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Archiv "Heinrich Heine: „Sie küßte mich krank“" (18.03.2005)

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ber Heinrich Heines Krankheiten ist viel geschrieben, spekuliert und gestritten worden. So präsentierten beispielsweise Rechtsmediziner der Univer- sitäten Düsseldorf und Göt- tingen die These, dass Hein- rich Heine an einer Bleiver- giftung gestorben sei. Sie hielten es sogar für möglich, dass er ermordet wurde (dazu DÄ, Heft 1–2/1998). Der Berliner Neurologe Prof. Dr.

med. Roland Schiffter ist da anderer Ansicht. In einer jetzt vorgelegten Publikation ver- tritt er die Auffassung, dass Heine mit sehr großer Wahr- scheinlichkeit „an einer so ge- nannten meningovaskulären Lues gelitten hat“.

Der gut gesicherte Beginn der neurologischen Krankheit Heinrich Heines ist der Som- mer des Jahres 1832. So teilte er am 24. August seinem Freund F. Merckel mit:

„Obgleich an einer lahmen und schwachen Hand lei- dend, bekomme ich doch plötzlich den Drang, Dir zu schreiben.“ In einem Brief an J. H. Detmold vom 16. Januar 1838 äußerte er:

„Ein böses Missgeschick hat vor 6 Wochen mich plötzlich überfallen: Ich konnte plötzlich nicht mehr sehen oder vielmehr sah ich alles doppelt und verfließend, ein Zustand, der bis heute nicht ganz be- hoben ist.“ Schiffter sieht damit eine Nervus-oculo- motorius-Lähmung für praktisch gesichert an.

Eine Verschlechterung mit neuen neurologischen

Symptomen schildert Heine in einem Brief vom 12. April 1843 an seinen Bruder Maxi- milian: „Fast die ganze linke Seite ist paralysiert, in Bezug auf die Empfindung, die Be- wegung der Muskeln ist noch vorhanden.“ Im Revolutions- jahr 1848 verschlechterte sich Heines Gesundheitszustand unaufhaltsam. Mitte Mai des Jahres begab er sich noch ein- mal in den Louvre zur Venus von Milo. Danach konnte er seine Wohnung nie mehr selbstständig verlassen, die Zeit der „Matratzengruft“

begann. Heinrich Heine starb am 17. Februar 1856 in Paris.

Der Dichter wurde nach den damals anerkannten Re- geln der „romantischen Medi- zin“ behandelt. Das wichtigste Medikament, das er jahrelang bis zu seinem Tod einnahm oder über ein Haarseil oder Brandwunden resorbierte, war Opium beziehungsweise Mor- phium. Wahrscheinlich wichtig und in Grenzen wirksam war seine Behandlung mit Eisenjo- did beziehungsweise Jodkali.

Die Frage der Ansteckung konnte nicht zuverlässig ge- klärt werden; viel wichtiger erscheint Schiffter jedoch auch die Tatsache, dass Heine selbst davon überzeugt gewe- sen sei, venerisch infiziert zu sein. So deutete Heine in ei- nem Briefentwurf an Louis- Désiré Véron vom 15. Sep- tember 1848 an, seine Rük- kenmarkserkrankung sei die

„Krankheit der glücklichen Männer“, also die Folge einer Geschlechtskrankheit. In der

„Nachlese“ (1854–1856) fand Schiffter folgende Verse:

„Es hatte mein Haupt die schwarze Frau zärtlich ans Herz geschlossen; ach meine Haare wurden grau, wo ihre Tränen geflossen. Sie küßte mich lahm, sie küßte mich krank, sie küßte mir blind die Augen; das Mark aus meinem Rückgrat trank ihr Mund mit wildem Saugen.“

Für Schiffter gibt es nur eine mögliche Diagnose:

Die Analyse der verfügbaren Briefe und anderen schrift- lichen Quellen bestätige nachdrücklich die alte Diagnose einer Neurosy- philis in Form der chroni- schen Meningitis mit kra- nialer Polyneuritis und ausgedehnter Polyradi- kulitis, der früher so ge- nannten Lues cerebro- spinalis. Der sich über 25 Jahre erstreckende chronisch rezidivierende Verlauf mit multiplen schweren Hirnnervenläh- mungen, dramatischen radikulären Neuralgien und radikulären Pare- sen sowie inkomplettem zervikothorakalen Quer- schnittssyndrom und fi- nalen Hustenattacken und Brechanfällen bei Fehlen von Hirn- und Hirnstammsymptomen

lasse kaum eine andere Dia- gnose zu.

Es könne als ausgeschlos- sen gelten, dass man eine tu- berkulöse Meningitis an der Schädelbasis und dem ge- samten Spinalkanal 24 Jahre überleben könne, und erst recht nicht eine generalisierte Tuberkulose mit „Multior- ganbeteiligung“. Für ebenso unwahrscheinlich hält Schiff- ter es, dass Heine ausschließ- lich an einer chronischen Bleivergiftung gelitten habe.

Die Gesamtheit der klini- schen Symptomatik und der Krankheitsverlauf seien mit

einer Bleipolyneuropathie oder gar einer Bleienzepha- lopathie unvereinbar. Ebenso ließen sich eine multiple Skle- rose oder eine amyotrophe Lateralsklerose als Ursache seiner neurologischen Sym- ptome und seines Sterbens weitgehend ausschließen. Die schweren über Jahre undulie- renden peripheren Hirnner- venlähmungen ohne Hinweis auf Hirnstammschädigung kämen bei multipler Sklerose ebenso wenig vor wie die schweren radikulären neural- gischen Schmerzanfälle fast des ganzen Körpers und die eindeutig peripher-neuroge- nen Lähmungen in Armen

und Beinen. Kli

Literatur

Schiffter R: Das Leiden des Heinrich Heine, Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2005; 73: 30–43.

Prof. Dr. med. Roland Schiffter, Wiesener- straße 53, 12101 Berlin, E-Mail: urschiffter

@gmx.de V A R I A

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 1118. März 2005 AA767

Heinrich Heine

„Sie küßte mich krank“

Der Dichter scheint überzeugt gewesen zu sein, an einer Geschlechtskrankheit zu leiden.

Zu fragmentarisch ist Welt und Leben

Zu fragmentarisch ist Welt und Leben!

Ich will mich zum deutschen Professor begeben.

Der weiß das Leben zusammenzusetzen,

Und er macht ein verständlich System daraus;

mit seinen Nachtmützen und Schlafrockfetzen Stopft er die Lücken des Weltenbaus.

Heinrich Heine

Heinrich Heine auf dem Krankenlager, Holzstich um 1865, nach einem Gemälde von Heinrich Lefler

Feuilleton

Fotos:picture alliance/akg-images

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