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Archiv "Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere medizin: Ein Patient, viele Erkrankungen" (15.05.2009)

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A972 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009

M E D I Z I N R E P O R T

W

ährend bei knapp 60 Prozent der Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) unter 60 Jah- ren ein systolischer Blutdruck unter 140 mmHg erreicht wird, ist das bei den über 60-Jährigen nach den Daten von EUROSPIRE III1nur bei 39 Pro- zent der Fall. Die Erhebung doku- mentiert, dass der Kontrollgrad bei der systolischen Hypertonie mit zu- nehmendem Alter abnimmt. „Damit werden vor allem ältere Patienten, die am stärksten durch den Hochdruck gefährdet sind, nicht ausreichend be- handelt“, monierte Prof. Dr. med. Ul- rich Keil (Münster).

Kaum gestiegen: Die Rate der gut eingestellten Hypertoniker

Diese Situation zu ändern, obliegt vor allem den Hausärzten. „Sie be- handeln das Gros der Hypertoni- ker“, mahnte Prof. Dr. med. Hans- Ulrich Wittchen (Dresden). Dies be- legt die DETECT-Studie2, in der die Daten von 55 000 Patienten aus 3 000 deutschen Arztpraxen ausge- wertet wurden. Obwohl inzwischen mehr Hypertoniker in der Praxis er- fasst und auch behandelt werden als früher, so Wittchen, sei die Rate der Patienten mit kontrollierter Hyper- tonie aber nur „marginal gestiegen“.

Außerdem ergaben sich in den einzelnen Patientengruppen deutli- che Unterschiede. So sei der Blut- druck bei älteren Männern besser kontrolliert worden als bei älteren Frauen. Anders als erwartet sei allerdings Multimorbidität nicht zwangsläufig mit einer schlechteren Blutdruckkontrolle assoziiert gewe- sen. „Die Zahl der Begleitdiagnosen

hatte keinen Bezug zum Kontroll- grad bei der Hypertonie“, sagte Witt- chen. Gleichwohl gab es in einzel- nen Bereichen doch Zusammenhän- ge: So sei bei älteren Diabetikern durchweg eine schlechtere Blut- druckkontrolle registriert worden, während KHK-Patienten deutlich besser eingestellt waren. Insgesamt aber würden Antihypertensiva noch zu zögerlich verordnet.

Noch größere Defizite sieht der Dresdener Mediziner bei den allge- meinen Maßnahmen: „Rund zwei Drittel der älteren Hypertoniker er- halten keine Bewegungs- und Er- nährungstherapie.“ Noch bedenkli- cher: Mehr als 40 Prozent der älteren Hypertoniker wüssten nicht von ih- rem zu hohen Blutdruck. Und circa ein Drittel der älteren Menschen, die aufgrund einer Hypertonie eine Dau- ermedikation erhielten, würde die Diagnose nicht kennen.

Während in jüngeren Jahren die diastolische Hypertonie im Vorder- grund steht, kehrt sich das Verhält- nis Priv.-Doz. Dr. med. Jens Nürn- berger (Essen) zufolge etwa um das 50. Lebensjahr herum um. Dann steht eindeutig die systolische Hy- pertonie im Vordergrund, während der diastolische Blutdruck eher ab- fällt. „Ursache hierfür ist die mit dem Alter zunehmende Gefäßstei- figkeit“, erklärte der Hypertonolo- ge. Die arterielle Steifigkeit sei aber von übergeordneter pathophysiolo- gischer Bedeutung bei der Hyperto- nie im Alter und quasi die Basis der hohen kardiovaskulären Mortalität.

Nicht invasiv fassen lässt sich die Gefährdung laut Nürnberger über die Pulswellengeschwindig- keit, die mit dem Alter zunimmt, sowie den Augmentations-Index – zwei Parameter, die bei älteren Menschen direkt Auskunft über die arterielle Gefäßfunktion und damit

über das individuelle kardiovas- kuläre Risiko geben.

