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Archiv "Kassenarztrecht: Politik darf gestalten" (08.11.2002)

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enig Aussicht auf Erfolg haben derzeit Verfassungsklagen gegen Beschränkungen der kassen- ärztlichen Honorare durch die Politik.

Dies machte Renate Jaeger,Richterin des Bundesverfassungsgerichts,anlässlich der 34. Richterwoche des Bundessozialge- richts (BSG) in Kassel deutlich. Denn in der Gesetzlichen Krankenver-

sicherung (GKV) habe der Gesetzgeber unter Berück- sichtigung von Gemeinwohl- belangen vielfältige Interessen auszugleichen. Deshalb kom- me ihm eine große Gestal- tungsfreiheit zu. Die Politik, nicht die Verfassung, müsse al- so darüber entscheiden, „wel- ches der richtige Weg zu einer angemessenen Gesundheits- versorgung der Bevölkerung ist“. Gerade in der GKV sei

häufig nicht erkennbar, dass alle vom Ge- setzgeber verfolgten Ziele mit Mitteln, die die Belange einzelner Betroffener we- niger beeinträchtigen, erreicht werden können. Bestimmte Maßnahmen zur Er- reichung des gesetzgeberischen Zwecks seien nicht unverhältnismäßig, nur weil nicht alle Betroffenen durch die gesetzli- chen Vorkehrungen gleichmäßig belastet werden. Jaeger betonte, dass das Einkom- men der Kassenärzte insgesamt ausrei- chend sei. Deshalb habe auch die BSG- Rechtsprechung, wonach Ärzte nicht für jede GKV-Leistung Kostendeckung for- dern könnten, weiterhin Gültigkeit.

Hinsichtlich der in den Berufsordnun- gen der Freien Berufe enthaltenen Wer- beverbote habe das Bundesverfassungs- gericht mit Entscheidungen der vergan- genen Jahre zur Liberalisierung beigetra- gen. Wegen der durchaus unterschiedli- chen Leistungsangebote sei eine offene Informationspolitik notwendig, an der der einzelne Berufsangehörige mitwir- ken darf. Korrekte Hinweise in sachlicher

Form, die keine Irreführung bewirken, seien zulässig. Die Berufsgruppen sollten den mündigen Patienten und dessen

„Empfängerhorizont“ nicht unterschät- zen, betonte Jaeger.

Auf die grundsätzliche Bedeutung des BSG-Urteils vom 30. Januar 2002 über die Zulassung zur vertragspsychothera- peutischen Versorgung (Az.

B 6 KA 20/01 R) wies Dr.

Klaus Engelmann, Vorsitzen- der Richter des 6. BSG-Senats (Kassenarztrecht), hin. Der Klägerin war die Zulassung verweigert worden, weil sie ih- re Halbtagsstelle nicht hatte aufgeben wollen. Man müsse davon ausgehen, dass jemand, der über einen bestimmten Rahmen hinaus beruflich ge- bunden ist, den mit einer ver- tragsärztlichen Tätigkeit ver- bundenen Verpflichtungen,wie etwa Not- dienst oder bestimmten Sprechzeiten, nicht ausreichend nachkommen könne, präzisierte Engelmann. Zwar seien von dem Urteil des 6. Senats vor allem Psy- chotherapeuten betroffen, doch gelte die Entscheidung auch allgemein für die ver- tragsärztliche Versorgung. Zweifelsfrei müsse die vertragsärztliche Tätigkeit des Zulassungsbewerbers als dessen Haupt- beruf bestimmt

werden können.

Ein anderes Be- schäftigungsver- hältnis dürfe nur einen deutlich un- tergeordneten Umfang haben – das BSG nannte als Richtwert ein Drittel der übli- chen Wochenar- beitszeit abhän- giger Beschäfti- gungsverhältnisse,

also rund 13 Stunden. Ein rückwirkender Ausschluss scheint Engelmann jedoch nicht möglich zu sein. Er verwies in die- sem Zusammenhang auf Beschwerden von Ärzten, dass viele zugelassene Psy- chotherapeuten nur in einem geringen Umfang innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung tätig seien. De jure bestehe eine Überversorgung in den Planungsbe- reichen, doch de facto könnten Ärzte ihre Patienten oft nur schwer in eine psycho- therapeutische Behandlung vermitteln.

Für erhebliches Aufsehen hatte das BSG mit seiner Entscheidung vom 15.

Mai 2002 über die Bemessung der Praxis- budgets für Hautärzte gesorgt (Az.

B 6 KA 33/01 R). Zwar hatte das Gericht die Revision des Klägers zurückgewiesen und die Rechtmäßigkeit des umstrittenen Praxisbudgets für das Jahr 1998 bestätigt.

Der 6. Senat habe sich – so Engelmann – jedoch für die Überprüfung der Normset- zung über den eigentlich verhandelten Zeitraum hinaus entschieden und festge- stellt, dass die Daten, die den Praxisbud- gets der Hautärzte zugrunde liegen, die Wirklichkeit nicht mehr abbilden. Der Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen war bis Ende des Jahres 2002 zu einer Überprüfung der geltenden Honorierung aufgefordert worden. „Das Problem, das wir verursacht haben, muss gelöst werden“, sagte Engelmann. Denn Honorarbescheide auf der Grundlage des alten Kostensatzes und Praxisbudgets müssten ab dem ersten Quartal 2003 als rechtswidrig beurteilt werden. Die Eini- gung zwischen der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung und den Krankenkassen über eine rechtzeitige Einführung des

„EBM 2000 plus“ steht allerdings noch aus, sodass eine Vielzahl von Klagen zu befürchten ist. Thomas Gerst P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002 AA2979

Kassenarztrecht

Politik darf gestalten

Anlässlich der Richterwoche des Bundessozialgerichts wurden aktuelle Rechtsfragen der vertragsärztlichen Versorgung erörtert.

Renate Jaeger: Nicht die Verfassung, sondern die Politik entscheidet.

Bundessozialgericht in Kassel: Urteile mit weitreichender Bedeutung

Fotos:dpa

Referenzen

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