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Archiv "Interview mit Prof. Dr. Walter Schwerdtfeger, Leiter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) „Wir wollen ganz vorne mitspielen“" (10.01.2011)

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„Wir wollen ganz vorne mitspielen“

Über die Zulassung von Arzneimitteln wird inzwischen überwiegend auf europäischer Ebene ent- schieden. Im Wettbewerb der nationalen Zulassungsbehörden will das BfArM seine Rolle ausbauen.

Herr Professor Schwerdtfeger, bei Ih- rem Amtsantritt Ende Oktober haben Sie angekündigt, die internationale Ver- netzung und die Forschungsaktivitäten des BfArM weiter voranzutreiben. Was genau haben Sie vor?

Schwerdtfeger: Die internationale Vernetzung betrifft in erster Linie das europäische Geschäft. Wir sind einer der wichtigsten Partner im Netzwerk der europäischen Zulas- sungsbehörden, die mit der Euro - pean Medicines Agency, der EMA, in London zusammenarbeiten. Wir können bei der Verteilung der Zu- lassungsanträge auf die europä - ischen Behörden unsere Rolle noch ausbauen.

INTERVIEW

mit Prof. Dr. Walter Schwerdtfeger, Leiter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Wo steht das BfArM im Wettbewerb der europäischen Zulassungsbehörden?

Schwerdtfeger: Insgesamt sind wir bei den zentralen Verfahren, in de- nen Arzneimittel direkt in London für ganz Europa zugelassen wer- den, unter den sogenannten Rappor- teuren, den federführenden Behör- den, unter den ersten vier. Ähnlich sieht es aus bei den dezentralen Ver- fahren. Das sind die Verfahren, bei denen eine Zulassung nicht für ganz Europa erteilt wird, sondern in de- nen Anträge gleichzeitig in mehre- ren Mitgliedstaaten gestellt werden.

Deutschland ist der größte Mit- gliedstaat mit dem größten Arznei- mittelmarkt, und das BfArM ist die größte Zulassungsbehörde. Da kann man also erwarten, dass wir ganz vorne mitspielen.

Welche Kriterien legt die EMA bei der Auswahl der Rapporteure an?

Schwerdtfeger: Es gibt bei den zentralen Verfahren eine gewisse Proporzregelung. Man will ja – zu- mindest im Moment noch – vermei- den, dass das Geschäft nur von eini- gen großen Zulassungseinrichtun- gen übernommen wird. Wir haben 27 Mitgliedstaaten, und man muss alle im Rahmen ihrer Möglichkei- ten bedenken.

Walter Schwerdt- feger (61) leitet seit

Oktober 2010 das BfArM in Bonn. Der Biologe war zuvor im Bundesgesund-

heitsministerium Leiter der Abteilung

„Arzneimittel, Apo- theken“ und hatte damit die Fachauf-

sicht über die Zu- lassungsbehörde.

Ist die Qualität der Arbeit in den Mitgliedsländern gleich hoch?

Schwerdtfeger: Das wird wahr- scheinlich unterschiedlich betrach- tet. Formal ist der Standpunkt, dass wir ein einheitliches, harmonisier- tes Arzneimittelrecht haben, an das sich alle halten müssen. Man muss allerdings sehen, dass in kleinen Ländern wie Estland oder Litauen die umfassende Expertise, die man eigentlich braucht, noch nicht so entwickelt ist. Da haben die großen Mitgliedstaaten einen Vorteil.

Man kann aber davon ausgehen, dass sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren eine Entwicklung voll- zieht, an deren Ende möglicherwei- se eine einzige europäische Zulas- sungsbehörde steht. Das ist das Ziel der europäischen Kommission und auch der EMA. Auf dem Weg dort- hin wird es in jedem Fall eine Zen- tralisierung geben, bei der vielleicht ein halbes Dutzend größerer Ein- richtungen den überwiegenden Teil der Arbeit übernimmt, und zwar in Gebieten, in denen sie eine gewisse Exzellenz entwickelt haben. Wir könnten so etwas zum Beispiel im Bereich der psychiatrischen, neuro- logischen Erkrankungen leisten.

Welche Rolle spielt die rein nationale Zulassung noch?

Schwerdtfeger: Die nationale Zu- lassung betrifft viele Generika oder Produkte, die zum Beispiel nur in Deutschland auf dem Markt sind.

Dazu gehören viele Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen.

Vor sechs Jahren sollte das BfArM in eine Agentur umgewandelt werden.

Ziel war es, die Behörde effizienter, in- ternational wettbewerbsfähig und wis-

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10. Januar 2011 senschaftlich anspruchsvoller zu ma-

chen. Warum ist das gescheitert?

Schwerdtfeger: Im Zusammen- hang mit der Umwandlung ist viel über eine zu große Industrienähe und Gefahren für die Arzneimittel- sicherheit diskutiert worden. Denn die Agentur sollte sich aus den Zu- lassungsgebühren der Pharmain- dustrie finanzieren. Das Argument kann ich nicht nachvollziehen. Die Pharmaunternehmen haben schon immer Gebühren gezahlt für die Zulassung. Auch dieses Insti- tut trägt sich weitgehend selbst aufgrund der Gebüh- ren. Das heißt aber nicht, dass wir irgendwie abhängig wä- ren von der Industrie.

Hätten Sie sich denn gewünscht, dass es zu dieser Umstrukturie- rung kommt?

