt derzeit mit vergleichsweise hohem Tempo.Im April dieses Jahres haben sich die Gesellschafter der Gematik auf ein neues Organisationsmodell für die nächsten Jahre geeinigt. Die drei verbliebenen Anwendungen der Ge- sundheitskarte werden nun von den zuständigen Gesellschaftern in allei- niger Verantwortung übernommen:
Die Bundesärztekammer kümmert sich um die Einführung des Not - falldatensatzes, die Kassenärztliche Bundesvereinigung übernimmt den elektronischen Arztbrief, und der GKV-Spitzenverband verantwortet die Entwicklung eines Online-Ab- gleichs der Versichertenstammdaten.
Dieser hat Mitte Juni noch mittels einer Hauruck-Aktion Eingang in das GKV-Änderungsgesetz gefun- den. Ärzte müssen nun die Versi- chertenstammdaten auf der elektro- nischen Gesundheitskarte einmal im Quartal online abgleichen. Wie von den Leistungserbringern gefordert, ist die Online-Anbindung der Praxis- software an die Telematikinfrastruk- tur für die Ärzte dabei jedoch frei- willig. Ärzteverbände kritisieren den Beschluss dennoch scharf. So schreibt beispielsweise der NAV-Virchow- Bund, das Management der Versi- chertendaten sei „eine originäre Auf- gabe der Krankenkassen“ und habe
„in der Arztpraxis nichts verloren“.
Die neue Aufgabenverteilung innerhalb der Gematik bezeichne- te der Leiter der Unterabteilung „Haus halt/Telematik“ im Bundes- gesundheitsministerium, Ministeri- aldirigent Norbert Paland, auf dem
„5. gesundheitsökonomischen Kon- gress“ der Wegweiser GmbH in der vergangenen Woche als „solide Ba- sis“. Denn es gebe nun klare Ver- antwortungen, und keiner der Betei- ligten könne dieser Verantwortung mehr ausweichen. Auch bedürfe es nun keiner zentralen Server und keiner PIN mehr, die sich die Versi- cherten merken müssten.
eGK unter Beschuss
Trotz verkleinerter Version steht die eGK aber weiterhin unter Beschuss.
So forderten die Delegierten des diesjährigen Deutschen Ärztetages die Bundesregierung auf, „das ver- fehlte Projekt elektronische Ge- sundheitskarte in der weiter ver- folgten Zielsetzung endgültig auf- zugeben“. Und der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft, Martin Grau- duszus, erklärte auf dem Wegwei- ser-Kongress zu dem nun beschlos-
senen Online-Abgleich der Stamm- daten: „Es geht nicht darum, etwas zu verbessern, sondern es geht um die Telematikinfrastruktur, um zen- trale Server.“
„Eine ganz simple Wahrheit“
Im Gegensatz zur elektronischen Gesundheitskarte hatte der Deutsche Ärztetag jedoch gerade die „bun- deseinheitliche, diskriminierungs- freie Telematikinfrastruktur als tech- nische und datenschutzrechtliche Grundlage“ für künftige Telemedi- zinprojekte durchaus begrüßt. Auf dem Kongress bekräftigte der Vorsit- zende des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer, Dr. med.
Franz-Josef Bartmann, noch einmal die Position der Ärzteschaft: „In Deutschland gibt es flächendeckend, aber voneinander isoliert eine Viel- zahl von Telemedizinprojekten, die von engagierten Ärzten in den Re- gionen initiiert worden sind. Um die- se Isolation aufzubrechen, sehe ich eine absolute Notwendigkeit in dem Aufbau der Telematikinfrastruktur.“
Eine ähnliche Auffassung vertrat auf derselben Veranstaltung Dr. Cle- mens Martin Auer aus dem österrei- chischen Bundesgesundheitsminis- terium: „Unser Job in der Regierung war es, dafür zu sorgen, dass es kei- ne Insellösungen gibt, sondern Kom- patibilität, ein einheitliches IT-Sys- tem und ein einheitliches Authentifi- zierungssystem.“ Auer war bei der Einführung der österreichischen E-Card einer der Architekten der dortigen Telematikinfrastruktur.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Informationstechnologie von öffentlichem Interesse ist und einen wirklichen Nutzen in der ärzt- lichen Versorgung gebracht hat. Das ist eine ganz simple Wahrheit.“ ■ Falk Osterloh Als „solide Basis“
bezeichnete Ministe- rialdirigent Norbert Paland die neue Aufgabenverteilung in der Gematik.
Foto: Wegweiser Media & Conferences GmbH Berlin