Durch eine adäquate antihyperten- sive Therapie lässt sich die Gefähr- dung aber auch im Alter senken. Älte- ren Hypertonikern das Antihyperten- sivum vorzuenthalten ist nach An- sicht von Prof. Dr. med. Martin Weh- ling (Mannheim) deshalb ethisch nicht vertretbar. Gut geeignet für die Behandlung der älteren Hypertoniker seien ACE-Hemmer und Angioten- sinrezeptor-Antagonisten sowie lang wirksame Kalziumantagonisten vom Dihydropyridintyp, weniger günstig Diuretika und Betablocker. Dabei gel- te das Prinzip „Start low – go slow“.

Bei älteren Patienten seien die Thera- pieeffekte häufiger als bei jüngeren zu kontrollieren. Der Blutdruck sei auch im Stehen zu messen, und es sei dar- auf zu achten, dass der diastolische Wert nicht unter 60 mmHg sinke.

Schlafmedizinische Therapie bei Hypertonikern oft indiziert

20 bis 30 Prozent der Patienten mit arterieller Hypertonie sind jedoch therapieresistent: Ihr Blutdruck kann trotz Behandlung mit drei oder mehr Medikamenten, darunter mindestens ein Diuretikum, nicht in den Ziel- bereich gesenkt werden. „Ihr Anteil könnte durch schlafmedizinische In- terventionen deutlich gesenkt wer- den, denn zu den häufigsten Ur- sachen der Therapieresistenz von Hypertonikern gehören obstruktive Schlafapnoen“, meinte Prof. Dr. med.

Heinrich Becker (Hamburg).

Zu bedenken sei, dass mehr als 50 Prozent der 1,6 Millionen Bun- desbürger mit klinisch relevanter Herzinsuffizienz von schlafbezo- genen Atmungsstörungen betroffen seien, berichtete Prof. Dr. med. Tho- mas Podszus vom Sana-Klinikum in Hof. Dass die obstruktive Schlaf- apnoe (OSA) ein unabhängiger Risi-

1EUROSPIRE III = European Action on Secondary and Primary Prevention of Coronary Heart Disease in Order to Reduce Events

2DETECT = Diabetes Cardiovascular Risk Evalua- tion: Targets and Essential Date for Commitment and Treatment

JAHRESTAGUNG DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR INNERE MEDIZIN

Ein Patient, viele Erkrankungen

Komorbidität stand im Fokus des Internistenkongresses in Wiesbaden. Patienten mit

kardiovaskulären Erkrankungen haben häufig schlafbezogene Atmungsstörungen

und werden nicht ausreichend behandelt. Das gilt auch für ältere Hypertoniker.

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kofaktor für den Bluthochdruck ist, wurde in vielen klinischen Untersu- chungen belegt und gilt als wissen- schaftlich gesichert. Ab einem Index von 15 Apnoe/Hypopnoe-Episoden pro Stunde (AHI) verdoppelt sich das Risiko für einen Hypertonus, ab ei- nem AHI von 30 verdreifacht es sich sogar im Vergleich zu Probanden oh- ne OSA. Als pathologisch gilt die Atmungsstörung ab einem AHI von fünf, ab 30 spricht man von einer schwergradigen Form. „Circa 60 Pro- zent der Patienten mit obstruktiver

Schlafapnoe haben einen Hyperto- nus“, erklärte Becker.

Die Mechanismen: Die durch den Atemstillstand ausgelöste Hypoxie und Hyperkapnie und die anschlie- ßende Weckreaktion führen bei ob- struktiver Schlafapnoe zu einem mas- siven Anstieg des mittleren arteriellen Blutdrucks – im Einzelfall von mehr als 100 mmHg. Die damit einherge- hende Steigerung der Aktivität des sympathischen Nervensystems hält bei länger bestehender Schlafapnoe über die Nacht hinaus an und erhöht den Blutdruck und die Herzfrequenz auch am Tag. Der Weg zur Herzinsuf- fizienz wird gebahnt über eine Zu- nahme der Füllungsdrücke des Her- zens mit einem Anstieg der links- ventrikulären Nachlast bis hin zur linksventrikulären Dysfunktion.

„Der niedergelassene Arzt sollte bei neu diagnostiziertem Hypertonus an die Möglichkeit einer obstruk- tiven Schlafapnoe denken mit den drei Symptomen Tagesschläfrigkeit, Schnarchen und Atemstillstände wäh- rend der Nacht“, sagte Becker. Die

Diagnose könne bei Verdacht durch eine ambulante Polygrafie, bei wei- terem Abklärungsbedarf auch mit der Polysomnografie gestellt wer- den. Die Empfehlung, das Körperge- wicht im Normbereich zu halten, gelte für alle Schweregrade einer At- mungsstörung.

