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Archiv "Charité – Universitätsmedizin Berlin: „Massenflucht“ der Ärzte" (17.09.2004)

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ass es in Deutschland zunehmend an Ärzten mangelt, ist nicht neu.

Umso verwunderter dürften sich Klinikchefs bei der Lektüre des Stel- lenmarktes des Deutschen Ärzteblat- tes, Heft 36/2004, die Augen gerieben haben. 270 Fach- und Assistenzärzte der Berliner Charité schalteten dort ei- ne halbseitige Sammelanzeige, in der sie „aufgrund verschlechterter Arbeits- bedingungen durch neue Tarifverträge neue, interessante Aufgaben“ suchen.

Die Ärzte, so heißt es in der Annonce, befinden sich in „ungekündigter Stel- lung“ und sind „wissenschaftlich ausge- wiesen, in Klinik und Lehre engagiert“.

Droht dem größten Universitätskli- nikum Europas nun eine „Massen- flucht“ hoch qualifizierter Assistenz- und Fachärzte? Wohl nicht, ist doch die ungewöhnliche Stellenanzeige ei- ne Protestaktion empörter Ärzte gegen die neuen Tarifverträge des Hauses.

Nachdem die Klinik aus dem Arbeit- geberverband ausgetreten war, verord- nete der Vorstand bereits zum 1. April 2004 – wegen dringend notwendiger Einsparungen – Gehaltsänderungen bei Neueinstellungen und Vertragsverlän- gerungen (DÄ, Heft 23/2004). Seither beträgt die Wochenarbeitszeit für neue Arbeitnehmer einheitlich 40 Stunden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld entfal- len. Das Einstiegsgehalt wird weiterhin nach Bundesangestellten-Tarif (BAT) gezahlt, jedoch ohne die bislang auto- matische Steigerung. Diese Übergangs- regelung gilt, bis ein neuer Haustarif- vertrag ausgehandelt ist.

Das Ausscheren der Berliner Charité aus dem Arbeitgeberverband sei kein Einzelfall, sagt der Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery. „Bundes- weit – so zum Beispiel in Heidelberg, Ulm, Hamburg und Kiel – erwägen

Unikliniken einen solchen Schritt oder sind ihn bereits gegangen.“

In Berlin hat die Stellenanzeige im Deutschen Ärzteblatt für gehörigen Wir- bel gesorgt. Die Tagespresse berichtete ausführlich darüber, und die Politik, Ge- werkschaften sowie die Ärztekammer Berlin signalisierten Unterstützung. Mitt- lerweile sei es auch zu einem Gespräch mit der Klinikleitung gekommen, be- richtet Dr. med. Olaf Guckelberger, As- sistenzarzt an der Charité und Mitinitia- tor des Stellengesuchs. Inhaltlich sei man dabei aber nicht weitergekommen. Guk- kelberger und seine Mitstreiter sind kei- ne erfahrenen Politaktivisten. Lange ha- be man überlegt, wie die breite Öffent- lichkeit erreicht werden könnte. Guckel- berger: „Dann kam uns der Gedanke:

Warum bieten wir uns nicht selbst an?“

Gleiche Arbeit – verschiedene Einkommen

Dass gespart werden muss, weiß auch Guckelberger. Schmerzlich seien die Kürzungen bei Neueinstellungen und Vertragsverlängerungen dennoch. Zu- mal viele Ärzte nur Ein- oder Zweijah- resverträge hätten. „Laufen die Verträge aus, werden sie nach den neuen schlech- teren Konditionen verlängert“, so Guk- kelberger. Folglich bekämen Ärzte mit gleicher Qualifikation für die gleiche Arbeit unterschiedlich hohe Gehälter.

Montgomery weist darauf hin, dass Ärzte an Universitätsklinika wegen der hohen Fluktuation von der Verschlech- terung stärker betroffen seien als an- dere Beschäftigte. Am Universitätskli- nikum Schleswig-Holstein habe man festgestellt, dass die Fluktuation unter Ärzten bei etwa 20 Prozent liege, im Ge- gensatz zu gerade mal zwei Prozent beim übrigen Personal.

Der Vorstandsvorsitzende der Cha- rité, Prof. Dr. med. Detlev Ganten, vertei- digte unterdessen seinen Sparkurs. Man habe die Arbeitsverträge angepasst an die bereits übliche Praxis von Bund und Ländern sowie von Drittmittelgebern wie der Deutschen Forschungsgemein- schaft. „Diese Maßnahme ist uns nicht leicht gefallen.“ Wegen der notwendigen Einsparungen sei sie aber ohne Alter- native. So hatte das Klinikum 2003 mehr als 50 Millionen Euro an Bilanz- verlust zu verzeichnen. Weil die Spar- vorgaben des chronisch klammen Berli- ner Senats ohnehin Einschnitte in Höhe von 98 Millionen Euro vorsahen, muss die Charité bis 2010 rund 150 Millionen Euro einsparen. Trotzdem will Ganten die Charité bis zur 300-Jahr-Feier in sechs Jahren wieder in den Kreis der Top-Universitäten führen. Unter dem breiten Begriff der Lebenswissenschaf- ten und der evolutionären Medizin will Ganten in Berlin ein Zentrum der Ge- nomforschung etablieren.

Ob die Klinik das ehrgeizige Ziel mit der jetzigen Regelung erreichen kann, ist fraglich. Dr. med. Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin, hält den Protest für berechtigt und die Form für originell. Die Auftraggeber der Stellenanzeige seien „allesamt en- gagierte Leute, die klare Antworten verdienen“.

Kampagnensprecher Guckelberger hofft, durch die mediale Offensive die festgefahrenen Verhandlungen über ei- nen neuen Haustarifvertrag vorantrei- ben zu können. Der Rücklauf der Stellenanzeige werde zeigen, dass ande- re Klinika – auch im Ausland – eine Kon- kurrenz sind. Montgomery warnt schon jetzt: „Sparmaßnahmen auf Kosten der Leistungsträger sind eine Methode zur direkten Förderung der Wissenschaft – außerhalb Deutschlands.“ Samir Rabbata P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3817. September 2004 AA2497

Charité – Universitätsmedizin Berlin

„Massenflucht“ der Ärzte

Immer mehr Universitätsklinika wollen bei den Einkommen

der Mitarbeiter sparen. Ärzte der Berliner Charité protestierten mit einer

Stellenanzeige im Deutschen Ärzteblatt gegen neue Tarifverträge.

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