KASSENARZTRECHT
Wie frei ist der Arzt?
Grundsätzlich übt ein niedergelassener Arzt einen freien Beruf aus. Doch er trägt ein enges Korsett:
gut versorgen, aber zugleich effizient wirtschaften.
S
chon seit vielen Jahren rich- tet sich die Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen auf eine effi- ziente Versorgung. Das politische Mittel der Wahl ist ein verstärkter Wettbewerb zwischen den Leis- tungserbringern – auch unter nie- dergelassenen Ärzten. Ob das gel- tende Recht für diesen Wettbewerb genügt, wurde beim Symposium„Der Arzt als Unternehmer“ – ver- anstaltet von der Deutschen Gesell- schaft für Kassenarztrecht – in Ber- lin diskutiert.
Muss die Rechtsprechung wett- bewerbsfreundlicher werden, oder soll man zum Schutz der Patienten an der alten Rechtsprechung fest- halten? „Der Arztberuf ist kein Ge- werbe, bei dem die Gewinnerzie- lung das einzige Ziel ist“, sagte Reinhard Gaier, Richter des Bun- desverfassungsgerichts. Ärzte be- fänden sich in einem Dilemma.
Zum einen hätten sie den Anspruch, ihre Patienten bestmöglich zu be- handeln. Festgehalten ist dies auch in der Berufsordnung. Dort steht im ersten Absatz „Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzel- nen Menschen und der Bevölke- rung“. Zum anderen seien Ärzte Unternehmer in einem wettbewerb- lich orientierten Gesundheitsmarkt.
Dort müssten sie Gewinne erwirt- schaften. Dadurch komme es im- mer wieder zu Situationen, in denen der Arzt sich zwischen dem, was für den Patienten das Beste wäre, und dem, was wirtschaftlich sei, ent- scheiden müsse.
„Grundsätzlich ist die Tätigkeit des Vertragsarztes kein öffentlicher Dienst“, stellte Gaier klar. Der Arzt- beruf sei ein freier Beruf, der durch den Artikel 12 des Grundgesetzes geschützt sei. Der Artikel sichert je- dem Menschen in Deutschland zu, seinen Beruf frei wählen und aus- üben zu können. Diese Freiheit
könne aber eingeschränkt werden, fuhr Gaier fort, wenn dies beispiels- weise dem Gemeinwohl diene. Im Fall des Arztes rechtfertige die Si- cherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversiche- rung einen solchen Eingriff, meinte der Verfassungsrichter.
Auch Dr. med. Carl-Heinz Mül- ler, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hält Einschrän- kungen in die Berufsfreiheit für nachvollziehbar, „wenn sie dem Ziel einer qualitativ hochwertigen Versorgung und einer effizienten Mittelallokation dienen“. Dies könnten bestimmte Leitlinien, klar definierte Schnittstellen oder sekto- renübergreifende Behandlungspfa- de sein. Denn Vertragsärzte trügen nicht nur Verantwortung für die Gesundheit des einzelnen Patien- ten, sondern auch für die der ge- samten Bevölkerung. Sie seien, sagte Müller, mitverantwortlich für eine funktionierende, solidarische Gesundheitsversorgung. Jedoch kön - ne man auch Strukturen schaffen, die Ärzten bessere Arbeitsbedin- gungen böten und trotzdem Patien- ten effizienter versorgten.
Jürgen Bodemeyer, Mitarbeiter des Projektteams der Rhön-Klini- kum AG, stimmt Müller zu. Er verwies auf Medizinische Versor- gungszentren (MVZ) als eine at- traktive Alternative zur klassischen Niederlassung. Hier könne das wirtschaftliche Risiko einer Praxis- übernahme vermieden und interdis- ziplinär gearbeitet werden.
Aber Medizinische Versorgungs- zentren haben auch Nachteile. So heißt es in der Auswertung des MVZ-Surveys 2008 der KBV: „Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Produktivität angestellter Ärzte im Vergleich zu selbstständig tätigen niedriger liegt.“ ■
RasmusCloes
A 254 Deutsches Ärzteblatt