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Fälschung - Kunst [Lexikoneintrag]

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Fälschung

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3. Kunst

Die F. scheint es in der bildenden Kunst zu geben, seitdem Kunstwerke Gegenstand einer Sammel- u n d Expertenkultur sind (vgl. / K u n s t s a m m l u n g ) . So deutete schon der röm. Dichter Horaz in seinen Satiren (2,3,18­

23) an, dass sich ein gewisser D a m a s i p p u s durch windige Expertisen zu echten u n d falschen Kunstwerken berei­

chere. U m sich gegen kursierende F. seiner Werke abzu­

sichern, fertigte im 17. Jh. der in Italien lebende Maler Claude Lorrain mit seinem sog. Uber veritatis (»Buch der Wahrheit«) ein Verzeichnis an, in d e m er alle von i h m selbst gemalten Bilder mit Hilfe einer Zeichnung u n d kurzen Beschreibung katalogisierte. Dies zeigt z u m einen, dass F. nicht n u r p o s t h u m angefertigt wurden, u n d z u m anderen, dass die gängige Definition der Echt­

heit von Kunstwerken als Identität von Entstehungszeit u n d gezeigtem Zeitstil zu kurz greift.

Produktiver ist demgegenüber das Kriterium der eindeutigen Diskrepanz zwischen d e m Vorbild des Ori­

ginals (sei dies ein einzelnes Werk oder ein Stil) u n d d e m fraglichen Objekt. Weicht dieses deutlich erkennbar ab, so kann von Replik, / K o p i e oder einer N a c h a h m u n g gesprochen werden. Eine Replik ist v o m Künstler selbst gefertigt oder kann in seiner Werkstatt entstanden u n d von i h m autorisiert sein (eigenhändige Replik, Werk­

stattreplik). Die Anfertigung einer Kopie erfolgt in der Regel von f r e m d e r H a n d außerhalb der Werkstatt, ent­

weder zeitgleich, zeitnah oder später. Eine N a c h a h m u n g

Originalveröffentlichung in: Jaeger, Friedrich (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 3. Darmstadt 2006 , Sp. 788-790

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hält sich unterschiedlich nah an das Vorbild, doch meist weniger eng als eine Kopie. Ist die Intention zur größt­

möglichen Ähnlichkeit erkennbar, so ergibt sich der Verdacht der F. Wird z.B. auch eine Signatur kopiert, u m Authentizität vorzutäuschen, ist eine Betrugsabsicht a n z u n e h m e n . Allerdings ist es schwierig, eine F.­Absicht nachzuweisen.

Im Fall der gefälschten Tiara des Saitaphernes (eines angeblich aus d e m 3. Jh. v. Chr. s t a m m e n d e n skythi­

schen Geschmeides, das der Louvre 1896 als vermeintli­

ches Original ankaufte) behauptete der später der F.

angeklagte Goldschmied, er habe den Kopfschmuck le­

diglich rekonstruieren wollen ­ als Original verkauft worden sei er danach durch einen Händler. Dies zeigt, dass zuweilen erst der Gebrauch des hergestellten Ge­

genstandes ihn zur F. macht. So liegen schon aus d e m 16.

u n d 18. Jh. Schilderungen vor, denen zufolge Kopien b e r ü h m t e r Gemälde anschließend gegen die Originale ausgetauscht wurden, u m entweder deren Schenkung zu verhindern (so erhielt der Herzog von M a n t u a als Ge­

schenk nicht Raffaels Portrait von Papst Leo X., sondern die heimlich angefertigte Kopie von der H a n d Andrea del Sartos [1.41­42]) oder aber deren Raub durch den Kopisten selbst zu kaschieren (so angeblich die Praxis des Malers Giovanni Volpato [2.108, 252]).

M a n unterscheidet daher auch zwischen zwei Arten von Verfälschungen: Objektive Verfälschungen sind m a ­ terieller N a t u r u n d täuschen z.B. mit Hilfe hinzugefüg­

ter Inschriften, künstlicher Alterungsprozeduren oder sonstiger technischer Eingriffe falsche Tatsachen vor;

subjektive Verfälschungen erreichen dies mittels ge­

fälschter Expertisen oder Herkunftsangaben. Motive der F. [5] k ö n n e n so unterschiedliche Triebkräfte wie Geldgier, Ruhmessucht, Scherz u n d Rache [6.12], Pro­

vokation oder histor. Wunschvorstellungen sein. Im letzteren Fall will der Fälscher dem, was seiner M e i n u n g nach eigentlich existieren müsste, zur gewünschten Exis­

tenz verhelfen. Gerade dieser Aspekt bedingt häufig den Erfolg von F. bei Experten u n d Publikum.

So erfüllte Han van Meegeren im f r ü h e n 20. Jh. den W u n s c h nach religiösen Sujets von Vermeer [6]. Als vermeintliche Gemälde Vermeers w u r d e n seine Bilder gefeiert, als entlarvte F. hingegen verachtet. Dies zeigt, dass erkannten F. kein Eigenwert im Sinne einer auto­

n o m e n S c h ö p f u n g oder auch n u r ein Kuriositätswert zuerkannt wird. Z u m finanziellen Schaden, der aus d e m Handel mit F. erwachsen kann, k o m m t ein m o r a ­ lischer: Da das einzelne Werk auch als D o k u m e n t einer Epoche oder eines CEuvres gilt, kann eine F. das Ge­

schichtsbild verzerren. Entlarvt werden Kunst­F. durch Geständnisse bzw. belastende Zeugnisse (van Meegeren) sowie naturwiss. Untersuchungen [4], die gelegentlich durch stilkritische Analysen angestoßen werden. Es hat sich gezeigt, dass F. insofern ein Spiegel ihrer eigenen

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Epoche sein können, als sie eine v o m Zeitgeschmack ge­

prägte Interpretation bestimmter / E p o c h e n oder CEuvres vorführen [7.64].

—• Kopie; Kunsttheorie; Mimesis Quellen:

[1] G. VASARI, Le Vite, hrsg. von G. Milanesi, 1906 [2] G. VERCI, Notizie intorno alla vita e alle opere de' pittori, scultori et intagliatori della cittä di Bassano, 1775.

Sekundärliteratur:

(3] H. ALTHöFER (Hrsg.), Fälschung und Forschung (Ausst.kat.

Museum Folkwang, Essen), 1976 [4] P. BLOCH, Gefälschte Kunst, in: Zsch. für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 2 3 , 1 9 7 8 , 5 2 ­ 7 5 [ 5 ] K. D ö H M E R , S o z i o l o g i e d e r K u n s t f ä l s c h u n g , in: Zsch. für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 23,1978, 76­95 [6] J. GODLEY, Van Meegeren. A Case History, 1967 [7] A. GRAFTON, Fälscher und Kritiker. Der Betrug in der Wis­

senschaft, 1991 (8] S. RöMER, Künstlerische Strategien des Fake.

Kritik von Original und Fälschung, 2001.

Henry Keazor

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