Bei einem AHI bis 20 könnten Unterkieferprotrusionsschienen die verengten oberen Atemwege erwei- tern helfen. Sie besserten die Sym- ptomatik bei etwa 50 Prozent der Pa- tienten mit einem AHI unter 25; bei

höherem Schweregrad lasse sich meist kein gutes Ergebnis erzielen.

Ab einem AHI von 30 sei die nasa- le kontinuierliche positive Über- druckbeatmung (nCPAP) Methode der Wahl, teilte Becker mit. Bei fast allen Patienten lasse sich das Krankheitsbild mit CPAP normali- sieren oder bessern, der mittlere, ar- terielle Blutdruck werde beim Hy- pertoniker mit obstruktiver Schlaf- apnoe um 10 mmHg gesenkt.

Zentrale Atmungsstörung Folge von Herz-Kreislauf-Erkrankung

Zentrale Atmungsstörungen, zu de- nen die Cheyne-Stokes-Atmung (CSA) gehört, seien häufig Folge einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, so Prof. Dr. med. Winfried J. Rande- rath (Solingen). Gemeinsam sei ih- nen die Apnoe; anders aber als bei der obstruktiven Schlafapnoe, bei der die Weckreaktion die Atem- störung beende, löse sie bei zentra- len Schlafapnoen keine normale Atmungsreaktion aus. Zentrale At- mungsstörungen erhöhten die Sterb-

lichkeit bei Herzinsuffizienz, sagte Randerath. Auch hier sei ein Thera- pieversuch mit CPAP sinnvoll. Ist die Behandlung effektiv, wobei die optimalen Drücke Randerath zufol- ge noch nicht bekannt sind – bessern sich die respiratorische und die kar- diale Funktion. Der Behandlungser- folg solle rasch kontrolliert werden, möglichst schon in der ersten Thera- pienacht, rät der Forscher. „Wird ein AHI von 40 nur auf 20 oder 25 ge- senkt, wäre ich nicht zufrieden.“

Dann sei die adaptive Servoven- tilation (ASV) eine Alternative, die derzeit als effektivste Therapieform schlafbezogener Atmungsstörungen gilt. Bei der ASV wird die Druckun- terstützung automatisch und konti- nuierlich der variierenden Spontan- atmung angepasst. Dadurch gelinge es, auch bei herzinsuffizienten Pa- tienten mit Cheyne-Stokes-Atmung und/oder zentralem Apnoesyndrom die Tagesschläfrigkeit zu mindern und die Grunderkrankung mit einge- schränkter linksventrikulärer Pump- funktion zu bessern.

Empfehlungen zur Therapie von herzinsuffizienten Patienten mit nicht erholsamem Schlaf oder zen- traler Schlafapnoe werde die Deut- sche Gesellschaft für Schlafmedizin in diesem Jahr in Form von S3-Leit- linien veröffentlichen, berichtete Podszus. Empfehlenswert seien bei unklarer Diagnose die polysomno- grafische Abklärung und die Thera- pie der Grunderkrankung mit dem Ziel, die zentrale Atmungsstörung zu beseitigen oder zu bessern. Bei der zentralen Apnoe mit Cheyne-Stokes- Atmung würden Druckatmungsthe- rapien empfohlen wie nCPAP, bi- levelpositiver Atemwegsdruck und ASV, wobei mit ASV nach derzeiti- gem Kenntnisstand die höchsten Ef- fekte zu erreichen seien. Mit einer effektiven Therapie solle die kar- diovaskuäre Morbidität vermindert werden, und möglicherweise lasse sich auch die Mortalität senken.

Denn das Risiko für Vorhofflim- mern bei Patienten mit schwerer OSA ist im Vergleich zu Menschen mit gesundem Schlaf um den Faktor vier erhöht, die Sterberate um das

2,5-fache. I

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze Christine Vetter

Foto:Heinrich Becker,Hamburg

Bei der kontinu- ierlichen positi- ven Überdruckbe- atmung (CPAP) wird über die Nase Luft zugeführt. Der Druck auf die Atem- wege verhindert die Obstruktion.

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