468 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009
M E D I Z I N
Frühwarnzeichen
In der Übersichtsarbeit wird das wichtige Syndrom reti- nale Blutung genannt. Diese Verletzungsfolge wird lei- der bei der Diagnostik des Schütteltraumas vernachläs- sigt – obwohl erfahrene Pädiater gerade diese Verände- rung für beweisend halten.
Die Fundoskopie als nicht invasive Maßnahme kann besonders bei den unklaren Verdachtsfällen Klarheit in der Diagnostik schaffen.
Zusätzlich ist auf die Frühwarnzeichen bei Schüttel- trauma hinzuweisen:
>sehr junge Eltern mit geringen psychosozialen Res- sourcen
>Wunsch der Mutter, primär abzustillen
>häufige Arztbesuche wegen Bagatellbeschwerden, oft auch außerhalb der normalen Praxiszeit
>Trinkschwäche, Fütterungsschwierigkeiten, Schlaf- störungen
>Irritabilität oder Lethargie des Kindes.
Die Informationskampagne „Vorsicht zerbrechlich“
der Autorinnen Ute Thyen und Irene John findet man unter www.kinderschutzbund-sh.de
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0468a
LITERATUR
Matschke J, Herrmann B, Sperhake J, Körber F, Bajanowski T, Glatzel M:
Shaken baby syndrome—a common variant of nonaccidental head in- jury in infants [Das Schütteltrauma-Syndrom. Eine häufige Form des nicht akzidentellen Schädel-Hirn-Traumas im Säuglings-und Kleinkin- desalter]. Dtsch Arztebl Int 2009, 106: 211–7.
Dr. med. Harald Stutzer Stahlhopsweg 32 31535 Neustadt
Schlusswort
Wir danken Herrn Kollegen Stutzer für seine freundli- che Stellungnahme zu unserem Beitrag (1). Die retina- len Blutungen sind tatsächlich ein essenzielles Symptom des Schütteltrauma-Syndroms. Wie auch in unserem Beitrag gefordert, sollte eine ausführliche augenärztli- che Untersuchung inklusive der Dokumentation etwai- ger Befunde daher in jedem Verdachtsfall erfolgen. Al- lerdings geht die Mehrzahl der Untersucher davon aus, dass retinale Blutungen für die Diagnose eines Schüttel- traumasyndroms weder per se beweisend noch zwin- gend notwendig sind (2). Auf die psychosozialen Risi-
kofaktoren eines Schütteltrauma-Syndroms im Sinne der genannten „geringen psychosozialen Ressourcen“
hatten wir in unserem Beitrag bereits hingewiesen. Inso- fern mögen auch die von Herrn Stutzer als „Frühwarn- zeichen“ angeführten Situationen (wie etwa der
„Wunsch der Mutter, primär abzustillen“ oder „häufige Arztbesuche wegen Bagatellbeschwerden“) in einem ähnlichen Zusammenhang stehen – allerdings sind uns aus der wissenschaftlichen Literatur keine systemati- schen Untersuchungen zu diesen Punkten bekannt. Be- sonderer Dank gebührt dem Hinweis auf die Informati- onskampagne „Vorsicht zerbrechlich“ des Kinder- schutzbundes Schleswig-Holstein. Auf die besondere Bedeutung von öffentlichen Aufklärungskampagnen hatten wir unter Verweis auf den Umstand, dass in den USA 4,4 Prozent der befragten Eltern angaben, ihr Kind
„as a means of discipline“ zu schütteln (3), hingewiesen.
DOI: 10.3238/arztebl.2009.0468b
LITERATUR
1. Matschke J, Herrmann B, Sperhake J, Körber F, Bajanowski T, Glatzel M: Shaken baby syndrome—a common variant of nonaccidental head injury in infants [Das Schütteltrauma-Syndrom. Eine häufige Form des nicht akzidentellen Schädel-Hirn-Traumas im Säuglings- und Kleinkindesalter]. Dtsch Arztebl Int 2009, 106: 211–7.
2. Matschke J, Püschel K, Glatzel M: Ocular pathology in shaken baby syndrome and other forms of infantile non-accidental head injury. Int J Legal Med 2009; 123: 189–97.
3. Runyan DK: The challenges of assessing the incidence of inflicted traumatic brain injury. Am J Prev Med 2008; 34: 112–5.
Dr. med. Jakob Matschke Forensische Neuropathologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52
20246 Hamburg E-Mail: matschke@uke.de
Interessenkonflikt
Die Autoren beider Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zu dem Beitrag
Das Schütteltrauma-Syndrom
Eine häufige Form des nicht akzidentellen Schädel- Hirn-Traumas im Säuglings- und Kleinkindesalter
von Dr. med. Jakob Matschke, Dr. med. Bernd Herrmann, Dr. med. Jan Sperhake, Dr. med. Friederike Körber, Prof. Dr. med. Thomas Bajanowski,
Prof. Dr. med. Markus Glatzel in Heft 13/2009