Schwerdtfeger: Die Agentur- lösung hat Vorteile. In dem Fall hätte das Institut ein eige- nes Budget und könnte über die Personalmittel frei verfü- gen. Man könnte dann qualifi- ziertes Personal angemessen be- zahlen beziehungsweise über- haupt erst einstellen. Da ha- ben wir heute ein Riesendefizit.

Das BfArM wurde in der Vergangenheit oft dafür kritisiert, dass es zu ineffektiv arbeitet.

Schwerdtfeger: Was gut funktio- niert, sind die zentralen Verfahren.

Weil das europäische Geschäft Vor- rang hat, bleibt allerdings für das nationale Geschäft nicht mehr viel Zeit. Wir versuchen, das jetzt durch entsprechende Umstrukturierungen im Haus anzugehen.

Für die Zulassung prüft das BfArM Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität eines Arznei- mittels. Wie unterscheidet sich diese Prüfung von der frühen Nutzenbewer- tung, die der Gemeinsame Bundesaus- schuss (G-BA) nach dem Arzneimittel- marktneuordnungsgesetz künftig bei Innovationen vornehmen muss?

Schwerdtfeger: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und der G-BA entscheiden künftig unter dem Aspekt der vergleichenden Nutzen- bewertung, welche Arzneimittel er-

stattungsfähig sind. Das hat mit der Verkehrsfähigkeit eines Arzneimit- tels, die das BfArM prüft, nichts zu tun. Jeder Pharmaunternehmer, der die Vorgaben des Arzneimittel- rechts – Wirksamkeit, Unbedenk- lichkeit und pharmazeutische Qua- lität – erfüllt, kann sein Produkt auf den Markt bringen. Das heißt aber noch nicht, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) es auch finanziert. Allerdings braucht der Arzt eine gewisse Bandbreite an

Medikamenten. Deswegen kann man nicht einfach sagen, das Medi- kament, das die beste Nutzenbewer- tung erhalten hat, muss auch immer angewandt werden.

Und wo liegt der Unterschied zwischen der Wirksamkeitsprüfung des BfArM und der frühen Nutzenbewertung?

Schwerdtfeger: Das BfArM prüft die Wirksamkeit eines Arzneimit- tels im Vergleich zum Behand- lungsstandard. Das neue Arzneimit- tel soll dabei dem Standardpräparat nicht unterlegen sein. Außerdem muss es eine positive Nutzen-Risi- ko-Bewertung geben.

Wenn der G-BA den Nutzen ei- nes neu zugelassenen Arzneimittels anerkennt, wird es auch erstattungs- fähig sein. Es kann zumindest in ei- ne Festbetragsgruppe mit vergleich- baren Arzneimitteln einsortiert wer- den. Will der Pharmaunternehmer einen höheren Preis ansetzen, muss er nachweisen, dass sein Produkt einen zusätzlichen Nutzen gegen- über vorhandenen Arzneimitteln

aufweist. Auch diesen Zusatznutzen prüft der G-BA. Bei positivem Er- gebnis kann der Unternehmer Preis- verhandlungen mit dem GKV-Spit- zenverband führen.

Die Wirksamkeitsprüfung anhand klini- scher Studien ist eine Sache. Eine an- dere ist es, sich die Wirkung eines Arz- neimittels in der Massenanwendung anzuschauen.

Schwerdtfeger: Das tun wir natür- lich auch. Es gibt mehrere Instru- mente, mit denen die Risi- ken permanent überwacht werden. Dazu gehört die Spontanmeldung, bei der Pharmaunternehmen an- hand von Mitteilungen der Ärzte unerwünschte Wir- kungen an die Behörden melden. In den ersten zwei Jahren nach der Zulassung aktualisiert der Hersteller zudem halbjährlich die Risi- kobewertung. In diesem Zeitraum treten am ehesten Risiken auf, die man zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht erkennen konnte.

Denn die klinischen Prüfun- gen vor der Zulassung sind zwangsläufig nur über einen ver- gleichsweise kurzen Zeitraum kon- zipiert und haben nur eine einge- schränkte Zahl von Teilnehmern.

Das bedeutet auch, dass bestimmte Bevölkerungs- und Altersgruppen in der klinischen Prüfung nicht be- rücksichtigt werden können.

Wird das BfArM unter Ihrer Leitung mehr forschen?

Schwerdtfeger: Vor sechs Jahren hat der Wissenschaftsrat gefordert, dass wir zehn Prozent der Gesamt- ausgaben für Wissenschaft und For- schung ausgeben sollen. Das haben wir bisher nicht erreicht. Für die Mitarbeiter ist es schwierig, neben ihren Amtsaufgaben Forschung zu betreiben. Es wäre wünschenswert, wenn im Bereich der Pharmafor- schung gut etablierte Wissenschaft- ler zu uns kämen, die auch ihre Ar- beitsgruppen mitbrächten. Zurzeit prüfe ich, in welchem Umfang wir das bei uns einrichten können. ■

Das Gespräch führten Heike Korzilius und Falk Osterloh.

Arzneimittel - zulassung und -überwachung sind die Kernaufga- ben des BfArM, das mit dem Regie- rungsumzug 1999 seinen Sitz von Ber- lin nach Bonn ver- legt hat. Die Behör- de beschäftigt circa 1 000 Mitarbeiter.

Fotos: Jardai

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